Cover

Warrior Cats

Staffel I

In die Wildnis (Bd. 1)

Feuer und Eis (Bd. 2)

Geheimnis des Waldes (Bd. 3)

Vor dem Sturm (Bd. 4)

Gefährliche Spuren (Bd. 5)

Stunde der Finsternis (Bd. 6)

Staffel II – Die neue Prophezeiung

Mitternacht (Bd. 1)

Mondschein (Bd. 2)

Morgenröte (Bd. 3)

Sternenglanz (Bd. 4)

Dämmerung (Bd. 5)

Sonnenuntergang (Bd. 6)

Staffel III – Die Macht der drei

Der geheime Blick (Bd. 1)

Fluss der Finsternis (Bd. 2)

Verbannt (Bd. 3)

Zeit der Dunkelheit (Bd. 4)

Lange Schatten (Bd. 5)

Sonnenaufgang (Bd. 6)

Staffel IV – Zeichen der Sterne

Der vierte Schüler (Bd. 1)

Fernes Echo (Bd. 2)

Stimmen der Nacht (Bd. 3)

Spur des Mondes (Bd. 4)

Der verschollene Krieger (Bd. 5)

Die letzte Hoffnung (Bd. 6)

Staffel V – Der Ursprung der Clans

Der Sonnenpfad (Bd. 1)

Donnerschlag (Bd. 2)

Der erste Kampf (Bd. 3)

Der Leuchtende Stern (Bd. 4)

Der geteilte Wald (Bd. 5)

Der Sternenpfad (Bd. 6)

Staffel VI – Vision von Schatten

Die Mission des Schülers (Bd. 1)

Donner und Schatten (Bd. 2)

Zerrissene Wolken (Bd. 3)

Dunkelste Nacht (Bd. 4)

Fluss aus Feuer (Bd. 5)

Wütender Sturm (Bd. 6)

Staffel VII – Das gebrochene Gesetz

Verlorene Sterne (Bd. 1)

Special Adventure

Feuersterns Mission
Das Schicksal des WolkenClans

Blausterns Prophezeiung

Streifensterns Bestimmung

Gelbzahns Geheimnis

Riesensterns Rache

Brombeersterns Aufstieg
Mottenflugs Vision

Habichtschwinges Reise

Tigerherz’ Schatten

Krähenfeders Prüfung

Short Adventure

Wolkensterns Reise

Distelblatts Geschichte

Nebelsterns Omen

Taubenflugs Schicksal

Ahornschattens Vergeltung

Tigerkralles Zorn

Die Welt der Clans

Das Gesetz der Krieger

Die letzten Geheimnisse

Von Helden und Verrätern

Alle Abenteuer auch als E-Books bei Beltz & Gelberg

www.warriorcats.de

Hinter dem Namen Erin Hunter verbirgt sich ein ganzes Team von Autorinnen. Gemeinsam konzipieren und schreiben sie die erfolgreichen Tierfantasy-Reihen WARRIOR CATS, SEEKERS, SURVIVOR DOGS und BRAVELANDS.

Besonderen Dank an Kate Cary

Die Hierarchie der Katzen

WindClan

WolkenClan

DonnerClan

FlussClan

SchattenClan

Hofkatzen

Prolog

»Helft ihr doch!« Mottenflug zuckte entsetzt zusammen, als sie die blaugraue Kätzin im Graben neben dem Feldweg liegen sah. Blut färbte den dicken Pelz an ihrem Hals schnell dunkel. Ihre Flanken zitterten, während sie um jeden flachen Atemzug kämpfen musste.

Andere Katzen umkreisten Mottenflug schemenhaft in der fahlen Dämmerung. Sie warf den Kopf herum, als sie ein Fauchen neben sich hörte. Eine riesige, dunkelgetigerte Kätzin richtete sich auf und hieb mit den Vorderpfoten auf einen kleineren, schwarz-weißen Kater ein.

»Warum helft ihr eurer Gefährtin nicht?«, keuchte Mottenflug. Aber keine der beiden schien sie zu hören. Der Kater wand sich verzweifelt am Boden, während die Tigerkatze ihn niederdrückte.

Mottenflugs Gedanken rasten. Ist das ein Kampf?

Aber die anderen Katzen kämpften nicht.

