In Dankbarkeit
… für das Vertrauen der alten und multimorbiden Menschen,
… für die kompetente und herzliche Pflege der Altenpflegepersonen,
… für die Treue der Angehörigen,
… für das Engagement der Leitenden,
… für jedes aufbauende Wort,
… für jede heilsame Geste,
… für jeden liebevollen Gedanken,
… für jedes aufrichtige Bemühen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.
© 2019 Sabine Wöger
Illustration: Sabine Wöger
Veröffentlichung: Wolfgang Wöger
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 978-3-7481-0684-5
Bedürftige Menschen zu betreuen und zu pflegen ist ein anerkanntes Kulturgut. In unserer „langlebigen“ Gesellschaft ist es aber eine Frage geworden, wie dieses Verhältnis zwischen pflegebedürftigen Älteren und aktiven Jüngeren in Achtung, Respekt und Würde vor sich gehen soll. Eine besondere Form ist die Pflege in Heimen. Sie ist heute davon gekennzeichnet, dass dort lebende Menschen wenig mobil sind und wenig für sich selbst sorgen können. Vielmehr brauchen sie in medizinischer und palliativer Hinsicht, aber auch bei alltäglichen Verrichtungen die Hilfe und Unterstützung anderer. Dafür ist professionelle Pflege notwendig. Auch wenn materiell vorgesorgt wird, etwa durch neuerbaute Heime oder gesetzliche Standards, stellt sich zurzeit das Problem, ausreichend qualifiziertes Personal zu gewinnen.
Seit Jahren wird im Bereich der Pflege, wie insgesamt im Sektor „Soziale Arbeit“, der Weg der Professionalisierung eingeschlagen. Im Gegensatz zum Job, der in erster Linie auf Geldverdienen ausgerichtet ist, umfasst Profession: eine Berufsorganisation, eine systematische Aus- und Fortbildung, eine gemeinsame Ethik und Werthaltung sowie Gestaltungs- und Entscheidungsfreiheit. Der Weg dorthin – die Professionalisierung – will deshalb mehr als nur Fachwissen vermitteln. Kompetentes und qualifiziertes Handeln bereits Berufstätiger soll durch Angebote der Erwachsenenbildung, begrifflich auch als Fortbildung, Weiterbildung, Schulung oder Training bezeichnet, gefördert werden.
Berufsbegleitende Bildungsangebote sollen, darauf konzentriert sich die vorliegende Studie, dazu beitragen, Pflegepersonal zu bestärken, ihre verantwortungsvolle Tätigkeit entsprechend dem aktuellen Berufswissen auszuführen: mit fachlicher Übersicht, mit Bindung an die Werteskala und mit Empathie für die Gefühlswelt des sozialen Umfeldes.
Zu Letzterem gehören die HeimbewohnerInnen und ihre Angehörigen, aber auch KollegInnen und Ärzteschaft. Ideales Ziel ist die Verbindung von Rationalität, Emotionalität, Empathie und sozialer Verantwortung sowie selbstbestimmtes Handeln im Bedingungsrahmen der jeweiligen Organisation.
Sabine Wöger lässt sich von diesem Anspruch leiten. Auf Basis fundierter Kenntnisse der Fachliteratur und Gesetzeslage, der Personalsituation und der interdisziplinären Herausforderungen, auf Grundlage logotherapeutischer Sichtweise und eigener Erfahrung bezieht die Autorin ihren wissenschaftlichen Standort. Nicht zuletzt beweist sich die Sensibilität der Autorin für das Thema in ihrem künstlerischen Blick auf die Welt als Fotografin und Schöpferin von Puppen.
Sabine Wöger greift den aktuellen Diskurs auf, der vom Bemühen gekennzeichnet ist, neue auch akademische Aus- und Fortbildungsgänge zu etablieren. Im Hinblick auf das Projekt in Oberösterreich „Hospizliche und palliative Sorge um und mit alten Menschen“ formulierte sie ihre Forschungsfragen. Quantitative und qualitative Erhebungen bei Pflegepersonal und HeimbewohnerInnen bringen Erkenntnisse für die Gestaltung professionellen Handelns. Das praxisorientierte Interesse der Studie richtet sich auf die Absicht, aufgrund der Ergebnisse ein Seminarkonzept zu erstellen. Dieses Ziel wird auch erreicht. Es belegt die didaktische Kompetenz der Autorin, gewonnen in einem schon 25 Jahre dauernden Engagement, Hospiz- und Palliativkultur in Oberösterreich zu etablieren.
Sabine Wöger beweist Verständnis für die Komplexität des Pflegeberufs – nochmals untermauert durch Ergebnisse ihrer aktuellen Forschung.
Forschendes Lernen und berufsorientierte Weiterbildung charakterisieren das soziale Wirken der Autorin. Die Lektüre beinhaltet, so bin ich überzeugt, Beispiele und Anregungen genug, um den beruflichen Alltag in der Pflege mit seinen Herausforderungen – etwa hinsichtlich des knappen Zeitbudgets und der trotzdem erbrachten professionellen Leistungen – zu respektieren und zu würdigen.
Das Thema der Publikation – die Sorge um adäquate Qualifikationen und reflektierte Kompetenzen, gefördert durch entsprechende Aus- und Fortbildung – macht nachdenklich. Inwieweit beinhalten nicht alle unsere beruflichen Tätigkeiten Beziehungs- und Betreuungsaspekte, Werthaltungen und Sinnstiftendes? Ist Arbeit nicht immer damit in Verbindung zu bringen, etwas Sinnvolles und Gutes für Mitmenschen zu tun? Sehr eindeutig scheint dies im Rahmen Sozialer Arbeit oder in sogenannten sozialen Berufen: SozialarbeiterInnen, KindergärtnerInnen, ErzieherInnen, LehrerInnen, ÄrztInnen ... Aber gilt dies nicht auch für Feuerwehr, Polizei, Rettung, für BusfahrerInnen, ArchitektInnen und WeltraumforscherInnen? Oder erst recht für Angestellte und Management in Kaufhäusern, Versicherungen, Banken und genauso für politische Mandatare?
