Mein besonderer Dank gilt Markus Schmal, Flugverkehrslotse der Deutschen
Flugsicherung (DFS), der mich bei der Beschreibung und Erläuterung der Zusammenarbeit
zwischen Flugsicherung und Piloten immer wieder unterstützt
und darüber hinaus ein Kapitel zum IFR-Flug aus der Sicht des Fluglotsen
beigetragen hat.
© 2018 Marco Del Nero
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Kontakt: www.aviation-expertise.aero
Herstellung und Verlag: BoD - Books on Demand GmbH
ISBN: 978-3-7528-3719-3
Titelbild: © Vladyslav Danilin - Fotolia.com
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HAFTUNGSAUSSCHLUSS: Alle Textinhalte in diesem Buch, einschließlich aufgezeigter Verfahren, Informationen und Abbildungen, wurden vom Autor nach bestem Wissen und Gewissen, mit größter Sorgfalt und gemäß des momentanen Stands seiner Flugerfahrung zum Zeitpunkt der Bucherstellung mitgeteilt und recherchiert. Dennoch können Fehler nicht völlig ausgeschlossen werden. Eine Haftung für fehlerhafte Angaben und deren Folgen kann seitens aller am vorliegenden Buch beteiligten Autoren nicht übernommen werden. Für Verbesserungsvorschläge und Hinweise ist der Autor jederzeit dankbar. Aufgrund der ständigen Fortentwicklung der Luftfahrt (Technik, gesetzliche Regelwerke, usw.) ist es für den Nutzer (Leser bzw. Pilot) gegebenenfalls erforderlich, unter Hinzuziehung weiterer Informationsquellen, die eigene fliegerische Herangehensweise anzupassen. Die aktuell gültigen und relevanten Rechtsnormen sowie die aktuelle Version des Flughandbuchs des jeweils geflogenen Luftfahrzeugs und des Herstellers von Avionik-Systemen gehen den Inhalten dieses Buches in jedem Fall vor und sind vom Nutzer immer prioritär zu beachten. Die im Buch abgebildeten Karten sind als Beispiele zu verstehen und dürfen nicht zur navigatorischen Zwecken bei Flugplanung oder Durchführung von Flügen benutzt werden.
Die Idee für dieses Buch entstand aufgrund des langen Fehlens eines praktischen Leitfadens für das IFR-Fliegen in der deutschen Buchlandschaft, und natürlich auch aufgrund meiner eigenen Leidenschaft für die Sache. Das hauptsächliche Ziel dieses Leitfadens ist, für Piloten eine Struktur für die Durchführung von IFR-Flügen zu schaffen, die bei jedem Flug immer wieder zur Anwendung kommen kann. Ein weiterer Grund für das Schreiben dieses Buches ist, dass detaillierte Informationen dieser Art während eines IFR-Schulfluges nicht gegeben werden können, oft noch nicht einmal in den Briefing-Sitzungen vor und De-Briefing-Sitzungen nach dem Flug, in die sie eigentlich gehören. Insofern wird dieses Buch zum „Klassenraum“ für ergänzenden IFR-Unterricht.
Im Buch werden übliche und häufig anzutreffende Situationen während eines IFR-Flugs angesprochen. Dazu werden Strategien und Ideen angeboten, die der Pilot direkt anwenden kann, um mit einer unerwarteten Situation umzugehen. Sämtliche denkbaren und möglichen Situationen während des Fluges können durch das vorliegende Werk natürlich nicht abgedeckt werden. Aber für solche, im Buch nicht behandelten Fälle kann der Pilot die aufgezeigten Methoden auch weiterentwickeln und zu eigenen Lösungen gelangen. Zudem kann er für jene Fälle, die im Buch behandelt werden, die vorgeschlagenen Werkzeuge auf seine eigenen Bedürfnisse anpassen.
Das Buch wendet sich prinzipiell an IFR-Piloten der Allgemeinen Luftfahrt, speziell an jene, die
Das Ziel des Buches ist die Behandlung des IFR-Fliegens, so wie es sich in der Realität zeigt. Es zielt nicht darauf ab, den Leser auf eine Theorie-Prüfung bei der Behörde vorzubereiten, sondern nur auf die praktischen Herausforderungen, die sich dem Piloten während des wirklichen IFR-Flugs stellen. Vorschriften, Bestimmungen und Regelungen werden nur insoweit besprochen, wie es für die praktische Ausführung des IFR-Flugs erforderlich ist.
