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Band 643    

Wilfried Hartmann

Karl der Große

Verlag W. Kohlhammer

 

 

 

 

Umschlag: © Bauhütte, Kloster St. Johann in Müstair,

Foto Jörg Roll und Erich Tscholl

2. Auflage 2015

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-025572-2

E-Book-Formate:

pdf:       ISBN 978-3-17-025573-9

epub:    ISBN 978-3-17-025574-6

mobi:    ISBN 978-3-17-025575-3

Inhaltsverzeichnis

 

 

 

  1. Vorwort
  2. Einleitung
  3. Quellen und Quellenkritik
  4. Literatur
  5. 1 Herkunft
  6. Die Arnulfinger
  7. Karl Martell
  8. Karlmann und Pippin
  9. Das Königtum Pippins
  10. 2 Geburt, Kindheit und Jugend Karls des Großen
  11. 3 Teilung des Reiches bis zum Tode Karlmanns
  12. 4 Ehe und Familie
  13. Karls Töchter
  14. 5 Lebensführung
  15. 6 Tod und Begräbnis
  16. 7 Karl als Eroberer
  17. Langobardenreich
  18. Muslime in Spanien
  19. Baiern
  20. Awaren
  21. Sachsen
  22. Karls Kriegsführung
  23. 8 Wie regierte Karl sein Reich?
  24. Die wirtschaftlichen Grundlagen
  25. Ausstellung von Urkunden
  26. Die Pfalzen
  27. Politische und soziale Struktur des Reiches
  28. Karl und das Recht
  29. 9 Wirtschaftsleben
  30. 10 Karl und die Kirche
  31. Innere Christianisierung und äußere Mission
  32. Bischöfe und Kirchenorganisation
  33. Mönche
  34. Verhältnis zum Papst
  35. Karl als Herr der Kirche
  36. Kirchliche Gesetzgebung
  37. 11 Bildung und Wissenschaft
  38. Karl und die Schulen
  39. Wissenschaftliche Berater
  40. Karolingische »Renaissance«?
  41. 12 Kaisertum
  42. 13 Das Frankenreich und seine Nachbarn
  43. England
  44. Norden
  45. Slawen
  46. Byzanz
  47. Orient
  48. 14 Die Söhne Karls und die Regelung seiner Nachfolge
  49. 15 Die Lage im Frankenreich nach Karls Tod
  50. 16 Nachleben
  51. Karl der Große als Vorfahr
  52. Karl der Große als Kreuzfahrer
  53. Karl der Große als Idealherrscher
  54. Schluss
  55. Abkürzungen
  56. Anmerkungen
  57. Quellen und Literatur
  58. Quellen
  59. Literatur
  60. Abbildungsverzeichnis
  61. Abbildungen
  62. Karten
  63. Stammtafeln
  64. Personenregister

Vorwort

 

 

Es gibt bereits viele Monographien und Biographien über Karl den Großen; man kann daher fragen, warum dieser Menge noch ein weiteres Buch hinzugefügt werden muss. Aber gerade diese riesige Anzahl an Titeln, die im Umkreis des Jahres 2000, als das 1200-jährige Jubiläum von Karls Kaiserkrönung durch Ausstellungen und Buchpublikationen gefeiert wurde, einen neuen Höhepunkt erreichte, macht es nötig, immer wieder eine Gesamtdarstellung von Leben und Herrschaft dieses mittelalterlichen Idealherrschers zu versuchen.

In diesem Buch sollen nicht nur das Leben und die Leistungen Karls des Großen als Eroberer und als Verwalter seines Reiches erneut dargestellt werden, sondern es wird viel Raum darauf verwendet, Karls auf die Kirche bezogene Reformen und seine Anstrengungen für die Bildung herauszuarbeiten.

Meiner lieben Frau Martina Hartmann verdankt dieses Buch sehr viel: nicht nur war sie immer bereit, mit mir über einzelne Probleme zu diskutieren, sondern sie gab zahlreiche Hinweise und leistete auch Beistand bei der formalen Gestaltung der Anmerkungen und des Literaturverzeichnisses.

Frau Monica Wejwar vom Kohlhammer Verlag ist zu danken für geduldige Ermunterung, mit der sie das Entstehen des Buches begleitete, das lange nicht recht voranschreiten wollte, dann aber doch rasch abgeschlossen werden konnte.

 

Gilching, im September 2009

Wilfried Hartmann

Einleitung

 

 

 

Noch zu Lebzeiten Karls des Großen, im Jahr 811, rühmte der irische Rekluse Dungal, der im Kloster St. Denis ein von der Welt abgeschlossenes und gelehrtes Leben führte, in einem Brief an den fränkischen Herrscher diesen als vorbildlichen Regenten, Kriegsmann, Kirchenführer und Freund der Gelehrten:

»(du bist ein Vorbild) für die Großen des Reiches beim richtigen Regieren ihrer Untertanen, für die Krieger beim Ausüben ihrer militärischen Kunst, für die Kleriker bei der rechten Beobachtung der christlichen Religion und für die Philosophen und Gelehrten beim richtigen Philosophieren und beim rechtgläubigen Nachdenken über Gott«1.

Dass Karl auf diesen vier von Dungal genannten Tätigkeitsfeldern Besonderes geleistet hat, ist kaum bestreitbar; und hierin besteht seine Größe, hierdurch wird er weit über seine Vorgänger und Nachfolger hinausgehoben.

Die Verehrung und wohl auch die Verklärung Karls des Großen als idealer Herrscher hat also schon begonnen, als er noch lebte, und diese Verehrung ist im weiteren Verlauf des 9. Jahrhunderts zu einer Karlslegende gewachsen, die der Mönch Notker von St. Gallen in seinem Werk über die Taten Karls bezeugt. Im Hochmittelalter, besonders im 12. Jahrhundert, steigerte sich diese Karlslegende noch weiter und der Mythos von Karl dem Großen entstand, der noch im 19. und 20. Jahrhundert lebendig war2.

Der Historiker ist als Biograph Karls dazu aufgerufen, diesen Mythos zu durchdringen, um über die tatsächliche Lebensleistung dieses fränkischen Königs und Kaisers zu berichten. »Entmythologisierung« zu betreiben darf aber nicht heißen, ins andere Extrem zu verfallen und aus Karl einen »barbarischen Eroberer« oder einen »Stammeshäuptling« zu machen oder ihn als Verbrecher darzustellen, der seinen Bruder und dessen Kinder habe umbringen lassen.

Wenn man ein angemessenes Bild von Karls Herrschaft entwerfen will, muss man sich aber auch davor hüten, alle Geschehnisse und Leistungen seiner Regierung auf Karls Absichten und seine politischen, militärischen, juristischen und vielleicht sogar theologischen Fähigkeiten zurückzuführen, auch wenn eine biographisch ausgerichtete Darstellung dazu geradezu einladen würde.

Es ist zwar heute nicht mehr möglich, die eigenen Ideen Karls von denen seiner Berater und Helfer zu unterscheiden, aber auch für die Politiker unserer Zeit gilt, dass wir bei ihnen meist nicht erkennen können, woher sie die Grundlagen für ihre Entscheidungen bezogen haben. Allerdings gehen wir für unsere eigene Zeit, ja für die gesamte Moderne, davon aus, dass politische Maßnahmen auf längerfristig angelegten Konzeptionen beruhen; ob wir mit solchen für das Regierungshandeln eines mittelalterlichen Herrschers rechnen dürfen, ist mindestens unsicher3.

