INHALT

DANKSAGUNG

Es ist nicht leicht für mich, alle jene Personen aufzuzählen, die bei der Entstehung dieses Buches in vielfältiger Weise geholfen haben. Dennoch wage ich den Versuch. Bedanken möchte ich mich – als Autor und Herausgeber dieses Buches – bei Dipl. Soz. Wiss. Stefan Kalle für seinen Beitrag, Analogien zwischen dem von ihm entwickelten Modell der situativen lernenden Organisation (SLO) und der Methode Scribble zu identifizieren und zu beschreiben.

Bedanken möchte ich mich bei meinen KollegInnen: FH-Prof. Dr. Herbert Gölzner, FH-Prof. Dr. Richard Mischak, MBA, FH-Prof. Dr. Ursula Kraus, MA, FH-Prof. Dr. Ronald Steiner und DI Ralf Mitteregger für ihre lösungsorientierte Expertise und ihr wertvolles Feedback zu Praxistauglichkeit und Verständlichkeit, meiner Tochter Sandra für die Umsetzung der Illustrationen und Alina Hoyer für die sehr anspruchsvolle Buchgestaltung, FH-Prof. Dr. Ronald Steiner und Janine Kleidorfer für spannende Methodenerprobungen in ihren Unternehmungen, die damit die Referenzliste von Scribble bereichert haben, Dr. Silke Seemann für inspirierende Tage in Hallstatt, die mir halfen, das Buch finalisieren zu können, Dr. Louis Klein für wertvolle inhaltliche Anregungen. Abschließend möchte ich mich bei meinem leider im Jahre 2013 verstorbenen Betreuer meiner Masterthesis und Begleiter der zweijährigen empirischen Forschungsarbeit, als Ursprung der Methodenentwicklung von Scribble, bedanken. Univ. Prof. Dr. Dr. h. c. Lutz von Rosenstiel hat mir viel methodisches und inhaltliches Rüstzeug vermittelt. Dank ihm ist mein Bücherregal auch um viele spannende Werke reicher geworden.

VORWORT

Ich möchte zu Beginn meinen persönlichen Zugang zu Unternehmensorganisationen und Arbeitswelten beschreiben. Organisation bedeutet für mich: Die ständige Beschäftigung mit den darin tätigen Menschen mit dem Ziel einer funktionierenden arbeitsteiligen und dabei spaßvollen Zusammenarbeit, dynamisch angepasst an die inhaltlichen und formalen Rahmenbedingungen. Für mich ist die Beschäftigung mit Organisationen also viel mehr als nur: Das abstrakte Formulieren von Abläufen im Kontext zum Unternehmenszweck, das Beschreiben der dafür notwendigen Verfahrensanweisungen für die Rollen und Verantwortlichkeiten in Stellenbeschreibungen und Organigrammen, sowie das anschließend gemeinsame Umsetzen in der Organisation und dies meistens in Form von temporären Vorhaben für Optimierungs-, Befähigungs-, Digitalisierungs-, also generell von Veränderungsprogrammen.

Die Organisation stellt für mich also kein statisches, sondern vielmehr ein dynamisches Modell für die funktionierende Zusammenarbeit von Menschen dar. Mich interessieren dabei die unterschiedlichen Tätigkeiten im Rahmen: Der Gestaltung der Organisation in Kombination mit einer co-kreativen Konzeptionsarbeit, zur Gestaltung der Zusammenarbeit, der Befähigung der Mitarbeiter und Führungskräfte, der Begleitung der Organisation in der Umsetzung, des eigenen Lernens unter anderem aus den Beobachtungen der unterschiedlichen Verhaltensmuster in der Zusammenarbeit von Menschen.

Mein Zugang zum Thema Organisation war ursprünglich die ausschließliche Beschäftigung mit temporären Organisationen, also jenen Vorhaben die zumeist spontan entstehen und zu einer bestimmten Zielsetzung sowie schon zu Beginn mit einem bestimmten Ablaufdatum in Unternehmen etabliert werden. Ich spreche dabei von sogenannten Projektorganisationen.

