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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
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© 2018 Christoph Braumann
Illustration: Ruth Jahn
Einbandgestaltung: Johannes Braumann
Satz, Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 978-3-7528-8229-2
„Wir erblickten so viele Dörfer auf den umliegenden Hügeln, dass wir nur staunen konnten, denn in einer Entfernung von eineinhalb Leguas zählten wir über dreißig Siedlungen, mit zehn bis zwanzig Häusern und mehr. An den Hügelabhängen erstreckten sich Rodungen und Pflanzungen, äußerst ordentlich angelegt, die Dörfer waren von hohen Palmen umgeben. … Das alles erfreute uns außerordentlich. Wir dankten Unserem Herrn, dass er uns ein so friedliches Land erblicken ließ….“
Samstag, 22. Mai 1568, Isla de Guadalcanal,
Relacion de Gomez Hernandez Catoira, dirigida al gobernador de Peru, Don Lope García de Castro.
Beim Begriff »Entdecker« drängen sich unweigerlich Namen wie Christoph Kolumbus, Vasco da Gama, Núñez de Balboa oder Ferdinand Magellan auf. Die Entdeckung Amerikas, der Weg nach Indien, die Entdeckung der Südsee und die Umrundung der Welt legten ohne Zweifel wichtige Grundlagen für die beispiellose Expansion der europäischen Mächte im 16. Jahrhundert. Neben diesen berühmten Namen trug aber eine ganze Reihe weiterer Seefahrer, Abenteurer und Glücksritter zu dieser Expansion bei; ihre Entdeckungen und ihre Berichte sind jedoch heute vielfach kaum mehr bekannt
Dies gilt im besonderen Maß für die spanischen Entdeckungsfahrten des 16. und 17. Jahrhunderts im pazifischen Ozean, die von Amerika aus unternommen wurden. Sie dienten einerseits zur Erkundung der Westküste der »Neuen Welt«, andererseits wollte man Routen zu bereits bekannten Zielen wie den Gewürzinseln oder den Philippinen finden. Ein spezielles Motiv prägte drei Expeditionen, die von Peru ausgesandt wurden – nämlich die Suche nach der »Terra Australis Incognita«, dem großen unbekannten Südland: Denn die Kartographen des 16. Jahrhunderts vermuteten in den südlichen Breiten des pazifischen Ozeans einen ausgedehnten Südkontinent. Die ersten beiden dieser Unternehmungen in den Jahren 1567 und 1595 standen unter dem Kommando von Álvaro de Mendaña y Neyra. Die dritte Expedition leitete Pedro Fernández de Quirós, als »Erster Steuermann« schon an der zweiten Reise von Mendaña beteiligt.
Die erhaltenen Reiseberichte über diese Fahrten sind geprägt von Abenteurertum und Gottesfurcht, beschreiben den Kontakt mit fremdartigen Kulturen genauso wie den Kampf ums tägliche Überleben und spannen sich von hochfliegenden Träumen bis zu tragischem Scheitern.
Der Schwerpunkt des vorliegenden Werkes gilt den beiden Expeditionen von Álvaro de Mendaña y Neyra in den Jahren 1567 – 1569 und 1595 – 1596. Die großen seefahrerischen Leistungen, die abenteuerliche Entdeckung der »Inseln des Salomo« in der Südsee, aber auch die Entbehrungen und menschlichen Tragödien beim Versuch der Kolonisierung dieser Inseln verdienen es, wieder in Erinnerung gerufen zu werden.
Durch umfangreiche Wiedergabe der Originalberichte soll die historische Realität authentisch wiederaufleben. Doch zugleich soll die Darstellung gut lesbar sein, was bei der Übersetzung der Originalberichte ins Deutsche eine maßgebliche Leitlinie bildete. Dieser Zielsetzung dienen auch die Zusammenfassungen, Erläuterungen und Kommentare zum historischen Hintergrund der Geschehnisse.
Eine ergänzende Zusammenfassung der Entdeckungsreise von Pedro Fernández de Quirós in den Jahren 1605 bis 1607 auf der Suche nach dem großen Südkontinent sowie ein abschließender Überblick über die spätere Suche europäischer Seemächte nach den »Inseln des Salomo« bettet die Fahrten von Álvaro de Mendaña y Neyra und seine Entdeckungen in einen breiteren historischen Kontext ein.
Álvaro de Mendaña y Neyra (1542 – 1595),
Entdecker und Konquistador
Aus: Historia de la Marina Real Española: Tomo II.
Madrid, 1854
»Maris Pacifici vulgo Mar del Zur« mit Darstellung des unbekannten
Südkontinents und der Inseln des Salomo (J. Metellus, 1598)
Gerhard Mercator, Atlas Minor
Foto: ÖNB, Wien
Fahrtroute der ersten Expedition von Álvaro de Mendaña y Neyra
in den Jahren 1567 bis 1569
Grafik: Ruth Jahn
Aufenthaltsorte der Flotte von Álvaro de Mendaña y Neyra auf den »Inseln des
Salomo« 1568 mit den Erkundungsfahrten der Brigantine
Grafik: Ruth Jahn
Fahrtroute der zweiten Expedition von Álvaro de Mendaña y Neyra
in den Jahren 1595 bis 1596
Grafik: Ruth Jahn
Die Insel Santa Cruz mit der Koloniegründung
von Gouverneur Mendaña in der Bahia Graciosa
Grafik: Ruth Jahn
Fahrtroute der Expedition von Pedro Fernández de Quirós in den Jahren 1605
bis 1607 und Route von Luis Vaez de Torres nach Manila
Grafik: Ruth Jahn
Es gibt Momente im Leben, die das Schicksal eines Menschen entscheiden. Sie bestimmen über Erfolg oder Misserfolg, Glück oder Unglück, Triumph oder Vergessen. Für Álvaro de Mendaña y Neyra, Sohn eines Landadelsgeschlechts aus dem kleinen Ort Congosto in der nordwestspanischen Provinz Bierzo, war der 27. April 1574 ein solcher Moment. An diesem Tag unterzeichnete König Philipp II. von Spanien einen Vertrag, der Álvaro de Mendaña das Recht zur Eroberung und Kolonisierung der Inseln im Südmeer verlieh, die er sechs Jahre zuvor entdeckt hatte. Als ihn der König wenig später, am 20. August 1574, überdies zum »Adelantado« ernannte, zum Gouverneur über die von ihm zu erobernden Gebiete, sah Álvaro de Mendaña sich schon in eine Reihe mit Entdeckern und Konquistadoren wie Cristobal Colon, Hernán Cortés oder Francisco Pizarro aufgerückt. Diesen berühmten Männern hoffte er es gleichzutun, neue Länder für Spanien zu erobern und Reichtum und Ehre für sich selbst zu gewinnen.