Vorausschauende Planung dürfte es wahrscheinlich nicht bei den Kriegszügen Karls gegeben haben, wenigstens nicht in dem Sinn, dass er seine Kriege gegen die Langobarden, die Sachsen oder die Muslime in Spanien mit der Absicht begonnen hätte, das Frankenreich so sehr zu vergrößern, dass seine Ausdehnung der des 476 untergegangenen weströmischen Kaiserreichs entsprochen hätte. Wir dürfen aber auch nicht so weit gehen, Karl oder seinen Zeitgenossen überhaupt die Fähigkeit zu längerfristigen Plänen und Konzepten abzusprechen.

Solche Konzepte gab es ohne Zweifel in der inneren Politik Karls, so wenn er das Heerwesen reformierte oder einen im ganzen Reich gültigen neuen Münzfuß durchsetzte, aber auch wenn er das Gerichtswesen oder die Reichsverwaltung reformierte4. Einer langfristig wirksamen Initiative Karls entsprach auch seine Bildungspolitik, die heute als die vielleicht eindrucksvollste und nachhaltigste Aktivität des fränkischen Königs und Kaisers gilt.

Was wir über die literarische Ausbildung Karls wissen oder auch über sein Äußeres wird im Lauf der folgenden Seiten hoffentlich klar werden. Ungeklärt bleiben dürfte aber, wie wir uns den Charakter und die innersten Antriebskräfte des Menschen Karl vorzustellen haben, auch wenn die Karlsvita Einhards zu diesem Thema einiges Material bietet. Natürlich muss diese Biographie auf die dort gebotenen Informationen zurückgreifen, es ist aber zu bedenken, dass Einhards Werk eine Tendenz hat und dass er sich gerade bei der Beschreibung der persönlichen Züge seines Helden der Worte bediente, die der römische Autor Sueton um 120 n.Chr. für die Beschreibung der Charaktermerkmale der römischen Kaiser benutzt hatte.

Quellen und Quellenkritik

Als wichtigste historiographische Quelle über Karl den Großen gilt bis heute die Lebensbeschreibung, die Karls Gefährte in den letzten Jahren vor seinem Tod, der Mainfranke Einhard (um 770 – 840) verfasst hat. Wann dieses Werk geschrieben wurde, ist bis heute umstritten; während Rosamond McKitterick jüngst wieder die Jahre unmittelbar nach Karls Tod (814 – 817) ins Spiel brachte5, hat der Verfasser der umfangreichsten Monographie über Einhards Werk, Matthias Tischler, gute Gründe für 827 oder 828 anführen können6. Die Vita ist zuerst erwähnt in einem Reichenauer Bibliothekskatalog von 821, der allerdings auch spätere Ergänzungen enthält. Als erster Benutzer gilt Lupus von Ferrières, der in einem Brief aus Fulda von der Vita spricht; Lupus weilte von 828 bis 833 dort.

Nur hingewiesen werden soll hier auf die große Wirkung der Karlsvita Einhards, von der heute noch über 120 Handschriften und Fragmente erhalten sind, von denen 105 aus dem Mittelalter stammen7. Dazu kommen zahlreiche Erwähnungen des Werks in Bibliothekskatalogen, die seine riesige Verbreitung bezeugen8.

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Abb. 1: Eine der ältesten erhaltenen Handschriften von Einhards Karlsvita

Die ältere Forschung hat die Karlsvita gern als »die erste echte Biographie« des Mittelalters bezeichnet, eine Charakterisierung, die Walter Berschin 1991 in seinem großen Werk über »Biographie und Epochenstil« »ganz irreführend« genannt hat, obwohl er daran festhalten will, dass es sich bei Einhards Vita um ein »Werk einsamer Größe« handelt9.

Schon seit dem 16. Jahrhundert wissen wir, dass ein wichtiges Vorbild Einhards die Kaiserviten des römischen Autors Sueton waren; vor allem aus dessen Vita des Kaisers Augustus hat Einhard viele Redewendungen und auch die Gliederung seines Werks entnommen. Wahrscheinlich lag Einhard eine Sueton-Handschrift aus Fulda vor; ansonsten war der Autor nämlich im frühen Mittelalter kaum bekannt. Das Vorbild Suetons dürfte Einhards Blick für manche Züge der Persönlichkeit Karls geschärft haben, die sonst im Mittelalter meist unbeachtet blieben.

Ob aber der Einfluss des Sueton tatsächlich so groß ist, wie das die Forschung zeitweilig annahm, ist inzwischen eher zweifelhaft geworden: Die Gliederung der Vita weicht in vielen Punkten von der der Kaiserviten Suetons ab10, und auch in der Ausführung des Werkes fällt auf, dass Einhard ohne anekdotische Details auskommt, wie sie sich bei Sueton finden. Wörtliche Entlehnungen gibt es nur in dem Teil der Karlsvita, die Karls physische Erscheinung und seine Lebensweise schildern11. Unter den biographischen Schriften der römischen Antike könnte Einhard vielleicht auch auf den Agricola des Tacitus zurückgegriffen haben; dieses Werk ist die einzige antike Biographie einer Einzelperson. Rosamond McKitterick hat für diese Vermutung eine Reihe von Belegen gesammelt12.

Bereits Ranke hatte von zahlreichen »historischen Fehlern« und falschen Informationen bei Einhard gesprochen13; zuletzt hat Matthias Becher – nicht immer zu recht – behauptet, dass Einhard die Unwahrheit sage oder dass er Tatsachen verschweige, die nicht in seine Tendenz passen14. Die Tendenz, die in der Karlsvita zum Ausdruck kommt, hat Gunther Wolf als »hofhistoriographischen Euphemismus« bezeichnet und dafür auch eine ganze Reihe von Belegen angeführt15.

Unter den eigentlichen Geschichtswerken aus dem 8. und 9. Jahrhundert, die zu unserem Wissen über Karl den Großen beitragen, muss zuerst ein Werk genannt werden, das von zwei Angehörigen der karolingischen Familie, König Pippins Onkel Childebrand und dessen Sohn Nibelung, verfasst wurde und das den wenig aussagekräftigen Titel »Fortsetzer Fredegars« trägt. An diesem Werk ist vor allem interessant, dass es die frühesten zeitgenössischen Nachrichten übermittelt. Nach der Überzeugung der Mehrheit der Forscher ist es nämlich kurz nach 750 entstanden; McKitterick will seine Entstehungszeit allerdings erst in die Jahre zwischen 768 und 786 legen16.

Das umfangreichste zeitgenössisch entstandene Geschichtswerk aus der Zeit Karls des Großen sind die Annales regni Francorum (künftig: ARF), die Fränkischen Reichsannalen, in denen die Zeit von 741 bis 829 dargestellt wird17. Während die ältere Forschung angenommen hatte, das Werk sei im Kloster Lorsch entstanden, woher die älteste erhaltene Handschrift stammt, glaubt man heute, es sei in der Umgebung Karls des Großen verfasst worden. Die Einträge zu den Jahren 741 bis 788/795 wurden erst nachträglich und zwar nach 790 niedergeschrieben, während die Jahresberichte von 793/94 bis 807 und auch von 808 bis 829 wohl jahrweise eingetragen wurden.