Projektmanagement ist mittlerweile integraler Bestandteil der modernen Unternehmensorganisation. Folgende Aspekte beschreiben den schrittweisen Einfluss der Projektorganisation und des Projektmanagements in die Unternehmensorganisation: Die Menschen, die derartige Projekte starten, die sie leben und erleben, werden zum großen Teil mit denselben Situationen konfrontiert, wie sie im Tagesgeschäft der eigenen Linienorganisation ablaufen. Daher wird in den Personalentwicklungsabteilungen, für das Projektmanagement auch der Begriff „Management auf Zeit“ verwendet und der Einsatz der Projektleiter oftmals als Prüfstein für kommende Führungskarrieren verwendet. Für die potentiellen Führungskräfte sind die Ausnahmesituationen der täglichen Führungsaufgabe innerhalb von Projekten oftmals besser erlebbar als in so mancher Trainingssimulation oder so manchem Assessment - Center. Ein weiterer Einfluss von Projektmanagement in die Unternehmenslandschaft ist folgender: In den letzten zehn Jahren wurden in Unternehmen vermehrt, und exponentiell ansteigend, Projekte gestartet und dies nicht nur zur Abwicklung von Kundenaufträgen sondern auch für interne Vorhaben (z. B. für Optimierungen oder sonstige Veränderungsvorhaben). Dadurch wurden Projekte fixer Bestandteile der Unternehmensorganisationen.

Der Anziehungsfaktor für mich in Richtung der Projektorganisationen war und ist noch immer jener, dass die Begegnung der handelnden Personen innerhalb der Projekte auf nahezu selber Augenhöhe abläuft, die Arbeit rund um die Aufgabenstellung im Vordergrund steht und die Personen sich tendenziell weniger hinter Hierarchien und Befindlichkeiten verstecken. Unabhängig von der Größe und der Zielsetzung eines Projektes, begegnen sich Projektauftraggeber, Projektleiter, sowie Arbeitspaketleiter grundsätzlich auf einer „Augenhöhe“ oftmals im Unterschied zum Tagesgeschäft in der eigenen Linienorganisation.

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EINFÜHRUNG UND ZIELSETZUNG

  • 1 PROBLEMSTELLUNG
  • 2 WAS SOLL MIT DEM BUCH BEANTWORTET WERDEN?
  • 3 VORSCHAU UND VORGEHENSWEISE

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EINFÜHRUNG UND ZIELSETZUNG

1 PROBLEMSTELLUNG

Der Automatisierungsgrad im innerbetrieblichen wie im zwischenbetrieblichen Geschäftsprozessmanagement lässt – speziell in KMU-Betrieben – immer noch zu wünschen übrig. Das Kernproblem liegt dabei oft in heterogenen Darstellungen von verschiedenen Perspektiven und von verschiedenen Phasen im Lebenszyklus von Geschäftsprozessen. Typische Beispiele sind oftmals inkompatible Repräsentationen der Intra-Perspektiven zwischen Mitarbeitern und Entscheidungsträgern und Inter-Perspektiven zwischen dem Unternehmen und seinen Anspruchsgruppen (Kunden, Lieferanten, Anrainern) oder der Lücke zwischen normativer Modellierung für Compliance-Zwecke einerseits und realen Prozessausführungen andererseits (vgl. Brandstätter / Gölzner / Siems, 2006, S. 25).

Derartige Projekte zur Einführung von Prozess- aber auch Qualitätsmanagement sowie die Gestaltung einer prozessorientierten Unternehmung sind oftmals mit einer hohen Misserfolgsrate ausgezeichnet.

Die Begründung liegt laut Aussage von Becker / Kugeler / Rosemann (vgl. 2005, S. 35), neben überzogenen Erwartungshaltungen an die Ziele, in den aufwändigen und dadurch oftmals mangelhaft durchgeführten Methoden für die Implementierung und die laufende Anpassung von Prozessmanagement in den Unternehmensorganisationen. Weiters liegt die Begründung im erhöhten Dokumentationsbedarf zur Sicherstellung der Methode und der dadurch ständig notwendigen, aber leider oftmals nicht erfolgten Unterweisung der Mitarbeiter.

2 WAS SOLL MIT DEM BUCH BEANTWORTET WERDEN?

Prozessmanagement ist schwierig und herausfordernd. Daran wird eine neue Methodik wenig ändern. Das Wesen des Prozessmanagements ist ein bewusster Umgang mit Menschen in Organisationen, mit Innovation und mit Kreativität. Oft scheitern Prozessmanagement Projekte oder liefern Ergebnisse, die weder die eigenen Mitarbeiter zufriedenstellen noch die angestrebten wirtschaftlichen Ziele erreichen, weil sie einen Kreislauf selbstverstärkender (amplifizierender) Rückkopplungen in Gang setzen (vgl. Senge, 2003, S. 120).

