Frank,
ohne dich gäbe es dieses Buch nicht
Buch
Das Buch beschreibt die einzelnen Elemente eines Gebäudes und zeigt Zusammenhänge auf, die jeder aus seinem Alltag kennt, aber in dieser Weise wahrscheinlich noch nicht betrachtet hat. Anhand von Beispielen können Laien ebenso wie Raumplaner erkennen, woran es liegt, wenn sich kein Wohlbefinden einstellt. Und gezielt Veränderungen planen und umsetzen.
Autorin
Brigitte Koesling ist Diplom-Ingenieurin für Innenarchitektur FH und Feng Shui Beraterin und lebt und arbeitet in Hamburg.
www.InnenLebensArchitektur.de
Das gesamte Werk ist im Rahmen des Urheberrechtsgesetzes geschützt. Jegliche von der Autorin nicht genehmigte Verwertung ist unzulässig. Dies gilt auch für die Verwertung durch Film, Fernsehen, Internet, photomechanische Wiedergabe, Tonträger jeglicher Art, elektronische Medien sowie für auszugsweisen Nachdruck und die Übersetzung.
Bilder: Brigitte Koesling
Idee Covergestaltung: Stefanie Spinty
Die Inhalte des Buches sind ausschließlich zur Information gedacht. Eine Haftung für Schäden aller Art ist ausgeschlossen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.
© 2019 Brigitte Koesling
Satz, Umschlaggestaltung, Herstellung und Verlag:
BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 978-3-7481-0590-9
Im Film Sneakers – Die Lautlosen suchen Robert Redford und seine Mitstreiter einen Dekodierkasten und stoßen bei ihren Recherchen auf ein Gebäude, in dem angeblich Spielzeug hergestellt wird. Nach einem Blick auf das Gebäude und seine Umgebung sagt Redford: „Spielzeugfabrik – von wegen! Das ist ein Laserzaun. Das Gelände ist mit Hochspannung gesichert. Das ganze Gebäude sagt: Verschwinde!“
Instinktiv erfassen wir die Aussage eines Gebäudes, doch nur selten drücken wir diese Erkenntnis so deutlich aus wie Redford im Film. Und doch gibt es so etwas wie ein instinktives Verstehen von Architektur. Wir erfassen Gebäude und Räume, unsere gesamte Umwelt, ohne darüber nachzudenken und unseren Intellekt zu Rate zu ziehen.
Ein Haus beispielsweise, das sich nach außen hin abschottet wie im obigen Beispiel des Films, zeigt dies auf allen Ebenen. Die Anfahrt zum Gebäude ist dann lang, das Gebäude durch Büsche und Bäume den Blicken verborgen, es gibt hohe und eventuell auch elektrisch geladene Zäune, die jeden ungebetenen Gast abhalten sowie Kameras, die die Umgebung und Gäste beobachten. Ein Gebäude dieser Art wird wenige Öffnungen besitzen und höchstmöglich verschlossen sein. Die wenigen Türen und Fenster, die vorhanden sind, werden entweder klein oder aber verspiegelt sein, und es wird einen zentralen und damit gut zu kontrollierenden Eingang geben. Das Gebäude wird auf allen Ebenen zeigen, dass hier Jemand im Verborgenen agieren, sich zumindest jedoch nicht zeigen will. Schauen Sie sich nur einmal das Gebäude der NSA in Amerika an und denken Sie an die Erkenntnisse der letzten Zeit.
Dabei werden nicht alle aufgezählten Aspekte von uns immer bewusst wahrgenommen, wie jetzt gerade, wo Sie über das Gesagte nachdenken. Ihr Unterbewusstsein aber reagiert direkt und ohne nachdenken zu müssen, auf die tatsächlichen Gegebenheiten.