Grundlage der im Buch behandelten Verfahren ist das Fliegen mit Flugzeugen der Allgemeinen Luftfahrt, d. h. im Wesentlichen ein- und zweimotorige, kolbengetriebene Landflugzeuge, die typischerweise in der privaten Fliegerei sowie bei gewerblichen Flugschulen in der IR- und CPL-Ausbildung zum Einsatz kommen. Dennoch blicken die besprochenen Verfahren auch „über den Tellerrand“ hinaus und dienen auch als Vorbereitung auf das professionelle Fliegen im gewerblichen Luftverkehr mit größeren und schnelleren Flugzeugen.
Speziell wenn unsere IR-Ausbildung eher unstrukturiert und relativ planlos war - was nicht selten vorkommt -, dann mag dieses Buch eine echte Hilfe zur Verbesserung unserer praktischen Flugfertigkeiten sein. Ich finde es nämlich außerordentlich wichtig, dem IFR-Flug Struktur zu verleihen, d. h. ihn zu standardisieren, um ein Gerüst zu haben, auf das wir bei neuen Flügen immer wieder zurückgreifen können. Daher auch werde ich im Laufe des Buches eine Übersicht dieses Gerüsts in 32 Schritten präsentieren. Diese 32 Schritte können wir für unsere Flüge direkt wie angegeben benutzen, oder wir können sie nochmals entsprechend unserer persönlichen Bedürfnisse abwandeln.
Teil dieses Gerüsts sind die sogenannten Standard Operating Procedures (SOPs). SOPs bezeichnen Standardverfahren, die der Pilot verschiedenen Flugphasen auszuführen hat, dabei bezeichnen sie, was zu tun ist und wann es zu tun ist. Beispiel einer SOP: Ausführung der 400-ft-Items im Anfangssteigflug mit späterem Lesen der zugehörigen Follow-Up-Checklist. Generell sollten SOPs so angelegt sein, dass sie aus dem Gedächtnis abgearbeitet werden können, also ohne, dass dafür eine Checkliste als Gedächtnisstütze benutzt wird. Aber manche, sehr wichtige Verfahren bedürfen einer Gegenkontrolle durch Lesen einer Checkliste (obiges Beispiel). Eine einfache und griffige Definition von Standard Operating Procedures könnte sein: Standardisierte fliegerische Verfahren.
In der Liste mit den 32 Schritten werden SOPs nur teilweise eingebunden, da sie stark vom jeweiligen Flugzeug abhängig sind, aber letztlich auch vom Piloten selbst. Daher sollte die 32-Schritte-Liste um fehlende SOPs vervollständigt werden, was dann die Aufgabe des Piloten ist. Um also unser persönliches Gerüst zu komplettieren, empfehle ich, dass wir eine Sammlung an persönlichen SOPs ausarbeiten, die während unseres Fluges zur Anwendung kommen.
SOPs beinhalten normalerweise:
Welche positive Längsneigung (Pitch-Up Attitude) ist nach dem Abheben erforderlich, um die Fluggeschwindigkeit für die beste Steigrate (VY) einzunehmen und zu halten? Welches Power Setting brauchen wir bei unserem Flugzeug, um einen ILS-Anflug (mit üblichem Neigungswinkel von 3°) bei einer gewünschten Fluggeschwindigkeit voll konfiguriert, d. h. mit ausgefahrenem Fahrwerk und teilweise ausgefahrenen Flügelklappen, zu fliegen? Wenn wir die Antworten auf solche Fragen kennen und auch umsetzen, werden wir angestrebten Fluggeschwindigkeiten und Steigraten nicht mehr „hinterherfliegen“, sondern diese stabil und unmittelbar einnehmen können. Solche Daten, Zahlen und Werte erhalten wir durch Ausprobieren bei Flügen mit dem Flugzeug unserer Wahl.
Das Lernen und Einhalten vorbestimmter bzw. festgelegter Schaltreihenfolgen ermöglicht, dass wir beim Ausführen eines Verfahrens keines seiner Elemente vergessen. Mit dem Abarbeiten einer Checkliste (Follow-Up Checklist) dagegen können wir nachträglich kontrollieren, ob eventuell bei der Ausführung des Verfahrens einzelne Punkte vergessen wurden - dies ist dann die Nacharbeitung des vorher ausgeführten Verfahrens.
Das Gerüst, bestehend aus den 32 Schritten und den eingebauten SOPs, verleiht dem gesamten Flug und seinem Ablauf eine Struktur, an der wir uns während des Fluges entlanghangeln können und die uns Sicherheit gibt. Mit diesem Gerüst können wir gelungene IFR-Flüge in der Regel wiederholen. So fliegen gut ausgebildete Piloten. Jedoch werden die Piloten der Allgemeinen Luftfahrt in ihrer Ausbildung leider nicht oft auf diese Weise geschult.