Knappe zehn Jahre vor diesem großen Tag, im Oktober 1564, war er im Alter von 22 Jahren in Begleitung seines Onkels, Don Lope García de Castro, nach Peru gekommen. De Castro – zuvor Mitglied der obersten spanischen Kolonialbehörde, des »Consejo de Indias« – war zum neuen Gouverneur des Vizekönigreichs Peru ernannt worden. Noch nicht einmal drei Jahrzehnte lag die Eroberung des Inkareichs durch die Spanier unter Francisco Pizarro zurück, und die neue spanische Kolonie Peru stellte für einen unternehmenden jungen Mann ein Land der grenzenlosen Möglichkeiten dar. Der junge Álvaro versprach sich daher zweifellos beste Voraussetzungen, um hier sein Glück zu machen.
Wann er das erste Mal von den indianischen Legenden hörte, die von großen Inseln im westlichen Ozean mit reichen Vorkommen an Gold und Silber erzählten, ist unbekannt. Die Bewohner der Küstenregionen von Peru hatten auf ihren großen Balsaflößen mit quadratischen Segeln seit Langem ausgedehnte Seefahrten unternommen; sie unterhielten regelmäßige Handelsverbindungen bis Mittelamerika. Daher wurden die indianischen Erzählungen von diesen Inseln im Mar del Sur, wie die Spanier den westlichen Ozean nannten, nicht als Erfindung abgetan. Die durch »quipus« in der einzigartigen Knotenschrift der Inkas untermauerten Überlieferungen sagten, dass erst drei Generationen zuvor der Inkaherrscher Tupac Yupanqi die Nordwestküste Perus um die Hafenstadt Tumbes erobert hatte. Dort hätte er von Händlern, die mit ihren Balsaflößen über das Meer aus Westen gekommen waren, von zwei dichtbevölkerten Inseln namens »Avachumbi« und »Ninachumbi« vernommen. Tupac Yupanqi sah darin eine Gelegenheit für weitere Eroberungen und ließ eine große Flotte aus besegelten Balsaflößen bauen. Mit angeblich 20.000 Mann machte er sich auf die Reise über das Westmeer und kam ein Jahr später wohlbehalten zurück, nachdem er die beiden Inseln tatsächlich erreicht hatte. Wie die Überlieferung berichtete, hätte er von dort dunkelhäutige Menschen mitgebracht, eine Menge Gold, einen Stuhl aus Messing sowie Fell und Unterkiefer von einer Art Pferd.
Diese Erzählungen weckten großes Interesse bei den spanischen Seefahrern. Bereits um 1550 war die Rede davon, dass ein Kapitän namens Gomez de Solis vom damaligen Vizekönig Antonio de Mendoza mit der Entdeckung dieser Inseln beauftragt werden sollte. Im Jahr 1565 berichtete Gouverneur Don Lope García de Castro dann selbst in einem Schreiben an den spanischen König Philipp II. von Expeditionsplänen eines gewissen Pedro de Ahedo: Dieser wollte sich aufmachen, um im Westen vor der Küste gelegene Inseln zu entdecken, die man »Islas de Salomon« nenne. Aufgrund von Gerüchten über eine geplante Meuterei von kriminellen Elementen unter der Mannschaft habe er als Gouverneur aber im letzten Moment die Zustimmung zur Entdeckungsfahrt versagt.
Der Name »Inseln des Salomo« für die sagenhaften Gold- und Silberinseln sollte dabei an die biblische Erzählung von König Salomo anknüpfen, der auf dem Weg über das Rote Meer mit Hilfe der Phönizier Schiffsladungen voll Gold aus einem Land namens »Ophir« geholt hatte. Zwar waren die Portugiesen auf ihren Entdeckungsfahrten im Indischen Ozean nirgends auf ein derartiges Goldland gestoßen, doch nun träumten spanische Glücksritter davon, dieses Land Ophir in der Südsee zu finden.
Die Gerüchte über die reichen Inseln im Pazifik faszinierten in Peru aber auch gelehrte Männer. Einer davon war Pedro Sarmiento de Gamboa, geboren um 1532 in der galizischen Stadt Pontevedra in Nordspanien, der in seiner Jugend Latein, Mathematik, Kosmologie und antike Literatur studiert hatte. Mehrere Jahre diente er in der spanischen Armee und hatte bei Kriegszügen in Italien und Flandern militärische Erfahrungen gesammelt, bevor er sich in die Neue Welt aufmachte. Auf dem Weg über Mexiko und Guatemala war er im Jahr 1557 nach Peru gelangt. Als Universalgelehrter der Renaissance, zugleich aber auch erfahrener Soldat, gewann er dort Zugang zu den Spitzen der spanischen Kolonialgesellschaft. Auf der anderen Seite hatte ihn seit seinem Aufenthalt in Mexiko die »Heilige Inquisition« der katholischen Kirche im Visier, die ihn wegen seiner astrologischen Kenntnisse der »schwarzen Magie« verdächtigte.
Pedro Sarmiento unternahm Reisen durch Peru und eignete sich dabei Kenntnisse über die Geschichte der Inkas an. Daneben erwarb er auf Seefahrten entlang der Küste nautische Fähigkeiten. Verständlich, dass er sich auch mit den indianischen Berichten über die Inseln im Südmeer auseinandersetzte. Aus seinem eigenen Studium antiker Schriften wie dem Werk von Ptolemäus glaubte er an die Existenz eines großen Südkontinents. Deshalb kam er zur Auffassung, dass die indianischen Legenden über die Existenz von Inseln im Mar del Sur auf Realität beruhen müssten, da gerade sie auf eine benachbarte Landmasse hindeuteten. Sarmiento äußerte sogar genaue Vorstellungen, wonach man von Callao aus, dem Hafen der Hauptstadt Lima, der sogenannten »Stadt der Könige«, auf westsüdwestlichem Kurs nach etwa 600 Leguas auf das Südland stoßen sollte [bei der peruanischen Legua von rund 5,5 km entsprach dies etwa 3.300 Kilometer Entfernung von der peruanischen Küste]. Es wäre durchaus denkbar, dass ihm bereits aus Europa Kartendarstellungen des Südkontinents als Grundlage für diese Annahmen bekannt gewesen sein könnten.