Und dies ist der wesentliche Punkt bei jedem Raum: Empfindung und Gestalt gehen Hand in Hand. Das äußere Erscheinungsbild eines Gebäudes und unser Erleben bedingen sich. Zuerst ist ein Impuls da, im obigen Beispiel: „Ich will nicht jeden in meine Karten schauen lassen“ und dann wird dieser Impuls in Form von Architektur in die Materie gebracht, in der oben beschriebenen Weise. Das Gebäude wiederum bedingt das Leben der im Haus befindlichen Menschen, die in diesem Fall von sich aus nicht offen auf andere Menschen zugehen werden – ein perpetuum mobile (oder Teufelskreis, je nachdem, wie die Situation empfunden wird).
Sprache ist eines der wesentlichen Dinge, die uns Menschen von den anderen Lebewesen unseres Planeten unterscheidet. Durch unser Reden teilen wir anderen direkt mit, was wir denken und wollen. Wir senden über unser Sprechen aber auch Befindlichkeiten und tiefer gehende, uns meist unbewusste Inhalte mit. Mir sitzt es im Genick sagt auf der vordergründigen Ebene aus, dass man eine Verspannung im Nacken hat. Gleichzeitig kennen wir den Ausdruck aber auch für den Umstand, dass uns etwas bedrückt, vielleicht ist dies eine eilige Terminsache oder ein Versprechen, das wir jemandem gegeben haben.
Ein Pokerface machen oder haben bedeutet, dass sich einer nicht in die Karten schauen lässt. Pokerspieler haben oft dunkle Brillen auf, um ihre Augen zu verdecken, die innere Regungen verraten könnten. Ebenso wirken verspiegelte Brillen. Man will seine inneren Regungen nicht verraten und unbeteiligt und cool wirken. Wie sonst wären verspiegelte Brillen bei jungen Menschen in der Discothek zu erklären? In der Architektur werden verspiegelte Glasfassaden immer wieder gerne eingesetzt. Das wohl bekannteste deutsche Gebäude dieser Art sind die Zwillingstürme der Deutschen Bank in Frankfurt am Main. Komplett verspiegelt, stehen sie unter anderem für die Stärke der deutschen Wirtschaft.
Bei ihrem Bau zu Anfang der 1980er Jahre zählten sie zu den bis dato höchsten Türmen der Stadt. Sie überragten ebenso stolz wie arrogant ihre aus Gründerzeithäusern bestehende Umgebung und passten sich nicht an, sondern stachen aus ihrem Umfeld heraus. Alle und alles spiegelte sich in der Fassade der Deutschen Bank. Entsprechend stolz waren die Deutschen auf das Geldhaus, das ihren Namen trug. Heute, nach der Finanzkrise und diversen Skandalen sowohl der Führungsebene als auch im Verhalten der Bank, zeigt sich die andere, oben angesprochene Ebene: die Zocker innerhalb der Bank waren hinter der verspiegelten Fassade versteckt. Heute rücken vermehrt die Arroganz und das unethische Verhalten der Bank und Banker im Allgemeinen in den Vordergrund.
Wie Sie sehen, macht ein Gebäude gleichzeitig eine Aussage nach außen als auch nach innen. Es wirkt ebenso auf das Verhalten der Menschen, die es von außen betrachten als auch auf diejenigen, die im Gebäude wohnen und arbeiten. Durch die Betrachtung von Bauwerken lässt sich mancherlei über die Vorstellungen und Absichten der Menschen erkennen, die darin leben. Gleichzeitig lassen sich dort Verbesserungen bewirken, wo Menschen Beeinträchtigungen erleben, da sich am Gebäude (Außen und Innen) deutlich benennen lässt, woher die Schwierigkeiten resultieren.