In den IR-Ausbildungen der Flugschulen wird meistens nicht genügend Gewicht auf die Vermittlung und das Erlernen der allgemeinen Struktur des IFR-Flugs gelegt. IR-Schüler leiden oft etwas darunter, dass ihnen der rechte Überblick über das gesamte System fehlt. Die allgemeine Struktur des IFR-Flugs zu verstehen ist am Anfang der Schulung wahrscheinlich wichtiger, als nur das wenig ideenreiche Abfliegen von kurz hintereinander angereihten IFR-Anflügen. Mit einem guten Überblick über die Gesamtstruktur in der Hinterhand kann sich der Schüler wirkungsvoller mit dem Detailtraining wiederholter Ab- und Anflüge befassen. Auch ein Medizinstudent lernt zuerst die allgemeine Anatomie des menschlichen Körpers, bevor er sich mit den Spezialdisziplinen Kardiologie oder Neurologie auseinandersetzt, und nicht umgekehrt.
Kritisch zu betrachten ist auch, dass Flugschulen bei den IR-Ausbildungen oft zu wenig auf die Vermittlung des Grundhandwerkszeugs des IFR-Fliegens achten. Nennen wir dieses Grundhandwerkszeug „IFR-Handling“. Zum IFR-Handling gehören Fertigkeiten wie das Beherrschen der Pitch-Power-Technik, das Attitude Instrument Flying und Flugmanöver in Instrumentenwetterbedingungen (IMC). Mit der Pitch-Power-Technik kontrollieren wir Fluggeschwindigkeit und Flughöhe durch abwechselnden Einsatz von Höhenruder und Triebwerksleistung. Mit dem Attitude Instrument Flying kontrollieren wir die Fluglage des Flugzeugs unter Einbeziehung einer richtigen Instrumentenabfragetechnik (Instrument Scan), um bestimmte Flugleistungen zu erreichen. Hinsichtlich Flugmanövern in IMC muss der angehende IR-Pilot in der Lage sein, Steilkurven (Steep Turns) oder im Langsamflug (Slow Flight) in Wolken zu fliegen. Er muss sein Flugzeug in Wolken genauso beherrschen wie in Sichtwetterbedingungen (VMC). Mir ist bewusst, dass alle diese Fertigkeiten nach bestandener IR-Prüfung nicht sofort in Vollendung vorliegen können, und mit Bestehen der IR-Prüfung erwirbt der Pilot zunächst einmal nur die „Lizenz zum Weiterüben“. Aber dennoch sollten in der praktischen Ausbildung zumindest Grundsteine für solche Fertigkeiten gelegt werden. Mit Schülern immer nur IFR-An- und Abflüge zu trainieren, macht aus ihnen nur durchschnittliche IFR-Piloten. Bei meiner Tätigkeit als IR-Fluglehrer bin ich häufiger Piloten begegnet, die bereits im Besitz von Instrumentenflugberechtigung und –erfahrung waren, die aber nicht wirklich in der Lage waren, während des IFR-Flugs das Flugzeug manuell zu steuern und fliegen, sondern nur durch Einschalten des Autopiloten. Dies unterstreicht das Erfordernis des Erlernens des IFR-Handling.
Ansonsten hat IFR-Fliegen nun gerade auch besonders viel mit Fluglotsen und Flugsicherung zu tun, mit denen ja der Pilot während des Fluges die ganze Zeit eng zusammenarbeiten muss. Daher war es mir so wichtig, die Zusammenarbeit und Schnittstelle mit ATC an möglichst vielen Stellen im Buch zu beleuchten, und natürlich auch ein Kapitel einzubinden, in dem ein Fluglotse zu Wort kommt und den IFR-Flug durch seine Augen betrachtet.
Das Lernen und die Erfahrungsmöglichkeiten in der Luftfahrt sind endlos, und gleichzeitig auch sehr freudvoll und befriedigend. Eine einzige menschliche Lebensspanne reicht wahrscheinlich nicht aus, um alles kennenzulernen, zu verstehen und zu verinnerlichen. Einer meiner Fluglehrer, den ich besonders geschätzt habe, sagte mir einmal und traf damit den Nagel auf den Kopf: „Es geht nichts über Flugerfahrung… außer noch mehr Flugerfahrung.“
Übrigens möchte ich erwähnen: Da ich Fluglehrer bin, erkläre ich gerne viel. Daher wird der Leser manchem Zusammenhang in mehr als nur einem Kapitel begegnen. Dies ist von mir durchaus gewollt, mindestens in Kauf genommen, denn den selben Zusammenhang aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten, führt zum besseren Verständnis des Sachverhalts.