Die jüngere Forschung hat erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Darstellung der Faktengeschichte in dieser Quelle für die Jahre von 741 bis 788 zusammengetragen. So konnte Matthias Becher zeigen, dass der Verfasser zahlreiche Fakten umgeschrieben hat, um eine relativ harmonische Familiengeschichte der Vorfahren Karls des Großen zu gestalten18. Auch die Darstellung der Eingliederung Baierns ins Frankenreich ist nach Becher mit Unwahrheiten durchsetzt19. Rosamond McKitterick vermutet, dass die Niederschrift der Jahresberichte 741 – 793 in den 790er Jahren mit dem Aufbau eines Königshofes und den Anfängen von Aachen als königlicher Hauptstadt zusammenhängen20. Eine beachtenswerte Bemerkung McKittericks gilt noch der Wirksamkeit dieses Geschichtswerks, das bewusst im ganzen Reich verteilt worden sei, um überall die karolingische Sicht von der Vergangenheit durchzusetzen21.

Wohl erst nach dem Tod Karls des Großen (814 – 817) wurden diese Annalen stark überarbeitet; als Autor dieser Überarbeitung glaubte die ältere Forschung Einhard bestimmen zu können; wir bezeichnen dieses Werk daher bis heute als »Einhardsannalen«22. Vor einigen Jahren hat der englische Historiker Roger Collins darauf hingewiesen, dass die inhaltliche Überarbeitung recht massiv war. So wird jetzt auch über Fehlschläge bei den Kriegszügen Karls des Großen berichtet, was in der ursprünglichen Fassung der Reichsannalen meist nicht der Fall gewesen war, und die Überarbeitung bietet zusätzliche Nachrichten23. Nach Collins haben die überarbeitete Version für die Jahre bis 801 und die Berichte für die Jahre 807 bis 829 möglicherweise denselben Autor24.

Ein drittes Geschichtswerk, das wahrscheinlich in den letzten Jahren Karls des Großen entstanden ist, berichtet über den Aufstieg der karolingischen Familie, die Annales Mettenses priores, die älteren Metzer Annalen25. Die Darstellung der Regierung Karls des Großen bis 802/805 ist in diesem Werk aus verschiedenen Quellen, vor allem den Reichsannalen, kompiliert worden; diese Kompilation wurde in den Jahren 804/806 wahrscheinlich im Kloster Chelles bei Paris vorgenommen26.

Neben diesen Werken, die zweifellos stark vom Hof beeinflusst wurden, haben sich noch eine ganze Reihe von kleineren Annalen erhalten, die vielfach nur kurze Nachrichten bieten, die aber deshalb von Bedeutung sind, weil sie zuweilen über Ereignisse berichten, die sonst unbekannt geblieben wären.

Auch sie scheinen nicht unbeeinflusst vom Königshof zu sein, wie die Annales Petaviani zeigen, die keine »örtliche Färbung« aufweisen, sondern in der Nähe der Familie der Karolinger entstanden sein dürften27.

Das wahrscheinlich älteste Annalenwerk stellen die Annales Sancti Amandi28 dar, die für die Zeit von 782 bis 809 Beziehungen zum Kloster St. Amand (heute: Frankreich, Dép. Nord) aufweisen und daher ihren Namen erhalten haben. In den früheren Teilen ist ihr Inhalt aber durchaus reichsgeschichtlich und stark auf die Familie der Karolinger konzentriert29.

Auch die Annales Laureshamenses, die Lorscher Annalen, weisen Beziehungen zum Hof Karls des Großen auf, wenn es stimmt, dass Bischof Richbod von Trier (791/92 – 804) sie verfasst hat. Diese Annalen berichten von einer Reihe von Begebenheiten, die in den anderen zeitgenössischen Quellen fehlen; sie enthalten etwa Nachrichten über die Verschwörungen Hardrads und Pippins des Buckligen, über die Niederlage von Roncesvalles und anderes30.

Von den weiteren Annalen seien noch die Annales Mosellani und das Chronicon von Moissac genannt, das bis zum Jahr 818 reicht und vielleicht wenig später entstanden ist31.

Den Übergang von der zeitgenössischen Historiographie zur Legendenbildung markieren die Gesta Karoli des Mönchs Notker von St. Gallen, die dieser am Beginn der 880er Jahre für den Urenkel Karls des Großen, für Karl III., verfasste. Von dem ursprünglich auf drei Bücher angelegten Werk sind nur zwei ausgeführt; vermutlich nach dem Sturz Karls III. (im November 887) hat Notker sein Werk abgebrochen. Er hat in sein Werk zahlreiche Anekdoten und Geschichten eingefügt, die für die Faktengeschichte der Zeit Karls des Großen zwar wenig beitragen, die aber ein Zeugnis für die am Ende des 9. Jahrhunderts bereits weit fortgeschrittene Legendenbildung um den großen Kaiser darstellen. Wenn die Gesta auch zahlreiche chronologische Ungenauigkeiten und offensichtliche Verwechslungen enthalten, bedeutet das nicht, dass Notkers Darstellung jeden Rückhalt an der Realgeschichte verloren hat, so stellte er die Kirchenherrschaft Karls sehr ausführlich dar, die bei Einhard völlig mit Schweigen übergangen worden war.

Karl wird als Idealgestalt eines christlichen Herrschers gezeichnet, der von Gott zum Kämpfer gegen das Böse und den Satan berufen wurde. Vor fast 50 Jahren hat Theodor Siegrist das Werk zu recht als »Fürstenspiegel in Exempelform« und als »Erbauungsliteratur« bezeichnet32.

Merkwürdig ist, dass die durchaus reiche Überlieferung dieses Textes – es haben sich insgesamt 17 Handschriften erhalten – erst im 12. Jahrhundert einsetzt33 und dass nirgends der Verfasser genannt ist.

Eine Besonderheit der Zeit Karls des Großen stellt es dar, dass zahlreiche Dichtungen (Gedichte und Epen) erhalten sind, die viele Aussagen über die politischen Verhältnisse enthalten. Zuerst ist hier ein Epos oder Eposfragment zu nennen, das unter dem Namen Karolus magnus et Leo papa, Paderborner Epos oder Aachener Karlsepos bekannt ist; es sollte vielleicht am besten als »Karlsepos« bezeichnet werden34. Die Mehrheit der Forscher folgt inzwischen der Ansicht von Dieter Schaller35, dass das nur fragmentarisch erhaltene Epos ursprünglich aus vier Büchern bestand und kein »Paderborner« Epos über den Besuch von Papst Leo III. in Paderborn gewesen ist, sondern erst nach der Kaiserkrönung Karls in Aachen entstand36.