Denn auch die Kunde über die großen Inseln vor der Küste Südamerikas war offenbar bis Europa gedrungen. Denn der Kartograph Gerard Mercator stellte 1569 auf seiner Weltkarte mit dem Titel »Nova et aucta orbis terrae descriptio ad usum navigantium« etwa in der genannten Position eine Gruppe von drei Inseln dar, die er mit einer eigenen Beschreibung versah:
»Irgendwo weiter draußen im Meer, auf der Breite des Hafens Hacari [Acari an der Küste von Peru auf einer südlichen Breite von 15° 25‘] so behaupten manche Indios und Christen, seien große Inseln, nach allgemeiner Ansicht reich an Gold.«
Pedro Sarmiento gelang es jedenfalls, Gouverneur Don Lope García de Castro für die Aussendung einer Expedition zur Suche nach den erhofften Goldinseln und dem Südkontinent zu gewinnen. Der Gouverneur ließ im Mai 1567 im Hafen von Callao zwei mit Kanonen bewaffnete Galeonen für eine Entdeckungsfahrt ausrüsten und Seeleute sowie Soldaten dafür anheuern. Das größere der beiden Segelschiffe von etwa 300 toneladas Ladekapazität [etwas weniger als 300 metrische Tonnen] wurde »Los Reyes« benannt, das kleinere mit 200 toneladas erhielt den Namen »Todos los Santos.« Zum Bau einer kleinen Brigantine für Erkundungsfahrten in unbekannten Gewässern wurden vorgefertigte Rumpfteile an Bord verladen. Die beiden Schiffe nahmen Verpflegung und Wasser für eine Fahrt von mehreren Monaten an Bord. Denn länger sollte es nicht dauern, um die von Sarmiento angenommene Entfernung von 600 Leguas bis zu den unbekannten Inseln im Westen zu bewältigen und die Kunde von den Entdeckungen zurück nach Peru zu bringen.
Die geplante Entdeckungsfahrt von Peru aus in die Weiten des pazifischen Ozeans weckte große Erwartungen. Daher erregte die Entscheidung von Gouverneur Don Lope García de Castro, den Oberbefehl über die Expedition als »General« nicht Pedro Sarmiento de Gamboa, sondern seinem unerfahrenen jungen Neffen Álvaro de Mendaña y Neyra zu übertragen, beträchtliches Aufsehen. Ob Don Lope damit seinen eigenen Einfluss bei diesem so prestigeträchtigen Unternehmen sicherstellen wollte oder einem Vorschlag Pedro Sarmientos folgte, wie dieser später behauptete – jedenfalls sollte diese Entscheidung Álvaro de Mendañas weiteren Lebensweg bestimmen.
Sarmiento erhielt die Position des Kapitäns auf der Los Reyes, dem Flaggschiff der kleinen Flotte und deshalb »Capitana« benannt. Zum Kapitän der Todos Santos, dem zweiten Schiff und deshalb als »Almiranta« bezeichnet, wurde Pedro de Ortega aus Guadalcanal in der spanischen Provinz Valencia ernannt. Ortega erhielt zudem als Maestre de Campo (Feldmeister) das Kommando über das Kontingent an Soldaten. Für die wichtige Position des Piloto Mayor, also des Ersten Steuermanns der kleinen Flotte, wurde Hernan Gallego angeheuert, ein erfahrener Navigator, der bereits eine Reihe von Fahrten auf dem Pazifik nach Neuspanien und bis Chile unternommen hatte. Hernandez Gomez Catoira wurde vom Gouverneur zum Zahlmeister der Flotte – zuständig für die Verwaltung von Ausrüstung und Vorräten – und außerdem zum offiziellen Chronisten der Expedition bestimmt. Allerdings wurden auch von Álvaro de Mendaña selbst, von Pedro Sarmiento und von Hernan Gallego Berichte über die Reise verfasst. Da es ein erklärtes Ziel des Unternehmens war, die heidnische Bevölkerung in den zu entdeckenden Ländern zum christlichen Glauben zu bekehren, kamen auch vier Franziskanermönche mit auf die Reise. Die Expedition umfasste schließlich an die 160 Personen. Fast die Hälfte davon waren Soldaten, der Rest hauptsächlich Seeleute. Außerdem wurde eine Anzahl von schwarzen Sklaven für schwere Arbeiten an Bord genommen. Dass sich unter der Besatzung auch ein gewisser »sozialer Bodensatz« befunden haben dürfte, war aus Sicht der Kolonialverwaltung nicht unwillkommen, bekam man auf diese Weise doch unliebsame Elemente aus dem Land.
Rund ein halbes Jahr dauerte es, bis die Vorbereitungen für die Reise abgeschlossen waren und General Álvaro de Mendaña im November 1567 den Befehl zum Auslaufen geben konnte:
›Wie Eurer Majestät bekannt ist, legten wir im Hafen von Callao am Mittwoch, dem 19. November 1567 um vier Uhr nachmittags ab.1 Wir setzten Segel und suchten gegen den Wind anzukreuzen, aber es gelang uns nicht, die Hafenbucht zu verlassen und an diesem Tag voranzukommen. Erst am Donnerstag, dem 20. November, konnten wir aus Callao, dem Hafen der Stadt der Könige auslaufen und einen Kurs Westsüdwest setzen. Unser Erster Navigator, Hernan Gallego, wird Eurer Majestät einen eigenen Bericht über den Kurs, die erreichten Breiten und alle wichtigen Belange der Navigation auf unserer Seefahrt vorlegen; daher will ich diese hier nicht näher ausführen.‹
Nicht nur das Auslaufen zur Entdeckungsfahrt gestaltete sich schwierig, sondern es schwelten an Bord der Capitana auch von vornherein Probleme. Die Tatsache, dass Pedro Sarmiento de Gamboa dem jüngeren und unerfahrenen Álvaro de Mendaña unterstellt war, bildete unausweichlich einen Nährboden für Konflikte. Sowohl aufgrund seiner Bildung als auch seiner Kenntnisse in militärischen und navigatorischen Belangen sah sich Sarmiento seinem »General« Mendaña zweifellos überlegen. Der erste Konflikt bahnte sich bereits weniger als zehn Tage nach dem Auslaufen, am 28. November, an: Die Flotte befand sich erst auf einer südlichen Breite von 151/2 Grad, als Hernan Gallego eine Kursänderung in Richtung Westen anordnete. Dies stand klar im Gegensatz zu Sarmientos Absicht, bis auf eine südliche Breite von 23° zu segeln, wo man nach seinen Annahmen auf Land treffen sollte. Er erhob deshalb erzürnt bei Mendaña Einspruch und forderte, wieder auf Kurs Westsüdwest zu gehen, da man sonst die geplanten Entdeckungen verfehlen würde. General Mendaña stellte sich jedoch auf die Seite von Gallego und bestätigte den Kurswechsel.
Ein möglicher Grund dafür findet sich im Reisebericht von Hernan Gallego: Dieser erwähnte nämlich, dass der Präsident der cancillaria, der obersten Kolonialbehörde in Lima, darauf hingewiesen hätte, dass sich auf 15° südlicher Breite 600 Leguas von Peru entfernt »viele reiche Inseln« befänden. [Auch die von Mercator dargestellte Inselgruppe lag im Übrigen auf dieser Breite]. Daher hofften Gallego und Mendaña vermutlich, mit einem nun nach Westen gerichteten Kurs genau auf diese »Goldinseln« zu treffen.