Vielleicht sollten wir uns fragen, wenn wir solche sozialen Beziehungen zwischen Beruf und humaner Zielsetzung nicht herstellen können, was dann mit uns passiert: Werden wir kalt, hartherzig, egoistisch, zynisch, menschenverachtend… unzufrieden mit uns selbst und mit anderen?
Die Lektüre erinnert daran, dass wir in unserer beruflichen Tätigkeit jeden Tag dazu beitragen, uns selbst und die Welt zu gestalten. Sie erinnert daran, dass es zumindest in unserem unmittelbaren Wirkungskreis auf uns selbst ankommt, ob unsere Handlungen human und sinnstiftend sind!
So ist das vorliegende Buch in erster Linie als Aufklärung über eine spezifische Arbeitssituation zu lesen: über eine wichtige Leistung in unserer Gesellschaft, die älteren, pflegebedürftigen Menschen möglichst gute Lebensbedingungen schafft, Angehörige entlastet und der Gesellschaft ein humanes Selbstbild ermöglicht. In der mitklingenden moralisch-philosophischen Dimension fordert die Studie heraus, über die Art, wie wir unser Arbeitsleben gestalten und wie wir uns gegenüber unserem sozialen Umfeld verantwortlich fühlen, nachzudenken.
Das Buch verbindet wissenschaftliche Erkenntnisse mit empathischem Potential – es vermittelt Mut und Vertrauen, sich im eigenen unmittelbaren Wirkungskreis sinnstiftend und human zu betätigen. Der Publikation sind deshalb ein aufmerksames Publikum und entsprechende Resonanz zu wünschen.
Em. o. Univ-Prof. Dr. Werner Lenz
Institut für Bildungs- und Erziehungswissenschaft
Universität Graz
Danksagung
Univ.-Prof. Dr. Werner Lenz
Ich danke Herrn Univ.-Prof. Dr. Werner Lenz für die hochkompetente Unterstützung bei der Konzeption und Verfassung der vorliegenden Studie, ebenso für die Offenheit gegenüber meinem Wunsch, die Thematik unter Verschränkung von Theorie und Erfahrung vertiefend zu bearbeiten. Ein Ziel lag darin, das Thema mit wissenschaftlicher Stärke und personaler Gebundenheit für die Leser/-innen dieses Buches aufzubereiten.
Wolfgang
Mein Ehemann Wolfgang unterstützt mich in all dem, was ich glaube und spüre, verwirklichen zu müssen. Er ist mir ein Haltungsvorbild, insbesondere was seine Mitmenschlichkeit, seine Besonnenheit und Zentriertheit, ebenso sein gewissentreues Wertestreben betrifft. Ich danke für die sinnerfüllten Gespräche, auch für den Gedankenaustausch, den wir während dieses Forschungsprozesses führten. Vor allem danke ich Wolfgang für seine Unterstützung bei der Realisierung meiner Buchprojekte.
Bewohnerinnen und Bewohner der Alten- und Pflegeheime, Pflegepersonen und Leitungskräfte der Einrichtungen
Ich danke all jenen Personen, die mich im Prozess der Erhebung von Daten unterstützt haben. Vor allem danke ich den Bewohnerinnen und Bewohnern mehrerer Alten- und Pflegeheime. Sie schenkten mir, obwohl sie körperlich beeinträchtigt waren, dennoch ihre Zeit. Die Gespräche erlebte ich, über die forschungsrelevanten Themen hinaus, als überaus bereichernd.
Ohne die Leitungskräfte der geriatrischen Langzeitpflegeeinrichtungen wäre das Ausfüllen der Fragebögen durch die Pflegenden nicht möglich gewesen. Ihnen allen danke ich dafür, dass sie sich trotz Zeit- und Personalengpasses für eine Mitwirkung an der Studie entschieden haben. Ich weiß diesen Einsatz sehr zu schätzen.
Zusammenfassung
Motivation zur Themenwahl
Pflegepersonen im extramuralen, geriatrischen Langzeitpflegebereich sind aktuell wie künftig mit mehrfachen Herausforderungen konfrontiert. Neben demographisch bedingten Veränderungen im Zusammenhang mit einer alternden Bevölkerung entwickelt sich entlang von Prognosen eine prekäre Personalsituation, die für die Alten- und Pflegeheime trotz der Reform des GuKG (1997) einen Mangel an diplomierten Pflegekräften erwarten lässt. Gegenwärtige Modelle zur Personalberechnung werden dem Anspruch der Praxis nicht gerecht. Auch im Hinblick auf rechtliche und ethische Fragestellungen, ebenso in Bezug auf fachliche, kommunikative, interdisziplinäre und organisationsübergreifende Kommunikation und Zusammenarbeit gibt es Entwicklungs- und Schulungspotential.
Forschungsinteresse und Zielsetzung
Das Forschungsinteresse der empirischen qualitativen und quantitativen Untersuchung lag in der Evaluierung des oberösterreichischen Projektes „Hospizliche und palliative Sorge um und mit alten Menschen“, welches seit 1995 in oö. Alten- und Pflegeheimen durchgeführt wird. Hierzu wurde das Projekt seitens der Projektteilnehmer/-innen in fünf oberösterreichischen Alten- und Pflegeheimen mittels einer nicht-standardisierten Befragung evaluiert und durch die Erzählungen und Wahrnehmungen von zehn Heimbewohner/innen, die in den geschulten Heimen leben, mittels eines nicht-strukturierten Interviews ergänzt.