Der erhaltene Teil des Epos schildert nicht nur den Besuch des Papstes in Paderborn, sondern auch eine große Jagd, anlässlich der Karl mit seinen Söhnen und Töchtern vorgestellt wird. Berühmt sind auch die Charakterisierungen Karls im Epos, wo er als pharus Europae (»Leuchtturm Europas«, Z. 12), als Europae venerandus apex (»verehrungswürdige Spitze Europas«, Z. 93) oder als pater Europae (»Vater Europas«, Z. 504) bezeichnet wird. Über den Verfasser dieses Gedichts ist viel spekuliert worden; häufig wurde Einhard vermutet, zuletzt wurden für den sonst weniger bekannten Dichter Modoin einige Argumente zusammengetragen37.

Eine Darstellung der Regierung Karls des Großen in epischer Form auf der Basis der Reichsannalen hat der Poeta Saxo, ein in Sachsen schreibender Dichter des ausgehenden 9. Jahrhunderts (888/891), hinterlassen38.

Aus zahlreichen Gedichten, die von Gelehrten aus Karls Umgebung wie Alkuin, Theodulf von Orléans und anderen verfasst wurden, kennen wir viele Details über das Leben und Treiben am Hof und in hofnahen Kreisen. Das älteste erhaltene Gedicht für Karl stammt jedoch von Paulinus von Aquileia und feiert Karls Triumph über die aufständischen Langobarden im Jahr 77639.

Eine weitere Besonderheit der Quellenlage im Zeitalter Karls des Großen stellen die recht zahlreichen Briefe dar, die in besonders großer Zahl von Alkuin40 und von Einhard41, aber auch von anderen Zeitgenossen des Frankenkönigs und von ihm selbst erhalten sind.

Eine wichtige Quellengruppe stellen dann noch solche Texte dar, die nicht bewusst – und daher vielfach tendenziös – über Vorgänge berichten, sondern als direkte Zeugnisse die Tätigkeit eines Herrschers bezeugen, das sind vor allem Urkunden und Rechtsverordnungen.

Was die Urkunden angeht, so sind sie ohne Zweifel nur in einer kleinen Auswahl auf uns gekommen. Erhalten haben sich vornehmlich solche Diplome, die sich auf Besitztitel beziehen, weil diese aufbewahrt wurden, um später eventuelle Anfechtungen eines Besitzes abzuwehren42. Dieser Aspekt ist es auch, der den Grund zu den nicht wenigen Urkundenfälschungen gab, wobei ein berühmter Herrscher wie Karl der Große besonders häufig als angeblicher Aussteller einer Urkunde auftaucht. Von den insgesamt 262 erhaltenen Urkunden, die Karl als Aussteller nennen, sind höchstens 164 echt, während mindestens 98 als Fälschungen angesehen werden müssen. Das sind angesichts der langen Regierungszeit Karls keine sehr hohen Zahlen, aber wenn man die Urkundenzahl bei seinem Vater Pippin daneben hält (30 echte und zwölf gefälschte Urkunden in 17 Königsjahren), war die Steigerung der Urkundentätigkeit doch ganz erheblich.

Das Jahr, aus dem die meisten Urkunden erhalten sind, war das Jahr 775, aus dem 22 echte Stücke auf uns gekommen sind. Warum das so ist, hat Rosamond McKitterick damit erklärt, dass in diesem Jahr mehrere Klöster eine Stiftung erhalten haben, deren Archive außergewöhnlich gut erhalten sind43. Andere Jahre mit fünf und mehr Urkunden sind: 769 (5), 772 (6), 774 (9), 779 (8), 781 (8), 782 (7), 790 (6), also alles Jahre aus der ersten Hälfte der Regierung Karls. Aus seiner Kaiserzeit, 801 – 814, haben sich insgesamt nur 21 Stücke erhalten. Aus zehn Jahren gibt es überhaupt keine Urkunden: 768, 784, 785, 789, 793, 796, 798, 804, 805 und 814.

Was den Inhalt der Urkunden angeht, so bestätigen 90 Diplome Besitz, 13 verleihen Zölle, 45 verleihen oder bestätigen Immunitäten. Die Masse der Empfänger sind Klöster (99), gefolgt von Kirchen (31), einzelnen Geistlichen (15) und Laien (9).

Aufschluss über die rechts- und kirchenpolitischen Absichten Karls des Großen können wir besonders aus seinen gesetzesartigen Erlassen gewinnen, die wegen ihrer Einteilung in Kapitel als Kapitularien bezeichnet werden. Die äußere Form dieser Erlasse ist sehr unterschiedlich, manche Kapitularien beginnen mit einer Adresse und enden mit Datum und Ortsangabe wie eine Urkunde, andere scheinen eher private Mitschriften zu sein, die nur in Stichworten eine Art Tagesordnung wiedergeben. Die meisten Bestimmungen der Kapitularien richten sich an die missi dominici, die Königsboten, es waren Verwaltungsanordnungen oder Ausführungsbestimmungen allgemeiner Gesetze. Im 9. Jahrhundert lassen sich aber Gesetze und Regeln für die Verwaltung nicht exakt trennen und anscheinend legte man auch keinen Wert darauf, zwischen kirchlichen und weltlichen Gegenständen zu unterscheiden.

Da die Kapitularien heute sämtlich in lateinischer Sprache überliefert sind und es wohl auch kaum andere Ausfertigungen gegeben hat, setzt ihre Verkündigung voraus, dass sie in die Volkssprachen (romanisch/altfranzösisch bzw. althochdeutsch/altsächsisch) übersetzt wurden: in manchen Texten ist dies ausdrücklich vorgeschrieben; aus dem Raum Trier hat sich ein Kapitular Ludwigs des Frommen mit althochdeutscher Glossierung erhalten44.

Wegen der heterogenen Gestalt der einzelnen Kapitularien und kapitulariennahen Texte ist es schwierig, genaue Zahlenangaben über die im Lauf der Regierung Karls des Großen erlassenen Kapitularien zu machen. Rosamond McKitterick will für die Zeit bis zur Kaiserkrönung 22 und für die Jahre von 801 bis 814 79 Kapitularien feststellen; andererseits behauptet sie, dass »die reine Textmenge für die Jahre vor 800 und nach 800 fast gleich« sei45. So richtig es ist, dass vor 800 einige wichtige und wirkungsvolle Kapitularien erlassen wurden, vor allem das von Herstal 779 und die Admonitio generalis von 789, so wenig kann bezweifelt werden, dass die Zahl der nach 801 erlassenen Kapitularien die Anzahl der aus der Zeit davor um ein Mehrfaches übertrifft46. Und nicht nur die Admonitio generalis von 789 ist in über 40 erhaltenen Textzeugen überliefert, sondern auch einige der Kapitularien von 803 und 805 weisen eine sehr reiche Überlieferung auf47. Schwach überliefert sind nicht nur eine Reihe von Kapitularien aus der Zeit nach 801, sondern etwa auch das Capitulare de Villis oder die beiden umfangreichen Kapitularien aus den letzten Jahren Karls des Großen, die erst Hubert Mordek wieder ans Licht gebracht hat48. Die größere Anzahl von Verordnungen Karls des Großen aus der Zeit nach der Kaiserkrönung ist nicht die Folge einer qualitativen Veränderung der Gesetzgebungspraxis des Kaisers49, sondern eine Folge der Tatsache, dass nach 802 die Expansion des Frankenreichs im Wesentlichen abgeschlossen war und dass der Kaiser jetzt die innere Konsolidierung des Reiches ins Zentrum seiner Tätigkeit stellte50.