Abb. 1 Kreislauf einer amplifierenden Rückkopplung, angelehnt an Ward (2007) und Senge (2003)

Projekte im Bereich des Prozessmanagements weisen nach meiner Erfahrung eine suboptimale Arbeitsorganisation auf, da frühzeitig versucht wird, alle Eventualitäten und Arbeitsdetails zu definieren, als fixe Größe zu betrachten und als unumstößlichen Plan auszuführen. Gleichzeitig erhält ein Projektteam erst spät die Rückmeldung über den tatsächlichen Fortschritt, wenn der Prozess in der Organisation implementiert wird. Ein Idealzustand könnte daher sein, alle Arbeiten von der Konzeption bis zur Implementierung in die Organisation innerhalb mehrerer iterativer Schleifen auszuführen. So könnte das Prozessteam bereits nach wenigen Wochen Rückmeldungen über Fortschritt oder etwaige Probleme und Hindernisse bekommen. Die Planung könnte daher auf dem tatsächlichen Fortschritt des Prozessprojektes basieren. Eine mögliche Vorgehensweise ist in Abb. 2 dargestellt.

Abb. 2 Der Kreislauf Im agilen Prozessmanagement

Folgende grundlegende Fragestellungen werden in diesem Buch beantwortet werden:

  • Wie können aus den Anleihen des Projektmanagements – im Speziellen des agilen Projektmanagements nach der Methode Scrum – Erkenntnisse für ein agiles Prozessmanagement gezogen werden?
  • Was sind die Minimalkriterien für ein neues „Agiles Prozessregelwerk“ für Implementierung, Dokumentation und laufende Adaptierung von Unternehmensprozessen?
  • Welche Voraussetzungen sind für die Anwendung der Methode notwendig und mit welchen Schwierigkeiten ist in der Anwendung von Scribble zu rechnen?

Scribble wurde grundsätzlich als alternative Methode im Prozessmanagement entwickelt und ist daher zusätzlich zu traditionellen Methoden gut anwendbar. Aus der Erfahrung des Autors in Veränderungsprojekten, bei denen es darum ging traditionelle, in Richtung agile Organisationen zu wandeln, wurde jeweils an den drei Aspekten gearbeitet:

  • Struktur
  • Prozesse
  • Kultur (im Bewusstsein, dass dieser Aspekt nie direkt, sondern indirekt durch Verhaltensänderungen zu einer Änderung von Haltung und Verhaltensmustern führen kann)

Der Aspekt der Änderung von Prozessen muss einfach, intuitiv und ohne Aufwand möglich sein. Wenn in Unternehmen mit agilen Modellen zur Prozesssteuerung – wie z. B. Kanban – gearbeitet wird oder gearbeitet werden soll, kann Scribble sehr gut als Unterstützung für die Gestaltung und Optimierung von derartigen Prozesssteuerungssystemen dienen.

3 VORSCHAU UND VORGEHENSWEISE

Das Kapitel 3 führt den Leser in die Grundlagenthemen „Prozessmanagement im Kontext zur Unternehmensorganisation“ ein und ist der Versuch, eine Verbindung und Abgrenzung zum Qualitätsmanagement zu schaffen. Es beschreibt die Transformation des Themas Projektmanagement, im Speziellen der Methode des agilen Projektmanagements Scrum, in das des Prozessmanagements. Analogien zwischen Prozess- und Projektmanagement werden in Punkt 3. 5 beschrieben. In den Punkt 3. 6 und 3. 7 wird das Thema Projektmanagement aus den traditionellen Betrachtungswinkeln beleuchtet, um in Punkt 3. 8 die neuen Ansätze von agilem Projektmanagement zu beschreiben. In den Punkt 3. 9 und 3.10 wird auf die gängige Methode des agilen Projektmanagements Scrum mitsamt ihren Besonderheiten eingegangen.

Im Kapitel 2 wage ich den Versuch, den Blick des Lesers entlang eines Zeitstrahls der jüngsten Menschheitsgeschichte auf das Thema Organisation zu lenken und dabei die Entwicklung von Arbeitsteilung der Menschen in Gesellschaft und Wirtschaft im Wandel der Zeit zu betrachten. Diese etwas andere Betrachtungsweise schafft vielleicht einen neuen Zugang zur Gestaltung und Führung von Ablauforganisationen.

Das Kapitel 4 beschreibt die Entwicklung einer Methode für agiles Prozessmanagement. Dabei geht es darum aus den Analogien des agilen Projektmanagements, eine agile Prozessmanagementmethode zu definieren und zu entwickeln. Der Punkt 4. 1 stellt einen allgemeinen Exkurs zu einer neuen Methodik in Richtung Prozessmanagement dar, während der Punkt 4. 2 eine Betrachtung des bestehenden, dokumentenorientierten Ansatzes im Vergleich zu einem neuen, personenorientierten Ansatz von Prozessmanagement beschreibt. Der Punkt 4. 3 geht auf die Entstehung von Scribble als Methode des agilen Prozessmanagements ein. Der Punkt 4. 4 fasst die Methode Scribble kompakt zusammen. In Punkt 4. 5 werden einerseits die Voraussetzungen und andererseits die Grenzen im Einsatz der Methode Scribble beschrieben.