Da Bauraum stetig teurer wird, müssen die Menschen heute enger zusammenleben und dies hat Auswirkung auf das tägliche Miteinander. Gebäude werden heute stärker nach technischen sowie finanziellen Gesichtspunkten gebaut anstatt menschliche Bedürfnisse in den Fokus zu rücken. So entstehen Spannungen sowie Überlastung und als Folge benehmen sich die Menschen zunehmend rücksichtsloser. Stockt der Fluss in einem Gebäude, weil die Räume falsche Dimensionen haben und ungünstig angeordnet sind, berührt dies Bewohner und Nutzer immerzu, in jeder Minute und raubt ihnen Kraft. Heute wird beim Bauprozess so sehr auf das Äußere geschaut, dass die Absicht, wofür das Gebäude eigentlich errichtet wird, in den Hintergrund tritt. Aber schon in der Bibel steht, dass Gott dem Adam Leben einhauchte. Erst damit begann das menschliche Leben. Ohne einen Impuls gibt es keine Aktion, kein Ergebnis. Häuser werden heute oftmals mit weniger innerer Anteilnahme geplant als der Kauf eines Autos geschieht. So fehlt ihnen dann der lebenswichtige Odem. Und gegenwärtig sind sich weder Geldgeber noch Planer und leider auch nicht Bewohner und Nutzer darüber im Klaren, wie wichtig dieser erste Schritt ist. Fehlt er, entsteht eine Lücke, die immer zu spüren sein wird. Die darüber liegenden Schichten, beispielsweise eine ansprechende Gestaltung, werden die Kluft abmildern, die Lücke jedoch nie ganz schließen können, so dass sie immer wirksam sein wird.
Es ist entsprechend wichtig, sich von Anfang an Gedanken darüber zu machen, was man mit einem Gebäude bewirken will, welche Atmosphäre man ihm mitgeben will.
Fehlt dieser impulsgebende Faktor, beispielsweise bei der Planung und beim Bau, erhält das Gebäude einen Charakter oder Ausdruck, der unter Umständen verworren und unklar auf die Menschen wirkt. Diese werden wiederum mit einer wenig fokussierten Haltung ihrer Arbeit nachgehen oder auf ihre Umgebung in irritierender Weise reagieren. Arbeitsergebnis und Atmosphäre werden dann zumeist nicht das Ergebnis bringen, was angestrebt wird, beispielsweise beruflichen Aufstieg oder gute Resultate. Ebenso wird das Arbeitsklima nicht durchgehend angenehm sein und die Arbeitenden werden unter Spannungen untereinander oder zwischen Führung und Angestellten leiden.
Ein Haus, das ohne Sinn, also ohne eine mittelbare Absicht geplant und gebaut wurde, enthält so oftmals Ansammlungen von unterschiedlichen Funktionen, die nicht zueinander passen. Widersprechen sich diese dann noch, verläuft das Leben und Arbeiten entsprechend, nämlich zwei Schritte vor, einer zurück. Man kann sich leicht vorstellen, wie das Leben der Bewohner oder Nutzer dadurch erschwert wird. Den meisten Planenden ist die Tiefe dieser Verantwortung bei der Planung nicht (mehr) bewusst, die Bewohner jedoch müssen mit den Gegebenheiten noch jahrzehntelang auskommen.
„Sage mir, wie du baust und ich sage dir, wer du bist.“, dieses Zitat stammt von Christian Morgenstern. Anhand unserer gebauten Realität, also unserer Häuser und Wohnungen, lassen sich viele Erkenntnisse ablesen, wie die dort wohnenden und arbeitenden Menschen sich fühlen und warum sie in einer bestimmten Art und Weise leben und agieren.