Wie eine Flamme fuhr ein fuchsroter Pelz durch den Graben, als ein junger Kater zu der Kätzin eilte und sich neben sie kauerte. Zwei verängstigte Köpfe mit zuckenden Ohren spähten über den Grabenrand.

Aus dem Hals der Kätzin sickerte das Blut in den Boden.

»Sie stirbt!«, heulte Mottenflug den beiden kämpfenden Katzen zu. Aber die fauchten sich nur noch bösartiger an.

Furcht ergriff sie. Mottenflug eilte zu der verletzten Kätzin, ihre Pfoten glitten lautlos über die Erde. Frühes Sonnenlicht streifte ihre Flanke, ohne einen Schatten zu werfen.

Sie glitt in den Graben neben den flammend roten Kater. »Was ist ihr zugestoßen?«

Der Kater antwortete nicht. Er beugte sich so weit zu der verletzten Katze hinab, bis seine Atemzüge ihre Ohrhärchen zum Flimmern brachten.

»Stirb nicht!« Mottenflug streckte die Pfote aus, um die Kätzin zu berühren, aber sie glitt durch die verletzte Flanke wie durch Nebel.

Neben ihr tauchte ein dunkler Pelz auf. Die große Tigerkatze hatte aufgehört zu kämpfen und war schließlich heruntergekommen. Aber während sie sich an ihr vorbeidrängte, spürte Mottenflug nichts. Das blaugraue Fell streifte ihres, als wäre sie überhaupt nicht vorhanden.

Die beiden jungen Katzen, die vom Rand zugeschaut hatten, kletterten jetzt in den schattigen Graben und standen zitternd neben dem feuerroten Kater. Mottenflug sah, dass das Maul der Tigerkatze sich öffnete und schloss, aber sie konnte kein Wort hören.

Mottenflug stockte der Atem, als sie bemerkte, dass die Flanke der blaugrauen Katze erstarrte.

Sie stirbt!

Der Anblick der toten Kätzin fegte durch ihren Körper wie ein eisiger Wind und sie begann zu zittern. Sie erinnerte sich daran, dass Grauer Flug erst vor einem Mond gestorben war. Beim Blick in sein offenes Grab war sie erschaudert, und es hatte ihr fast das Herz gebrochen, als sie sah, wie klein er wirkte und wie stumpf sein Fell geworden war. Der warmherzige Kater, in dessen Pelz der Wind gespielt hatte, war dahingegangen. Er war nur noch totes Fleisch und sah aus wie ein Beutetier. Sein Clan hatte ihn beerdigt. Die Augen der Katzen waren leer vor Schmerz gewesen, aber zumindest hatte ihnen das Begräbnis die Möglichkeit gegeben, Abschied zu nehmen.

»Ihr müsst sie begraben«, stieß sie nun mit zitternder Stimme hervor.

Aber die Katzen rührten sich nicht. Sie starrten ihre tote Gefährtin an und blinzelten nicht einmal, während die Sonne am Himmel langsam höher stieg. Der schwarz-weiße Kater stand ein paar Schwanzlängen entfernt und beobachtete nervös die Tigerkatze.

»Macht doch etwas!« Mottenflug maunzte wütend und versuchte, sich Gehör zu verschaffen. »Erweist ihr die letzte Ehre! Fangt endlich an, sie zu begraben.«

Keine der Katzen drehte sich zu ihr um oder verriet auch nur mit dem Zucken eines Ohrs, dass sie sie gehört hatten.

Die Sonne stieg immer höher, bis ihre Strahlen in den Graben fielen.

»Wollt ihr sie hier liegen lassen und den Krähen zum Fraß vorwerfen?« Mottenflug konnte nicht fassen, was sie hier sah. Hatten diese Katzen überhaupt kein Herz?

Plötzlich zuckte der Schwanz der blaugrauen Kätzin.

Mottenflug schnappte nach Luft, sie war geschockt. Spielte der Wind mit dem Pelz der toten Katze?

Nein!

Die blaugraue Kätzin hatte den Kopf gehoben und schaute die anderen aus trüben Augen an.