In Kapitel 5 wird Scribble anhand von konkreten Fallbeispielen aus dem Dienstleistungsbereich beschrieben.

Das Kapitel 6 stellt eine qualitative Betrachtung und Rückkoppelung in der Methode des agilen Prozessmanagements dar. In Punkt 6.1. wird dabei in Form von Expertenbefragungen ein dafür entwickelter und auf die Fallbeispiele bezogener Fragenkatalog angewendet und ausgewertet. Der Punkt 6. 2 vergleicht die Methode Scribble im Kontext zur situativen, lernenden Organisation (SLO). Die Punkt 6. 3 und 6. 4 fassen die vorliegende Arbeit zusammen und geben einen Ausblick über die Weiterentwicklung der Methode.

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DIE WANDLUNG IN UNTERNEHMENSORGANISATIONEN

  • 1 EINE ANNÄHERUNG
  • 2 ARCHAISCHES PARADIGMA UND MAGISCHES PARADIGMA
  • 3 TRIBALES UND IMPULSIVES PARADIGMA
  • 4 TRADITIONELLES KONFORMISTISCHES PARADIGMA
  • 5 DAS MODERNE LEISTUNGSORIENTIERTE PARADIGMA
  • 6 DAS POSTMODERNE PLURALISTISCHE PARADIGMA
  • 7 DAS INTEGRALE EVOLUTIONÄRE PARADIGMA
  • 8 DIE ZUKUNFT HAT SCHON LÄNGST BEGONNEN
  • 9 FAZIT

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DIE WANDLUNG IN UNTERNEHMENSORGANISATIONEN

1 EINE ANNÄHERUNG

Bevor wir uns mit der Ablauf- oder Prozessorganisation von Unternehmen befassen, sollten wir vorher noch einige Grundsatzthemen klären. Wenn von Organisationen gesprochen wird, kommen Ihnen sicherlich Begrifflichkeiten wie Ablauf- bzw. Prozessorganisation sowie Aufbauorganisation in den Sinn. Grob gesprochen, beschreibt der erste Begriff, wie Personen intern und extern operativ zusammenarbeiten und der zweite, wer denn in Unternehmen welche Rolle bekleidet und Verantwortung trägt und wer an wen zu berichten hat.

Vielleicht fallen Ihnen auch noch Modelle für Aufbauorganisationen ein, wie z. B.:

  • Linien- und Stablinienorganisation
  • Divisionale Organisationsform
  • Matrixorganisation
  • Tensororganisation
  • Multidimensionale Matrixorganisation
  • Beta Codex Modell
  • Holakratie Modell
  • Netzwerkorganisation
  • Fraktale Fabrik
  • Ambidextre Organisation
  • Agile Organisationsform für Projekt und Linie nach Scrum, Scribble und Kanban
  • Zelluläre Organisation u. v. a. m.

Eventuell kommt Ihnen auch noch der Begriff „Governance“ in den Sinn. Ganz grob beschreibt Governance einen Ordnungsrahmen, der einer Unternehmensführung als Handlungsanleitung dienen soll. Dieser definiert, wie Macht unternehmensintern verteilt ist und wie unternehmensinterne Entscheidungen getroffen werden.

Neben dieser sehr theoretischen Annäherung fallen Ihnen wahrscheinlich noch Anforderungen und Fragen ein, die ein modernes Organisationsmodell zusätzlich abdecken sollte. Oder anders formuliert: Gibt es schon Organisationsmodelle oder können wir solche entwickeln, die Arbeit produktiv und doch erfüllend sowie sinnvoll machen und dabei auf die neuen stark veränderten Rahmenbedingungen in Wirtschaft und Gesellschaft Rücksicht nehmen? Dazu blicken wir in die Vergangenheit und dies durch die Brillen unterschiedlicher Wissensdisziplinen. In den Untersuchungen von Historikern, Anthropologen, Philosophen, Psychologen, Ökonomen und Neurowissenschaftler zeigt sich, dass sich die Menschheit – in Stufenformen entwickelt hat und dass sich dabei die Ausprägungen der Organisationen dem jeweils vorherrschenden Paradigma anpassten. In dieser Betrachtung gehen die Entwicklungen innerhalb eines Paradigmas – der Betrachtungsraum ist jener von Kontinentaleuropa – meistens kontinuierlich vonstatten. Die Übergänge jedoch, werden in Form von Stufen realisiert und durch Ereignisse und/oder Innovationen ausgelöst und sind dann als Schwellenübergänge zwischen den Paradigmen erkennbar. In der Beschäftigung mit diesem Thema verwendete ich viele Auszüge aus den Arbeiten von Frederic Laloux (vgl. 2015).