In allen Kulturen, die ländlich strukturiert oder nicht industrialisiert sind, lässt sich noch erkennen, dass in früheren Zeiten die Menschen Leben und Arbeiten nicht getrennt erlebt haben, wie wir Menschen der westlichen Welt es heute erleben. Die Häuser sind zumeist eingeschossig, oben findet das familiäre Leben statt und unten befindet sich das Geschäft, von dem sie leben. Familie und Arbeit stehen noch in direktem Zusammenhang, die familiäre Bindung aber auch Bedeutung ist eminent wichtiger als in unserem westlichindustrialisierten Alltag. Bei uns sind Arbeitsplatz und Wohnumfeld in den meisten Fällen deutlich voneinander getrennt. Wir individualisieren uns mehr und mehr, so dass es auch nicht verwunderlich ist, wenn in einer Großstadt wie Hamburg mittlerweile um die 30% aller Haushalte Single-Haushalte sind, also nur von einer Person bewohnt werden. Da man hierdurch nicht mehr wie früher als Teil einer Familie oder Sippe wahrgenommen wird, ist auch die Selbstdarstellung beziehungsweise Selbstinszenierung wichtiger denn je geworden. Der gute Name, der einstmals etwas galt oder die Zugehörigkeit zu einer Sippe waren früher wie eine Empfehlung, man war Teil eines größeren Ganzen. Heute regiert Geld die Welt, nur der Hochadel oder große Dynastien können in manchen Fällen noch von ihrem Namen leben. Besitzt man aber keine Rückendeckung durch eine Familie oder Sippe mehr, muss man seinen Stand auf andere Art festigen. Hier kommen heute einerseits Architekten zum Zuge, die mit spektakulären Bauten den eigenen Ruhm mehren und gleichzeitig den Geldgeber oder Bewohner davon profitieren lassen. Man lebt sozusagen vom Namen anderer. Oder es werden von Bauträgergesellschaften Gebäude entworfen und hochgezogen, die lediglich einen schönen (An-) Schein bieten, im Inneren aber schlichte Hausmannskost sind. Beiden ist gemeinsam, dass die Fassade wichtiger ist als das eigentliche Leben hinter dieser. Es wird von außen geplant und entworfen. Wie es dahinter, also innen aussieht, wird zumeist ausgeblendet. Dort finden sich dann Situationen, die die dort lebenden Menschen vor echte Herausforderungen stellen und in schwierige Situationen bringen. Unmöblierbare Zimmer, zu offene oder zu dunkle Räume und ein zu enges Aufeinanderhocken bringen die Menschen an den Rand ihrer Kräfte und Möglichkeiten. Kosten und technische Gewährleistungsanforderungen bestimmen heute, was gebaut wird, anstatt dass überlegt wird, wie sich das Gebaute auf das Leben der Menschen in den nächsten 50 Jahren auswirken wird. Plattitüden und schöne Worthülsen ersticken berechtigte Kritik. Und wie sich das Leben in den Jahren nach der Erstellung entwickelt, bekommen die Verantwortlichen nur selten mit.
Betrachtet man, was in den letzten Jahren an Neubauten in Deutschland gebaut wurde, kann man deutliche Rückschlüsse auf den Zustand der Gesellschaft ziehen.
Es werden heute im Mehrfamilienhausbau fast ausschließlich rechteckige Blöcke ohne Schnörkel oder besondere Details gebaut. Diese besitzen nahezu durchgehend bodentiefe Fenster, eine Putzfassade sowie Balkone mit senkrechten Gitterstäben. Farblich bewegen sich diese Gebäude zwischen weiß und anthrazit mit viel silberfarbenem Metall. Da dies im eigentlichen Sinn keine Farben sind, wirken die Gebäude entsprechend farblos. Dies fällt den meisten Menschen schon nicht mehr auf, da der Mainstream mittlerweile zum Kult erhoben wurde. Als individuell zählt oft schon, wenn die Farbe der Brille, die Hülle des Smartphones anders als beim Mitmenschen ist oder eben die Fenster und Balkone anders angeordnet sind als beim Nachbarn. Buchsbaum und Bambus sind die vorherrschenden Pflanzen, die man an diesen Gebäuden sieht, sowohl vor dem Haus als auch auf Balkonen und Terrassen. Beides sind anspruchslose Pflanzen. Bambus ist schnell wachsend und alles verdrängend, dabei sowohl biegsam als auch fest, so dass es die ideale Überlebenspflanze ist. Buchsbaum wächst langsam und bildet dabei dichtes Laubwerk aus, das sich dekorativ in jede Form schneiden lässt. Beide kommen auch alleine, als Einzelstück gut zur Geltung, werden jedoch niemals alleine anzutreffen sein. Häufig dienen beide als Basisbepflanzung für Hecken und Grundstücksecken. Sie gedeihen ohne große Pflege, zeigen wenig Individualität und wenn, dann übersteigert in Form von gedrehten, aufwändig hergestellten Formen. Sie stellen zudem eine Monokultur dar. Von daher passen sie gut zu den Gebäuden und Bewohnern, die individuell sein möchten, zumeist jedoch Trends nachahmen und wenig eigenen Ausdruck zeigen. Die entsprechenden Menschen benehmen sich häufig rücksichtslos ihrer Umwelt gegenüber, indem sie ungehemmt und lautstark leben und handeln und damit die Grenzen anderer überschreiten (Bambus), ohne dass sie sich dieses Verhaltens bewusst wären oder sie blenden stoisch alles aus, was Leben ausmacht (Buchs). Aufgrund der Überzeugung, etwas Besonderes und Herausragendes zu sein, benehmen sie sich unachtsam der Nachbarschaft gegenüber. Dieser Zustand lässt sich gut in gentrifizierten Gegenden beobachten, wo mit den neuen Bauten zahlungskräftige Menschen auf alteingesessene Nachbarschaften stoßen und deren Achtsamkeit im Umgang mit den Nachbarn für Schwäche halten und ausnutzen.
