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Herstellung und Verlag

BoD Books on Demand GmbH

Norderstedt

Printed in Germany,

ISBN 9783752631968

Inhaltsverzeichnis

Dieser Band gehört zu einer Reihe von Büchern über Griechische Mythologie.

Bereits vorhanden:

Herakles - Der Weg des Menschen

Helena und Paris - Eine dramatische Liebesgeschichte

Die Odyssee - Eine psychologische Reise nach Ithaka

Alexander und Aristoteles - Eine späte Begegnung

Im weiteren Sinn auch:

Frankfurt und die Götter des Olymp - Ein fiktiver Besuch aus der Antike

Erwähnenswert auch:

Athos - Unterwegs im Garten der Gottesmutter

Vergangenheit
in Erinnerung, Geschichte und Mythologie

Das Charakteristische, Wunderbare und sogar Einmalige

des menschlichen Bewusstseins ist die Tatsache, dass es

Zeit und Raum zu umfassen vermag. Ich kann in einem

Augenblick an etwas denken, das räumlich weit entfernt,

das zeitlich lang vergangen ist. Wer sich das zum ersten

Mal bewusst macht, wird gewiß ein Gefühl der Freude

über dieses überraschende Vermögen empfinden, im Denken

Zeit und Raum überbrücken zu können. Jeder Mensch

gewahrt sich dadurch als Mittelpunkt seiner Umgebung,

die jedoch nur dank seines Erinnerungsvermögens bestehen

kann. Menschen ohne diese Fähigkeit können sich in

Raum und Zeit nicht orientieren.

L.F.C.Mees in „Helena und Penelope“

Helena von Troja; Evelyn de Morgan, 1898

Helena wird oft als Femme fatale dargestellt.

Denn welche Frau konnte schon einen Krieg, in dem

es um sie ging, mit so vielen Toten provozieren?

In diesem Buch sehen wir eine ganz andere Frau zum

Teil als Spielball der Götter

Die Griechische Mythologie

Das Wort Mythos entstammt dem Griechischen und bedeutet soviel wie Wort, Rede, Erzählung, Fabel, Sage.

Mythen entziehen sich der wissenschaftlichen Betrachtung, sie sprechen mehr die subtileren Seinsschichten des Menschen an. Auch Zeitebenen, in denen wir gewohnt sind zu denken und zu handeln, spielen keine wichtige Rolle. Wer also gewohnt ist, die Welt im Centimeter-Gramm-Sekunde-Denken zu betrachten, wird in der Regel wenig Freude an solchen Erzählungen haben. Ebenso sind Mythen geschichtlich nicht gesichert, sondern bedienen sich nur der zu der jeweiligen Zeit vorherrschenden Sitten und Gebräuche.

Kaum ein anderes Volk hat die Welt mit so vielen Mythen, Sagen und Erzählungen aus früherer Zeit beschenkt wie die Alten Griechen. Wir in der heutigen Zeit zehren noch immer davon. Viele Sprichwörter, geflügelte Worte und Theaterstücke stammen aus dieser, immerhin über zweitausend Jahre alten Kultur. Vieles verdanken wir allerdings nicht den Alten Griechen direkt, sondern so manches landete auf dem Umweg über ihre kulturellen Epigonen, den Römern, bei uns. Und man mag es kaum glauben: Viele Schriften der altgriechischen Denker, Dichter und Philosophen, die verloren schienen oder unbekannt waren, wurden von den Arabern in ihrer kulturellen Blütezeit ins Arabische übertragen und sind uns so zum Glück erhalten geblieben. Das frühe Christentum hatte an fremden Religionen und vor allem an heidnischen Göttern wenig, wenn nicht überhaupt kein Interesse, ja, sie haben sogar einiges in ihrer religiösen Borniertheit vernichtet wie zum Beispiel viele der gefühlvollen Gedichte der Poetin Sappho von Lesbos.

Goethe schreibt in seinem Werk „Dichtung und Wahrheit“: ... wie denn die griechische Mythologie einen unerschöpflichen Reichtum göttlicher und menschlicher Symbole darbietet.