Auch mag der Leser - speziell jener mit größerer Flugerfahrung - der Erläuterung von bestimmten Sachverhalten begegnen, die für ihn altbekannt sind. Dies ist mir klar, und dennoch habe ich diese Sachverhalte nochmals aufgegriffen - häufig, um ihnen Feinheiten hinzuzufügen, die manchen Piloten vielleicht noch nicht bewusst waren, manchmal aber auch, um sie einfach erneut in Erinnerung zu rufen.
Ein Hinweis noch zum Umgang mit Fachbegriffen: Am Ende des Buches befindet sich ein Kapitel mit einem Glossar (Erläuterung von Fachbegriffen). Da ich viele Fachbegriffe bereits im Laufe des Buches direkt an der jeweiligen Stelle innerhalb des thematischen Zusammenhangs erklärt habe, tauchen diese Begriffe nicht nochmals im Glossar auf, damit Wiederholungen vermieden werden können. Dagegen können Fachbegriffe, deren Bedeutung sich nicht direkt oder ausreichend an der jeweiligen Textstelle erschließt, im Glossar aufgesucht werden.
1 (Items = abzuarbeitende Elemente)
Jeder Flug – ganz gleich, ob VFR oder IFR – beginnt mit einer gut durchdachten Flugplanung. Die Flugplanung ist die vorweggenommene Durchführung des Fluges. Je vertiefter unsere Flugplanung ist, d. h. je ausführlicher unsere Gedanken zum bevorstehenden Flug sind, desto erfolgreicher wird dieser ablaufen, und desto größer wird auch unser Lern- und Erfahrungsgewinn sein. Denn mit einer gut strukturierten und eingeteilten Flugplanung können wir das, was wir während des Fluges erleben, im Nachhinein für uns besser einordnen und verstehen.
Um dem Leser eine bessere Übersicht über dieses Kapitel zu ermöglichen, möchte ich gleich zu Beginn eine kurze Zusammenfassung über die wesentlichen Punkte einer IFR-Flugplanung vorstellen. Anschließend gehe ich auf jeden der aufgezählten Punkte gesondert ein. Dabei wird deutlich werden, dass die elf Punkte ineinander verzahnt sind.
1) Planung der IFR-Flugstrecke. Anders als in der VFR-Flugplanung, bei der die Flugstrecke grundsätzlich frei gewählt werden kann – dies im günstigsten Falle auf direktem Wege vom Start- bis zum Zielflugplatz, außer dass restriktive Lufträume dies verhindern – ist eine IFR-Flugplanung immer an ein fest vorgegebenes Streckensystem gebunden. Die Flugstrecken, die - in folgender Reihenfolge - geplant werden müssen, sind:
Diese einzelnen Flugstrecken sind vergleichbar mit bestimmten Streckenabschnitten im Straßenverkehr: Die Airway oder Flugverkehrsstrecke wäre die Autobahn für Flugzeuge. Die SID ist vergleichbar mit dem Zubringer zur Autobahn. Die STAR ermöglicht die Abfahrt von der Autobahn und wäre das Verbindungsstück zwischen Autobahn und lokalem Straßennetz, d. h. zwischen Flugverkehrsstrecke und Instrumentenanflug am Zielflugplatz.
Damit ist klar, dass die STAR nicht der letzte Streckenabschnitt eines IFR-Fluges ist, denn nach der STAR folgt noch der Abschnitt des Instrumentenanflugs. Jedoch ist die STAR der letzte Streckenabschnitt, der geplant werden kann.