Wie die einzelnen unterschiedlichen Organisationsmodelle entlang des Zeitstrahls und der Phase des jeweiligen Paradigmas aussehen, werde ich in der Folge zu skizzieren.

2 ARCHAISCHES PARADIGMA UND MAGISCHES PARADIGMA

Die erste beobachtete Epoche geht bei einem Punkt vor 100.000 bis vor 50.000 Jahren aus. Man bezeichnet es als das archaische Paradigma, das geprägt war von der Nahrungssuche und dem täglichen Kampf ums Überleben. Die archaische Organisationsform kannte als Arbeitsteilung nur jene zwischen Mann (Nahrungsmittelbeschaffung) und Frau (Haus und Familie). In diesem Paradigma ist noch kein Organisationsmodell, keine Hierarchie und Autorität erkennbar.

Daran schloss sich mit dem Beginn der Epoche vor ca. 15.000 Jahren das magische Paradigma an. In manchen Regionen der Erde geschah dies vielleicht auch schon früher. Diese Epoche korrespondiert mit der Verbindung der Menschen in kleinen Familiengruppen sowie Stämmen in der Größe von bis zu wenigen hundert Menschen. Die Menschen leben in dieser Epoche ausschließlich in der Gegenwart. Es gibt kaum Projektionen in die Zukunft. Magisch wird diese Epoche deswegen bezeichnet, da die Menschen in diesem Paradigma ihre Welt voller Magie und Geister sehen. Aus Sicht der Evolution, machten die Menschen in diesem Paradigma einen großen Schritt vorwärts. Auf dieser Stufe sehen sich die Menschen zwar als körperlich und emotional zum größten Teil gegenüber anderen differenziert, sehen jedoch immer noch ihr Selbst als das Zentrum im Universum. Kognitiv und psychologisch betrachtet, haben sie Fähigkeiten entwickelt, um mit Komplexität umgehen zu können. Ursache und Wirkung können jedoch kaum nachvollzogen werden. So wird z. B. schlechtes Wetter als Bestrafung von Geistern gesehen. Der Tod wird nicht als real betrachtet. Daher gibt es bezeichnender Weise in dieser Epoche auch keine Angst vor dem Tod. Auch auf dieser Stufe der Evolution ist eine Organisationsform noch nicht erkennbar.

3 TRIBALES UND IMPULSIVES PARADIGMA

BESCHREIBUNG Historisch betrachtet, war dieses Paradigma in der Gründung der ersten Stammes- und Fürstentümer begründet. Tribe (engl. Stamm) beschreibt es auch sehr gut. Das wichtigste Attribut in diesem Paradigma ist die „Macht“. Die Welt wird als gefährlicher Ort gesehen, die Befriedigung der eigenen Bedürfnisse steht stark im Vordergrund und dies in Abhängigkeit davon, wie stark und widerstandsfähig man ist. Die Macht wird vom Stärkeren in Richtung des Schwächeren ausgeübt. Dann erst können die Bedürfnisse des Mächtigeren von dem Untergebenen eingefordert werden. Der Untergebene ordnet sich unter und hofft, dass der Mächtige für ihn sorgt. Machtverlust wird gegen Abhängigkeit und Schutz getauscht. Entscheidungen werden situativ und impulsiv getroffen. Willkür ist in diesem Paradigma an der Tagesordnung.

DIE TRIBALE ORGANISATION Die ersten sichtbaren Organisationen, die in diesem Paradigma gebildet wurden, waren die Armeen der Stammesfürsten die dem Schutz oder dem Angriff gegenüber anderen Stämmen dienten. Die Merkmale sind:

  • Ständige Machtausübung in der Beziehung zwischen den Personen, als ein Moment des Zusammenhalts.
  • Der Mächtige muss sich ständig beweisen.
  • Machtkämpfe werden oftmals ritualisiert.
  • Die Anführer in tribalen Organisationen umgeben sich zur Schaffung einer Festigung der eignen Macht und damit der Schaffung von Stabilität mit den eigenen Familienmitgliedern.
  • Angst beherrscht diese tribale Organisationsform.
  • Tribale Organisationen handeln grundsätzlich sehr reaktiv, aus der jeweiligen Situationen heraus.
  • Langfristige Planungen und Strategie existieren zumeist nicht.
  • Aufgrund der Einteilung in Mächtige und Untergebene existieren kaum weitere Hierarchiestufen.
  • Tribale Organisationen haben, sofern sie ihre Grundstabilität erreicht haben, ein geringes Wachstumspotential und können sehr machtvoll sein.
  • Tribale Organisationen wiederum verlieren in stabilen Gesellschaftsformen ihren Einfluss, speziell wenn Strategien und Planungen zum Überleben notwendig werden.