Wie kam es überhaupt zu solch einer Mythenbildung, die in unserer sich so fortschrittlich dünkenden Zeit gar nicht mehr möglich wäre.

Zwei grosse Persönlichkeiten trugen mit Sicherheit entscheidend dazu bei. Zum einen Homer mit seinen beiden grossen Epen „Ilias“ und „Odyssee“, zum anderen Hesiod mit seinen Versen, in denen er sogar den Mut besass, über die Entstehung und das Werden der Götter zu reflektieren und es schriftlich nieder zu legen.

Für die Nachkommen waren dies die grossen Quellen, aus denen sie unaufhörlich schöpften. Die heutigen, zum Teil ermüdenden Berieselungsmedien wie Zeitungen, Radio und Fernsehen, gar nicht zu reden vom Internet und den sogenannten Sozialmedien, lagen noch in weiter zukünftiger Ferne. So war das wichtigste Kommunikationsmedium das mündliche Wort.

Daher ist es kein Wunder, dass bei einer Weitergabe von Erzählungen manches erweitert und verändert wurde, es kamen je nach Verfasser andere Zusätze hinzu. Und so wurde manchesmal aus einer einfachen Geschichte durch umfassende Ergänzungen ein in die jeweilige Zeit hinein gestellter Mythos, der uns noch heute erfreuen oder fesseln kann.

Eine der farbigsten weiblichen Gestalten der Antike ist die „Schöne Helena“, wie wir sie heute noch bezeichnen und die sogar in unserer kulturellen Landschaft ihre Spuren verschiedenster Art hinterlassen hat.

Im Gegensatz zu den geschichtlich überlieferten weiblichen Personen wie Nofretete und Hatschepsut, denen ich mich in anderen Büchern ausführlich gewidmet habe, oder auch der Poetin Sappho, die um 600 v. Chr. auf der Insel Lesbos lebte, ist Helena keine eindeutig geschichtliche Person, sondern offenbar mehr oder weniger eine Sagengestalt.

Es ist durchaus möglich, dass es einmal eine so hübsche Frau gegeben haben mag, über die Erzähler und Dichter begeistert berichtet haben. Die Nachwelt hat dann diese Erzählungen weiter ausgeschmückt und verbreitet.

Wenn es in der Welt etwas Ungewöhnliches gab, das mit dem normalen Verstand nicht erklärt und geklärt und eingeordnet werden konnte, so tendierten die Alten Griechen leicht dazu, göttliche Einwirkungen als Abklärungsmuster hinzu zuziehen.

Das spiegelt sich besonders in den Heldengestalten der griechischen Mythologie wieder.

Der grösste und bekannteste Heros der griechischen Mythologie, Herakles, war ein Sohn des Göttervaters Zeus und der schönen Alkmene, der Gattin des Amphytrion.

Achilles, die eindrucksvollste Gestalt der Ilias, also der Geschichte des Trojanischen Krieges, war ein Kind des Sterblichen Peleus und der Meeresgöttin Thetis.

Wie also sollte eine Frau die Schönste der bekannten Welt sein oder geworden sein? Das konnte doch nur durch göttliche Mitwirkung und Hilfe geschehen sein. In der damaligen Zeit glaubte man noch an Interaktionen zwischen der Welt der Götter und den Menschen, denn den Göttern konzedierte man durchaus noch menschliche Züge und Schwächen. Man sagt, die griechischen Götter trugen noch antropomorphe Wesensstrukturen, was ihre „Handlungen“ auf der einen Seite auch nachvollziehbar und verständlich machte, auf der anderen Seite aber auch Befürchtungen aufkommen liess, da man um die Schwierigkeiten, Schwächen und Unvorhersehbarkeiten menschlichen Tuns wusste.

Wenn also ein solcher Superlativ im Raum stand, ja, wer sollte da schon mitgewirkt haben? Nicht irgendein göttliches oder halbgöttliches Wesen aus einer Nebenlinie, nein, der Göttervater selbst sollte aktiv bei der Zeugung dieser Schönen beteiligt gewesen sein.