Als Exkurs möchte ich für den besseren Gesamtüberblick das Schema einer kompletten IFR-Streckenführung präsentieren. Das Schema besteht aus den Instrumentenflugverfahren (gem. ICAO-Doc. 8168, Aircraft Operations), die das Fundament des IFR-Flugbetriebs bilden. Ein IFR-Flug wird immer nach diesem Schema, d.h. nach den veröffentlichten Instrumentenflugverfahren geplant und durchgeführt. Abweichungen davon während des Fluges sind nur nach Erteilung einer entsprechenden Freigabe oder Anweisung seitens der zuständigen Flugverkehrskontrollstelle möglich. Das Schema der Instrumentenflugverfahren ist:
1. | SID / Standard Instrument Departure Route | = Standardabflugstrecke IFR |
2. | Airway ATS-Route/ Air Traffic Service Route |
= Luftstraße2 = Flugverkehrsstrecke2; |
3. | STAR / Standard Terminal Arrival Route oder Standard Instrument Arrival Route |
= Standardeinflugstrecke IFR |
4. | Holding Procedure | =Warteverfahren |
5. | Instrument Approach Procedure (incl. Missed Approach Procedure) |
= Instrumentenanflugverfahren (beinhaltet das Fehlanflugverfahren) |
Der Zusammenhang der Grundverfahren lässt sich in obiger Skizze gut erkennen. Über die Standardabflugstrecke (SID), im Beispiel ARPEG1N, erreicht das Flugzeug den Endpunkt der SID, im Beispiel ARPEG, der auch gleichzeitig der Einflugpunkt in das Flugverkehrsstreckennetz ist. Danach erfolgt der Flug über die veröffentlichten Flugverkehrsstrecken, im Beispiel Z850, bis zu einem definierten Ausflugpunkt aus dem Streckennetz, im Beispiel ADEMI. Dieser Ausflugpunkt ist gleichzeitig der Einflugpunkt in die Standardeinflugstrecke (STAR / im Beispiel ADEMI1A). Das Flugzeug erreicht nun den Endpunkt der Standardeinflugstrecke – im Beispiel DOR – und falls keine weitere Freigabe durch die zuständige Flugverkehrskontrollstelle erteilt wird, muss der Pilot am Ende der STAR über DOR in die Warteschleife (Holding) einfliegen und auf weitere Anweisungen warten. Je nach Verkehrssituation erteilt dann die Flugverkehrskontrollstelle dem Piloten die Anflugfreigabe, den Zielflugplatz über eines der dort vorhandenen und veröffentlichten Instrumentenanflugverfahren (ILS, VOR, NDB, RNAV/ GPS) anzufliegen. Das Instrumentenanflugverfahren führt das Luftfahrzeug zur aktuellen Betriebspiste des Zielflugplatzes und gestattet dabei gleichzeitig den Sinkflug auf eine Mindesthöhe (oder Landeminimum, z. B. Entscheidungshöhe / Decision Altitude beim ILS-Anflug). Dabei gelangt es sicher unter die Wolkendecke, soweit eine solche vorhanden ist.
Erreicht das Flugzeug das Landeminimum und hat der Pilot die Piste in Sicht, dann wird an dieser Stelle der Anflug nach Sicht fortgeführt und mit der Landung abgeschlossen. Sollte aber die Landung aus Gründen nicht ausreichenden Sichtkontakts zur Piste (wegen geringer Sichtweite oder tiefliegender Bewölkung) nicht möglich sein, so muss der Pilot dem Fehlanflugverfahren (Missed Approach Procedure) folgen, das für diese Piste vorgesehen und veröffentlicht ist. Dieses führt dann wieder zurück zum Holding am Ausgangspunkt des Instrumentenanflugverfahrens. Dort muss der Pilot wieder in das Holding einfliegen und auf weitere Anweisungen bzw. eine Freigabe für den erneuten Anflug warten.
Festgelegt sind alle diese Verfahren in ICAO-DOC-8168, wodurch sie international vereinheitlich sind, d. h. die Instrumentenflugverfahren sind in jedem ICAO-Land gleich, und der Pilot wendet überall das gleiche Verfahren an.
Zur praktischen Streckenplanung. Geplant wird die Flugstrecke also von der SID bis zur STAR. Um die gesamte Strecke planen zu können, benötigenwir daher die SID-Karten des Startflugplatzes, eine IFR-Streckenkarte (z. B. eine JEPPESEN Europe Low Altitude Enroute Chart / ELO) und die STAR-Karte(n) des Zielflugplatzes. Hinweis: Die in diesem Buch besprochenen Inhalte und Darstellungen von IFR-Kartenmaterial beziehen sich generell auf Jeppesen-Karten.