Doch auch andere Vorfälle führten zu Aufregung an Bord:
›Am Sonntag, dem 30. November, stieß die Capitana bei Tagesanbruch zum Schrecken der Besatzung mit einem schlafenden Wal zusammen. An diesem Tag gerieten wir auch in den ersten schweren Wolkenbruch, nachdem es vorher nur einige leichte Regenschauer gab.‹
Sechs Tage nach der umstrittenen Kursänderung, am 4. Dezember, meinten einige Soldaten, an Backbord im Süden Land gesichtet zu haben. Sarmiento schloss sich ihrer Meinung an und drängte Mendaña neuerlich, Kurs in diese Richtung zu nehmen. Doch der General lehnte dies ebenso wie Gallego erneut ab. Nach ihrer Auffassung ließ sich an Backbord nur eine schwarze Wolkenbank erkennen, und die hohe Dünung aus Süden erachtete Gallego als ein weiteres Indiz für offenes Meer in dieser Richtung. [Tatsächlich findet sich in dieser Position auch weitum keinerlei Land; doch hätte man Sarmientos ursprünglich vorgesehenen Kurs nach Westsüdwest beibehalten, wäre man möglicherweise auf die noch unbekannte Osterinsel auf 27° südlicher Breite gestoßen!]. Pedro Sarmiento unterstellte dem Ersten Steuermann nun, er wolle – sei es aus Angst vor dem Unbekannten, sei aus Gier nach Handelsprofiten – direkt in Richtung Philippinen segeln.
Immerhin hatte Álvaro de Mendaña in diesem ersten Machtkampf die Oberhand behalten. In den folgenden Wochen machten die beiden Schiffe vor dem Wind gute Fahrt nach Westen. Dies heißt nicht, dass es keine kritischen Situationen gegeben hätte, wie Mendaña berichtete:
›Am Donnerstag, dem 1. Jänner 1568 – wir hatten mittlerweile von 153/4Grad südlicher Breite auf 6 Grad gesteuert – saß ich nach Einbruch der Dunkelheit gerade mit Hernan Gallego an der Reling nahe dem Schiffsheck, als wir ein Klatschen im Wasser hörten. Hernan Gallego erhob die Stimme und rief: »Mann über Bord!« So wie wir hinunterblickten, sahen wir einen Mann, der um Hilfe schrie. Ich erkannte ihn als einen Mestizen, den Sohn von Pedro de Cevallos, Begleiter von Mateo Pinedo. Wir warfen ihm Leinen zu, aber er war nicht imstande, sie zu fangen. Darauf machten wir einen Hühnerkäfig los, der außen am Heck hing, und warfen ihm diesen zu, in der Hoffnung, dass er sich damit über Wasser halten könnte. Aber er konnte ihn nicht ausmachen, weil es nicht mehr hell genug war. Zu seinem Glück wehte fast kein Wind, die See war ruhig, und das Schiff machte wenig Fahrt. Hernan Gallego suchte das Schiff zu wenden, aber der Wind war so schwach, dass es dem Ruder nicht folgte. Da befahl er die Segel zu reffen. Wir riefen dem Jungen Mut zu, und er gab auch Antwort, aber seine Stimme ließ darauf schließen, dass er schon sehr erschöpft war. Mittlerweile hatte die Almiranta aufgeholt, und wir forderten sie auf, ihn zu bergen, aber auch sie war dazu nicht imstande. Während wir in der Dunkelheit beigedreht lagen, trieb die Almiranta so nahe an uns heran, dass wir schon fürchteten, sie würde unseren Bugspriet rammen. Nur durch Gottes Hilfe passierte sie uns ohne Schaden.
Als sie vorbei war, riefen wir wieder nach dem Jungen, doch es kam keine Antwort mehr. Wir befürchteten schon, er sei ertrunken, und ich gebot, ihn der Obhut unserer Lieben Frau zu empfehlen. Trotzdem riefen wir ihn nochmals an, und da antwortete er zu unserer Freude wieder ganz schwach. Da er offensichtlich das Schiff aus eigenen Kräften nicht mehr erreichen konnte, sprangen nun zwei Matrosen – Domingo Hernandez Gallego und Juan Rodriguez Mendez – über Bord. Wir warfen einen hölzernen Lukendeckel an einer Lotleine in die See, den Juan Rodriguez mitzog. Die Matrosen schwammen unter ständigem Rufen los, um ihn ausfindig zu machen. Nachdem sie ihn erreicht hatten, hoben sie ihn auf den Lukendeckel, da er schon stundenlang im Wasser trieb und ermüdet vom Schwimmen war. Vom Schiff aus holte Juan Enriquez die Leine vorsichtig ein, damit sie nicht riss, und brachte den Jungen so wieder an Bord. Es ist mein fester Glaube, dass Unsere Liebe Frau ihn auf wunderbare Weise gerettet hat, weil wir ihn Ihrer Obhut empfohlen hatten. Einige aus der Mannschaft bestätigten, sie hätten ein Licht wie von einer Kerze über der Stelle erblickt, als er auf die Rufe antwortete. Auch er selbst meinte nach der Rückkehr an Bord, dass er über sich ein Licht gesehen hätte.
Am Donnerstag, dem 8 Jänner, fiel ein weiterer Seemann namens Juan Rodriguez über Bord. Dank Gottes Güte hing eine Leine vom Heck, an die er sich noch klammern konnte. Wäre ihm das nicht gelungen, so hätte ihm große Gefahr gedroht, da eine steife Brise wehte.