Die Zielsetzung lag in der Verfassung von Inhalten und Zielen eines Seminarkonzeptes für Pflegepersonen, die im geriatrischen Langzeitpflegebereich tätig sind, welches den aktuellen wie künftigen Herausforderungen im Praxisalltag gerecht wird.
Methodik
Um den künftigen Weiterbildungsbedarf zu erheben, wurden eine qualitative und eine quantitative Studie durchgeführt.
Qualitative Studie:
Im Zuge von vierzehn nicht-strukturierten Interviews wurden Bewohner/-innen jener Alten- und Pflegeheime zum subjektiven Erleben in der Einrichtung, zu möglichen Belastungen von Pflegekräften und deren Umgang damit befragt. Weiters wurde erhoben, was Pflegepersonen besonders gut gelingt und ebenso, was sie aus Sicht der Bewohner/-innen noch besser können sollten. Die Interviews wurden nach der Qualitativen Inhaltsanalyse nach Philipp Mayring (2015) ausgewertet.
Quantitative Studie:
Im Zuge der quantitativen Untersuchung wurden 137 nicht-standardisierte Fragebögen mittels SPSS Open-Source-Programmpaketes R statistisch ausgewertet. Befragt wurden Pflegepersonen aus fünf Alten- und Pflegeheimen, in denen das oberösterreichische Schulungsprojekt „Hospizliche und palliative Sorge um und mit alten Menschen“ innerhalb der vergangenen fünf Jahre durchgeführt wurde.
Ergebnisse
Qualitative Studie:
Alle vierzehn Proband/-innen erachteten den Personal- und Zeitmangel als den für die Pflegenden am stärksten belastenden Faktor, gefolgt von der Betreuung von Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung, etwa im Zuge einer Demenzerkrankung. Ebenso stellt die Betreuung von Heimbewohner/-innen, die über wenig Geduld und Toleranz verfügen, eine Herausforderung dar. Dennoch äußerten 100 % der interviewten alten Menschen, dass sie sich in der Einrichtung sehr wohl und kompetent betreut fühlen. Selbst bei zu erwartender Pflegebedürftigkeit und Abhängigkeit von Pflegekräften, etwa aufgrund von Erkrankung und Immobilität, blicken die Proband/-innen dem künftigen Leben in den Altenpflegeeinrichtungen zuversichtlich und vertrauensvoll entgegen.
Trotz stark begrenzter Personal- und Zeitressourcen erfahren die Proband/-innen den Beziehungsaufbau, die Beziehungsgestaltung und Kommunikation mit dem Pflegeteam durchwegs als wertschätzend und fröhlich. Ebenso fühlen sich die alten Menschen mitverantwortlich für ein gutes Miteinander zwischen ihnen und den Pflegekräften. Dies kommt durch ihre hohe Toleranz zum Ausdruck, etwa indem sie nachts Wartezeiten bis zu einer Stunde in Kauf nehmen, obwohl dringliche Ausscheidungsbedürfnisse vorliegen.
Quantitative Studie:
Die höchste Belastung von Pflegekräften ergibt sich aus dem Personalmangel, gefolgt von der Belastung im Zusammenhang mit einer unbefriedigenden interdisziplinären Kommunikation, insbesondere zwischen Pflegekräften und Hausärzt/-innen, und im Zuge einer insuffizienten Schmerztherapie bzw. Übertherapie am Ende des Lebens. Das Grundlagenwissen über palliative Pflege bei alten Menschen ist bei beiden Berufsgruppen, Fachsozialbetreuer/-innen für Altenarbeit und diplomierte Pflegekräfte, gut fundiert, wobei durchwegs die diplomierten Pflegepersonen über einen höheren Wissensstand verfügen als die Fachsozialbetreuer/-innen für Altenarbeit. Einzelne Symptome bedürfen einer Vertiefung im Rahmen von Aus- und Weiterbildung. Unsicherheit besteht hinsichtlich der differenzierten Bedeutung unterschiedlicher Formen von Sterbehilfe, ebenso in Bezug auf diverse Formen der Willenserklärung. Dem entspricht das Ergebnis fehlenden bzw. fehlerhaften Wissens über das gesetzeskonforme und pflegerische Handeln oder Unterlassen in Akutsituationen.
Folgerungen
Es kann gefolgert werden, dass Heimbewohner/-innen, sofern sie die Beziehungsgestaltung zu den Pflegepersonen wertschätzend, freundlich und wahrhaftig erfahren, eine hohe Toleranzbereitschaft im Falle von Wartezeiten, wegen Personalengpässen, aufbringen.
Bedarf an Ausbildung besteht in Bezug auf relevante rechtlich-ethische Aspekte und ausgewählte Symptome im Zusammenhang mit Multimorbidität. Bedeutsam sind die Entwicklung von interdisziplinärer Teamarbeit, vor allem jene zwischen Pflegeteam und Hausärzt/-innen, und die Schaffung entsprechender Kommunikationsstrukturen.
Den Pflegeberuf für junge Menschen attraktiver zu gestalten, ebenso ehrenamtlich Tätige in die Betreuung alter Menschen zu integrieren und gesellschaftliche Ressourcen für die Altenpflege zu mobilisieren, sind unverzichtbare Lösungsansätze der Zukunft.
Schlüsselworte
Pflegepersonen – Langzeitpflege – Alten- und Pflegeheim – Heimbewohner/-in – Personalmangel – Recht und Ethik am Lebensende – Schmerztherapie – interdisziplinäre Kommunikation – Beruf als Berufung
TABELLE 1: AUF DIE SIEBEN PFLEGEGELDSTUFEN ANSPRUCHSBERECHTIGTER ÖSTERREICHER/-INNEN IM JAHR 2016: ANSPRUCHSBERECHTIGTE GESAMT, ÄLTER ALS 81 JAHRE, 61 BIS 80 JAHRE, 41 BIS 60 JAHRE (BMASGK, 2016, S. 121–122).