Es gibt auch Internet-Flugplanungsprogramme, die unter minimalem Aufwand für den Piloten eine IFR-Routenplanung vornehmen. Diese Planungsart ist bequemer und viel zeitsparender als eine manuelle Planung, denn eine gültige Streckenführung lässt sich mit der Internet-Anwendung praktisch sofort finden. Die Anwendung findet oft Streckenführungen, auf die wir bei manueller Arbeit oft gar nicht kommen würden. Die Flugplanungsart, einfach nur ein gültiges Routing erhalten zu haben, hat auch Nachteile: Stellt uns ein Internet-Programm die Flugplanung bereit, dann haben wir Flugstrecke und alle sonstigen Details nicht selbst gesehen und uns keine eigenen Gedanken gemacht. Zugegeben, im gewerblichen Betrieb wird nur so geplant und geflogen. Ein OPS-Büro erstellt die Flugplanung und die Crew fliegt das Programm einfach genauso ab. Aber speziell für die (noch) nicht gewerblich fliegenden Piloten gilt: Das, was wir uns während einer manuellen Flugplanung mit der Karte vor unseren Augen persönlich überlegt und kombiniert haben, bleibt in der inneren Vorstellung viel plastischer haften, als das, was nur eine Software für uns zusammenstellt. Das Situationsbewusstsein (Situational Awareness) für die eigene geographische und räumliche Lage während des Fluges ist bei manueller Planung viel ausgeprägter. Daher empfehle ich, speziell in den früheren Stadien der eigenen IFR-Praxis eigene Flugplanungen durchzuführen. Der Gewinn an Verständnis für das Gesamtsystem wird enorm sein.
Um bei manueller Streckenplanung im Gewirr aller IFR-Airways auf der Streckenkarte (ELO) die richtige und zulässige Strecke zu finden, benötigen wir zunächst den Endpunkt der SID und den Anfangspunkt der STAR. Daher ist in folgender Reihenfolge heranzugehen:
Bei einem VFR-Abflug mit Z-Flugplan kommt die SID, die wir bei einem IFR-Abflug fliegen würden, nicht zur Anwendung, deshalb wird sie auch nicht geplant. Trotzdem ist dann aber der Endpunkt dieser (nicht geflogenen) SID der richtige Anbindungspunkt an das Luftstraßennetz. D. h., selbst wenn wir die SID nicht fliegen, zeigt sie uns den richtigen Anbindungspunkt an das Luftstraßennetz.
Wichtig: Es sollte die Gültigkeit der Streckenkarte überprüft werden, bevor die Karte zur Planung eingesetzt wird.
Anmerkung: Bei der Vorabüberprüfung kann in die Flugplanmaske unter jenen möglichen SIDs, die zu unserem gewählten Anbindungspunkt an das Luftstraßennetz führen, zunächst eine beliebige SID ausgewählt und eingegeben werden. Die endgültige Festlegung der SID ist im Moment noch nicht nötig, dies entscheidet sich erst beim tatsächlichen Aufgeben des ATC-Flugplans, wenn die Windrichtung und damit die wahrscheinliche Betriebspiste des Flugplatzes feststehen. Das gleiche gilt für STARs (soweit es, ausgehend vom Ausflugpunkt aus dem Luftstraßennetz, mehr als eine STAR gibt, um die zwei möglichen Richtungen einer Piste zu bedienen).
2) Auswahl von Ausweichflugplätzen / Alternates
Es gibt Startausweichflugplätze, Streckenausweichflugplätze und Zielausweichflugplätze. Der Zielausweichflugplatz (Bestimmungsausweichflugplatz) ist die Alternative zum eigentlichen Zielflugplatz. Der Startausweichflugplatz ist die Alternative für eine erforderliche, aber nicht mehr mögliche, direkte Wiederlandung auf dem Startflugplatz kurz nach dem Start. Der Streckenausweichflugplatz ermöglicht eine außerplanmäßige Landung entlang der Reiseflugstrecke, noch bevor der Zielflugplatz erreicht wurde.
Es ist eine solide Planung hinsichtlich der Zielausweichflugplätze (Destination Alternates) vorzunehmen. Dazu gehören folgende Überlegungen:
Rechtliche Voraussetzungen. Die Regelung SERA.2010, Buchstabe b, schreibt indirekt vor, dass alle VFR-Flüge, die über die Umgebung des Startflugplatzes hinausgehen, und alle IFR-Flüge in der Flugvorbereitung eine Alternativplanung für den Fall vorsehen müssen, dass der Flug „nicht wie geplant durchgeführt werden kann“, typischerweise wegen Wetter. Das bedeutet, dass laut SERA die Alternativplanung die Festlegung eines Ausweichflugplatzes beinhalten kann, es aber nicht notwendigerweise muss, da z. B. auch das reine Fliegen von Umwegen eine Alternativplanung ist.
Die neue EU-Regulation 965/2012, die die alte EU-OPS 1 abgelöst hat, ist hier jedoch eindeutig:
Diese Forderung gilt nicht, soweit
Für nicht-gewerbliche (private) VFR-Flüge ist die Vorschrift vager: In Annex VII, NCO.OP.135 Flight Preparation, Buchstabe b, wird - wie auch schon in der SERA.2010 - nur wieder allgemein eine Alternativplanung gefordert für den Fall, dass der Flug nicht wie geplant durchgeführt werden kann, typischerweise wegen Wetter.