Mottenflug wollte zurückweichen, aber der Nebel schien ihre Pfoten zu umklammern und sie festzuhalten. Ungläubig sah sie zu, wie die Kätzin mit dem flammend roten Kater sprach. Sie war tot! Mottenflug konnte die Worte nicht verstehen, aber erkannte die Autorität in ihrem Blick, der langsam klarer wurde. Er erinnerte sie an die Augen ihrer Mutter. War diese Kätzin eine Anführerin? Wie konnte es sein, dass sie lebte?

Die Katzen traten zurück, damit die Kätzin aufstehen konnte. Während sie sich langsam und mit großer Anstrengung erhob, machte sich in ihren Augen Erleichterung breit.

Aber die Tigerkatze starrte einfach nur. Ihr bernsteinfarbener, fester Blick verriet nichts – weder Erleichterung noch Freude. Mottenflug drehte sich zitternd und schwer atmend auf den Hinterpfoten, kletterte aus dem Graben und fing an zu rennen. Ihre Gedanken rasten, und sie versuchte, das zu verstehen, was sie gesehen hatte.

Aus den Augenwinkeln bemerkte sie ein blasses Aufleuchten, und als sie den Kopf hob, sah sie erstaunt eine große, grüne Motte. Die breiten, durchsichtigen Flügel flatterten im Wind. Im Licht der frühen Sonne leuchteten sie so hell wie frisches Laub.

Sie beobachtete, wie die Motte davonschwirrte, und erkannte in der Ferne hinter ihr die Hochfelsen. Die aufragenden Spitzen glitzerten in der Sonne, und Mottenflug kniff angestrengt die Augen zusammen, um zu erkennen, wie die Motte darauf zuflatterte.

Ohne nachzudenken, sprang sie über den Graben und folgte der Motte, die jetzt flach über dem Gras tanzte. Ich muss sie einholen! Sie eilte ihr nach, während die Motte wie ein Blatt im Wind davongewirbelt wurde, immer kurz außerhalb der Reichweite ihrer Pfoten.

Dann wuchs der Abstand zwischen ihnen. Schließlich kam Mottenflug taumelnd zum Stehen und sah zu, wie die Motte davonflog. Mottenflug war überrascht von dem brennenden Wunsch, den sie in ihrem Herzen verspürte. Warte auf mich! Ein Wimmern blieb ihr im Hals stecken. Ich will mit dir kommen!

1. KAPITEL

»Was miaust du da vor dich hin?«

Staubnases Maunzen ließ Mottenflug zusammenzucken und aufwachen. Als die hellen Strahlen der Nachmittagssonne über die Ginsterhecke um das Lager schienen, öffnete sie blinzelnd die Augen und kniff sie gleich wieder zusammen. »Habe ich miaut?« Sie war immer noch von ihrem Traum gefangen. Hatte sie im Schlaf geredet?

Staubnase sprang vor ihr auf und ab und schaute sie liebevoll an. »Ich dachte, nur alte Katzen halten Mittagsschlaf.« Er stieß sie zärtlich an. »Meine Schwester treibt sich zu viel mit Rocky herum.«

Rocky hörte seinen Namen und schaute auf. Der alte fuchsrote Kater blickte aus seinem Nest im hohen Gras neben der Sandmulde. »Sie kann eine Menge von mir lernen«, knurrte er. »Ich habe mehr Monde gesehen als ihr zwei zusammen.« Der Liebling der Jungen war erst vor ein paar Monden zum Clan gestoßen, kurz nachdem Grauer Flug die Katzengruppen zum ersten Mal Clans genannt hatte – ein Wort, das allen sofort einleuchtete, kaum dass Grauer Flug es ausgesprochen hatte. Rocky hatte sich ans Clan-Leben gewöhnt wie ein Fisch ans Schwimmen. Er jagte nicht so viel wie die jüngeren Katzen und jammerte, dass seine Pfoten zu langsam für die Jagd waren. Aber er half Distel und Adlerfeder sehr gerne beim Tunnelbau. Distel plante ständig neue Tunnel und grub sich durch alte Kaninchengänge, um Abkürzungen zu schaffen.