TABELLE 2: ANZAHL DER 80-JÄHRIGEN UND ÄLTEREN PERSONEN IN OÖ. BEZIRKEN IN DEN JAHREN 2015, 2025 UND 2040 SAMT VERÄNDERUNGSWACHSTUM IN PROZENTEN IN DEN JAHREN 2012/2025 UND 2012/2040 (AMT DER OÖ. LANDESREGIERUNG, 2015 B, S. 5).
TABELLE 3: ZUNAHME AN PFLEGEBEDÜRFTIGEN MENSCHEN IN OÖ IN DEN JAHREN 2015, 2025 UND 2040, SAMT VERÄNDERUNGSWACHSTUM IN PROZENTEN IN DEN JAHREN 2012/2025 UND 2012/2040 (AMT DER OÖ. LANDESREGIERUNG, 2015 B, S. 7).
TABELLE 4: MINDESTPFLEGEPERSONALSCHLÜSSEL IN DEN BUNDESLÄNDERN OBERÖSTERREICH, WIEN, STEIERMARK UND VORARLBERG IM ÜBERBLICK UND MIT STAND 01. 03. 2016 (ARBEITERKAMMER OÖ, 2016 B).
TABELLE 5: REGELUNGEN ZUR QUANTITATIVEN UND QUALITATIVEN PERSONALAUSSTATTUNG IN DEN BUNDESLÄNDERN NIEDERÖSTERREICH, BURGENLAND, KÄRNTEN, SALZBURG UND TIROL IM ÜBERBLICK
TABELLE 6: ANGABEN ZUM GESAMTKOLLEKTIV: ALTER UND ANZAHL DER PROBAND/-INNEN, GESCHLECHT, BERUFSGRUPPEN, EINRICHTUNGEN UND RÜCKLAUFQUOTE DER FRAGEBÖGEN, GESAMTSTICHPROBE
TABELLE 7: BUCHSTABEN-BEZEICHNUNG DER ALTENPFLEGEEINRICHTUNGEN UND PROBAND/-INNEN, DEREN GESCHLECHT, LEBENSALTER, ANZAHL DER JAHRE, DIE DIE PROBAND/-INNEN IN DER EINRICHTUNG LEBEN.
TABELLE 8: DAS SEMINARKONZEPT MIT FÜNF ABSCHNITTEN, DEN DAZUGEHÖRIGEN THEMEN UND DER ZEITPLAN.
ABBILDUNG 1: ÖSTERREICH WIRD ÄLTER. ANSTIEG DER PERSONENZAHL > 85 JAHRE IN PROZENT BIS 2050 (OÖN, 2018 B).
ABBILDUNG 2: MENSCHLICHE EXISTENZ ALS „SICH-GEGENÜBERTRETEN IM GEIST“ (DARSTELLUNG IN ANLEHNUNG AN FRANKL, 2002, S. 61).
ABBILDUNG 3: TEILSTRUKTURIERTER FRAGEBOGEN FÜR ALTENPFLEGEPERSONEN
ABBILDUNG 4: ANALYSEABLAUF DER QUALITATIVEN INHALTSANALYSE (MAYRING, 2015).
ABBILDUNG 5: DIE WESENTLICHEN ERGEBNISSE DER QUALITATIVEN UNTERSUCHUNG VON VIERZEHN HEIMBEWOHNER/-INNEN IM ÜBERBLICK. KATEGORIEN VON LINKS NACH RECHTS: SUBJEKTIVES WOHLBEFINDEN, PERSONALMANGEL, ARBEITSPENSUM, DEMENZ UND LAUTES RUFEN, INTOLERANZ UND UNGEDULD, POSITIVE EINSTELLUNG VON PFLEGEKRÄFTEN ZUM BERUF, VERSTÄNDNIS FÜR DEN PERSONALMANGEL UND BEREITSCHAFT FÜR DIE ÜBERNAHME VON VERANTWORTUNG ZUM GELINGEN DER BEZIEHUNG ZWISCHEN PERSONAL UND BEWOHNER(INN)EN-GEMEINSCHAFT
ABBILDUNG 6: RESSOURCEN VON PFLEGEKRÄFTEN IM UMGANG MIT PERSONALMANGEL
ABBILDUNG 7: RAUMGESTALTUNG ZU SEMINARBEGINN: NAMENSSCHILDER UND LESEZEICHEN AUF DEN STÜHLEN, SYMBOLE FÜR DIE EINSTIEGSRUNDE
ABBILDUNG 8: EINE HANDPUPPE ZUM SZENOSPIEL SYMBOLISIERT EINE BEWOHNERIN IN DER TERMINALPHASE UND RELEVANTE SEMINARTHEMEN AUF BASIS VON LITERATURANALYSE UND EMPIRISCHEN UNTERSUCHUNGEN
ABBILDUNG 9: SETTING FÜR DAS SZENOSPIEL: EIN STUHL FÜR DIE BESORGTE TOCHTER „MARIA“, EIN STUHL FÜR DIE PFLEGEPERSON, DIE STERBENDE BEWOHNERIN UND EINE ROSE BILDEN DAS ZENTRUM DIESES SETTINGS.
