Für Margit,
so schön, dass es dich gibt ... .
Nis Bergen geb. 1953
Aufgewachsen in der südlichen Provinz, schon früh der Berufswunsch die Welt mit einem Handelsschiff zu erfahren. Zwanzig Jahre Seefahrt bis zur Schiffsführung, Erlebnisse, Abenteuer auf vielen Schiffen weltweit. Danach erfolgreiche Selbständigkeit im Marketing und in der Tourismusbranche.
Inspiriert von wahren Begebenheiten.
Dieses Buch beinhaltet Teile aus „Und ewig lockt die See“ veröffentlicht bei BoD
Bilder: im Buch Depositphotos OD-1506146, privat
Umschlag 99designs, iMAGIngarCG+
Abenteuer auf See, Erlebnisse 20-jähriger Seefahrt auf Handelsschiffen. Von der Pike auf, bis zur Schiffsführung. Reisen um die Welt, von Asien bis Amerika. Krisen, Kriege hautnah, vor Ort miterlebt. Ob im Auge des Taifuns, Schiffsbrand, verrutschte Ladung, Anschlag von Rebellen oder Mann über Bord. Mit Spannung erzählte Erlebnisse in den Häfen der Welt, Begegnungen mit den Schönen von Yokohama, Santos, Bangkok oder Hamburg. Erzählungen aus der Realität der Seefahrt, packend anders als die Welt der Kreuzfahrt.
Es gibt viel zu erzählen... .
Mit Originalfotos aus der Seefahrtzeit.
Die Autofahrt war wie im Fluge vergangen, endlich am Ziel, der Hafen mit den vielen Schiffen. Mehr Frachter als dort mal bei der Planung des Überseehafens vorgesehen, liegen im „Päckchen“. Bis zu drei Schiffe nebeneinander, mit dem Bug zum Hafenausgang, fest vertäut am Pier.
Martin wird es etwas wehmütig, ja sogar flau im Magen, denn gleich wird er die Eltern verabschieden und mit 190 gleichaltrigen Jungen das Lehrschiff kennenlernen, in zwei Tagen zur ersten großen Reise über den Atlantik aufbrechen.
Er merkt, dass die Augen feucht werden, überbrückt die Situation mit einem Räuspern: „Danke, dass ihr mich gebracht habt, ich schreibe euch alles und in drei Monaten bin ich ja wieder da.“ Er drückt die Mutter fest an sich, dem Vater dankt er mit einem kurzen Blick, dann dreht er sich schnell um, nimmt den Koffer und reiht sich in die Schlange der neuen Kameraden an der Gangway seines Ausbildungsschiffes ein.
Der Ablauf ist bestens organisiert, nach der Überprüfung der Namen werden sie auf die Kabinen verteilt. Martin ist überrascht vom Inneren des Schiffes, im Gegensatz zur äußeren kühlen Erscheinung wirken die Räumlichkeiten wohnlich, ja fast wie in einem Hotel. Die Decken und Wände mit Holz verkleidet, die Handläufe stecken in Haltern aus Messing, die flachen Deckenleuchten vermitteln eine warme, gemütliche Atmosphäre. Die Gänge sind mit braunem Linoleum mit Holzmuster, Art wie Decksblanken auf einem großen Passagierschiff, ausgelegt. Es riecht nach Bohnerwachs, erinnert an die Schulzeit, wie in der Schule zu Hause. Er denkt an die Eltern, die schon wieder daheim angekommen sind.
Nach Verlassen der Gangway eröffnet sich die Lobby mit einer Art Loge, in der sonst der Zahlmeister sein Büro hat. Heute sind hier die Lehrbootsleute damit beschäftigt, schnell und unkompliziert die Jungen einzuteilen. Einige von Ihnen erhalten sofort die Order, sich für Borddienste z.B. als Backschafter bereit zu halten.
„Klamotten in die Kabine bringen und dann in zehn Minuten zur Einweisung in der Messe erscheinen“, ruft ein Lehrbootsmann ihnen mit energischer Stimme zu. Alle merken sofort, ab jetzt eröffnet sich ein neuer Lebensabschnitt mit Disziplin, Gehorsam und Befehlen; Kindheit, Schule, Abenteuer, Fußballspielen mit Freunden, Freizeit nach Belieben... ab sofort vorbei.