Am Mittwoch, dem 14. dieses Monats, gerieten wir bei Anbruch der Nacht in schwere Wolkenbrüche und so starke Sturmböen aus Ost und Nordwest, dass wir die Segel einholen mussten. Sie dauerten zwar nur kurze Zeit, doch in der Nacht erlebten wir zum ersten Mal auf unserer Reise ein Unwetter mit Blitz und Donner.‹
Am Donnerstag, dem 15. Jänner 1568 war die kleine Flotte bereits fast zwei Monate auf See und befand sich nach Schätzung des Ersten Steuermanns etwa 1.400 Leguas (also rund 7.000 Kilometer) westlich von Peru. Kurz nach neun Uhr morgens sichtete ein Schiffsjunge namens Trejo vom Ausguck aus Land an Steuerbord. Ohne daraus großes Aufheben zu machen, kletterte der Junge herunter und meldete dem General seine Entdeckung. Dieser benachrichtigte Hernan Gallego, der sofort einen Matrosen in den Mastkorb klettern hieß. Bald darauf drängte sich die ganze Mannschaft an der Reling der Capitana, um einen Blick auf das Land zu erhaschen. Pedro Sarmiento vermutete voreilig, es könne sich um einen der Vulkane handeln, die vor der Küste von Neuguinea hohe Inseln bildeten. Aber bald erkannte man, dass nur eine kleine Insel vor ihnen lag. Hernan Gallego wollte sich der Insel gar nicht weiter nähern; so klein und flach wie sie war, hielt er sie von vornherein für wasserlos. Doch der General wünschte sie unbedingt anzulaufen:
›Es war gerade Mittagszeit, und wir setzten uns zum Essen. Nach dem Essen fragte Hernan Gallego nochmals, ob ich wirklich auf der Insel landen wolle. Da ich bemerkte, dass er auf meine erste Anweisung hin noch gar nicht Kurs auf die Insel gesetzt hatte, betonte ich, dass dies mein ausdrücklicher Wille sei. Ich wäre nicht gekommen, um Handel zu treiben, sondern um neue Länder zu entdecken. Auch wenn sie nur ein Sandhügel sei, im Auftrag Ihrer Majestät müssten wir über sie berichten, weil das der Zweck unserer Reise wäre.2
Da gab er endlich Befehl, Richtung Osten zu steuern und die Insel anzulaufen, die inzwischen bereits hinter uns lag. So hielten wir gegen den Willen des Ersten Steuermanns auf die Insel zu; er vertrat die Auffassung, sie sei unbewohnt, und wir könnten in der Nähe vielleicht größere Inseln zum Landen finden. Als wir näherkamen, wurde deutlich, dass die kleine Insel nicht mehr als 6 Leguas Umfang haben konnte. Sie war dicht bestanden mit palmenartigen Bäumen. Im Norden erstreckte sich ein Riff eine viertel Legua ins Meer hinaus; im Süden befand sich ein kleineres Riff. An der Westseite lag ein langgestreckter Sandstrand, mit mehreren vorgelagerten Riffen. Die Ostseite konnten wir aufgrund widriger Windverhältnisse nicht in Augenschein nehmen. Von See aus gesehen hat die Insel eine Form wie zwei Galeeren, mit einer Baumgruppe in der Mitte, die wie eine Flotte von Schiffen wirkt. In einer Entfernung von weniger als einer halben Legua von der Insel befahl der Steuermann die Segel zu reffen, bis unser zweites Schiff näher kam, wobei sich noch kein Grund unter dem Kiel finden ließ.
Kurz nach dem Einholen der Segel rief der Matrose im Ausguck, dass er Kanus sähe, die sich näherten. Andere, die in den Ausguck kletterten, hielten sie für Felsen, an denen die Wellen brächen. Der erste Matrose kletterte wieder hinauf und meinte, wenn dies Felsen wären, müsste sich das Wasser deutlicher an ihnen brechen; tatsächlich würden sie sich aber auf den Wellen heben und senken. Wir konnten bald erkennen, dass es sich wirklich um Kanus mit Menschen handelte, die sich näherten. Ich befahl unseren Männern herunterzukommen, aber ich erlaubte ihnen entgegen ihrem Wunsch nicht, sich zu bewaffnen. Ich hielt es für unnötig, da auf der Insel nicht viele Menschen leben konnten. Notfalls könnten wir sie mit Stöcken vertreiben, wenn sie zu nahe kämen, alle müssten daher Ruhe bewahren.
Wir beobachteten, wie sich die Eingeborenen in ihren kleinen Kanus näherten, ein Mann in jedem. Vom Schiff aus konnten wir sieben oder acht Eingeborene in sieben Kanus zählen. Zwei ruderten an den Strand zurück, die anderen fünf hielten auf das Schiff zu, um es in Augenschein zu nehmen. Aber sobald sie in Bogenschussweite waren, oder sogar etwas vorher, hoben sie die Paddel und drehten mit lauten Rufen wieder ab. Da gab ich Befehl, ihnen Signale mit einem weißen Tuch zu geben, um sie zur Rückkehr zu bewegen, was aber ohne Erfolg blieb. Doch nachdem sie wieder am Strand gelandet waren, machten sie Zeichen mit weißen Gegenständen, die sie am Strand ablegten. Wenn es nicht schon spät gewesen wäre, hätten wir noch das Boot zu Wasser gelassen. Aber wir mussten dies ebenso wie die Suche nach einem Ankerplatz für die Schiffe bis zum nächsten Morgen aufschieben. Es waren 57 Tage vom Auslaufen in Callao bis zur Ankunft bei dieser Insel vergangen, und die ganze Zeit hatten wir günstige Winde und eine ruhige See.‹
1 Narrative of Mendaña. In: The discovery of the Solomon islands by Alvaro de Mendaña in 1568. Translated from the original Spanish manuscripts. Edited, with Introduction and Notes by Lord Amherst of Hackney and Basil Thompson. Vol I. London, Hakluyt Society 1901. S. 95 ff.
2 Narrative of Mendaña. In: The discovery of the Solomon islands …. S. 100 ff.
Als Álvaro de Mendaña 1567 zu seiner Fahrt über den pazifischen Ozean aufbrach, war dieses Meer den Europäern erst seit etwa fünf Jahrzehnten bekannt. Bis zum Ende des 15. Jahrhunderts hatten im europäischen Weltbild weder Amerika noch der – mehr als ein Drittel der Erdoberfläche umspannende – pazifische Ozean existiert. Vielmehr waren im 15. Jahrhundert Kartographen wie der Florentiner Paolo dal Pozzo Toscanelli der Meinung (aufgrund irriger Interpretation der Ermittlung des Erdumfangs durch die antiken Geographen und einer Überschätzung der Ausdehnung Asiens), dass die Entfernung von Europa bis Indien oder China über den Atlantik nur etwa 5.000 Seemeilen betragen dürfte. Deshalb wollte Christoph Kolumbus im Jahr 1492 diese Länder auf dem vermeintlich kürzeren Weg nach Westen ansteuern. Als er auf unbekannte Inseln stieß, hielt er diese vorerst für einen Vorposten Asiens.
Nachfolgende Expeditionen ließen jedoch bald erkennen, dass sich eine unbekannte neue Landmasse der Fahrt nach Westen in den Weg legte: Schon 1502 prägte der italienische Entdeckungsreisende in Diensten Portugals, Amerigo Vespucci, dafür den Begriff »Mundus Novus« – die »Neue Welt«. Auf seiner Weltkarte von 1507 stellte der deutsche Kartograph Martin Waldseemüller dann erstmals einen neuen Kontinent jenseits des Atlantiks dar, den er nach Amerigo Vespucci »America« benannte. Westlich dieses Kontinents erstreckte sich auf seiner Karte ein namenloser Ozean bis Asien. Erst sechs Jahre später – im Jahr 1513 – sichtete der spanische Abenteurer Vasco Nuñez de Balboa nach Überquerung der Landenge von Panama dieses Meer; er benannte es »Mar del Sur«, das »Südmeer«, und nahm es für Spanien feierlich in Besitz. Damit war der neue Ozean zugleich auch auf der »politischen Weltkarte« angekommen.