ALIS | Altenheim-Implacement-Stiftung |
ARGE | Arbeitsgruppe |
BEP | Bedarfs- und Entwicklungsplan |
BMASGK | Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz |
BMG | Bundesministerium für Gesundheit |
BMI | Bundesministerium für Inneres |
DSB „A“ | Diplomsozialbetreuung mit dem Ausbildungsschwerpunkt Altenarbeit |
DSB „BA“ | Diplomsozialbetreuung mit dem Ausbildungsschwerpunkt Behindertenarbeit |
DGKP | Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegeperson |
DGP | Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin |
ECPA | Echelle comporementale de douteur pour personnes ágées non communicates; ein Schmerzerfassungsinstrument für an Demenz Erkrankte und nicht kommunikationsfähige Patient/-innen |
EEG | Elektroenzephalogramm |
ECTS | European Credit Transfer System |
EKG | Elektrokardiogramm |
E-QALIN | European quality improvement – Innovative learning in residential care home / europäisches qualitätsförderndes innovatives Lernen in Alten- und Pflegeheimen |
FVNF | Freiwilliger Verzicht auf die Zufuhr von Nahrung und Flüssigkeit |
FSB „A“ | Fachsozialbetreuung mit dem Ausbildungsschwerpunkt Altenarbeit |
FSB „BA“ | Fachsozialbetreuung mit dem Ausbildungsschwerpunkt Behindertenarbeit |
GÖG | Gesundheit Österreich GmbH |
HH | Heimhilfe |
HPC | Hospiz und Palliative Care |
HVB | Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger |
IERM | Institut für Ethik und Recht in der Medizin, Wien |
IGSL | Internationale Gesellschaft für Sterbebegleitung und Lebensbeistand |
IFF | Institut für Interdisziplinäre Forschung und Fortbildung der Universitäten Klagenfurt, Innsbruck und Graz |
MPS | Mindestpflegepersonalschlüssel |
OÖN | Oberösterreichische Nachrichten |
ÖAK | Österreichische Ärztekammer |
OPG | Österreichische Palliativgesellschaft |
PA-PFA-AV | Pflegeassistenzberufe-Ausbildungsverordnung |
PH | Pflegehelfer/-in |
PHC | Primary Health Care |
PDL | Die mit der Leitung des Pflegedienstes einer geriatrischen Einrichtung beauftragte Person |
PEG | Perkutane endoskopische Gastrostomie (künstliche Magensonde) |
VSD© | Vorsorgedialog© (ein Projekt von Hospiz Österreich) |
VÄZ | Vollzeitäquivalent |
WBL | Die mit der Leitung eines Wohnbereichs innerhalb einer geriatrischen Pflegeeinrichtung beauftragte Person |
Anmerkung: Abkürzungen, welche Gesetze, Rechtsverordnungen und Verwaltungsanweisungen betreffen, sind vom Abkürzungsverzeichnis ausgenommen. Sie finden sich im Verzeichnis für Gesetze, Rechtsverordnungen und Verwaltungsanweisungen.
Als Lehrende zum Themenfeld der palliativen und hospizlichen Kultur im geriatrischen Langzeitpflegebereich beobachte ich folgende Problemlagen und Entwicklungen in den Alten- und Pflegeheimen und bei den Pflegekräften:
Im Zusammenhang mit den demographischen Veränderungen
Als ich vor zwanzig Jahren mit Schulungen in den Alten- und Pflegeheimen begann, waren die Speisesäle zur Frühstücks- und Mittagszeit gefüllt mit Heimbewohner/-innen, die mobil waren und sich miteinander unterhielten. Aktuell ist es nur noch wenigen Heimbewohner/-innen möglich, die Mahlzeiten im Speisesaal einzunehmen. Die meisten benötigen Unterstützung bei der Nahrungsaufnahme. Etwa 2/3 der Heimbewohner/-innen befinden sich bereits bei Heimeintritt in einem mittelgradigen Stadium der Demenz, sind dabei desorientiert und motorisch unruhig und/oder sind auf eine Rund-um-die-Uhr-Pflege angewiesen. Die fremde Umgebung verstärkt zunächst die Weglauftendenzen.
Mittlerweile und über die Jahre hinweg hat sich zwar die Demographie verändert, nicht jedoch der seit 1990 in OÖ per Verordnung geltende Mindestpflegepersonalschlüssel. Zudem berücksichtigt dieser weder den zeitlichen Betreuungsaufwand von an Demenz erkrankten Menschen noch Karenzzeiten im Falle von Weiterbildungen, Urlauben, Schwangerschaft und Krankenständen.
Nun, dies ist die Ausgangssituation für alle Alten- und Pflegeheime. Dennoch gehen Pflegekräfte unterschiedlich damit um und ich teile sie nun in zwei Gruppen: die Gruppe der Frustrierten und die Gruppe der Gestaltenden.
Die erste Gruppe reagiert auf den personellen Engpass mit Frustration. Die Verantwortung für die missliche Lage der Bewohner/-innen wird z. B. den „ahnungslosen Politiker/-innen“, den Leitungskräften der Einrichtung, der Gesellschaft, den „lästigen, fordernden und kritischen Angehörigen“ übertragen. Diese Pflegenden klagen, fühlen sich ohnmächtig und beschränken ihren Einsatz auf das absolut Nötige. Ihre Kommunikation, insbesondere gegenüber Angehörigen, ist kurz und prägnant. Auf eine liebevolle Beziehungsgestaltung oder ein mitfühlendes, tröstendes Gespräch lassen sie sich in der Regel nicht mehr ein. Sie wirken überlegen und emotional kühl-distanziert. Sie neigen zur unreflektierten und pauschalen Abwertung von An- und Zugehörigen, die beispielsweise den Pflegeprozess kritisch oder auch anteilnehmend hinterfragen. Als Schulungsteilnehmer/-innen erlebe ich sie passiv, die Schulung wird als eine weitere notwendige und oftmals lästige Pflicht erlebt. Wenn ich z. B. zu Seminarbeginn die Wünsche der Teilnehmer/-innen erfrage, antworten sie häufig mit „genügend Pausen“ und „vorzeitiges Ende“. Über das Sterben der Heimbewohnerinnen und -bewohner sprechen sie emotional unbeteiligt, da ES „zum Job“ dazugehört.