Mottenflug rappelte sich auf. »Ich wollte gar nicht einschlafen, aber die Sonne war so warm.« Blattleere entließ das Moor langsam aus seinem Griff und die Sonne der Blattfrische fühlte sich nach den harten Monden voller Frost und Eis verschwenderisch an. Plötzlich schreckte sie panisch zusammen. »Wo sind Schiefers Junge?« Sie ließ ihre Augen mit klopfendem Herzen über die Lichtung schweifen. Schiefer hatte Mottenflug gebeten, auf Weißschwanz, Silberstreif und Schwarzohr aufzupassen. Sie hatten noch in der Sandmulde gespielt, während Mottenflugs Augen schwer wurden. Sie hatte sie nur einen Moment lang geschlossen und jetzt waren die Kleinen nirgendwo mehr zu sehen.

Auf der anderen Seite des Lagers erkannte sie Distel. Die schwarze Kätzin leckte den Schmutz aus ihrem Fell, während Adlerfeder neben ihr stand und den Staub aus seinem Pelz schüttelte.

Distel schaute sie fragend an. »Alles in Ordnung, Mottenflug?«, miaute sie. »Du siehst besorgt aus.«

Mottenflug ließ sich ihre Panik nicht anmerken. »Mir geht’s gut«, versicherte sie Distel.

Staubnase warf ihr einen Blick zu. »Davon abgesehen, dass du nicht weißt, wo Schiefers Junge sind«, miaute er leise.

»Still!« Mottenflug sprang über die gelben Grasbüschel. »Vielleicht sind sie bei den Steinen.« Die Jungen spielten gerne Fangen an den runden, flachen Felsen nahe dem Lagereingang.

»Vorhin habe ich sie noch gesehen«, maunzte Rocky.

Mottenflug fuhr herum. »Wo?« Bevor er seine Antwort quer durch das ganze Lager rufen und alle mithörten konnten, war sie schon zu seinem Nest gesprungen und stand schwer atmend neben ihm. »Wo waren sie?«, bettelte sie.

»Als wir aus dem Tunnel kamen, spielten sie außerhalb des Lagers«, antwortete Rocky.

»Wo ungefähr?« Mottenflugs Fell kribbelte vor Angst.

»An der Grenze zum FlussClan.«

»Du meinst bei der Schlucht?« Mottenflug drehte es den Magen um. An der Grenze schnitt eine tiefe Schlucht durch das Moor, in der ein Fluss toste. Für Junge war das ein gefährlicher Ort.

»Nicht in ihrer Nähe«, versicherte ihr Rocky. »Sie sind vernünftig genug, um nicht zu dicht heranzugehen.«

»Sie sind erst zwei Monde alt!« Mottenflug kämpfte mit ihrer Panik. Schiefer hatte ihr die geliebten Jungen anvertraut, um auf sie aufzupassen. Die graue Kätzin betrauerte immer noch den Verlust ihres Gefährten Grauer Flug und ruhte sich nach dem Sonnenhoch häufig aus; der Kummer zehrte an ihren Kräften. Ich habe sie im Stich gelassen! Was, wenn Silberstreif in die Schlucht gefallen war? Oder ein Bussard Weißschwanz geschlagen hatte? Oder Schwarzohr … Halt! Mottenflug zwang sich, nicht daran zu denken. »Warum hast du sie nicht ins Lager gebracht?«, funkelte sie Rocky wütend an.

»Ich dachte, du hättest sie zum Spielen dorthin geschickt«, blinzelte Rocky.

»Aus welchem Grund sollte ich das tun?«, fauchte Mottenflug ihn leise an. »Sie sind zu jung, um außerhalb des Lagers herumzulaufen. Sie können noch nicht selbst auf sich aufpassen.«

Rocky hielt ihrem Blick stand. »Ich dachte, das wäre deine Aufgabe«, knurrte er.

Hinter Mottenflug schnaubte jemand verächtlich.

Sie drehte sich zur Ginsterhecke des Lagers um, die einen Schatten auf das weiche Gras warf.

Flinke Flosse musterte sie unfreundlich. »Du bist offenbar noch nicht sehr lange bei uns, Rocky«, miaute die grau-weiße Kätzin. »Sonst würdest du Mottenflug besser kennen.«

»Was soll das heißen?« Mottenflug funkelte die andere Katze an. Ihr Magen zog sich zusammen, da sie schon ahnte, was Flinke Flosse antworten würde.