So wurde dann dieser Geschichte einer schönen Frau ein olympisches Abenteuer hinzugefügt.

Und das kam so.

Zeus wollte wieder einmal der ewigen Zweisamkeit mit seiner Gattin Hera entfliehen und schaute vom Olymp herab suchend nach den attraktiven weiblichen Geschöpfen dieser Erde. Sein Blick fiel auf die schöne Leda, die Gattin des Spartanerkönigs Tyndaraeus. Nun hatte sich aber herumgesprochen, dass Leda jeglicher Art von ehelicher Untreue abgeneigt war und auf ihre Art dem Ehemann treu bleiben wollte. Was also tun, um mit ihr ein Schäferstündchen zu arrangieren? Hermes musste wieder als Kuppler und Kundschafter herhalten, immer mit der Auflage, gegenüber der eifersüchtigen Gattin Hera Stillschweigen zu bewahren. Er brachte in Erfahrung, dass Leda in der Nähe des Schlosses einen kleinen Teich mit Schwänen in einem herrlichen Garten hatte, in den sie sich gern zurückzog, um dem Trubel des Hauses und der Dienerschaft zu entfliehen.

Das war die Idee!

Zeus verwandelte sich dank seiner Fähigkeiten in einen schönen Schwan und näherte sich Leda, die, ganz entzückt von ihm, ihn zärtlich an ihre Seite nahm. Zeus nahm seine Allmacht zu Hilfe und versetzte sie in einen Traum und vereinigte sich mit ihr.

Leda und der Schwan
Heraklion; Museum

Heraus kam nach neun Monaten ein Ei, das Leda ausbrütete und daraus entstand Helena.

Diese Geschichte ist sicherlich ungewöhnlich. Viele Maler haben sich die Affäre von Zeus und Leda als Motiv für ihre Gemälde genommen.

In diesem Buch, das vom Leben der Schönen Helena erzählen soll, bleibt diese Geschichte aber ein poetisches Beiwerk, eine mythologische Ausschmückung, eine farbige Nebenlinie, mehr nicht.

Helena entspringt als normales Kind der Ehe von Tyndaraeus und seiner Gattin Leda.

Und um noch etwas vorzugreifen: Es gibt einige Autoren, unter anderem auch den griechischen Tragödiendichter Euripides, die die Geschichte der Helena etwas modifizierten. In seinem Stück „Helena“ ist sie nie in Troja gewesen, sondern schien auf merkwürdige Art und Weise mit dem Schiff auf der Flucht von Sparta nach Ägypten abgetrieben worden zu sein, um dort in Memphis im Reich des Proteus zu landen. Paris hätte eine Phantasiegestalt, ein Scheinbild, nach Troja mitgenommen.

Auch Herodot, der berühmte griechische Historiker, spricht von einer „Ägyptischen Helena“.

Diesen mythologischen Theorien, wenn es überhaupt im Bereich der Mythologie Theorien geben kann, schließe ich mich nicht an, sondern lasse Helena in diesem Buch mit ihrem „Entführer“ in Troja mit allen daraus entstehenden Folgen landen.

In seinem Werk „Die Troerinnen“ hingegen beschreibt Euripides eine Helena, die sich am Ende Trojas in einer dramatischen Auseinandersetzung mit Menelaos, ihrem gehörnten Ehemann, und Hekabe, der Gattin von König Priamos und Mutter des getöteten Paris, befindet.

Eine Version, die mir mehr zusagt.

Wenn das Leben von Helena in diesem Buch betrachtet werden soll (einige Passagen ähneln Zeilen aus meinem Buch „Helena und Paris“, das liess sich nicht ändern), so existieren zwar einige wenige mythologische Quellen, aber die meisten Jahre ihres „poetischen“ Lebens verlieren sich im mythischen Dunkel. So bleibt mir wieder wie auch in anderen Büchern nichts anderes übrig, als Szenen ihres Lebens gedanklich in möglichst zeitgerechten Worten nachzuempfinden, also möglichst ohne moderne Wortgebilde, und der Phantasie 1 ein wenig Raum zu gewähren, denn die Phantasie ist ein Ort gedanklicher Freiheit.