Die zweite Gruppe begegnet denselben personellen Rahmenbedingungen in einer anderen Haltung. „Das können wir nicht ändern. Doch die Einstellung gegenüber den Bedingungen allemal.“ Sie erzählen überwiegend von gelungenem Beziehungsaufbau und bereichernden, auch humorvollen Begegnungen mit den Heimbewohner/-innen, ebenso von einem guten Zusammenhalt innerhalb des Pflegeteams wie auch einem guten Austausch mit den Führungskräften auf Augenhöhe. Bei den Schulungen erlebe ich sie dialogbereit und interessiert. In den Seminarpausen beobachte ich, wie sie Bewohner/-innen und Angehörige herzlich begrüßen und mit ihnen sogleich ins Gespräch kommen. Die Freude über die Begegnung ist ebenso bei den Bewohner/-innen bemerkbar. Der Fokus ihrer Aufmerksamkeit richtet sich nicht auf die Defizite, sondern auf die real zu verwirklichenden Möglichkeiten. Ihre Erfahrungen aus dem Pflegealltag zeugen von Flexibilität, Kreativität, Berufsfreude und Teamgeist. Sie können sich in die Situation der An- und Zugehörigen besser einfühlen, suchen auch unaufgefordert das Gespräch und nehmen wahr, wie sehr diese informations- und unterstützungsbedürftig sind. Diese Pflegekräfte erlebe ich bei sensiblen Themen emotional betroffen und ausdrucksfähig. Beispielsweise reagierten die Mitarbeiter eines Bestattungsinstitutes wiederholt mit Unverständnis, da die Pflegenden sie um ein Gebet für einen verstorbenen Bewohner, im Beisein der Mitbewohner/-innen und Teammitglieder, gebeten hatten. Es dauerte etwa 15 Minuten, bis sich die Trauergemeinschaft zum Gedenken eingefunden hatte. Auch war es diesen Mitarbeitern nicht möglich, innerhalb eines zuvor definierten Zeitrahmens die Verstorbenen von der Pflegestation abzuholen, sodass die Pflegenden zeitgerecht die entsprechenden Vorbereitungen zum gemeinsamen Gedenken hätten treffen können. Die Pflegekräfte reagierten dennoch verständnisvoll. Kurzerhand suchten sie nach anderen Lösungen. Letztendlich gestalteten die Pflegenden und der Heimleiter die Verabschiedungen für die verstorbenen Bewohner/-innen selbst. Außergewöhnlich und daher erwähnenswert ist, dass in diesem Heim der Heimleiter eine seelsorgliche Ausbildung und großes Interesse an der Implementierung der Hospiz- und Palliativkultur in der Einrichtung hatte. Dass die Leitenden an Schulungen über Palliative Care teilnehmen, bildet bislang eine Ausnahme.
Problemlagen im Zusammenhang mit Personalengpass und gesetzlichem Kompetenzbereich
Höchst belastend wird der Personalengpass dann erfahren, wenn Bewohner/-innen mehr Zeit benötigen, weil sie motorisch wie emotional agitiert, desorientiert, ängstlich und/oder palliativ betreuungsbedürftig sind.
Die Personalsituation spitzt sich vor allem in den Nächten zu, wo in den meisten Alten- und Pflegeheimen nur zwei Fachsozialbetreuer/-innen für Altenarbeit für durchschnittlich 80 bis 140 Bewohner/-innen zuständig sind. Aktuell bedarf es zum Heimeintritt bereits der vierten Pflegestufe. Jene Altenheime, in denen eine diplomierte Pflegeperson auch in der Nacht verfügbar ist, bilden in Oberösterreich eine Ausnahme.
Gemäß dem Kompetenzbereich laut GuKG (1996) ist nur diplomiertes Personal dazu befugt, Medikamente gemäß ärztlicher Verordnung zu applizieren. Leiden Bewohner/-innen nachts unter belastenden oder gar quälenden Symptomen, müssen Fachsozialbetreuer/-innen für Altenarbeit den diensthabenden sog. „hausärztlichen Notdienst“, das ist ein ärztlicher Bereitschaftsdienst durch Praktiker/-innen, kontaktieren, sodass dieser die symptomlindernde Medikation verabreicht. Laut den Pflegekräften kommen diese diensthabenden Ärzt/-innen, vermutlich wegen Arbeitsüberlastung und Zeitmangel, jedoch nur äußerst selten zur Visite ins Altenheim, was in solchen Situationen häufig und unnötigerweise zur Krankenhauseinweisung führt.
Manche Einrichtungen versuchen durch hohes persönliches Engagement von Einzelpersonen diese nächtliche Personallücke dadurch zu schließen, dass jene diplomierten Kräfte, die in der nahen Umgebung des Altenheimes wohnen, einen nächtlichen Bereitschaftsdienst übernehmen. Doch gibt es für diese Pflegekräfte weder für die Fahrt zur Arbeit noch nach Hause eine Unfallversicherung. Eine Pflegekraft erzählte mir, dass ihr Tagdienst um 16.00 Uhr endete und sie nachts von der diensthabenden Fachsozialbetreuerin vier Mal gerufen wurde, um einem Bewohner das Medikament „Vendal“® subcutan zu injizieren. Entsprechend unausgeschlafen und müde trat sie am nächsten Tag um 07.00 Uhr ihren zwölfstündigen Dienst an.