Die Grundlage für Balboas »Inbesitznahme« bildete die Aufteilung der Welt zwischen Spanien und Portugal im Jahr 1493: In der päpstlichen Bulle »Inter caetera« hatte Papst Alexander IV. damals durch eine Trennungslinie von Pol zu Pol 100 Leguas (das entspricht etwa 480 km) westlich der Kapverdischen Inseln die Einflusssphären zwischen Portugal und Spanien aufgeteilt. Dies sollte Auseinandersetzungen zwischen den beiden christlichen Mächten bei der Erkundung, Kolonisierung und Christianisierung neu entdeckter Gebiete unterbinden. Alle zu entdeckenden Inseln und Festländer westlich dieser Trennlinie hatte der Papst den »katholischen Königen« Isabella und Ferdinand von Kastilien, Leon und Aragon und deren Erben zugesprochen. Die Gebiete östlich dieser Linie dagegen waren Portugal zuerkannt worden. Im Jahr 1494 wurde diese Trennlinie von Spanien und Portugal im Vertrag von Tordesillas auch staatsrechtlich verankert, nunmehr 370 Leguas (rund 1800 km) westlich der Kapverdischen Inseln.
Diese Ausgangslage war ausschlaggebend dafür, dass die Portugiesen einen Seeweg um Afrika nach Osten zu finden trachteten. Im Jahr 1498 gelangte der Portugiese Vasco da Gama nach Indien; schon 1512 erreichte die erste portugiesische Flotte die Gewürzinseln, die Molukken in Südostasien. In der Folge brachte die Einfuhr von Zimt, Muskatnüssen und Gewürznelken nach Europa dem kleinen Portugal ungeahnten Reichtum.
Dass die Erschließung des Seewegs nach Osten den Portugiesen derartige Erfolge bescherte, war Spanien ein Dorn im Auge, besonders deshalb, weil nach Ansicht der spanischen Krone die Gewürzinseln eigentlich zu ihrer »Welthälfte« zählten. Daher eröffnete die Entdeckung des »Südmeers« ganz neue Perspektiven, denn über diesen Ozean hoffte man nun endlich ebenfalls die Gewürzinseln, die »Especierias«, erreichen zu können. Mit diesem Ziel stach der Portugiese Fernão de Magalhaes in spanischen Diensten im Jahr 1519 mit einer Flotte aus fünf Schiffen in See. Magalhaes behauptete, Kenntnis von portugiesischen Karten zu haben, die eine Verbindung zwischen dem Atlantik und dem »Mar del Sur« weit im Süden der »Neuen Welt« zeigten. Diese Meeresstraße wollte er finden, um einen westlichen Seeweg für Spanien zu den Gewürzinseln zu eröffnen. Er entdeckte die – später nach ihm benannte – »Magellanstraße« und erreichte das »Mar del Sur«. Zur Überquerung des unbekannten Ozeans benötigte seine Flotte dann allerdings fast vier Monate! Erstmals konnte man die ungeheure Ausdehnung des »Mar Pacifico« – wie es die Spanier wegen des ruhigen Wetters während der Überfahrt nannten – erahnen. Magalhaes selbst sollte es allerdings nicht vergönnt sein, die Gewürzinseln zu erblicken. Er fiel im April 1521 auf der Inselgruppe der »Lucoes« (den späteren Philippinen) beim Kampf gegen Eingeborene. Zwei seiner Schiffe erreichten schließlich im November 1521 die Molukkeninsel Tidore. Nachdem die Laderäume mit Nelken und anderen wertvollen Gewürzen gefüllt waren, beschlossen die Spanier zur Rückfahrt zwei verschiedene Routen. Die Victoria unter Juan Sebastian de Elcano erreichte nach einer entbehrungsreichen Fahrt über den Indischen Ozean und um die Südspitze von Afrika im September 1522 den Hafen von Sanlucar bei Sevilla und vollendete damit die erste Weltumseglung. Die Trinidad unter Gomez de Espinosa dagegen suchte zurück über den Pazifik nach Darien am Isthmus von Panama zu segeln. Sie scheiterte aber an den widrigen Windverhältnissen und kehrte zu den Gewürzinseln zurück. Dort wurde das Schiff von einem portugiesischen Flottenverband aufgebracht, der inzwischen gegen die spanischen Eindringlinge abgesandt worden war, und die gesamte Besatzung gefangen genommen.
Spanien und Portugal trachteten darauf im Jahr 1524 mit Hilfe einer in der Grenzstadt Badajoz einberufenen Kommission aus Astronomen, Kosmografen und berühmten Navigatoren die Frage zu lösen, in wessen »Welthälfte« die fernen Gewürzinseln fielen. Die Verhandlungen führten allerdings zu keiner Einigung. Daher wurde von Spanien im Jahr 1525 eine weitere, noch größere Flotte aus sieben Schiffen unter dem Kommando von García Jofre de Loaysa entsandt, um die Gewürzinseln in Besitz zu nehmen. Auch der erste Weltumsegler, Juan Sebastian de Elcano, nahm an dieser Expedition teil, die allerdings von vornherein unter keinem guten Stern stand: Nur vier der Schiffe erreichten durch die Magellanstraße den pazifischen Ozean, der seinem Namen zudem diesmal nicht gerecht wurde, denn ein Sturm zerstreute den Rest der Flotte. Das Flaggschiff Santa Maria de la Victoria musste die Fahrt allein fortsetzen. Hunger, Wassermangel und Krankheiten dezimierten die Besatzung während der vier Monate dauernden Überquerung des Ozeans, auch de Loaysa und de Elcano verstarben. Die Victoria erreichte immerhin Ende 1526 die Molukken, wo der Rest der Mannschaft auf der Insel Tidore einen Stützpunkt errichtete und ihn fern der Heimat mehrere Jahre gegen die Portugiesen behauptete.
Mittlerweile war das Reich der Azteken in Mexiko durch den spanischen Konquistador Hernán Cortés erobert worden, und an der Pazifikküste »Neuspaniens« – so der Name der neuen Kolonie – begann man Häfen anzulegen und Werften zum Bau von Schiffen zu errichten. Auf Anweisung von König Carlos I. (Karl V. als Kaiser des »Heiligen Römischen Reichs«) rüstete Cortez im Jahr 1527 eine Flotte aus drei Schiffen aus, die nach der verschollenen Loaysa – Expedition suchen sollte. Er entsandte sie unter dem Kommando seines Neffen Álvaro de Saavedra zu den Gewürzinseln. Nur das Flaggschiff Saavedras erreichte schließlich nach fünf Monaten Fahrt die Molukken. Auf der Insel Tidore traf Saavedra tatsächlich auf die Überlebenden der Victoria. Sein Versuch, auf direktem Weg nach Neuspanien zurück zu segeln, um Verstärkung zu holen, scheiterte jedoch – wie im Fall der Trinidad – an den Windverhältnissen. Die Hinfahrt von der »Neuen Welt« nach Westen in Richtung Asien wurde zwar von den vorherrschenden Ostwinden der Passatzone beiderseits des Äquators begünstigt. Die Rückfahrt auf der gleichen Route war allerdings für die damaligen Segelschiffe so gut wie unmöglich, da sie kaum längere Strecken gegen den Wind kreuzen konnten.
Der Konflikt zwischen Spanien und Portugal um die Gewürzinseln wurde schließlich im Jahr 1529 dadurch beigelegt, dass der spanische König Carlos I. die Molukken gegen eine Zahlung von 350.000 Dukaten offiziell an Portugal abtrat. Dieser Schritt führte in der Folge dazu, dass die – bereits von Magellan besuchte – Inselgruppe der »Lucoes« nördlich der Molukken in das Interesse Spaniens rückte, weil sie günstig für den Handel mit China lag. Im Jahr 1542 wurde deshalb von Neuspanien aus eine Flotte mit fünf Schiffen unter Ruy Lopez de Villalobos zur Gründung einer Kolonie dorthin entsandt. Villalobos benannte die Inselgruppe »Las Islas Felipinas« nach dem damaligen spanischen Infanten Felipe – dem späteren König Philipp II. Doch das Vorhaben zur Anlage einer Siedlung scheiterte an den feindseligen Eingeborenen, an Entbehrungen und Hunger; die Reste der Expedition landeten schließlich Hilfe suchend bei den Portugiesen auf den Molukken.
Erst über zwanzig Jahre später, im Jahr 1564, gelang einer weiteren Expedition von Neuspanien aus unter dem Kommando von Miguel Lopez de Legazpi die Anlage einer Kolonie auf den Philippinen. Zudem fand Legazpis Erster Steuermann, Andres de Urdaneta, der bereits an der glücklosen Molukken – Expedition von de Loaysa teilgenommen hatte, im Jahr 1565 endlich eine Route für die Rückfahrt nach Neuspanien: Er segelte von den Philippinen nach Norden vorbei an Japan, bis er in höheren Breiten auf eine Westwindzone stieß, die sein Schiff zurück nach Amerika trug. Damit schuf er die Grundlage für einen regelmäßigen Schiffsverkehr mit der neuen Kolonie. In der Folge entwickelte sich ein profitabler Handelskreislauf: Silber aus Amerika wurde nach Manila auf den Philippinen verschifft und dort gegen chinesische Luxusgüter, Porzellan und Edelsteine eingetauscht. Diese wurden mit den jährlichen »Manila – Galeonen« nach Acapulco in Mexiko transportiert und von dort weiter nach Europa gebracht. Der pazifische Ozean nördlich des Äquators war innerhalb weniger Jahrzehnte gleichsam zu einem »spanischen Meer« geworden.
Dagegen war das Meer vor der Küste Südamerikas nach Westen noch fast völlig unerforscht. Zwar waren die Expeditionen von Magalhaes und de Loaysa nach der Durchfahrt durch die Magellanstraße nahe der Westküste des Kontinents nach Norden gesegelt, bis sie auf die Passatzone trafen. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts bestand auch bereits eine Küstenschifffahrt zwischen Neuspanien, Mittelamerika, Peru und Chile. Doch erst die Erkundungsfahrt unter Álvaro de Mendaña y Neyra im Jahr 1567 drang von Peru aus nach Westen tiefer in den Südpazifik vor.
Mendaña benannte die neu entdeckte Insel »Isla de Jesus«, da sie am Tag nach dem Namensfest Jesu auf die Insel gestoßen waren. Das Meer, das sie von Callao bis zur Insel überquert hatten, benannte er Golfo de Concepcion, weil sie es am Fest der unbefleckten Empfängnis Unserer Lieben Frau befahren hatten.
Während die Eingeborenen in ihren Kanus vom Strand des flachen Atolls herausgepaddelt waren, reffte das Flaggschiff »Los Reyes« die Segel und wartete nun auf das Aufschließen der Almiranta. Doch da schon die Dunkelheit hereinbrach, schien es ratsam, für die Nacht etwas Abstand zur Küste der Insel zu gewinnen, und daher befahl Mendaña, wieder die Segel zu setzen. Auf diese Weise kreuzten die beiden Schiffe die ganze Nacht abwechselnd meerwärts und landwärts. Als auf der Almiranta während der ersten Wache ein Licht entzündet wurde, antworteten die Eingeborenen ebenfalls mit einem Feuer an der Küste; als man das Licht an Bord löschte, wurde auch das Feuer an der Küste gelöscht. Die Mannschaft war hocherfreut über diese Verständigungsversuche und hoffte, am nächsten Tag auf der Insel landen zu können. Doch es sollte anders kommen:
›Bei Tagesanbruch überzog sich der Himmel und es begann zu regnen; dann kam starker Wind auf, der uns zusammen mit der Meeresströmung zusehends von der Insel abtrieb. Zwar gelang es uns, der Küste wieder näher zu kommen, und wir hätten auch leicht ankern können. Aber als wir nach der Almiranta Ausschau hielten, sowie es aufklarte, konnten wir sie nirgends entdecken. So steuerten wir wieder vom Land weg, und sichteten sie endlich weit draußen auf See leewärts der Insel. Ich wies die Steuerleute an, wieder auf die Insel zuzuhalten, da uns das andere Schiff nun gesehen habe und folgen würde. Sie schätzten es aber für jenes Schiff als unmöglich ein, die Insel wieder zu erreichen, da es sich zu weit auf der windabgewandten Seite befände. Wenn es mein ausdrücklicher Wunsch sei, das Land anzulaufen, würden sie meiner Entscheidung Folge leisten. Aber sie warnten mich, dass dies für die Almiranta sehr gefährlich sei und sie bei unserem Versuch, die Insel zu erreichen, verloren gehen könne.
Daraufhin gab ich die Anweisung, uns vorerst dem anderen Schiff anzunähern. Wenn beide gemeinsam das Land erreichen könnten, wäre es aber unverantwortlich, dies nicht zu versuchen. Die Mannschaft drängte ebenfalls darauf, Wasser zu fassen. Unsere Wasservorräte waren zwar noch nicht erschöpft, aber das Wasser schmeckte schal und verdorben, und wir tranken es nur mehr mit Widerwillen. Meine Steuerleute gaben zur Antwort, sie würden dies gern versuchen, und nahmen Kurs auf unser Schwesterschiff. Es kreuzte aber gerade landwärts, und wir Richtung See, und so fuhren wir aneinander vorbei. Dann machte es eine Wende und kreuzte seewärts, daraufhin hielten beide Schiffe gemeinsam landwärts; so versuchten wir den ganzen Tag gegen den Wind die Insel wieder zu erreichen. Aber Wind und Regen waren so heftig und die Strömung so stark, dass wir schließlich mehr als sechs Leguas von der Insel abgetrieben wurden.‹
Die Steuermänner erklärten Mendaña, dass sie die Insel nicht mehr erreichen könnten. Wenn sie sich bis zum nächsten Tag aufhielten, könnten sie so weit vom Kurs abkommen, dass sie nicht einmal mehr auf die gegenwärtige Breite von 6 ° zurückgelangten. Zudem sei das Wetter sehr schlecht, was besonders für die kleinere Almiranta gefährlich werden könne. Sie wären zuversichtlich, bald wieder auf Land zu treffen, wo man sich mit allem Nötigen versorgen könnte. Darauf meinte der General, da es das erste Land war, das sie gesichtet hatten, hätte er es gerne im Namen Ihrer Majestät in Besitz genommen; aber er sehe ein, dass es vernünftiger sei, weiterzufahren.