Die Neugier auf diese andere, Neue Welt überwiegt, endlich ist es so weit, nur wenige Stunden, raus in die Welt, Seemann werden, zur See fahren. Hauptsache mir wird nicht übel beim ersten Seegang oder Sturm?! Aber es ist ja Zeit und die anderen haben das Problem ebenfalls.
Martin hat Glück, für heute steht nichts mehr auf dem Empfangszettel, den er nach der Musterung und Namensabfrage erhalten hat. Er liest: eine Stunde Schrankeinräumen, Abendbrot und dann Nachtruhe. Die erste Nacht an Bord eines Schiffes! Ein ausrangierter ehemaliger belgischer Truppentransporter, war jetzt zum Lehrschiff umfunktioniert. Eine schwimmende Schule, Ausbildungsstätte für die Handelsflotte, Lehrschiff, das aber nebenbei Fracht transportiert, ideal für die Ausbildung der Kadetten in Theorie und Praxis.
Martin schläft in einer Vierer-Kabine mit zwei übereinanderliegenden Doppelkojen.
Er schnappt sich die obere Koje hinter der Tür, bezieht diese mit dem bereitliegenden Bettzeug, weiß-blaue Karos, das übliche.
Der Schrank ist in fünf Minuten eingeräumt, schnell ist der Koffer auf dem Spind verstaut und sofort verabreden sich die Vier zum Schiffsrundgang. Abendbrot ist ja erst in einer Stunde. „Hallo, bin Mathias aus Berlin, könnt aber Matze zu mir sagen.“
Matze ist kleiner als Martin, dafür redseliger und aufgeschlossen. Sie sind sich gleich sympathisch; die Mitbewohner heißen Klaus und Frank, kommen von der Küste, Klaus aus Stralsund, Frank aus einem Dorf bei Wismar. Alle eint der Umstand, erstmalig auf einem so großen Schiff zu sein.
Vom Unterdeck mit den vielen Kabinen, Waschräumen und Toiletten jumpen die Vier zum nächsten Niedergang und steigen bis zum obersten Deck. „Wir rollen das Schiff von oben nach unten auf“, brummt Martin und versucht lässig aber bestimmend, den kleinen Trupp anzuführen.
Mit einer Länge von 150 Meter, einer Breite von über 20 Meter, hat die alte „Lady“, Baujahr 1950, für die heutige Zeit eine recht beachtliche Größe. Die Vier staunen über die Länge der Gänge und informieren sich auf einem an der Wand hängenden Alarm- und Fluchtwegeplan über den jetzigen Standort und die einzelnen Decks. Matze tippt auf den Plan: „Hier sind wir, hier ganz oben ist die Brücke, da die Messe, da gibt es gleich was zu futtern, da die Spitze, der Bug und hier das Heck. Unsere Kabine ist rechts, sorry, ab sofort ist ja rechts steuerbord und links backbord.“ „Hau mal nicht so auf den Putz du Landei“, meldet sich Klaus, Frank kann sich ein breites Grinsen nicht verbergen.
Die beiden „Fischköppe“ sind sich ihres Vorteils des nahen Bezugs ihrer Kindheit zur See voll bewusst.
Lehrschiff 1970
Martin hatte sich zu Hause ausgiebig mit den Büchern „Seemannschaft 1 und 2“ beschäftigt, wo viele seemännische Begriffe, Knoten, Ratschläge, Tipps zur Seefahrt stehen, aber hier in der Wirklichkeit schaut alles doch anders aus.
Insgeheim gesteht er sich ein, einige Tage für die Orientierung auf diesem Schiff, zu benötigen. Er lässt sich aber nichts anmerken und versucht, möglichst einen unbeteiligten aber wissenden Gesichtsausdruck zu mimen.
Sie kommen zu den Klassenräumen. „Fast wie an Land“, sind sich alle einig, als plötzlich eine schrille Pfeife ertönt und der LvD (Lehrling vom Dienst) laut rufend durch die Gänge stürmt: „Backschafter raustreten“, wieder und wieder pfeifend und sein Ruf das baldige Abendbrot ankündigt.