»Du tust nie, was du tun sollst«, schnaubte Flinke Flosse. »Vor einem Sonnenaufgang hat Windläufer dich losgeschickt, Feldmäuse zu fangen, und du bist mit Blättern irgendeiner stinkenden Pflanze zurückgekommen.«

»Die haben nicht gestunken!«, verteidigte sich Mottenflug. »Und ich musste sie einfach mitnehmen. Solche Blätter habe ich noch nie gerochen.«

»Der Clan ernährt sich nicht von Blättern«, fauchte Flinke Flosse.

Rocky erhob sich auf die Pfoten und schaute die grau-weiße Kätzin sanft an. »Sei nicht zu streng, Flinke Flosse. Mottenflug ist fast selbst noch ein Junges. Katzenjunge lassen sich nun mal ablenken. Alles ist neu für sie.« Dann tapste er langsam zu einem sonnigeren Fleck auf der Lichtung, wobei sein Pelz an den Stellen des Rückens zuckte, die noch voller Schmutz aus den Tunneln waren.

»Mach dir keine Sorgen«, drang Fleckenfells Maunzen an Mottenflugs Ohr. Der goldbraune Kater beugte sich vor und sein gesprenkeltes Fell glänzte in der Sonne des Nachmittags. »Den Jungen wird’s schon gut gehen. Ich helfe dir, nach ihnen zu suchen.«

Flinke Flosse schaute zur schattigen Kuhle in der Ginsterhecke, wo Schiefer schlief. »Besser, ihr findet sie, bevor ihre Mutter aufwacht. Sie hat schon genug Sorgen.«

Mottenflug hob den Kopf. »Ich werde sie finden!« Sie wünschte, genauso sicher zu sein, wie sie klang, und brach zum Eingang des Lagers auf.

Fleckenfell eilte ihr nach.

Mottenflug warf Staubnase einen Blick zu. »Kommst du mit und hilfst mir?«

Staubnase rollte mit den Augen. »Nicht schon wieder! Ich helfe dir immer, wenn du in Schwierigkeiten steckst. Jetzt hilft dir Fleckenfell. Ich bin müde vom Jagen und muss mich ausruhen.«

Mottenflug ließ ihren Schweif verärgert hin und her schnellen. Staubnase hatte leider recht. Ihr Bruder half ihr immer, wenn sie Probleme hatte. Beim letzten Halbmond hatte Windläufer sie losgeschickt, ein Spinnennetz zu besorgen, um Taunases verletzte Pfote zu verbinden. Aber in der Nacht hatten die Sterne so geleuchtet, dass Mottenflug von der glitzernden Spiegelung des Himmels in einer Pfütze abgelenkt wurde. Staubnase hatte sie gesucht, um sie zur Eile zu mahnen, und schließlich ein paar Spinnennetze auf einem Steinhaufen entdeckt, während sie versuchte, Sternmuster zu erkennen.

Ich muss lernen, mich auf meine Aufgaben zu konzentrieren! Oder ich werde nie …

»Wollten wir nicht zur Schlucht?« Fleckenfells Maunzen unterbrach ihre Gedanken.

»Die Schlucht?« Vor dem Eingang zum Lager blieb sie kurz stehen und sah sich verwirrt um. Dann fauchte sie vor Ärger über sich selbst. Ihre Gedanken waren schon wieder auf Wanderschaft gegangen! Sie wackelte mit dem Kopf und schwor sich, aufmerksamer zu sein. »Natürlich. Da hat Rocky die Jungen zuletzt gesehen.«

Sie starrte auf die weiten Felder von Heidekraut, die sich sanft im Wind der Blattfrische wiegten. In zwei Tagen war Vollmond und in einem weiteren Halbmond würde das Moor ein grünes Blättermeer sein. Sie hatte das noch nie gesehen, sondern nur die Älteren davon erzählen hören. Mottenflug konnte es gar nicht erwarten, den Geruch von neuem, frischem Leben zu erschnuppern. Es würde ihre erste Blattfrische sein. Bisher kannte sie nur Schnee und Eis und das langsame Sterben des Moors in den Monden vor der Blattleere. Jetzt erwachte alles wieder zum Leben. Ihre Pfoten kribbelten vor Vorfreude.