Nach dem Abdrehen von der Isla de Jesus hielten die beiden Schiffe weitere siebzehn Tage, teils bei Schlechtwetter und widrigen Winden, Kurs nach Westen.
›Am Sonntag, dem 1. Februar, sichtete Hernan Gallego, der Erste Navigator, an Steuerbord brechende Brandungswellen. Es war ungefähr zwei Uhr nachmittags, der Wind war schwach, aber dennoch refften wir zur Vorsicht die Segel drei- oder vierfach und machten wenig Fahrt voraus. Gallego sandte einen Mann in den Ausguck, um Ausschau zu halten, ob Land in Sicht sei. Aber es schien nur ein Riff zu sein, sechs Leguas lang, das sich aus Südwest in Richtung Nordost erstreckte. Wir fuhren im Abstand von etwa einer Legua entlang, wobei sich die See auf seiner ganzen Länge brach. Ich gab die Anordnung, das Riff »Candelaria« zu nennen, da wir es am Vorabend des Lichtmessfestes gesichtet hatten; es liegt auf einer südlichen Breite von 6°. Wir kreuzten den ganzen Tag, um zu sehen, ob wir uns annähern oder anlegen könnten, und auch, ob vielleicht Holz oder Wasser vorhanden wären, da wir den Eindruck hatten, es könnte einige niedrige Inseln geben: Zwar fehlte es uns zu diesem Zeitpunkt noch an nichts, aber im Fall von Flauten hätten wir vielleicht Vorräte brauchen können.
So fuhren wir bis zur Stunde des Abendgebets entlang der Riffe, wobei wir gelegentlich kreuzen mussten, weil der Wind fast direkt darauf zu wehte. Allerdings begann er zu dieser Stunde auf West zu drehen, sodass er uns nun über die Riffe entgegen blies. Da wir sie mit diesem Gegenwind nicht erreichen konnten, gingen wir auf Nordnordwest – Kurs. Doch dann drehte er auf Westnordwest, mit zeitweiligen Sturmböen und starkem Regen, so dass wir die Segel einholen und über Nacht beidrehen mussten.
Am Montag, dem Lichtmessfest, und am folgenden Dienstag war die See unruhig, der Wind machte uns weiter zu schaffen, und es gab schwere Regengüsse. Ständig wechselten Wind und Regen, sobald eine Sturmbö vom Bug zum Heck vorbeigezogen war, wurde sie wieder auf uns zurückgeblasen. Manchmal sahen wir Regengüsse gleichzeitig von Bug und Heck, von Steuerbord und von Backbord auf uns zukommen; sowie wir glaubten, sie wären über uns hinweg, kehrten sie unmittelbar zurück, wobei der Wind aus allen Richtungen wehte und dauernder Donner grollte. Am folgenden Mittwoch, dem 4. Februar, beruhigte sich das Wetter etwas. Wir kreuzten erst in die eine, dann in die andere Richtung und versuchten bei leichter Brise dem Riff näher zu kommen, um keinen Fahrtfortschritt zu verlieren. Doch in der Nacht wehte der Wind wieder aus Richtung Westen, und wir mussten die Segel einholen.
Am Donnerstag darauf setzten wir wieder Segel, um nicht weiter zurückgetrieben zu werden. Wir ließen die Riffe endlich hinter uns und gingen mit Südsüdwest – Kurs auf eine Breite von 6°. Auch hielten wir Ausschau nach Land, da wir dachten, es könne nicht mehr weit entfernt sein. In der Nacht kam erneut widriger Wind auf, und wir holten die Segel ein. Am nächsten Tag sichteten wir viele Zeichen für nahes Land, wie schwimmende Kokosnüsse, Palmblätter, Schlangen im Wasser, Kröten, Krabben, orange Früchte und viele andere Gegenstände, was uns in große Freude versetzte.‹
Auch wenn man noch keine Küste gesichtet hatte, waren sich aufgrund dieser Hinweise alle an Bord einig in der Erwartung, dass der unbekannte Südkontinent nahe sein müsste.
Dass die Vorstellungen von der »terra australis incognita«, dem unbekannten Kontinent auf der Südhalbkugel der Erde, auf die Antike zurückgingen, dürfte zumindest Pedro Sarmiento bekannt gewesen sein. Schon als der griechische Mathematiker und Kosmograph Eratosthenes im 3. Jahrhundert v. Chr. erstmals den Umfang der Erdkugel mit bemerkenswerter Genauigkeit bestimmt hatte, wurde offenkundig, dass die bekannten Kontinente – Europa, Asien und Afrika – nur einen Teil der Erde umfassten. Es musste darüber hinaus auf der entgegengesetzten Seite der Weltkugel ebenso große Länder geben; deren Bewohner wurden als »Antipodes« – griechisch für Menschen mit entgegen gerichteten Füßen – bezeichnet. Um 150 n. Chr. schuf der große alexandrinische Geograph, Mathematiker und Astronom Claudius Ptolemäus in seinem Werk »Geographike Hyphegesis« eine Karte der gesamten Welt. Darin ging er von einem großen südlichen Kontinent aus, der Afrika mit Asien verband und den Indischen Ozean zu einem Binnenmeer machte. Kosmographen in der Tradition des römischen Philosophen Macrobius erachteten einen Südkontinent gleichsam als »Gegengewicht« zu den bekannten Kontinentalmassen der Nordhalbkugel als erforderlich.
Ein maßgebliches Vermächtnis von Ptolemäus war im Übrigen die Angabe des Umfangs der Erde mit »252.000 Stadien«. Nachdem es schon in der Antike verschiedene Längenmaße für ein »Stadium« gegeben hatte, war bei der Übertragung der »Geographike« ins Lateinische Anfang des 15. Jahrhunderts möglicherweise eine fälschliche Umrechnung seiner Angaben unterlaufen: Denn daraus ermittelte man einen Wert für den Erdumfang, der nur etwa 30.000 Kilometern entsprach, also ein Viertel weniger als der tatsächliche Wert von rund 40.000 Kilometern betrug! Diese beträchtliche Unterschätzung dürfte nicht nur die Grundlage für den Plan von Christoph Kolumbus zur Seereise nach Asien auf dem vermeintlich kürzeren Westweg gewesen sein; sie war noch längere Zeit verantwortlich für irrige Vorstellungen über die Größe der Erde.