Die Errungenschaft gegenüber den vorherigen Paradigmen war die Arbeitsteilung und Schaffung einer Befehlsautorität und Befehlsgewalt.

Familienclans in den unterschiedlichen Regionen unserer Welt oder Straßengangs in den Großstädten unserer Zeit sind nach dieser sehr frühen Organisationsform gebildet. Tribale Organisationen können in unserer Zeit immer auch dann kurzfristig auftauchen, wenn Krieg herrscht, oder in Gesellschaften und Regionen die sich in hoher Unsicherheit befinden (Elementarereignisse, Gesellschaftsumbrüche), an Orten wo Gesetzlosigkeit existiert, wenn Staaten sich im Umbruch befinden, bzw. Personengruppen um ihr Überleben kämpfen (z. B. Migrationslager, Ghettos in Großstädten, Gefängnisse).

4 TRADITIONELLES KONFORMISTISCHES PARADIGMA

BESCHREIBUNG Das ist das Zeitalter der Landwirtschaft, der ersten Bürokratien und der organisierten Religionen. Historisch betrachtet war dies der Übergang von der Stammeskultur zur Bildung von Staaten und Zivilisationen. Neben den Machthabern und Untergebenen etablierten sich in dieser Zeit vor ca. 6.000 Jahren neue Gesellschaftsschichten von Verwaltern, Priestern, Kriegern und Handwerkern. Das traditionelle konformistische Paradigma war historisch erstmals im damaligen Mesopotamien zu beobachten. Es existieren einfache moralische Regeln, die auf einem akzeptierten Verhaltenskodex basieren. Die darin vorherrschende Weltsicht ist statisch, es gibt unveränderliche Gesetze. Eine „gerechte“ Welt manifestiert sich in diesem Paradigma im Umsetzen immer das „richtige“ zu tun, belohnt mit Dingen im Diesseits und Versprechungen für das Jenseits, bzw. das „Falsche“ zu vermeiden. Dies führte zu teilweise drakonischen Bestrafungen im Diesseits und im Jenseits und zum Teil zum Ausschluss aus der eigenen Gesellschaft. Gegenüber dem tribalen impulsiven Paradigma, wird die Autorität nun mit einer eigenen Rolle belegt und befindet sich nicht mehr in der Person des Mächtigen (z. B. Stammesfürsten). Die Entscheidung was richtig oder falsch ist, trifft nun die neue Gesellschaftsklasse der Priester. Traditionelle, konformistische Gesellschaften zeichnen sich durch den Drang nach Stabilität, nach Ordnung, sozialen Klassen und Kasten mit eigenen Kleidungsvorschriften, um die Ordnung sichtbar zu machen sowie rigider Geschlechtertrennung aus.

„Bei großen Veränderungen in der heutigen Welt erleben viele Menschen die konformistische Sicherheit als eine anziehende Zuflucht und rufen nach einer Rückkehr zu eindeutigen, festen, moralischen Werten (Laloux, 2015, S. 18).“

TRADITIONELLE ORGANISATIONEN Im Gegensatz zu den tribalen Organisationen können traditionelle Organisationen kurz- und langfristig planen. Sie sind in der Lage, Strukturen zu schaffen, die stabil und auch wachstumsfähig sind. Dadurch können sie neue Ergebnisse liefern, die gegenüber den Ergebnissen herkömmlicher Organisationsformen in mehreren Dimensionen überschritten wurden. Historisch betrachtet waren dies: Herausragende architektonische Leistungen, wie z. B. Bewässerungssysteme, Kulturbauwerke (z. B. Pyramiden und Kathedralen) und Nutzbauwerke (z. B. Chinesische Mauer). Traditionelle Organisationen betrieben schon frühzeitig eigene Handelsnetze und dann später in der Kolonialzeit auch Plantagen und Produktionsnetzwerke.

Die katholische Kirche ist gutes Beispiel für die traditionelle Organisationsform. Sie hat historisch bis zur Gegenwart und geografisch betrachtet weltweit mit ihrer Organisation prägend auf die Menschheit gewirkt. Aber auch die meisten Regierungsorganisationen, Behörden, wie z. B. die öffentlichen Schulsysteme sowie die meisten Militärorganisationen werden nach diesen traditionellen Prinzipien und Praktiken geführt. Traditionelle Organisation versuchen durch Bürokratie, Stabilität zu erreichen.