Gentrifizierung:
In Gebieten (meist innerstädtisch liegend) mit niedrigen Mieten und meist verfallender und alter Bausubstanz sammeln sich zu der bestehenden meist statusniedrigen Bevölkerung Künstler, Studenten und Subkultur an, die das Viertel durch kulturelle Aktivitäten und Improvisationstalente aufwerten. Dadurch werden weitere Interessenten angezogen, die Gegend wird attraktiver und somit interessant für Investoren. Häuser und Wohnungen werden aufgekauft und modernisiert, Mieten und Preise steigen. Finanziell Schwache werden von statushöheren Bevölkerungsschichten verdrängt und Charakter und Struktur des Viertels ändern sich (nach Wikipedia).
Grundrisse weisen heutzutage oftmals loftähnliche, ineinander übergehende Räume in den allgemein zugänglichen Bereichen auf, wie beispielsweise in Küche, Wohn- und Esszimmer. Die offenen Wohnräume wollen großzügig wirken und beanspruchen deshalb viel Raum von der Gesamtfläche. So bleibt für den Rest der Wohnung nicht viel Platz übrig. Die restlichen Räume besitzen denn auch kaum nennenswerte Größe und sind durch ihre schlauchähnliche Form sowie Türen und Fenster, die sich gegenüber liegen, unmöblierbar. Sowohl bei der Fassade im Außen als auch den loftähnlichen Bereichen im Innen wird stärkere Betonung auf die Wirkung gelegt als auf sinnhaftes Gestalten. Gleichzeitig soll alles rationalisiert und günstig sein und diese Einstellung findet sich in den kleinteiligen Räumen wieder.
Die gepflegten Fassaden dieser neuen Hausblöcke suggerieren zunächst Hochwertigkeit, Stil und gehobenes Wohnen. Bis dato kannte man dies aus herrschaftlichen Häusern, Villen oder etagengroßen Altbauwohnungen: große Räume mit durchgehenden Bodenbelägen und viel Helligkeit innen werden allgemein mit Großzügigkeit und Reichtum verbunden. Entsprechend werden diese neuen Wohnungen und Gebäude erstklassig vermarktet! Auf welchem Bauschild steht nicht „individuelle Grundrisse“ oder „hochwertige Ausstattung“? Es wird von „Charme“ und „Geborgenheit“ geschrieben und dabei realistisch anmutende Computeranimationen mit viel Grün und Exklusivität gezeigt. Hochspannungsleitungen, Bundesstraßen oder Bushaltestellen werden nicht gezeigt, dafür aber traumhafte Blicke versprochen.