In keiner der bisher geschulten Altenpflegeeinrichtungen gibt es ein Konzept zur Einbindung ehrenamtlicher Mitarbeiter/-innen, welche beispielsweise einen Lehrgang für Lebens-, Sterbe- und Trauerbegleitung absolviert haben. Aktuell ist mir in OÖ nur ein Altenheim bekannt, in dem auf Basis eines zugrunde liegenden Schulungs- und Integrationskonzeptes etwa 30 ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig sind. Ihre Hauptaufgabe liegt darin, besonders zuwendungsbedürftigen, unruhigen, an Demenz erkrankten und sterbenden Menschen Zeit und Aufmerksamkeit zu schenken. Diese Ressource wird leider durchwegs nicht genutzt und mit dem Argument des hohen Zeitaufwandes für Bewerbung, Einführung und Begleitung der Ehrenamtlichen begründet. Auch die unklare Situation bezüglich des Versicherungsstatus des Ehrenamtlichen bedeutet einen weiteren Verhinderungsgrund. Die fehlende Einbindung ehrenamtlich tätiger Personen steht ganz im Gegensatz zum gelebten hospizlichen und palliativen Teamverständnis, in dem ehrenamtliche Mitarbeiter/-innen eine höchst bedeutsame Gruppe innerhalb des interdisziplinären Teams bilden.
Probleme zwischen Pflegenden und Mediziner/-innen
Pflegende leiden darunter, wenn die Schmerztherapie zu spät eingeleitet wird und unzureichend erfolgt. Sie vermuten eine mangelnde geriatrische und palliativmedizinische Kompetenz der Mediziner/-innen, was bei diesen eine Unsicherheit und Zurückhaltung im Verordnen symptomlindernder Medikation zur Folge hat. Der Leidensdruck der Pflegenden steigt dann immens, wenn die Bewohner/-innen verbal nicht mehr äußerungsfähig sind oder wenn sie sich in der Sterbephase befinden. Ärzte und Ärztinnen wiederum klagen darüber, dass die Einschätzungen der Pflegekräfte über eine vermutete Schmerzsituation höchst subjektiv und überwiegend intuitiv erfolgen. Durchwegs haben beide Berufsgruppen kaum, häufig keine Kenntnisse über den Einsatz von Schmerzerfassungsinstrumenten für an Demenz erkrankte und/oder nicht kommunikationsfähige Menschen. Da und dort scheint beispielsweise das sogenannte ECPA-Schema in der EDV-gestützten Pflegedokumentation auf, doch wissen nur wenige Pflegende, um welches Instrument es sich dabei handelt, wie bzw. in welchen Situationen es anzuwenden ist. Zudem nehme ich wahr, dass Pflegekräfte die Ärzt/-innen dann, wenn sich die Bewohner/-innen in einem fortgeschrittenen Stadium der Demenz oder in der Sterbephase befinden, nicht mehr einbinden, weil sie sich hierfür alleinig zuständig fühlen. Im Gegenzug klagen sie jedoch über eine insuffiziente Therapie.
Probleme im Zusammenhang mit ethisch-rechtlichen Fragen
In keinem der oö. Alten- und Pflegeheime gibt es eine Kommunikationsstruktur, in der ethisch herausfordernde Situationen interdisziplinär besprochen und diskutiert werden. Dasselbe gilt für rechtliche Fragen. Als Vorstandsmitglied des Landesverbandes Hospiz OÖ konnte ich zum Start der „Ethischen Fallberatung im extramuralen geriatrischen Langzeitpflegebereich“ (LV Hospiz OÖ, 2018) beitragen. Auf Anfrage seitens der Pflegenden kommt ein Team aus Experten und Expertinnen des Landesverbandes Hospiz OÖ innerhalb von 72 Stunden in die Einrichtung. Es unterstützt vor Ort fachlich und ausschließlich beratend. Insbesondere die interdisziplinäre Kommunikation und Achtsamkeit sollen dabei eingeübt werden, ebenso der Umgang mit ethisch und rechtlich schwierigen Fragen. Die Information über diese Kommunikationsstruktur, die insbesondere für die Alten- und Pflegeheime geschaffen wurde, soll in das Seminarkonzept integriert werden.
Probleme im Zusammenhang mit Wissensdefiziten
Die Mehrzahl der Pflegenden kann nicht erklären, worin der Unterschied zwischen einer passiven und indirekten Sterbehilfe liegt und ob diese Formen in Österreich überhaupt legalisiert sind. Ebenso wenig verfügen sie über gesicherte Kenntnis über die verschiedenen Formen der Willenserklärung. Dies hat Unsicherheiten in der praktischen Arbeit zur Folge, worauf die Pflegenden, ebenso die Leitenden der Einrichtung, entweder intuitiv reagieren oder die Entscheidungsverantwortung über die Durchführung oder Unterlassung einer Maßnahme an hierarchisch höher gestellte Personen delegieren. Diese Unsicherheit wird beispielsweise dann deutlich, wenn an Demenz erkrankte Bewohner/-innen die Zufuhr von Nahrung und insbesondere von Flüssigkeit ablehnen. Einen Wertekonflikt erfahren Pflegekräfte dann, wenn sie beispielsweise einen hochbetagten, zuvor bereits geschwächten Bewohner oder eine Bewohnerin ohne Vitalzeichen auffinden. Der Bewohner/die Bewohnerin hat zuvor mehrmals mitgeteilt, dass er/sie weder eine Reanimation noch eine Krankenhauseinweisung wünscht. Da keine schriftliche Willenserklärung vorliegt, muss die Pflegekraft die Reanimierung einleiten und ihrer Berufspflicht nachkommen. Nach solchen Ereignissen stehen die betroffenen Pflegekräfte häufig einem gespaltenen Team gegenüber. Die einen sind der Ansicht, die Handlung war „richtig“, die anderen bewerten sie als „falsch“. Das Bewusstsein für die Notwendigkeit der Dokumentation des Patient(inn)en-Willens ist durchwegs nicht vorhanden und beginnt erst jetzt mit der Implementierung des Vorsorgedialoges VSD©, einem Projekt von Hospiz Österreich.
