Sabine Both, Jahrgang 1970, lebt und arbeitet als freie Autorin in Neuss. Eine rabaukige Kindheit, eine rebellische Pubertät und ein paar turbulente Jahre als Sozialarbeiterin haben genügend Stoff für jede Menge frecher Jugendromane angehäuft. Wenn Sabine Both gerade nicht auf den Spuren frisch verliebter Mädchen oder hormongesteuerter Jungen ist, küsst sie ihren Mann, beackert ihren Garten und bekocht ihre Freunde.

9. Dezember

Keine Ahnung, wie lange dieser Kuss schon dauert. Es ist wie jedes Mal, wenn ich Sascha küsse, ich verliere komplett das Gefühl für die Zeit. Wegen Saschaküssen habe ich schon Busse verpasst, Kuchen im Ofen verbrennen lassen und meine Mutter dazu gebracht, die Polizei nach einem vermissten Kind suchen zu lassen. Küssen mit Sascha ist einfach zu gut, um an so etwas Schnödes wie Stunden, Minuten oder gar Sekunden zu denken. Küssen mit Sascha hört, einmal angefangen, erst auf, wenn irgendwas Blödes dazwischenkommt. Saschas Schwester, die dringend die Playstation ausleihen will, ein Trupp Polizisten, der den Marktplatz räumt, weil der Ministerpräsident zu Besuch im Rathaus ist, oder ein nur zu menschliches, unaufschiebbares Bedürfnis. So wie heute.

Vorsichtig lässt Sascha meine Lippen los, macht ein unglückliches Gesicht und zuckt die Schultern.

»Sorry, Anna, aber ich halte schon die ganze Zeit ein«, sagt er. »Jetzt geht’s echt nicht mehr.«

Und schon ist er wie der Blitz vom Sofa gesprungen und aus der Tür gestürmt.