Zur gesetzgeberischen Aktivität Karls des Großen gehören auch die Leges, vor allem die karolingische Überarbeitung der Lex Salica, des fränkischen Rechts, und die erstmals erfolgte Verschriftlichung der Rechte der Sachsen und der Friesen51.

Wichtiger noch als diese Kodifikationen des weltlichen Rechts sind die Beschlüsse der Synoden aus der Zeit Karls des Großen, vor allem die der Reformsynoden von 81352.

Zu den erhaltenen Realien aus der Zeit Karls des Großen selbst gehören vor allem die Handschriften, deren genaue Anzahl für die Regierungszeit Karls nicht angegeben werden kann53. Weiterhin sind Kunstwerke, Münzen sowie Bauten, besonders die Pfalzkapelle in Aachen, zu beachten.

Literatur

Schon 1866 hatte Sigurd Abel für die von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften betreuten Jahrbücher der deutschen Geschichte die Zeit Karls des Großen bearbeitet. 1883 und 1888 erschien dieses Werk in zweiter Auflage, bearbeitet durch Bernhard Simson54. Für die quellengestützte Faktengeschichte der Zeit Karls des Großen ist es immer noch unentbehrlich, auch wenn zu beachten ist, dass vor allem die Forschung der letzten Jahre neue Erkenntnisse auf dem Gebiet der Quellenkritik erarbeitet hat und daher sogar auf der Ebene der Fakten zu neuen Einsichten gelangt ist.

Es kann hier natürlich kein Überblick über die riesige Literatur über Karl den Großen gegeben werden, auch wenn nur die eigentlich biographische Literatur erfasst werden sollte; kurz charakterisiert werden sollen aber einige neue Titel, die im Umkreis des Jubiläumsjahrs 2000 (1200 Jahre Kaisertum Karls des Großen) erschienen sind.

Zuerst ist da zu erwähnen das Buch des englischen Historikers Roger Collins55, das 1998 erschienen ist und das in eher knapper Weise versucht, ein Gesamtbild der Geschichte Karls in chronologischer Abfolge zu geben. Das 1999 erschienene große Werk des französischen Historikers Jean Favier56 ist systematisch ausgerichtet und bietet einen großen und doch quellennahen Überblick über alle denkbaren Gegenstände, die mit Karl dem Großen in Verbindung gebracht werden können, von der Wirtschaftsgeschichte bis zur Kultur- und Religionsgeschichte; es beachtet auch Karls Nachleben.

Dieter Hägermann57 hat sich dagegen in seinem ebenfalls umfangreichen Werk, das zuerst 2000 erschien, wieder nach der Chronologie gerichtet. Sein Vorzug sind die zahlreichen Quellenzitate, der Schwerpunkt liegt in der politischen sowie der Wirtschafts- und Sozialgeschichte; der Kultur- und der Kirchengeschichte ist dagegen nicht ausreichend Raum gegeben. Hägermann hat 2003 auch eine kurze Darstellung Karls in den rororo-Monographien vorgelegt58.

1999 erschien zuerst das kleine Büchlein von Matthias Becher59, das angesichts des sehr beschränkten Raums viel an Informationen bietet, wenn es auch nicht frei von Einseitigkeiten ist.

Erst vor kurzem erschien – gleichzeitig auf deutsch und auf englisch – die Biographie Karls von Rosamond McKitterick60 (2008), die eigentlich keine Gesamtdarstellung der Geschichte Karls des Großen ist, sondern eine Sammlung von Einzelstudien, unter denen besonders die zur Historiographie und zu den Handschriften aus dem Umkreis des Herrschers an frühere Einzelstudien der Verfasserin anschließen und durchaus Neues bringen61.

Im Zusammenhang mit dem Karls-Jubiläum von 2000 und mit der großen Ausstellung in Paderborn 1999 sind mehrere Sammelbände erschienen, von denen ich nennen möchte: Erkens, Karl der Große und das Erbe der Kulturen (2001)62, Godman/Jarnut/Johanek, Am Vorabend der Kaiserkrönung (2002)63 sowie zuletzt: Story, Charlemagne. Empire and Society (2005)64, die jeweils eine Vielzahl von wichtigen Einzelstudien enthalten.

Neben diesen neuen Sammelbänden sind aber immer noch die meisten der Beiträge im vierbändigen »Karlswerk« sehr brauchbar, das 1965 zur großen Karlsausstellung in Aachen erschienen ist65.

Damals wurde auch ein Katalog66 publiziert mit vielen Abbildungen und Beschreibungen von Exponaten. Aus jüngerer Zeit sind das reich bebilderte, dreibändige Katalogwerk zur Ausstellung in Paderborn 199967 und der Band zur Ausstellung in Rom im Jahr 200068 zu nennen.

1         Herkunft

 

 

 

Die Arnulfinger

Der Name der Herrscherfamilie, die »Karolinger«1, geht auf den Namen Karl zurück, dessen erster Träger der Großvater Karls des Großen, Karl mit dem Beinamen Martell, »der Hammer«, gewesen ist, der 741 verstarb. Die Familie führte sich aber noch fast 150 Jahre weiter zurück bis zum ersten männlichen Ahnen Arnulf, der um 580 in einer Adelsfamilie aus dem Gebiet um Metz2 geboren wurde und der 640 als Einsiedler in Remiremont in den südlichen Vogesen starb, nachdem er von 614 bis 629 Bischof von Metz gewesen war. Nach diesem Arnulf wird die Familie vor Karl dem Großen in der Forschung auch als »Arnulfinger« bezeichnet.

Obwohl schon ein Zeitgenosse eine Lebensbeschreibung des bald als Heiligen verehrten Arnulf verfasst hat3, wissen wir nichts über seine Eltern oder sein Herkommen; es heißt nur seine Familie sei »edel« und »vornehm genug« gewesen. Arnulf hatte schon vor seiner Erhebung zum Bischof eine wichtige Rolle am Hof des mächtigen Merowingerkönigs Dagobert I. von Austrasien († 638/39) gespielt, dessen engster Vertrauter er wurde. Als er sich 629 in die Vogesen zurückzog, gab er eine einflussreiche Stellung in Reich und Kirche auf und folgte anscheinend seinem Wunsch nach einem asketischen Leben. Solche Züge einer intensiven Religiosität finden wir auch bei späteren Angehörigen des »karolingischen« Hauses, etwa bei Karlmann, dem Onkel Karls des Großen, der 747 ins Kloster eintrat, oder auch bei Ludwig dem Frommen, der mehrfach als Büßer auftrat4. Arnulf hatte einen Sohn namens Ansegisel, der sich mit Begga vermählte, die aus einer reichen und mächtigen Familie aus dem Gebiet der Ardennen im heutigen östlichen Belgien stammte. Ihr Vater Pippin (später »der Ältere« genannt) amtierte von 623 – 629 und wieder von 639 – 640 als Hausmeier, als oberster Herrschaftsträger nach dem König, im östlichen Teil des Frankenreichs, in Austrasien. Von diesem Pippin leitet sich die Bezeichnung der Familie als »Pippiniden« ab.