»Mottenflug!« Fleckenfells Maunzen klang jetzt streng. »Wir müssen die Kleinen finden!«

Sie schüttelte ihren Pelz und fühlte sich schuldiger als jemals zuvor. Warum musste es so viele Dinge geben, die sie ablenkten? »Die Kleinen.« Sie bohrte ihre Krallen ins Gras und war fest entschlossen, sich von jetzt an darauf zu konzentrieren, sie zu finden.

Vor ihnen raschelte die Heide, und Weidenschwanz kam unter den Büschen hervor, eine Maus zwischen den Zähnen. Sie ließ die Maus fallen und schaute Fleckenfell an. »Was ist mit den Jungen?«

»Ich habe Schiefers …«

Fleckenfell fiel Mottenflug ins Wort, bevor sie ihre Beichte abschließen konnte. »Schiefers Junge sind aus dem Lager gelaufen und wir suchen sie.«

Mottenflug warf ihrem Freund einen dankbaren Blick zu. »Rocky hat sie in der Nähe der Schlucht gesehen.«

Weidenschwanz’ Augen wurden groß vor Sorge. »Dann komme ich besser mit euch. Drei Nasen riechen mehr als zwei.« Sie ließ die Maus liegen, lief den Abhang hinab und hetzte in weiten Sprüngen durch die Heidebüschel. Fleckenfell eilte ihr nach, gefolgt von Mottenflug.

»Haltet die Nase offen, um sie besser riechen zu können«, miaute Weidenschwanz ihnen über den Rücken zu.

Mottenflug schloss zu Fleckenfell auf und schnupperte, um die Moorgerüche besser aufzunehmen. Der Geruch von warmem Torf zog ihr durchs Maul. Sie kniff die Augen zusammen und suchte den Abhang vor ihnen ab. »Kannst du sie riechen?«, schnaufte sie.

Fleckenfells Blick war nach vorne gerichtet. »Noch nicht, aber mit Weidenschwanz’ Hilfe finden wir sie bestimmt schnell.«

Der Abhang zur Schlucht hin wurde steiler und Weidenschwanz war langsamer geworden. Sie huschte hierhin und dorthin, beschnüffelte das Gras an den Rändern eines Ginsterbuschs. »Du kannst das Stück Heide da absuchen«, miaute sie Fleckenfell zu.

»Und wo soll ich suchen?«, fragte Mottenflug laut. »Bleib bei Fleckenfell«, kam es von Weidenschwanz zurück. »Wir wollen doch nicht, dass du auch noch verloren gehst.«

Mottenflugs Pelz prickelte. Hielt denn jede Katze des WindClans sie für so überflüssig wie Distel? Folgsam glitt sie hinter Fleckenfell zwischen die Heidebüsche.

Ein intensiver Geruch kitzelte ihre Nase. »Ich rieche den Fluss.«

»Von hier?« Fleckenfell drehte sich zwischen Heidebüschen, die über ihren Köpfen aufragten, zu ihr um.

»Ich rieche die Wasserpflanzen an seinen Ufern.« Mottenflug spürte einen Anfall von Sehnsucht. »Ich wollte schon immer dorthin und sie mir ansehen und ein paar pflücken. Wasserpflanzen sind so interessant. Warum ertrinken sie nicht? Brauchen sie Wind wie die anderen Moorpflanzen?«

»Du kannst keine Pflanzen auf dem Gebiet des FlussClans pflücken«, warnte Fleckenfell sie. »Windläufer will, dass wir auf unserem eigenen Territorium bleiben, damit Frieden zwischen den Clans herrscht.«

Mottenflug war enttäuscht. »Wie sollen wir irgendetwas lernen, wenn wir uns mit dem begnügen, was wir schon wissen?«

Noch während sie sprach, erstarrte Fleckenfell. In seinen Augen blitzte Furcht auf.

»Stimmt was nicht?«

»Hör mal!« Fleckenfells Ohren waren gespitzt.

Mottenflug stellte ebenfalls die Ohren auf.

Das schwache Jammern eines Jungen klang über die Heide.

Dann war Weidenschwanz’ erschrockenes Maunzen weiter unten am Abhang zu vernehmen. »Fleckenfell! Komm schnell!«

»Die Jungen sind in Schwierigkeiten!« Fleckenfell tauchte in die Heide ein.