So zeigen diese Gebäude das Dilemma, in dem sich unsere Gesellschaft und (westliche) Welt bewegt: es wird viel Geld ausgegeben für die Fassade und das Marketing. Das Außenbild erscheint perfekt, man hebt sich ab und sticht (vermeintlich) aus der Masse heraus. Aber wie beim Turmbau zu Babel, beim dem die Menschen mehr wollten als gut für sie war, gibt es auch hier einen Haken. Die erhoffte und angepriesene Wertigkeit stellt sich oftmals nicht ein, da Menschen anders reagieren als geduldige Schilder. Innen ist es oft nicht weit her mit der Individualität. Die Wohnungen sind zumeist homogen mit Designermöbeln eingerichtet. Diese sehen schön aus, wirken aber leblos, da die Bewohner vorwiegend auf Achse im Außen sind und die Räume und Möbel entsprechend kaum genutzt werden. Ein anderes Mal richten sich die Bewohner gemäß ihrem Geschmack und Lebensstil lebendig ein, so dass schon mal Dinge ungeordnet herumliegen, Krümel zu sehen und Kissen nicht aufgeschüttelt sind. Dann herrscht Leben, das jedoch schlecht zu dem perfekten Ambiente des Äußeren passt. Schöner Wohnen Mentalität sowie Perfektion gehen nun einmal selten mit aktivem geräuschvollem Leben einher. In diesem Spannungsfeld zwischen Anspruch außen und Inhalt innen bewegen wir uns heute in allen Bereichen. Und unsere gebaute Umwelt zeigt uns dies.
Im Bereich der Einfamilienhäuser erscheint die Lage zunächst besser. Es gibt mittlerweile so viele unterschiedliche Haustypen, die, so scheint es, überall gebaut werden dürfen, dass man versucht ist, von Individualität zu sprechen. Und ähnlich wie im Mehrfamilienhausbau gibt es natürlich auch hier wohltuende Ausnahmen, die tatsächlich individuell und durchdacht sowie für den Menschen geplant wurden. Doch das Gros der Einfamilienhäuser ist so individuell wie ein VW Golf. Ein zuverlässiges und beliebtes Auto, allerdings auch mit wenig Esprit (die Fans mögen es mir verzeihen). Von außen mögen sich die Häuser in Material und Farbe unterscheiden, im Grundriss jedoch zeigen sie eine Gleichförmigkeit, die ernüchternd ist. Wenn Sie erst einmal mehrere Grundrisse von Einfamilienhäusern studiert haben, werden Sie wissen, was ich meine.
Es scheint, als ob der Verordnungswahn und die technischen Anforderungen sowie immensen Kosten so viel Kraft von den angehenden Bauherren abfordern, dass diese kaum noch Energie haben, um eine wirklich individuell auf ihre Situation abgestimmte Planung überhaupt noch für möglich zu halten. Wie oft wird nicht mit Verweis auf die Kosten auf sinnvolle Strukturen und Details verzichtet. Die Gruppe der Fachleute ist groß, die stets alles mit finanziellen und technischen Begründungen ablehnen, was jenseits der Norm liegt. Es scheint heute nicht mehr selbstverständlich zu sein, dass Technik und Finanzen sich im Rahmen bewegen müssen, dabei aber einer Idee dienen sollen, nämlich der des Hauses und der Bewohner! Es ist wie beim Zauberlehrling, der Diener hat sich zum Meister aufgeschwungen. Wie oft wird heute Lichtplanung dem Elektriker überlassen oder eine funktionierende Grundrissgestaltung dem Bauingenieur oder gar Maurer? Architektur hat selbstverständlich einen nicht zu vernachlässigenswerten funktionalen Charakter. Vor allen Dingen jedoch muss sie wieder eine Aussage, eine Intention über das profane Funktionieren hinaus bekommen.
Zum Glück gibt es durchaus wohltuende Ausnahmen, nämlich dort, wo Menschen es schaffen, ein nicht nur äußerlich ansprechendes und wohltuendes Ambiente zu schaffen, sondern dieses auch mit Leben zu füllen. Ein wohliges Gefühl von Harmonie überkommt einen in einer solchen Umgebung und man wünscht sich, ebenfalls so zu leben. Und dies unabhängig davon, ob der Gestaltungsstil einen anspricht oder nicht. Dieses Gefühl kann jedoch nur dort aufkommen, wo Raum und Mensch sich im Einklang befinden und auf einer Wellenlänge schwingen. Zumeist wissen die Menschen dort jedoch auch ihr Umfeld wertzuschätzen, gleichgültig, wie hochwertig und teuer die Dinge sind. Diesen Menschen ist vor allem bewusst, was sie wollen. Sie haben ein inneres Bild vor Augen und sind bereit, den entsprechenden Preis zu bezahlen. Dieser muss nicht immer in Geld bemessen sein. Wer sich Zeit lässt und aus dem eigenen Inneren heraus sein Haus oder seine Wohnung plant, investiert viel an Kraft und Mühe sowie Zeit. Der Lohn ist ein Ambiente, das jeder als angenehm und stimmig empfindet, eben weil es zu den Bewohnern passt.