Beggas Bruder Grimoald konnte von 642/43 bis zu seinem gewaltsamen Tod 662 das Hausmeieramt ausüben. Als er aber versuchte, seinen Sohn Childebert, der einen merowingischen Namen erhalten und den der Merowingerkönig adoptiert hatte, zum König zu erheben, kam es zur Katastrophe: In Austrien wurde zwar dieses pippinidische Königtum anerkannt, aber die Neustrier, die Bewohner des westlichen Teils des Frankenreichs, leisteten Widerstand, nahmen Grimoald gefangen und richteten ihn in Paris hin5.

Pippin der Mittlere, der Sohn Ansegisels und Beggas, konnte aber nach weiteren 25 Jahren im Jahr 687 durch einen Sieg in Tertry (bei St. Quentin in Nordfrankreich) über den neustrischen Hausmeier Ebroin die Macht im Gesamtreich erobern. Mit diesem Sieg war die Macht der »Karolinger« für lange Zeit gesichert. Die Ehe mit Plektrud, deren Familie große Besitztümer im Kölner Raum, am Niederrhein und im Gebiet um Trier besaß, bedeutete für Pippin einen beträchtlichen Machtzuwachs. Er baute Jupille und Herstal (bei Lüttich) zu Pfalzen aus, die von großen Eigengütern umgeben waren. Er steigerte seinen Einfluss im Frankenreich auch dadurch, dass er sich zahlreiche Klöster übertragen ließ, deren Schutz er garantierte. Auf diese Weise konnte er seinen Einflussbereich weit nach Westen, bis nach Rouen und Nantes, ausdehnen.

Außerdem kümmerte sich Pippin intensiv um die Gebiete nördlich und östlich des Rheins. Um diese Regionen auf Dauer ins Frankenreich einzugliedern, beschränkte er sich nicht allein auf militärische Eroberung, sondern er unterstützte auch die Christianisierung dieser Gebiete, indem er den Angelsachsen Willibrord († 739) förderte. Im ehemals friesischen Gebiet, in Utrecht, wurde um 700 für Willibrord ein Bistum errichtet, und 705 wurde das Kloster Echternach (im heutigen Luxemburg) im pippinidischen Machtbereich gegründet, das bald zum Hauskloster der Arnulfinger-Pippiniden ausgebaut wurde6.

Karl Martell

Nach dem Tod Pippins des Mittleren am 16. Dezember 714 kam es zu Kämpfen zwischen seiner Witwe Plektrud, die die Macht für ihre Enkel erhalten wollte, und Pippins jüngerem Sohn (von einer weiteren Ehefrau namens Alpais7) Karl, der sich 717 in Austrien durchsetzen konnte (Schlacht von Vinchy bei Cambrai). Bis 720 konnte Karl auch Neustrien bis zur Loire unterwerfen. Seine Neffen tauchen in den Quellen noch einmal 723 auf, als es heißt, dass zwei von ihnen eingekerkert wurden, von denen einer starb. Ein dritter Neffe, Hugo, stieg unter der Protektion Karls zum Bischof von Rouen, Paris und Bayeux auf und erhielt zudem die Abteien von St. Wandrille und von Jumièges am Unterlauf der Seine übertragen. Damit konnte er wichtige Teile Neustriens direkt kontrollieren.

Bei seinem Aufstieg als in seiner eigenen Familie ungeliebter Seiteneinsteiger, den seine Stiefmutter von der Nachfolge ganz hatte fernhalten wollen, war Karl Martell vom austrasischen Adel unterstützt worden. Diesen entschädigte er mit Grundbesitz, der zum Teil aus dem Besitz der Kirche stammte. Die Nachwelt hat Karl dieses Vorgehen übel genommen; besonders in der Hagiographie war sein Ansehen schlecht, nachdem zuerst 858 durch Erzbischof Hinkmar von Reims die Legende erzählt wurde, das Grab Karl Martells in St. Denis sei leer, weil er in der Hölle für seine Übergriffe auf Kirchengut bestraft werde8.

Mit einer anderen Leistung kann Karl aber aufwarten, die sein Bild bei der Nachwelt sehr positiv bestimmt hat, nämlich mit seinem Sieg über die Muslime, die 711 bei Gibraltar europäischen Boden betreten hatten und nach der Eroberung des spanischen Westgotenreichs schon bald auf gallisches Gebiet östlich der Pyrenäen übergriffen, wo sie 720 Narbonne eroberten. In der Nähe von Poitiers fand im Oktober 732 jene Schlacht statt, die den Ruhm des princeps (»Fürsten«) Karl nicht nur im Frankenreich und auf den britischen Inseln, sondern auch im muslimischen Spanien verbreitete9. Auch in den folgenden Jahren mussten Kämpfe gegen die Sarazenen ausgefochten werden, die Karl Martell meist siegreich beenden konnte, auch wenn es ihm nicht gelang, Septimanien mit der Hauptstadt Narbonne den Muslimen abzunehmen10.

Karl Martell war während seiner ganzen Herrschaft ein sehr kriegerischer Fürst; lediglich zum Jahr 740 – also kurz vor seinem Tod – berichten die Annalen davon, dass es keinen Kriegszug gegeben habe. Die schwersten Kämpfe hatte er in Aquitanien und in den Gebieten östlich des Rheins zu führen; in Aquitanien musste er nicht nur gegen die vordringenden Sarazenen bestehen, sondern auch versuchen, die seit längerer Zeit dem Zugriff der Franken sich entziehenden Aquitanier unter ihrem Herzog Eudo wieder zu unterwerfen. Im Osten wurden in den Jahren 733 und 734 Feldzüge gegen die Friesen unternommen und mehrfach zog Karl Martell gegen die Sachsen; 738 mussten sie seinen Sieg durch Stellung von Geiseln und Zahlung von Tributen akzeptieren. Schon in den 720er Jahren war Karl auch gegen Baiern und Alemannien gezogen, ohne diese Gebiete endgültig ins Frankenreich eingliedern zu können.

Die Beziehungen Karls zur Kirche waren – anders als es die kritischen Stimmen seit der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts vermuten lassen – zeitweise sehr eng11. Aus den Briefen des Bonifatius an die Päpste seiner Zeit kennen wir keine Klagen, dass sich der mächtige Hausmeier seinen Missions- oder Organisationsplänen entgegen gestellt hätte. Es ist wohl auch nicht auf ein hemmendes Einwirken Karl Martells zurückzuführen, dass es Bonifatius bis 741 nicht gelungen ist, in Hessen und Thüringen die geplanten Bistümer zu errichten12. In die Zeit dieses Hausmeiers fallen auch die ersten Versuche des Papsttums, in den Franken einen neuen Schutzherrn gegen die im 8. Jahrhundert in Italien erneut expandierenden Langobarden zu gewinnen, nachdem die Beziehungen zum Kaisertum in Konstantinopel seit der Unterstützung der Bilderfeinde durch den Kaiser (also seit ca. 726) gespannt waren. Karl Martell hat aber ein Hilfegesuch des Papstes Gregor III. (731 – 741) aus dem Jahr 739 nicht zum Anlass genommen, in Italien auf dessen Seite einzugreifen. Nicht nur der Kampf gegen die Sarazenen, in dem die Langobarden die Franken 737 oder 738 nachhaltig unterstützt hatten, dürfte Karl davon abgehalten haben, militärisch gegen die Langobarden vorzugehen, sondern auch die Lage in Baiern, das sich in seinen Selbstständigkeitsbestrebungen auf die Langobarden stützte. Als Zeugnis für eine enge persönliche Beziehung zwischen Karl und dem langobardischen König Liutprand (712 – 744) kann auch angeführt werden, dass Karl um 738 seinen jüngeren Sohn Pippin nach Italien geschickt hat, wo er vom Langobardenkönig adoptiert wurde, indem Liutprand persönlich dem Franken die Haare abschnitt13.