Mottenflug sprang hinterher, das Herz schlug ihr bis zum Hals.

2. KAPITEL

Mottenflug raste über die Heide und spürte kaum, wie die Büschel an ihren Flanken kratzten. Nur einen Moment nach Fleckenfell kam sie mit einem Satz auf dem Gras zu stehen. Fleckenfell beobachtete den Abhang bereits genau und sie folgte seinem Blick.

Weidenschwanz kauerte in einer Senke am Rand der Ginsterbüsche. Die hellbraune Kätzin starrte in ein enges Kaninchenloch. »Schon gut, Silberstreif. Wir holen dich da raus.«

Ein jämmerliches Klagen ertönte. »Macht schnell! Bitte! Ich hab so Angst!«

Weißschwanz – nicht größer als ein Kaninchenjunges – drängte sich schnüffelnd an Weidenschwanz vorbei und schaute in den Bau. »Sie ist schon ewig da drin!«

Schwarzohr tollte mit gesträubtem, schwarz-weißem Fell um sie herum. »Wir haben versucht, sie herauszuholen, aber sie steckt zu tief drin.«

Es geht ihnen gut! Mottenflug war zutiefst erleichtert, aber dann hielt sie inne. Schwarzohr und Weißschwanz waren in Sicherheit, aber wie stand es um Silberstreif?

Fleckenfell stürmte zu seiner Clan-Gefährtin. »Was ist passiert?«

Weidenschwanz’ Ohren zuckten. »Sieht so aus, als sei Silberstreif in einen Tunnel gefallen, und jetzt kommt das arme Kleine nicht mehr heraus. Sie ängstigt sich fast zu Tode, aber das Loch ist zu eng für mich, ich kann mich da nicht durchquetschen.«

Mottenflug blickte auf das schmale Loch im Gras, aus dem Silberstreifs Gejammer jetzt lauter erklang. »Bist du verletzt?«, schnurrte sie nach unten.

»Noch nicht«, miaute Silberstreif aufgeregt. »Aber ich glaube, ich höre das Geräusch von Pfoten, die durch den Tunnel rennen.«

Schwarzohrs Augen wurden groß. »Ein Dachs!«

Weißschwanz fuhr seine winzigen Krallen aus. »Ich werde sie retten.« Er steckte seinen Kopf in das Loch und fing an, sich in den Gang zu wühlen.

»Nein, das tust du nicht!« Fleckenfell nahm seinen Schwanz zwischen die Zähne und zog ihn zurück. »Wir wollen nicht zwei von euch verlieren.«

Schwarzohr versuchte, sich freizuzappeln. »Aber was ist mit dem Dachs?«

»Der Gang ist zu klein für einen Dachs«, versicherte ihm Weidenschwanz.

Weißschwanz blinzelte die Kätzin an. »Und was ist mit Ratten?«

Mottenflugs Herzschlag beschleunigte sich und ihre Angst schlug in Ärger um. »Warum seid ihr nicht einfach im Lager geblieben?«, fauchte sie die Jungen an.

Schwarzohr schien sich keiner Schuld bewusst. »Wir wollten dich ja fragen, ob wir rausdürfen, aber du hast geschlafen.«

Weidenschwanz warf ihr einen Blick zu. »Solltest du auf sie aufpassen?«

Mottenflug senkte schuldbewusst den Kopf. »Ja«, gestand sie, und ihr Fell kräuselte sich vor Unmut. Warum musste Schiefer ausgerechnet sie bitten, aufzupassen? Jeder im Lager weiß doch, dass ich so leicht abgelenkt werde.

Fleckenfell drängte sich an ihr vorbei und begann, das Gras um den Tunneleingang herauszureißen. »Holen wir Silberstreif da raus. Ich rieche zwar keine Ratten da unten, aber sie muss Hunger haben und frieren.«

Weidenschwanz miaute zustimmend und schlug die Krallen mit voller Kraft in den Boden, sodass ein Brocken Erde wegflog. Gemeinsam vergrößerten sie den Eingang des Kaninchenbaus. Mottenflug schaute zu, während ihre Clan-Gefährten die Grasklumpen zur Seite schleuderten. Sie zerfielen beim Aufschlagen, denn der Boden war hier nicht so dunkel und feucht wie auf dem Hochmoor. Ihr fiel auch auf, dass das Gras weicher war, nicht so hart wie die Halme um das Lager.