Während tribale impulsive Organisation maximal Tage und Wochen im Weitblick betrachten, können traditionelle Organisation langfristige Vorhaben (z. B. Bau einer Kathedrale mit Bauzeit von 100 Jahren) verfolgen.

Ein Durchbruch innerhalb dieses Paradigmas kam durch die Industrialisierung mit der Etablierung von Abläufen (Prozessen) und Strukturen auf. Durch die Fragmentierung der Arbeitsschritte (Prozesse) und die hierarchische (Trennung von denken und handeln bzw. in Entscheidung und Umsetzung) sowie funktionale Arbeitsteilung (Produktion, Buchhaltung, Geschäftsführung, Vertrieb, Einkauf) wurden Organisationen noch stabiler, effizienter und effektiver.

Vordenker dazu waren Adam Smith (Smith, 1776), Frederic Winslow Taylor (Taylor, 1911), Henry Fayol (Fayol, 1929). Durch Prozesse hängt das dafür notwendige Wissen nicht mehr von einer bestimmten Person ab, sondern wird in der Organisation in Form von Rollen und entsprechen Beschreibungen weitergegeben. Die Menschen, innerhalb dieses Paradigmas bzw. diejenigen, die sich in den traditionellen Organisationen befinden, sehnen sich vielfach nach Ordnung und Vorhersehbarkeit. Veränderungen werden argwöhnisch betrachtet. Die Zukunft ist in traditionellen Organisationen die Wiederholung der Vergangenheit, das schafft die notwendige Stabilität und Sicherheit (vgl. Laloux, 2015, S. 36).

Stabilität ist der höchste Wert und wird durch Prozesse und Strukturen gesichert. Traditionelle Organisationen – die katholische Kirche genauso wie General Motors – haben die hierarchische Pyramide als Organisationsstruktur gewählt. In der katholischen Kirche steht der Papst an oberster Stelle mit einer Kaskade an formellen Befehls- und Berichtswegen an die untergeordneten Kardinäle, z. B. Bischöfe bis hinunter zum Priester. In traditionell strukturierten Organisationen ist eine persönliche Treue zum Unternehmen, wie es in tribalen Organisationen existenziell notwendig war, nicht mehr wichtig und notwendig. Selbst wenn der CEO schwach ist, wird ein Mitarbeiter nicht versuchen, ihn zu stürzen und seinen Platz einzunehmen. Die Angst vor der Gewalt der Mächtigen, wie sie in tribalen Organisationen vorhanden war, weicht in traditionellen Organisationen der subtilen Bedrohungen durch Kontrollmechanismen. Es werden Regeln erstellt und Personengruppen ausgewählt, diese Regeln zu kontrollieren und zu beobachten. In diesem Paradigma herrschen überwiegend konservative Ansichten in Bezug auf die Mitarbeiter vor. In traditionellen Organisationen wird die Notwendigkeit von Kontrolle und einer Vielzahl an Kontrollmechanismen benötigt, da von folgenden Annahmen ausgegangen wird:

  • Arbeit stellt für die Menschen ein notwendiges Übel dar.
  • Daher sind Mitarbeiter intrinsisch nur bedingt für ihre Arbeit motiviert.
  • Sie müssen daher ausschließlich extrinsisch motiviert werden.
  • Die monetäre Entlohnung gilt als der einzige, zumindest als der wichtigste Anreiz für das Entgegenbringen der Arbeitsleistung durch den Mitarbeiter.
  • Grundsätzlich lehnt der Mitarbeiter Transparenz ab.
  • Partizipative Führung kann daher nicht funktionieren und daher muss Anweisung und Kontrolle genutzt werden, um Resultate zu erzielen.

Traditionelle Organisationen haben die Rangzuordnung durch Titel, Uniformen und Kleidung etabliert, um die Rollenzuordnung und Identifikation zu stärken und auch voneinander abzugrenzen. Die soziale Zugehörigkeit ist in traditionellem konformistischem Paradigma entscheidend. Daher werden in traditionellen Organisationen Grenzziehungen der eigenen Organisation z. B. zu Kunden und Lieferanten sichtlich und erkennbar gemacht. Diese Grenzziehung manifestiert sich in den Unternehmen oftmals im sogenannten „Silodenken“ der einzelnen „Ab-Teilungen“ innerhalb der funktionalen Unternehmensbereiche.