Dann bleibt an dieser Stelle noch zu klären, wann ein Flugplatz ein Isolated Aerodrome ist.
Erwägungen für die Praxis. Unabhängig davon, ob ein Zielausweichflugplatz vorgeschrieben ist oder nicht, gebietet es der gesunde Menschenverstand, einen solchen Ausweichflugplatz – mindestens einen! – vorzusehen. Es geschieht nicht oft, aber irgendwann im Laufe eines langen Fliegerlebens kommt der Tag, an dem wir davon überrascht werden, dass kurz vor Abflug am Startflugplatz die Wetterbedingungen am Zielflugplatz noch nahezu ideal waren, und bei unserer Ankunft kurz vor dem Ziel oder vielleicht schon nach halber Strecke der Flugplatz wegen schlechtem Wetter geschlossen ist!
Da sich die Unmöglichkeit einer Landung ganz real auch erst im kurzen Endteil eines Landeanfluges herausstellen kann (z. B. bei Unfall auf der Piste, oder bei extremen Seitenwindverhältnissen), nimmt man in der Flugplanung an, dass der Zielausweichflugplatz erst vom eigentlichen Zielflugplatz aus angeflogen wird. Insofern unterscheidet sich der Zielausweichflugplatz von einem Streckenausweichflugplatz (Enroute Alternate), der entlang der Flugstrecke zum Zielflugplatz liegt und zu dem noch vor Erreichen des Zielflugplatzes bei entsprechender Dringlichkeit ausgewichen werden kann. Wo nun aber genau der Zielausweichflugplatz liegt – d. h. ob vom Startflugplatz aus gemessen näher oder weiter weg als der Zielflugplatz – ist gänzlich irrelevant. Der Zielausweichflugplatz liegt in jedem Fall zeitlich weiter entfernt als der Zielflugplatz. Dieser Sachverhalt hat Auswirkungen auf die Überlegungen zur Auswahl des oder der Zielausweichflugplätze.
Ich kann nicht oft genug betonen, dass die Alternate-Planung von großer Bedeutung ist. Wir sollten uns klarmachen, dass wir hier nicht irgendjemanden, wie z. B. die Fluglotsen, zufriedenstellen müssen, indem wir im Flugsicherungsflugplan irgendeinen Ausweichflugplatz angeben. Vielmehr geht es um uns selbst. Wir müssen uns vor dem Flug einen Plan zurechtgelegt und uns die Ausnahmesituation bereits vorher bewusst durchdacht haben. „Was würde ich tun, wenn ich tatsächlich nicht zum Zielflugplatz durchdringe, wohin würde ich dann fliegen und wie würde ich das tun?“ Stellt sich diese Situation plötzlich während des Fluges und trifft uns unvorbereitet, ist unser mentaler Horizont eingeschränkt, vielleicht fühlen wir uns gelähmt oder sogar überrollt und sind dann viel schlechter in der Lage, bezüglich eines Ausweichflugplatzes eine durchdachte Entscheidung zu fällen.
Überlegungen zur Auswahl des Zielausweichflugplatzes
Planen wir nur einen Zielausweichflugplatz und legen diesen in die Nähe des Startflugplatzes – also weit weg vom Zielflugplatz – dann wäre das keine gute Vorausplanung, da wir die neu eingetretene Situation, nun zu einem anderen Flugplatz fliegen zu müssen, erstens nicht innerhalb kurzer Zeit zu einem Abschluss bringen können, und zweitens gewissermaßen wieder dort landen, wo wir gerade abgeflogen sind. Wenn wir schon nicht am Zielflugplatz landen können, dann aber wenigstens in seiner Nähe.
Allerdings kann auch der Ausweichflugplatz bei geographischer Nähe zum Zielflugplatz durch die Schlechtwetterlage beeinträchtigt sein. Deshalb mag dann ein Ausweichflugplatz in einer entfernteren Lage wieder zu einer guten Alternative werden, z. B. bei Zielflugplatz Siegerland (EDGS) mag Paderborn-Lippstadt (EDLP) als Zielausweichflugplatz eine annehmbare Wahl sein. Eine gute Alternative ist ein entfernterer Zielausweichflugplatz aber nur dann, wenn er nicht zur ersten Option wird, sondern die erste Wahl der am Zielflugplatz nahe gelegene Alternate bleibt.