Die Vier stürzen in ihre Kabine und zum Waschraum und schon erschallt der nächste Ruf vom LvD: „Backen und Banken, erster Durchgang in die Messe!“
Das Schiff erbebt, denn fast 100 Lehrjungen stürmen eilig zum Eingang der Messe. Davor stehen die diensthabenden Lehrbootsleute und weisen die Neuen zu den Tischen, die sie ab sofort die ganze Reise besetzen werden. Das Kleeblatt sitzt zusammen mit den Bewohnern der Nachbarkabine an einem mit Geschirr und Besteck eingedeckten Achtertisch, die Back genannt.
Alle kennen sich schon vom Sehen und teilweise mit Namen, ein Raunen liegt in der Luft. „Ruhe, es spricht der Kapitän!“, kündigt der Oberlehrbootsmann den Kapitän Schmidedanz an. Alle Blicke richten sich auf einen Mann in Kapitänsuniform in der Mitte der Messe. Martin kann nur mühsam ein Lachen unterdrücken, ähnlich geht es vielen seiner Kameraden.
Kapitän Schmidedanz, vom Alter her mindestens 60 plus, so 1,65 Meter groß, Mittelscheitel, Monokel, wirkt auf die Jungen wie aus einer anderen Welt entrückt. Sie sind versucht die Augen zu reiben, aber es ist Realität, da steht ein Kapitän, klein, untersetzt und mit einem Aussehen, wahrhaftig als komme er von der „Titanic“ oder sogar der Zeit davor?
Seine Stimme ist gewaltig, die Ehrfurcht der Stammbesatzung ebenfalls. Keiner wagt mehr zu lächeln oder sogar zu feixen. „Ich begrüße alle Neuen an Bord, ihr hattet eine gute Anreise, nutzt die Zeit und wir machen Männer aus euch. Wer nicht spurt der fliegt, gnadenlos! Ab sofort herrscht hier für die auszubildenden Kadetten ein halbmilitärisches Regime.“ Der letzte Satz war mehr ein Zischen, was die Wirkung aber eher verstärkte. Es ist kein Mucks zu hören.
„Auf diesem Schiff pfeifen nur der Wind, der Kapitän sowie meine Stellvertreter, der Oberlehrer, der Oberlehrbootsmann, die für die Ausbildung der Kadetten verantwortlich sind. Dieses Schiff befördert aber auch Ladung und hat einen Fahrplan, dessen Einhaltung oberste Priorität hat. Ein Schiff muss fahren und Geld verdienen.
Liegezeiten und ein leeres Schiff dagegen kosten Geld, was generell tunlichst vermieden werden sollte. Merkt euch das auch für die Zeit nach der Ausbildung, wenn ihr mal die Schiffsführung auf einem Schiff übernommen habt. Alles Organisatorische dann von meinen Vertretern. Morgen ist für die Neuen Einkleiden angesagt, Proviant und Ausrüstung werden ebenfalls morgen übernommen. Trinkwasser sowie Bunker müssen morgen Abend abgeschlossen werden, hat der Chief im Griff, auslaufen dann übermorgen, Punkt 15.00 Uhr heißt es -Leinen los-. Doch für heute erst mal -Guten Appetit-.“
„Danke Herr Kapitän“, die allgemeine Erwiderung, die Schmidedanz aber nicht mehr hörte, so schnell hatte er die Messe verlassen.
Die Backschafter bedienen und räumen dann zügig auf, wischen die Tische ab.
Nachdem sie gegessen haben, ist endlich Feierabend. Es reicht dann für die Abendtoilette und Punkt 22.00 Uhr erschallt der Ruf der LvD „Licht aus, Ruhe im Schiff!“
Martin liegt in der oberen Koje hinter der Tür, ist benommen von den vielen Ereignissen des Tages, die Gedanken sind zu Hause bei den Eltern, Kumpels und Dolly. Ja Dolly, ebenfalls in seiner Klasse, wohnte im selben Haus wie sein engster Schulfreund. Er sieht sie in Gedanken vor sich, wie sie gemeinsam auf der Bank am Waldrand über dem Schwimmbad des kleinen Heimatortes sitzen. Mit mal 16 Jahren sind die Mädchen schon wesentlich reifer, offener, fordernder. Wissbegierig auf das andere Geschlecht ist Martin ebenfalls.
Eine Sehnsucht nach Wärme, Berührung macht ihn hier oben auf dem Berg regelrecht benommen. Dolly küsst ihn auf den Mund, saugt an seinem Hals und Martin kommt es vor als lachen ihre Augen ihn aus. Eine heiße Welle steigt in ihm hoch, so intensiv, nie so erlebt.
1972
Matti, sein bester Schulkumpel, hat ihm von seinem 5 Jahre älteren Bruder erzählt, der Dolly regelmäßig besuchte, wenn diese eine sturmfreie Bude hatte. Matti und Familie wohnten im Zweifamilienhaus parterre und Dolly mit ihren Eltern darüber im 1. Stock.
Es war ein beliebtes Thema in der Schule und zwischen den Freunden, meistens eher Schwärmereien, Wunschdenken, eben aber diese bohrende Neugierde auf das erste Mal. Dolly, eine frühreife Erscheinung mit markantem Oberbau, gutgebauter Figur, sinnlichem Mund, vom Antlitz keine Schönheit, da ihre Lippen etwas wulstig, die Nase zu lang geraten. Allgemein bekannt für Ihre Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht, fühlte sich zu reiferen Männern hingezogen. Sie hatte damit bisher nur positive Erfahrungen erlebt. Die Älteren wussten eben, was Frauen wünschen, begehren. Frühreife Mädchen wie Dolly, die endlich das Leben genießen, Schule, Ausbildung eher nebensächliche Belanglosigkeiten. Die Jugend augenblicklich genießen, das andere „ernste Leben“ kommt von allein. Jetzt erlaubte sie sich den Spaß, die etwas gehemmteren Jungen ihrer Altersgruppe anzulernen. Es nervte manchmal zwar, dass die sich so anstellten, aber es schmeichelte ihr und gab ihr eine tiefe innere Bestätigung, hier mal die Lehrerin zu sein.
Martin hatte bei allen Mädchen der Klasse einen Stein im Brett und einige bemühten sich um seine Freundschaft, vor allem seit bekannt war, dass er zur See fahren, die Chancen dafür nicht so übel stehen. Der kleine, verschlafene Ort hat beruflich nichts weiter zu bieten und einen Seefahrer als Freund oder Mann? Die Möglichkeit, später sogar auf einem großen Schiff mitzufahren?
Davon hielt Martin aber absolut gar nichts, sein Ziel lag fest im Blick, seemännisch ausgedrückt, war der Kurs klar. Dieser Fahrplan wird fest eingehalten: Ausbildung, Abenteuer, Frauen kennenlernen, möglichst viele Erfahrungen in Sachen Erotik sammeln, die Welt sehen und erleben, raus aus der Enge der Provinz, nur nicht gleich binden. Abschreckung genug boten die Zwillingsschwestern aus der Parallelklasse, die mit 15 die Eine und ein Jahr später die Zweite, je ein Kind bekommen hatten. Ihre Babys im Kinderwagen durch die Stadt schoben, sich nicht darüber klar, dass sie die schönste Zeit ihrer Jugend leichtfertig, ohne Verstand weggeworfen hatten. Martin war sich da sicher, die haben ihre Zukunft versaut, da gibt es doch mehr. Vor Gründung einer Familie erst mal die Jugend genießen, sich ausprobieren, Erfahrungen sammeln; eine feste Bindung ist da doch höchst hinderlich. Die Natur fordert ihr Recht, die Neugierde auf die Mädchen, Frauen will gestillt werden. Nur nicht die „Pferde durchgehen lassen.“ Spaß ja, aber mit Verstand und geschützt. Die Theorie, die Realität ist dann doch meistens anders.
So wie jetzt hier auf der Bank über dem Schwimmbad am Wald, mit der erfahrenen Dolly. Martin spürte Dollys Zunge in seinem Mund, ja Zungenkuss, schon gehört aber in der Wirklichkeit erst mal eine Gewöhnungssache. Dolly kichert und wendet sich wieder seinem Hals zu und saugt, züngelt am Ohrläppchen und haucht ihren Atem hinein. Martin wird es jetzt doch heiß und er spürt Leben im Unterleib und ein heftiges Verlangen nach mehr. Er streichelt Dollys Beine, seine Finger bewegen sich langsam an den Innenseiten ihrer Oberschenkel hinauf. In der kleinen Stadtbibliothek hatte er sich Bücher wie „Mann und Frau intim“, „Das Neue Ehebuch“, „Du und Ich“ ausgeliehen, sowie im Schlafzimmer der Eltern „Kamasutra“ und Bücher von van de Velde zur theoretischen Aufklärung genutzt. Das war die Theorie, Dolly ist jetzt die Praxis, die Kür!? Der Standort der Bank über dem Bad war allseitig einsehbar, absolut nicht für ein Schäferstündchen geeignet. Zumal Dolly heute sich mehr einen Spaß leistete, es amüsierte sie, mit dem geilen Bengel nur zu spielen, ihn mit Knutschflecken am Hals zu bedecken, die Lacher am nächsten Morgen in der Klasse mit Futter zu versorgen.
Martin bekam in seinem aufwallenden Zustand wenig davon mit, die Natur verlangte ihr Recht und die Neugierde nach Erkundung der Anatomie ihrer unteren Bereiche pochte wie ein Presslufthammer in den Schläfen und seinem angeschwollenen Zweiten Ich. Der, unverrichteter Dinge, sich nicht wieder bändigen, schon gar nicht so mir nicht, dir nicht zurückziehen würde. Zu allem Übel streichelte Dolly jetzt über seine Hose, da sie die räumlich - natürlichen Veränderungen darin sofort erkannt hatte.
Sie lachte und prustete innerlich und ihre Gedanken springen zum Klassenfest vor zwei Wochen zurück, als Martin sie zum Tanzen aufgefordert hatte und sie zur französischen Stöhnschnulze „je taime“ eng umschlungen getanzt hatten. Erst hatte sie gedacht, dass er eine Geldbörse in der Tasche habe, dann spürte sie aber seine Erregung. Das hatte sie auf ihn aufmerksam werden lassen, da sie ja sonst die erfahrenen 30-plus-Typen bevorzugte. Wie bei ihren Klassenkameradinnen verstärkte diese Neugierde der Fakt von Martins Berufswunsch, erhob ihn zu einem gewissen Objekt der Begierde. Jetzt bereitete es ihr einen höllischen Spaß, Martin an der Leine zu haben und für andere unsichtbar durch die Hosentasche an seiner empfindlichsten Stelle zu liebkosen. Martin stöhnte, wandte sich hin und her und versuchte, seine Hand unter ihren Slip zu bekommen. Da durchfuhr ihn ein schrecklicher Gedanke und er fluchte innerlich: „So ein Mist, jetzt habe ich kein Gummi dabei“, aber dieser Verlauf war aus seiner Sicht nicht absehbar. Dolly wurde es jetzt etwas zu gefährlich, zumal beide wie auf dem Präsentierteller saßen und weiterführende Aktivitäten einen Ortswechsel ratsam erscheinen ließen.
Soweit hatte sie das Treffen mit Martin nicht vorher geplant und die Zeit gebot es, das Schäferstündchen zu beenden. Ihre Eltern hatten sie mit dem Einkauf für das Abendbrot beauftragt, verständen keinen Spaß, wenn sie dem nicht nachkommen würde. „Du Schatz wir machen dann mal später weiter, ich muss noch einkaufen.“
Martin übergoss es wie eine kalte Dusche, es ordnete sich auf geheime Weise alles schnell auf Normalzustand. Er fühlte sich benommen und war etwas beleidigt, aber dann überwog die alte Einstellung und Zielstellung Seefahrt. Beide verabschiedeten sich mit einem Kuss auf die Wange und in wenigen Minuten war er mit dem Fahrrad zu Hause. Der Mutter erklärte er die blauen Flecke am Hals, dass die Kumpels in der Schule durch Kneifen mit den Fingern „Knutschflecke“ zum Spaß der Meute imitieren und er heute fällig gewesen wäre. Der Versuch, der blauen Flecke mit Essig- oder Zitronensäure Herr zu werden, klappte zu seinem Leidwesen nicht und so band er sich am nächsten Morgen ein Tuch um den Hals, ging so Fragen der Kumpels und Spott der Klasse aus dem Wege.
Der schrille Pfiff des LvD erschallte in den Gängen und die Rufe: „Reise Reise, alle aufstehen, waschen und fertig machen zum Frühstück.“
Der Tag verging rasend schnell, nach dem Frühstück zu Fuß in die Kleiderkammer der Reederei im anderen Teil des Hafens, zurück mit prallem Seesack neuer Klamotten: Zwei Bordpäckchen einer Art Schuluniform, die in der Freizeit getragen wird. Jacke und Hose aus einer dünneren Variante Jeansstoff gefertigt, vor allem Goldknöpfe mit Anker verliehen einen maritimen Touch. Der Träger fühlte sich schon fast als ein gestandener Seemann. Dazu zwei Paar einheitliche Bordschuhe, die für den Unterricht, Ausbildung, Freizeit und Landgang verwendet werden. Eine Uniform, Hose, Jackett, dunkelblau, wieder große Goldknöpfe mit Anker, eine Uniformmütze mit weißem Bezug für den Sommer und blau für den Winter. Weiße Hemden, ein dunkelblauer passender Schlips sowie Käppi wie bei der Kriegsmarine kamen dazu. Da die Reise in die Karibik führt, wo mit tropischen Temperaturen das Tragen einer Uniform im mitteleuropäischen Stil eine Qual bedeutet, erhielt jeder eine Khakiuniform in kurz und lang dazu. Prall und rund wurde der Seesack durch Arbeitsschuhe, Arbeitsanzug, Blaumann genannt. Arbeitsschutzhandschuhe, Fellmütze, Filzstiefel für die kalte Jahreszeit, eine weiße Arbeitshose aus Segeltuch in Form einer Latzhose, Gummistiefel, Südwester, Ölzeug für die nassen, stürmischen Abschnitte der Reise.
Einiges mehr wie z.B. eine Nierenbinde, die vor Zug und späteren Problemen mit den Nieren in den Tropen schützen solle.
Schon nach Hause hatte die Reederei eine Liste geschickt mit der von daheim mitzubringenden Ausrüstung, wie Socken, kurze und warme Unterwäsche, Arbeitsmesser mit festzustellender Klinge und mit Marlspieker, einem Universalwerkzeug der Seeleute.
Pünktlich fünfzehn Uhr, genau wie der Kapitän beim Empfang zum 1. Abendbrot vorhergesagt, erschienen die Bugsierer am Schiff, übernahmen die Schleppleinen, die Hauptmaschine erzitterte mit tausenden Pferdestärken, als sich die Schiffsschrauben langsam und immer schneller werdend drehten.
Am Schornstein ist über dem Peildeck die Lotsenflagge zu sehen und alle Lehrlinge, Ausbilder, Lehrer und Besatzung stehen wie beim Appell ausgerichtet, auf der zum Land zugewandten Seite in reih und Glied.
Geputzt, gestriegelt in Uniform, den Blick zur Stadt, zum alten Leuchtturm, der neuen Mole, zum langen Sandstrand. Aus den Fanfaren des Lehrling-Spielmannzuges ertönt der Abschiedsgruß vom Schiff zur Mole, das Echo schallt bis zur Lotsenstation auf der anderen Seite der Ausfahrt vom Hafen. Das Typhon erschallt wie ein gewaltiges Brüllen. Auf der Neuen Mole laufen Bekannte, Verwandte, Urlauber winkend neben dem Schiff her, bis es nicht mehr weitergeht, bis zum Ende der Mole.
Schnell hat das Schiff die Reede erreicht, die Schlepper hatten schon vorher die Leinen geslippt, der Lotse wird vom kleinen, wendigen, seetüchtigen Lotsenboot übernommen.
Kapitän Schmidedanz grüßt zum Lotsenboot und schnarrt nebenbei zum Maschinen-Telegraphen, wo der 1. Offizier, der Chief-Mate steht: „Volle Kraft voraus!“
Das Schiff erbebt, durchläuft ein Zittern der jetzt freigelassen tausenden Pferdestärken der Hauptmaschine, die über die große Antriebswelle die Schiffsschraube immer schneller drehen lässt. An Backbord sind die Konturen der Stadt, die Werft mit den großen Kränen, der Leuchtturm und die bekannte Umgebung eine Weile zu sehen.
Einen Moment ergreift ihn ein Gefühl von Heimweh, was aber schnell von der Neugier auf das Kommende abgelöst wird.
Unbemerkt von ihnen gleitet ein Küsten-Schutzschiff vorbei, der graublaue Anstrich macht es in der Weite der See fast unsichtbar.
Bald sind die auf Reede liegenden Schiffe am Horizont verschwunden.
Martin und seine Kameraden sind weggetreten und haben Freizeit, da die praktische Ausbildung oder der Unterricht erst morgen ab acht Uhr anfängt. Für die Neuen war es ein ereignisreicher Tag und alle sind gespannt, was die nächsten Tage und Wochen ihnen bringen werden. Matze, der Berliner mit der großen Klappe, hat eine Neuigkeit zu verkünden und ist nicht willens, damit länger hinter dem Berg zu halten. „Wisst ihr das schon über Schmidedanz?“, fragt er, wissend, dass da keiner informiert ist. „Na mach’s nicht so spannend“, drängeln die anderen und die Neugier ist ihnen anzusehen. „Der hat nur noch ein Ei, nur noch eine Klöte“, feixt Matze, „habe ich von einem von der Stammbesatzung, der Alte ist früher, da war der kaum älter als wir, bei Bordalarm von oben aus der Koje gesprungen und hatte Pech, denn sein Sack, eingeklemmt in der Matratze, ist oben hängengeblieben.“
„Au Backe, ach du meine Güte“, alle sind gleich betroffen und verziehen beim Gedanken und der Vorstellung schmerzvoll das Gesicht, können dann aber doch das Lachen nicht verkneifen. „Ja das ist ein offenes Geheimnis und jeder in der Reederei lacht darüber, aber diskret natürlich, und alle Achtung, Schmidedanz hat danach noch eine Tochter gezeugt.“
Nachdem die „Blücher“ Skagen, die nördliche Spitze von Dänemark, umrundet hatte, führt die Reise durch den Englischen Kanal in den Golf von Biskaya, wo sie kräftig durchgeschüttelt, den ersten Sturm erlebten. Sicherheitshalber standen in den Ecken der Gänge Spuckeimer, die reichlich genutzt, der Inhalt dann als Zusatzfutter für die außenbords schwimmenden Meeresbewohner diente. Nach zwei Tagen war der Sturm abgeflaut und an die gleichmäßige Dünung hatten sich bald alle gewöhnt. Diese verführte regelrecht dazu, im echten Seemannsgang breitbeinig die Gänge oder die Decks hin und her zu staken.
Nach der Passage der Azoren war nach wenigen Tagen schon die Küste von Florida an der Steuerbord-Seite zu erkennen. Jeden Tag war es wärmer geworden und die Bekleidung war auf Khaki kurz umgestellt.
Laut Stundenplan werden spezielle für die Seefahrt relevante Fächer wie Englisch, Geographie, B M S R-Technik, Maschinenkunde, Politik usw. gepaukt, dazu sind eigens dafür ausgebildete Lehrer an Bord.
Dieser Unterricht wechselt sich mit der praktischen seemännischen Ausbildung ab, die sich in Maschinenausbildung, Brückendienst mit Rudergänger, Navigation, Deck- und Ladungskunde aufteilt. Die Tage der Atlantik-Überfahrt werden intensiv genutzt und die Neuen an Bord fühlen sich wie alte Seebären, zelebrieren ihren Seemannsgang. Nach Ausbildungsschluss und Abendbrot trifft man sich achtern auf dem Poop-Deck, um zu klönen oder eine Kippe zu rauchen.
Highlight dann ein auf seiner Klampfe spielender Matrose der Stammbesatzung, der einige aktuelle Titel der Beatles oder Stones in seinem Repertoire, begeistert angespornt wird, möglichst lange zu spielen.
Die Hitze und tropische Schwüle sind in den Nächten kaum zu ertragen, Klimaanlage gibt es nur in den Messen, in den Kabinen der Offiziere, beim Kapitän.