Entscheidungen werden vor dem Hintergrund einer linearen Ursachen-und Wirkungsweise getroffen. Traditionelle Organisationen gehen von der Annahme aus, dass die Welt stabil und unveränderlich ist und dass es für Probleme den einen richtigen Lösungsweg gibt. Daher sind Regeln und Struktur die elementaren Artefakte in traditionellen Organisationen.

Traditionelle Organisation streben historisch betrachtet nach Dominanz sowie Monopol und betrachten Wettbewerber argwöhnisch. Die traditionellen Strategiemethoden und alle Markt- und Normstrategien haben daher immer die Beobachtung und den Kampf gegen den Wettbewerber auf ihren Checklisten (z. B. Porters Five Forces) stehen.

5 DAS MODERNE LEISTUNGSORIENTIERTE PARADIGMA

BESCHREIBUNG Im modernen leistungsorientierten Paradigma zeigt sich die Welt nicht mehr als ein stabiles Universum, das durch unveränderliche Regeln bestimmt wird, sondern als ein kompliziertes System, dessen innere Mechanismen und Gesetzmäßigkeiten untersucht und verstanden werden können. Es gibt kein absolutes richtig oder falsch. Die Welt ist relativ geworden. Es gibt nur Dinge die besser funktionieren als andere. Die Effektivität ersetzt die Moral als einen Maßstab für die Entscheidungsfindung. Die Lebenszielsetzung in dieser Ära ist es, besser und schneller als der Andere zu sein und dies in einer sozial akzeptierten Weise. Durch die eigenen kognitiven Fähigkeiten werden bestehende Normen und der Status Quo hinterfragt. Historisch betrachtet wurde dieses Paradigma im Westen rund um Wissenschaftler und Künstler ausgelöst. Es war dies die Zeit der Renaissance, in der modernes Denken die bestehende christliche Welt erschütterte. In der Ära der Aufklärung und später in der industriellen Revolution breitete sich das sogenannte moderne Denken weiter aus. Die Weltsicht in dieser Paradigmenstufe ist zutiefst materialistisch geprägt. Daher wird „mehr“ auch oftmals als „besser“ verstanden. Die Naturwissenschaften bestimmen das Denken. Richtig erkenn- und erlebbar ist dieses Paradigma nach dem Zweiten Weltkrieg und spätestens seit den Siebzigerjahren geworden. Seither bewegte sich der Großteil der Weltbevölkerung im modernen leistungsorientierten Paradigma, das eben die Führungskräfte in Politik und Wirtschaft prägt. In der Zeitspanne von ca. 100 Jahren hat uns dieses Paradigma einen bis dato nie gekannten Wohlstand gebracht. In diesem Zeitraum ließ man die Vorstellung hinter sich, dass nur Autoritäten eine Lösung anbieten können. Expertenwissen und Skepsis gegenüber offenbaren Wahrheiten bestimmen hier das Denken. Ohne Angst haben zu müssen das Leben zu riskieren, wenn religiöse Dogmen oder politische Autoritäten hinterfragt werden, befreiten sich die Menschen in dieser Zeit. Menschen in dieser Ära haben das Bedürfnis als sozial erfolgreich angesehen zu werden. Daher sind sie bereit, soziale Konventionen anzunehmen, wenn sie für sie hilfreich sind. Wie in jedem Paradigma, so existieren auch hier Schattenseiten. Es sind dies sicherlich die Auswüchse der Gier der Unternehmen, kurzfristiges Denken in Wirtschaft und Politik, Überschuldung und übermäßiger Konsum sowie eine bedenkenlose Ausschöpfung der Bodenschätze.

MODERNE ORGANISATIONEN Während Kirchen, Behörden und das Militär die traditionelle Organisation repräsentieren, sind es in den modernen Organisationen die global agierenden Unternehmen wie z. B. Nike, Volkswagen, Unilever oder Black Rock. Während die traditionellen Organisationen erfolgreich Wachstum geschaffen haben, schaffen moderne Unternehmen eine nie gewohnte Wirksamkeit. Begründet liegt diese Wirksamkeit sicherlich in den Umständen der Innovation und im Leistungsdenken.

Führungskräfte in modernen Organisationen erkannten, dass Potentiale für sprunghafte Verbesserungen existieren, die man erreichen kann, wenn man den Status Quo hinterfragen und Vorschläge für Verbesserungen formulieren darf. Veränderung und Innovation stellen somit keine Gefahr mehr dar sondern sind vielmehr eine Gelegenheit. Diese massive Zunahme an Innovationen ließ in den zweihundert Jahren dieser Ära einen nicht gewohnten Wohlstand entstehen. Neue funktionale Bereiche in modernen