Bad Soden, im August 2020

Dr. Dietrich Volkmer


1 Das Wort Phantasie stammt wie so vieles unserer heutigen Zeit aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie Vorstellungsvermögen, Einbildungskraft, Erfindergeist, Einfallsreichtum.

Rückschau

Zweimal hat sich der Lauf des Mondes nun gerundet, seitdem Menelaos gestorben ist. Meine trojanische Eskapade mit Paris hatte er mir grosszügig, aber doch schweren Herzens verziehen, und wir verlebten danach noch eine Reihe von harmonischen Jahren. Seine Kriegsgelüste waren wohl seit den zehn Jahren vor Troja und der langen Rückfahrt etwas gedämpft, aber immer wieder tauchten die dramatischen Szenen vor und in Troja in seinen Erzählungen auf. Besonders wenn die Männer abends beim Wein beieinander sassen, war das ein beliebtes Thema. Manchesmal hörte ich ihn sogar im Traum davon sprechen.

Nur hin und wieder musste er mal nach Messenien, wenn dort Unruhen ausgebrochen waren.

Er hatte nicht lange gelitten, es ging ganz plötzlich. Sämtliche Heiler aus Sparta und auch die Priester des Apollon kamen an sein Krankenbett, mussten aber wohl oder übel einsehen, dass ihr ganzes Wissen und ihre Künste nichts mehr ausrichten konnten.

Es gab eine riesige Beerdigungszeremonie. Aus ganz Griechenland kamen Fürsten und Herrscher, einige Ältere hatten damals mit ihm noch zusammen vor Troja gekämpft. Besonders habe ich mich über die Anwesenheit von Telemach gefreut, der den weiten Weg von Ithaka nicht gescheut hatte. Das letztemal hatten wir uns gesehen, als er uns besuchte, um zu klären, wo sein Vater Odysseus geblieben sei. Fast zehn Jahre war es seit der Eroberung von Troja her und er und Penelope hatten kein Sterbenswörtchen von ihm gehört. Damals erzählte mir Telemach auch von der Not Penelopes, die sich der aufdringlichen Freier in Odysseus’ Haus erwehren musste, weil sie auf die Rückkehr von Odysseus hoffte.

Viele meiner früheren Diener und Hilfen haben den Gang in die dunklen Gefilde des Hades angetreten. Die meisten Schmerzen verursachte mir, als mich auch Alissa in hohem Alter verliess. Es ist einsam um mich geworden und die Tage ziehen sich mühsam dahin.

Meine Tochter Hermione hatte Neoptolemos, den Sohn von Achilleus geheiratet. Sie war mit ihren drei Kindern vollauf beschäftigt und ich habe sie nach ihrer Hochzeit nicht so oft gesehen. Ich kann aber auch verstehen, dass sie mir es noch immer nachträgt, sie als kleines Kind einfach verlassen zu haben, als ich mit Paris nach Troja floh. Noch jetzt überfällt mich manchmal ein schlechtes Gewissen, wie ich mich damals als junge Mutter verhalten habe.

Auch an mir hat das Alter gelinde Spuren hinterlassen. Manchmal traue ich mich schon gar nicht mehr in den Spiegel zu schauen. Dieses Wort von der „Schönen Helena“ oder der „Schönsten Frau der bekannten Welt“ – ich mag es nicht mehr hören. Es tut mir regelrecht weh. Die Götter in ihrer Weisheit haben es wohl sinnvoll so eingerichtet, das wir die Zeit nicht zurückdrehen können und uns nur eine bestimmte Zeit auf Erden geschenkt wird. Wenn man dann zurückschaut und zugeben kann, dass man ein erfülltes und interessantes Leben gehabt hat, so glaube ich, sind auch die Götter zufrieden.

Bei diesem Satz überfiel mich eine Eingebung, wie ich es gleich näher beschreiben werde.

Hatte ich insgesamt nicht ein aufregendes Leben gehabt? Wer kann schon als Frau von sich behaupten, auf ein so farbiges und spannendes Geschehen voller Abenteuer zurückblicken zu können?