Am Ende seines Lebens wurde Karl von seinen Zeitgenossen als König angesehen; die Päpste bezeichnen ihn als subregulus (»Unterkönig«); die Chronisten nennen ihn dux (Herzog) oder princeps (Fürst); nur die Urkunden bezeichnen ihn immer korrekt als maior domus (Hausmeier). Seit 737 hatte Karl ohne einen König aus dem Geschlecht der Merowinger regiert; ob er das Königtum dieser Dynastie damit erlöschen lassen wollte, wissen wir nicht.

Bestattet wurde Karl Martell in St. Denis, der vielleicht wichtigsten Grablege der merowingischen Frankenkönige, in der Dagobert I. († 638/39) und weitere neustrische Könige bestattet worden waren14.

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Stammtafel 1: Arnulfinger, Pippiniden, Karolinger

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Stammtafel 2: Von Karl Martell zu Karl dem Großen

Karlmann und Pippin

Als Karl Martell am 22. Oktober 741 starb, hatte er das Frankenreich wie ein König unter seine Söhne aufgeteilt. Aus erster Ehe hatte er zwei Söhne, die beim Tod ihres Vaters ungefähr 30 (Karlmann) und 27 (Pippin) Jahre alt waren. Von seiner zweiten Frau, der Baierin Swanahild, hatte er einen Sohn namens Grifo15. Nach einer Nachfolgeregelung, die kurz vor dem Tode des alten Hausmeiers getroffen wurde, sollten alle drei Söhne einen Anteil an den merowingischen Teilreichen Neustrien, Austrien und Burgund erhalten. Nur undeutlich lassen die Quellen aus der Zeit um und nach 800, vor allem die Annalen von Metz und die Einhardsannalen, erkennen, dass es noch im Jahr 741 zu Auseinandersetzungen zwischen den Brüdern kam, wobei Karlmann und Pippin die Initiative zum Kampf gegen ihren Stiefbruder Grifo ergriffen. Dieser wurde gefangen genommen und vielleicht in der alten Arnulfingerfeste Chèvremont bei Lüttich eingesperrt; seiner Mutter Swanahild wurde das Kloster Chelles bei Paris als Aufenthaltsort zugewiesen. Wie auch bei späteren inneren Kämpfen wurden die Hauptgegner nicht getötet, sondern in ein Kloster eingewiesen, wo sie beaufsichtigt und von Aktivitäten gegen die Machthaber abgehalten werden konnten16.

Dass die beiden siegreichen Brüder ihrer Macht nicht ganz sicher waren, zeigt sich auch darin, dass sie 743 wieder einen Merowinger zum König erhoben, in dessen Namen sie als Hausmeier amtierten17.

Die politische Rolle Grifos war noch nicht ganz ausgespielt, denn 747, nachdem Karlmann ins Kloster eingetreten war und Pippin die Macht im gesamten Frankenreich an sich gerissen hatte, entließ er Grifo aus der Haft und übergab ihm einige Gebiete zur selbstständigen Herrschaft. Grifo war damit nicht zufrieden und reiste über Thüringen nach Baiern, wo er – nach dem Bericht einiger Quellen – von seiner Mutter her über Anhänger verfügte. Die bairische Herzogin Hiltrud war seine Stiefschwester; sie ist die Mutter Tassilo III., des späteren Gegners Karls des Großen. 749 zog Pippin gegen seinen Stiefbruder, besiegte ihn und fand ihn mit zwölf Grafschaften in Neustrien in der Gegend von Le Mans ab. Man mag das erstaunlich finden, dass der siegreiche Hausmeier seinen aufständischen Stiefbruder nicht ganz ausschaltete; diese Milde findet sich aber auch später noch sehr oft, wenn Brüder oder Söhne gegen den regierenden Herrscher sich empörten18. Vielleicht war aber die Anhängerschaft Grifos doch noch recht beachtlich, so dass Pippin seine Ansprüche auf einen Anteil am Reich nicht ganz übergehen konnte.

Wahrscheinlich noch 749 verließ Grifo das Frankenreich, um zuerst in Aquitanien Verbündete für seine Ansprüche auf einen Anteil am Erbe seines Vaters zu gewinnen. Als er 753 nach Italien reisen wollte, um dort bei den Langobarden Unterstützung zu finden, wurde er beim Übergang über die Alpen von zwei Grenzgrafen erschlagen.

Die Anfänge der Herrschaft der Söhne Karl Martells waren aber nicht nur durch diesen Familienzwist, sondern vor allem durch Aufstände in verschiedenen Gebieten an den Rändern des Frankenreichs bedroht. Schon 742 zogen Karlmann und Pippin gemeinsam gegen Aquitanien und gegen Alemannien, im folgenden Jahr fand ein Zug gegen Baiern statt, der mit der Flucht des Herzogs Odilo siegreich für die Franken beendet wurde. Karlmann allein führte 743 und 744 Feldzüge gegen die Sachsen durch. 745 war ein neuer Krieg gegen die Aquitanier nötig, im Jahr darauf erhoben sich die Alemannen, die von Karlmann mit äußerster Brutalität niedergeschlagen wurden (sog. Blutbad von Cannstatt). Im Anschluss an dieses Ereignis trat Karlmann 747 ins Kloster ein.

Seit 744/45 hatte es Spannungen zwischen den beiden Brüdern gegeben, vielleicht waren sie eine Folge der Heirat Pippins mit Bertrada, die aus einer im Moselraum mächtigen Sippe stammte, aus der auch Plektrud, die erste Gattin Pippins des Mittleren, hervorgegangen war19. Karlmann konnte dies als Versuch ansehen, dass sein Bruder in Austrien, in seinem Reichsteil, Fuß fassen wollte.

Der Klostereintritt Karlmanns im Jahr 747 liegt im Dunkeln, die Quellen geben über seine Motive keine klare Auskunft20, vor allem sagen sie nichts darüber, ob Karlmann seinen Reichsteil an Pippin abgetreten hat oder ob er davon ausging, dass seine Kinder in sein Erbe eintreten würden. Pippins Ehe war bis dahin wahrscheinlich noch kinderlos21. Bei aller Eigentümlichkeit ist die Konversion Karlmanns in seiner Zeit nicht einmalig, denn auch schon früher hatten Angehörige der arnulfingischen Familie eine Neigung zu religiöser Hingabe gezeigt, wie die Geschichte des Spitzenahns Arnulf beweist. Und aus dem angelsächsischen England kennen wir sogar mehrere Fälle, dass ein alternder König sich auf eine Wallfahrt nach Rom begab, von der er nicht mehr auf den Thron zurückkehrte, sondern den Rest seiner Tage in einem römischen Kloster zubrachte. Der angelsächsische Missionar Bonifatius, der enge Beziehungen zu Karlmann pflegte, könnte ihn auf diese Vorbilder hingewiesen haben. Wenige Jahre nach Karlmann (749) hat übrigens auch der langobardische König Ratchis auf seinen Thron verzichtet und sein Leben im Kloster Montecassino beschlossen.

Wie stark der Widerstand Karlmanns Sohn Drogo gegen die Alleinherrschaft Pippins gewesen ist, wissen wir nicht. Aber Drogo dürfte tatsächlich einen Versuch gemacht haben, einen Anteil am Erbe seines Vaters zu erlangen. 748 scheint Drogo im östlichen Frankenreich als Hausmeier amtiert zu haben22; später (wohl noch 753) wurde er wahrscheinlich in ein Kloster verwiesen.23

Das Königtum Pippins

Da schon das alleinige Hausmeiertum Pippins auf großen Widerstand stieß, gab es sicher auch eine erhebliche Gegnerschaft gegen den Plan, sich zum König erheben zu lassen, auch wenn wir den Umfang dieser Opposition nicht einschätzen können. Um seine Gegner auszumanövrieren, hat Pippin sein Vorhaben mehrfach abgesichert. Einerseits wurde »nach Rat und mit Zustimmung aller Franken« eine Gesandtschaft nach Rom geschickt, um den Papst zu veranlassen, Pippins Vorhaben eindeutig zu unterstützen. Nach dem Bericht der Reichsannalen, der allerdings erst Jahrzehnte später niedergeschrieben wurde, soll Papst Zacharias (741 – 752) sich folgendermaßen geäußert haben:

»Es ist besser, dass der König heisst, der die Macht hat, als der, dem keinerlei königliche Gewalt mehr verblieben ist; daher soll kraft apostolischer Autorität Pippin König werden, damit die Ordnung nicht gestört wird«24.

Aufgrund dieser Auskunft sei Pippin zum König gewählt und auf den Thron erhoben worden; eine Krönung fand aber nicht statt und auch keine Schilderhebung wie zu germanischer Zeit. Um sein Königtum abzusichern, ließ sich Pippin vielleicht von einem Bischof zum König salben (nach den Reichsannalen soll die Salbung durch Bonifatius vollzogen worden sein)25. Er hätte damit eine Form der Legitimierung des Königtums übernommen, die bis dahin bei den Franken nicht üblich gewesen war, sondern die in den letzten Jahren des Westgotenreichs, zuerst bei König Wamba (672 – 680), und auch bei den Angelsachsen nach dem Vorbild des Alten Testaments gelegentlich vorgenommen wurde. Der letzte Merowinger Childerich III. wurde zum Mönch geschoren und verschwand im Kloster St. Bertin; sein Sohn wurde dem Kloster St. Wandrille zur Verwahrung übergeben26.

Die Legitimität von Pippins Königtum wurde verstärkt, als der Papst selbst – es war Stephan II., der Nachfolger des Zacharias, – 753/54 ins Frankenreich reiste, um von Pippin Unterstützung gegen die aggressiven Langobarden zu erbitten. Damit trat zum ersten Mal ein Papst eine Reise ins Gebiet nördlich der Alpen an27, während in früheren Zeiten die Päpste höchstens gelegentlich nach Konstantinopel gereist waren.

Anfang Oktober 753 kamen Bischof Chrodegang von Metz und Herzog Autchar nach Rom, um den Papst ins Frankenreich zu geleiten. Der König zog dem Papst nicht bis zur Grenze seines Reiches entgegen, sondern er ließ ihn durch Abt Fulrad von St. Denis und Herzog Rothard in St. Maurice d'Agaune empfangen, die ihm mitteilten, dass Pippin ihn in seiner Pfalz Ponthion (20km südöstlich von Châlons-sur-Marne) erwarte. Die Begegnung zwischen Papst und Frankenkönig am 6. Januar 754 ging in sicher vorher mit den Beauftragten des Papstes abgesprochenen, strengen Formen vonstatten28: Der ältere Sohn Pippins, der damals vielleicht noch nicht einmal sechsjährige Karl, wurde dem Papst entgegen geschickt; der König selbst ritt ihm mit Familie und Gefolge etwa 3 000 Schritt entgegen. In Sichtweite des Papstes stieg Pippin vom Pferd, warf sich auf den Boden und leistete den Stratordienst, d.h. der König führte das Pferd des Papstes am Zügel. Darauf warf sich auch der Papst zu Boden und wollte sich nicht eher erheben, bis der König, seine beiden Söhne und die wichtigsten Adeligen ihm die Hand reichten mit dem Versprechen, ihn gegen die Langobarden zu unterstützen.

Pippin versprach dem Papst feierlich seinen Schutz und auch die Schenkung des Dukats von Rom und des Exarchats von Ravenna (»Pippinsche Schenkung«); auf diesem Gebiet ist später der Kirchenstaat entstanden. Dabei muss allerdings beachtet werden, dass Pippin überhaupt keinen Rechtstitel für diese Schenkung besaß; beide Gebiete gehörten zum byzantinischen Kaiserreich, und Pippin hatte damals auch nicht das Recht des Eroberers, weil er noch gar nicht in Italien gekämpft hatte.

Der Kriegszug gegen die Langobarden sollte nach Pippins Willen noch 754 stattfinden; gegen anfänglichen Widerstand der fränkischen Großen konnte der König auf einer Reichsversammlung in Quierzy an Ostern 754 einen Beschluss für einen Italienzug durchsetzen. In Quierzy wurde auch die Schenkung der von den Langobarden der römischen Kirche entrissenen Güter an den Papst vorgenommen, die allerdings zuerst noch erobert werden mussten.

Der Langobardenkönig Aistulf nahm die Gefahr sehr ernst; er veranlasste den Mönch gewordenen Karlmann dazu, ins Frankenreich zu reisen, um seinen Bruder vom Krieg gegen die Langobarden abzuhalten. Karlmann ist wenige Monate später in Vienne gestorben; nicht einmal sein Leichnam durfte im Frankenreich bleiben, er wurde ins Kloster Montecassino gebracht. Sein Sohn verschwand jetzt ebenfalls im Kloster, um ihm jede Möglichkeit zu politischer Aktion zu nehmen.

Der Sicherung von Pippins Dynastie diente die Weihe und Salbung seiner beiden Söhne, die der Papst am 28. Juli 754 in St. Denis vornahm. Auch die Königin Bertrada wurde geweiht und die anwesenden Großen sollen nach dem Bericht einer angeblich im Jahr 767 verfassten Quelle verpflichtet worden sein, »niemals aus der Nachkommenschaft eines anderen (als Pippin) einen König zu wählen«29. Das fränkische Königtum wurde also unter der Drohung von Exkommunikation und Interdikt auf Pippin und seine direkten Nachkommen beschränkt; diese Vorkehrung war nicht gegen eine eventuelle Restitution der Merowinger, sondern gegen Karlmanns Sohn Drogo gerichtet.