Meine Motivation zum Forschungsvorhaben erklärt sich daraus, dass ich die Problemlagen von Altenpflegekräften im Besonderen, auch jene von Führungskräften, Altenheimbewohner/-innen und Angehörigen wie auch jene der Mediziner/-innen sehr gut kenne. Dies wiederum ergibt sich aus meinem langjährigen Wirken als diplomierte Gesundheits- und Krankenschwester im Alten-, Intensiv- und Palliativpflegebereich, aus 25-jähriger Schulungstätigkeit in Alten- und Pflegeheimen, ebenso aus den Lehrerfahrungen im Bereich der Weiterbildung „Basales mittleres Pflegemanagement“, welche Pflegedienstleitende von Alten- und Pflegeheimen absolvieren. Als Leitende und Referentin des „Interdisziplinären Basislehrganges für Palliative Care“ am Berufsförderungsinstitut Linz, einer Weiterbildung nach § 64 GuKG (1997), bin ich im Dialog mit Mitgliedern verschiedener Berufsgruppen aus dem pflegerischen, medizinischen, seelsorglichen und sozialarbeiterischen Feld. Ebenso bin ich als Psychotherapeutin mit alten, multimorbiden und an Demenz erkrankten Menschen und deren An- und Zugehörigen laufend in Kontakt. Weitere intensive Einblicke ergaben sich durch die Arbeit als Vorstandsmitglied im Landesverband Hospiz Oberösterreich wie auch durch die Supervisionstätigkeit von Pflege- und Führungskräften aus dem geriatrischen, hospizlichen und palliativen Bereich. Dieses Erkennen und Verstehen der Problemfelder, verbunden mit meiner fachlichen Kompetenz und Lehrerfahrung, motivierten mich dazu, einen Beitrag zur Verbesserung der gegenwärtigen Situation zu leisten.
Im Zuge der vorliegenden Forschungsarbeit will ich ein eintägiges Seminarkonzept für Altenpflegekräfte erstellen, welches die pflegerischen, ethisch-rechtlichen und emotionalen Herausforderungen der Pflegenden in den Blick nimmt. Neben der Vermittlung von Wissen soll ebenso auf die Einbindung von Erfahrungswissen, implizitem Wissen wie auch auf die emotionale Befindlichkeit der Pflegekräfte im Rahmen von Schulung Wert gelegt werden.
Sowohl eine Literaturanalyse als auch eine quantitative nicht-standardisierte Befragung von Pflegekräften und nicht-strukturierte Interviews mit Heimbewohner/-innen sollen aktuelle Herausforderungen untersuchen und den Wissens- und Entwicklungsbedarf von Altenpflegekräften erheben.
Dadurch soll die palliativpflegerische, ethisch-rechtliche und interdisziplinäre Kompetenz Pflegender gestärkt und die hospizliche und palliative Versorgung alter Menschen gesichert werden. Ebenso soll die Fähigkeit zur Selbsttranszendenz der Pflegenden, durch Einstellungsmodulation angesichts unveränderbarer Arbeitsumstände, eine Weitung erfahren.
Pflegekräfte sollen im Rahmen des Seminares ihre fachliche Expertise, sowohl die theoretischen Kenntnisse als auch das Erfahrungswissen, aktiv einbringen und reflektieren können. Das Seminar soll dazu beitragen, dass die Pflegekräfte fachliche Sicherheit gewinnen, dort wo Informationslücken bestehen oder ein fehlerhaftes Wissen vorliegt. Nachdenkprozesse und das Interesse zur Weiterbildung sollen ebenso gefördert werden. Weiters soll Pflegekräften die Bedeutung einer konstruktiven interdisziplinären und achtsamen Kommunikation und Zusammenarbeit bewusster werden und die Kommunikationskompetenz soll gestärkt werden.
Trotz der Tendenz zur Standardisierung soll die Pflege nach den aktuellen und individuellen Bedürfnissen der Bewohner/-innen ausgerichtet werden, wobei das Tun oder Unterlassen in reflektierter Weise erfolgen soll. Auch die Bedeutung der Angehörigenarbeit in der Altenpflege soll aufgewertet werden, was einer Vertiefung der Gesprächskompetenz der Pflegenden bedarf.
Ein Ziel liegt weiters darin, dass Pflegekräfte ihre Arbeit mehr wertschätzen, dass sie das Gelungene mehr würdigen. Es soll ihnen verstärkt möglich sein, die Ressourcen der Bewohner/-innen im Umgang mit Herausforderungen, bedingt durch die Personalknappheit, bewusster wahrzunehmen und anzuerkennen. Ein weiteres Ziel liegt in der Erhöhung der Reflexionsbereitschaft im Hinblick auf vorgefasste Meinungen und negative Erwartungshaltungen, etwa in Bezug auf herausfordernde und unveränderbare Arbeitsumstände. Beispielhaft sei an dieser Stelle der Mindestpflegepersonalschlüssel genannt, der den Anforderungen in der Praxis nicht gerecht wird.
Die Begegnung mit Pflegekräften in Altenheimen hinterlässt einen Eindruck bei den Besucherinnen und Besuchern. Werden die Pflegenden als freundlich, gesprächsbereit und arbeitszufrieden erfahren und fühlen sich Angehörige im Altenheim willkommen, kommen sie gerne in die Einrichtung. Sie werden dann eher dazu bereit sein, bei alten Menschen zu verweilen, wodurch sie zur deren Wertschätzung beitragen. Jede/-r Einzelne trägt Mitverantwortung dafür, wie seitens der Gesellschaft alten, betreuungs- und pflegebedürftigen Menschen begegnet wird. Darin liegt ein weiteres Ziel der Studie.