Wer ein „gebrauchtes“ Einfamilienhaus kauft, plant in den meisten Fällen Änderungen. Zum einen, weil sich über die Zeit der allgemeine wie eigene Geschmack, vor allem aber die Lebensführung und Einstellung zu vielen Themen gewandelt haben. Zum anderen, weil auch die technischen Gegebenheiten sich geändert und oftmals verbessert haben. Vor allem aber implementiert man damit die neue Ausrichtung, die das Haus mit dem Eigentümerwechsel erhalten soll. Man reißt das Alte heraus als Akt der Befreiung und zerstört damit alte Muster und Pfade. Je mehr man mit dem bisherigen Stand verbunden war, beispielsweise bei Kauf des elterlichen Hauses, desto stärker fallen oftmals die Veränderungen und Umbauten aus. Man zeigt auf diese Art den eigenen Stand im Leben.
Bei all diesen Überlegungen geht es letztlich eben nicht zuerst und alleinig um Geld, sondern um die Energie, die dahintersteht. Es geht um Bewusstheit und Wertschätzung für das, was man ist und hat. Und für das, was einen umgibt. Billig oder teuer – die Wertung fängt nicht zuletzt auch im Kopf an.
Um eine Atmosphäre schaffen zu können, die zu einem selbst passt, in der man sich wohlfühlt und die einem Energie gibt, das alltägliche Leben zu bewältigen und zu genießen, benötigt man Informationen, in welcher Art Bauten wirken. Im folgenden Kapitel werden daher die einzelnen Elemente eines Gebäudes beleuchtet und ihre Wirkung beschrieben. So haben Sie die Möglichkeit, Ihr Umfeld selber zu erforschen.
Um eine Situation einschätzen zu können, sollte man möglichst einen guten Überblick über das Gesamtbild haben. Man kann sich das wie ein Puzzle vorstellen: erst wenn alle Teile an ihrem richtigen Platz sind, zeigt sich das angestrebte Bild. Dabei gibt es relevante Teile, die für das Bild von eminenter Wichtigkeit sind und solche, die das Bild zur Komplettierung braucht, die aber nicht bildbestimmend sind. Stellen Sie sich ein Puzzle mit dem Konterfei der Mona Lisa vor: sollte hier ein Teil vom Rand nicht vorhanden sein, wird es das berühmte Lächeln der Dame nicht schmälern. Fehlt hingegen ein Puzzleteil mit Fragmenten des Mundes oder der Augen, ist das gesamte Bild entstellt und wertlos.
Um sich also ein möglichst klares Bild von der Wohn- oder Arbeitssituation machen zu können, ist es wichtig, sich alle Gegebenheiten anzuschauen und zu bewerten.
Dabei geht es nicht um eine Beurteilung, da diese nicht sachdienlich ist. Was für den einen gut ist, mag für einen anderen hinderlich sein. Wiederum kann eine Situation unglücklich erscheinen und dennoch eine positive Wirkung entfalten. Dann nämlich, wenn der Mensch die Erkenntnis annimmt, die diese Lernaufgabe ihm bietet und daraus lernt. Beurteilen hindert also. Bewerten hingegen ist überlebensnotwendig. Besonders in unserer heutigen mit Dingen und Informationen überfrachteten Welt.
Wer die ihn umgebenden Dinge nicht auf ihren Wert für sich hin überprüft, vergibt die Chance auf ein einmaliges und erlebnisreiches Leben. Wenn man nicht wertet, also überprüft, ob man etwas noch benötigt, hält man an zu vielem NotwendigNotwenden