»Hör auf zu glotzen und hilf uns!« Weidenschwanz maunzte sie scharf an und unterbrach ihre Gedanken.

Mottenflug machte einen Satz vorwärts und stolperte über Schwarzohr. Er fauchte, als sie mit der Pfote auf seinen Schwanz trat, und schaute sie empört an.

»Tut mir leid!« Auch Mottenflug schlug jetzt ihre Vorderpfoten in das Loch, das neben Fleckenfell immer größer wurde, und schaufelte Erde beiseite. Sie konnte Silberstreifs Schnauze sehen, auf die das Licht der späten Sonne fiel. Es war einfach, die Erde wegzuscharren. Während sie Weidenschwanz und Fleckenfell weiter beim Graben half, fragte Mottenflug sich, ob hier auch andere Pflanzen wuchsen. Sie schaute sich verstohlen um und hielt nach ungewöhnlichen Blätterformen im Gras Ausschau.

»Das sollte groß genug sein.« Weidenschwanz setzte sich auf die Hinterbeine.

Fleckenfell sah sie fragend an. »Für mich ist das zu klein, da passe ich nicht rein.«

Silberstreif versuchte schon, die steilen Seiten des Lochs hochzuklettern, und maunzte jedes Mal enttäuscht auf, wenn die Erde unter ihren Krallen zerkrümelte und sie zurückrutschte.

»Du bist klein genug, um dich dort reinzuquetschen.« Weidenschwanz blickte zu Mottenflug. »Spring hinein und gib ihr einen Schubs.«

Mottenflug zögerte. Sie wusste, dass einige der WindClan-Katzen mit Vorliebe Kaninchengänge nutzten. Distel nahm häufig Adlerfeder und Taunase zum Jagen mit dorthin. Mottenflug spürte lieber den Wind in ihrem Pelz.

Fleckenfell stupste sie leicht mit der Schnauze an. »Vergiss die Dunkelheit«, drängte er sie sanft. »Silberstreif braucht Hilfe.«

Mottenflug atmete tief durch und schob sich in das Loch. Unten angekommen, rutschten ihre Pfoten weg, und sie wäre fast gefallen. Ein kalter Moschusgeruch umgab sie. Sie fröstelte, und die Dunkelheit des Tunnels setzte ihr so zu, dass sie Angst bekam.

»Du hast mich gerettet!« Silberstreif warf sich auf Mottenflug und schnurrte laut. Plötzlich wurde Mottenflug klar, wie lange das Katzenjunge allein hier unten gefangen und wie tapfer es gewesen war.

Sie starrte blinzelnd in die Dunkelheit hinter Silberstreif und fragte sich schaudernd, wie weit der Gang wohl gehen würde und was an seinem Ende sein mochte. Sie schnupperte und spitzte die Ohren, aber es roch weder nach Ratten, noch war das Schleifen ihrer langen Schwänze zu hören. Nichts. Der Gang war leer. »Es tut mir so leid, dass ich eingeschlafen bin«, miaute sie in Silberstreifs weiches Ohr. »Ich hätte auf euch aufpassen sollen.«

Silberstreifs kaltes Schnäuzchen streifte ihre Wange. »Es tut mir leid, dass wir weggerannt sind«, entschuldigte sie sich mit einem kläglichen Maunzer.

»Nichts wie raus hier.« Mottenflug schob die Schnauze unter Silberstreifs Hinterpfoten. »Spring!« Mottenflug gab ihr Schwung und Silberstreif schnellte nach oben. Sie spürte Fleckenfells warmen Atem, während er die Kleine am Nacken packte und sie ins Licht zog.

»Silberstreif!«, quiekte Weißschwanz glücklich.

Schwarzohr maunzte begeistert. »Wir waren schon sicher, dass die Ratten dich holen würden.«

Fleckenfell schnurrte: »Kommst du, Mottenflug?«

GraswurzelnIch wusste doch, dass es in dieser sandigen Erde ein paar besondere Pflanzen gibt!Wie sehen wohl die Blätter dieser Pflanze aus?