Synthese:
Falls der zweite Ausweichflugplatz nur ein VFR-Flugplatz ist, dann sollte dieser aber andere Vorteile bieten, sehr wichtig wäre z. B. eine möglichst lange Betriebszeit. Denn kein Flugplatz nutzt uns etwas, wenn er zum Zeitpunkt des Anflugs schon geschlossen ist. Nehmen wir als Beispiel den Zielflugplatz Egelsbach (EDFE) an: Ein guter Ausweichflugplatz in der Nähe von Egelsbach, der allerdings nur VFR anfliegbar ist, wäre Aschaffenburg (EDFC). Aschaffenburg ist (zur Zeit der Erstellung dieses Buches) täglich von 8.00 früh bis 20.00 Uhr abends geöffnet und ist außerdem auch in der Dunkelheit leicht zu finden. Außerdem befindet sich unmittelbar neben dem Flugplatz das CHA-VOR, das sich – über den Einsatz eines Flächennavigationssystems hinaus – als zusätzliche Anflughilfe nutzen lässt.
Davon abgesehen ist es zudem wichtig, die Sichtanflugkarten des Ausweichflugplatzes und alle sonstigen Informationen (Kopie aus AIP mit Flugplatzdaten, Abschnitt AD) mitzuführen, außerdem natürlich eine ICAO-Luftfahrtkarte (VFR) 1:500000.
3) Untersuchung des Flugwetters entlang der geplanten Flugstrecke und bis zu den Ausweichflugplätzen
Zu einer guten Flugplanung gehört unbedingt eine gute Flugwetterplanung und –untersuchung. Sich für den Flug zu entscheiden, wenn die Wettersituation am Zielflugplatz und entlang der Strecke nur wenig überzeugend oder sogar grenzwertig ist, führt dazu, dass während des Fluges keine Reserven mehr für eine weitere, kurzfristige Verschlechterung des Wetters vorhanden sind. Führen wir dagegen den Flug durch, wenn die Wetterbedingungen dem Flugvorhaben zuträglich erscheinen, ist automatisch eine Sicherheitsmarge oder Puffer für eine mögliche Wetterverschlechterung im Laufe des Fluges gegeben. Deshalb lautet die Empfehlung, mit dem Wetter „nicht zu knapp“ zu planen.
Welche Arten an Quellwolken wir bei einem IFR-Flug lieber meiden sollten, welche sogar möglicherweise gefährlich sind und wie wir während des Fluges mit einer Flugzeugvereisung umgehen können, werde ich genauer im Kapitel „Flug in IMC - Umgang mit dem Wetter“ betrachten.
Als Regel zur schnellen Überprüfung auf mögliche Flugzeugvereisung gilt im Rahmen der Flugplanung: In jenen Höhenbereichen, in denen sich gleichzeitig Wolken und Lufttemperaturen < 0°C befinden, kommt es generell zu Vereisung an der Flugzeugstruktur.
Die Intensität der Vereisung – leicht (light), mäßig (moderate) oder schwer (severe) – unterscheidet sich je nach Wolkenart, Außenlufttemperatur und Bedeckungsgrad.
Liegen also mehrere indirekte Indikatoren vor, die auf eine Neigung zu Nebel und tiefer Bewölkung hinweisen, dann müssen wir vorsichtig sein und mit einer sich verschlechternden Wettersituation rechnen, selbst wenn der TAF dies nicht wiedergibt bzw. sich nicht eindeutig positioniert, oder ein Trend zur Verschlechterung im Laufe des Tages nicht sofort beobachtbar ist. Ausweichflugplätze sind dann umso sorgfältiger zu wählen, insofern, dass sie möglichst keine Neigung zu Nebel oder tiefen Wolken aufweisen. Lässt sich aber auch dies nicht sicherstellen, dann sollten wir bei IFR-Flügen, die mit Flugregelwechsel nach VFR enden (mindestens am Ausweichflugplatz), erwägen, den Flug gar nicht erst anzutreten - ein Privileg aller Piloten, die nicht fliegen müssen, wenn sie nicht gewerblich tätig sind.
Wie an anderer Stelle bereits erwähnt, gibt es IFR-Flugplätze, die an bestimmten Tagen keinen METAR und keinen TAF veröffentlichen. Ebenso Flugplätze, die nur unter VFR anfliegbar sind, veröffentlichen schon vom Grunde her keinen TAF und oft noch nicht einmal einen METAR. In allen diesen Fällen müssen wir trotzdem an Flugwetterinformationen gelangen, wollen wir dort anfliegen. Für die Analyse der Wettersituation können wir folgende Instrumente nutzen: