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Robert Hugh Benson

Der Herr der Welt

Robert Hugh Benson

Der Herr der Welt

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2021
Übersetzung: F. R. von Lama, J. Schulze
EV: Verlag Josef Rösel & Friedrich Pustet, Münschen, 1923
3. Auflage, ISBN 978-3-954185-49-8

www.null-papier.de

null-papier.de/katalog

Inhaltsverzeichnis

Über die­ses Buch

Über den Au­tor

Vor­wort zur sechs­ten und sie­ben­ten Auf­la­ge

Ein­lei­tung

Pro­log

Ers­tes Buch – Die An­kunft

Ers­tes Ka­pi­tel

Zwei­tes Ka­pi­tel

Drit­tes Ka­pi­tel

Vier­tes Ka­pi­tel

Fünf­tes Ka­pi­tel

Zwei­tes Buch – Der Zu­sam­men­stoß

Ers­tes Ka­pi­tel

Zwei­tes Ka­pi­tel

Drit­tes Ka­pi­tel

Vier­tes Ka­pi­tel

Fünf­tes Ka­pi­tel

Sechs­tes Ka­pi­tel

Sie­ben­tes Ka­pi­tel

Ach­tes Ka­pi­tel

Drit­tes Buch – Sieg

Ers­tes Ka­pi­tel

Zwei­tes Ka­pi­tel

Drit­tes Ka­pi­tel

Vier­tes Ka­pi­tel

Fünf­tes Ka­pi­tel

Sechs­tes Ka­pi­tel

Dan­ke

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Soll­ten Sie Hil­fe be­nö­ti­gen oder eine Fra­ge ha­ben, schrei­ben Sie mir.

 

Ihr
Jür­gen Schul­ze

Science Fic­ti­on & Fan­ta­sy bei Null Pa­pier

und wei­te­re …

Über dieses Buch

Der Herr der Welt (»Lord of the world«) gilt als wich­ti­ger Vor­läu­fer der großen dys­to­pi­schen Ro­ma­ne des 20. Jahr­hun­derts wie Ge­or­ge Or­wells »1984« (1949) oder Al­dous Hux­leys »Bra­ve New World« (1932).

Zu Be­gin des 21. Jahr­hun­derts hat der ame­ri­ka­ni­sche Po­li­ti­ker Ju­li­an Fel­sen­bur­gh den Welt­frie­den er­reicht, zahl­lo­se Na­tio­nen un­ter­wer­fen sich sei­nem Dik­tat. Dies je­doch um den Preis ei­ner tech­no­lo­gi­sier­ten Ge­sell­schaft, die nur auf den ra­tio­na­len Ver­stand setzt und Re­li­gi­on als Aber­glau­ben ver­teu­felt und ver­folgt. Waf­fen­star­ren­de Zep­pe­li­ne be­völ­kern die Lüf­te, es gibt Elek­tro­au­to­mo­bi­le, draht­lo­se Kom­mu­ni­ka­ti­on, aber auch Ter­ror, Be­spit­ze­lung und Eutha­na­sie­häu­ser.

Als sei­nen letz­ten Geg­ner iden­ti­fi­ziert Fel­sen­bur­gh die ka­tho­li­sche Kir­che, ihre Ir­ra­tio­na­li­tät und ihr Glau­be sieht er als Be­dro­hung. Als Kon­se­quenz be­treibt er de­ren voll­stän­di­ge Ver­nich­tung.

Was nun folgt, sind aber­wit­zi­ge, end­zeit­li­che Schlach­ten mit Luft­schif­fen ge­gen Rom und ge­gen den Va­ti­kan. Es kommt zum End­kampf zwi­schen dem Papst und dem Welt­prä­si­den­ten.

Ben­son sah in die­sem Werk vie­le Schre­cken der Zu­kunft vor­aus: Welt­krie­ge, Mas­sen­ver­nich­tungs­waf­fen, Ent­mensch­li­chung der Ge­sell­schaft, Ent­frem­dung der Fa­mi­li­en, Ter­ro­ris­mus und den »Kampf der Kul­tu­ren«

*

Über den Autor

Ro­bert Hugh Ben­son (18.11.1871 - 19.09.1914) war ein eng­li­scher Pries­ter und Schrift­stel­ler. Er ist der vier­te und jüngs­te Sohn Ed­ward Whi­te Ben­sons, Kanz­ler der Ka­the­dra­le von Lin­coln und spä­te­rer Erz­bi­schof von Can­ter­bu­ry.

Ben­son stu­dier­te Theo­lo­gie und Alt­phi­lo­lo­gie am Tri­ni­ty Col­le­ge in Cam­bridge. Im Jah­re 1894 wur­de er Dia­kon, 1895 wur­de er von sei­nem Va­ter zum Pries­ter der Kir­che von Eng­land ge­weiht.

Sei­ne re­li­gi­ösen Zwei­fel an der Au­to­ri­tät der an­gli­ka­ni­schen Kir­che je­doch führ­ten zur Hin­wen­dung zum ka­tho­li­schen Glau­ben. Er trat am 11. Sep­tem­ber 1903 in die rö­misch-ka­tho­li­sche Kir­che ein und wur­de schließ­lich in Rom zum Pries­ter ge­weiht.

1907 schrieb er sein be­kann­tes­tes Werk, den End­zeitroman »Lord of the World« (»Der Herr der Welt«), wel­cher vie­le Auf­la­gen und Über­set­zun­gen er­fuhr und als wich­ti­ger Vor­läu­fer der großen dys­to­pi­schen Ro­ma­ne des 20. Jahr­hun­derts gilt.

Ro­bert Hugh Ben­son er­lag ei­nem Herz­in­farkt in­fol­ge ei­ner Lun­gen­ent­zün­dung.

Vorwort zur sechsten und siebenten Auflage

Durch die in den letz­ten Jah­ren an­hal­ten­de Teil­nah­me an »Herr der Welt« ist die erst kürz­lich not­wen­dig ge­wor­de­ne 4. und 5. Auf­la­ge er­schöpft und be­dingt des­halb nun­mehr die 6. und 7. Auf­la­ge. An­fangs viel um­strit­ten hat das Buch doch all­mäh­lich sich durch­zu­set­zen ge­wusst, nach­dem mehr und mehr das Ver­ständ­nis da­für ob­sieg­te, dass Ben­son nichts wei­ter im Auge hat, als zu zei­gen, wie die in den Mas­sen ver­kör­per­ten Ge­dan­ken un­se­rer Zeit sich un­ter be­stimm­ten Voraus­set­zun­gen aus­wir­ken müss­ten, wenn die Ent­wick­lung ohne be­son­de­re Be­hin­de­run­gen und Ablen­kun­gen wei­ter sich voll­zö­ge. Ihm schi­en die Ent­christ­li­chung der Welt in nicht all­zu fer­ner Zeit mit Not­wen­dig­keit Zu­stän­de her­bei­zu­füh­ren, die ih­ren na­tür­li­chen Ab­schluss mit dem von der Vor­se­hung be­stimm­ten Ende der Zei­ten fin­den wür­den. Die geist­vol­le Stu­die in Ro­man­form, für die der Ver­fas­ser selbst sei­ner­zeit mir ge­gen­über den Cha­rak­ter ei­ner po­li­ti­schen Pro­phe­zei­ung ab­lehn­te, ist ja durch die Welt­ent­wick­lung in man­cher Hin­sicht in be­son­de­re Be­zie­hung zu den heu­ti­gen Er­eig­nis­sen ge­tre­ten.

Ben­sons Zu­kunfts­ge­mäl­de hat nun­mehr nach bald zehn Jah­ren im Pa­ri­ser in­ter­na­tio­na­len Frei­mau­rer­kon­gress vom Juni — Juli 1917 sei­ne Be­stä­ti­gung und nach die­ser Sei­te hin auch sei­ne theo­re­ti­sche Recht­fer­ti­gung ge­fun­den. Das Pro­gramm der in­ter­na­tio­na­len frei­mau­re­ri­schen Wel­tre­pu­blik, die Be­sei­ti­gung der Mon­ar­chi­en, die Auf­rich­tung der Ge­walt­herr­schaft des So­zia­lis­mus in ganz Deutsch­land, der ge­plan­te Völ­ker­bund auf ei­ner jede Jen­seits­re­li­gi­on aus­schlie­ßen­den Grund­la­ge, die zu­neh­men­de Kne­be­lung und Matt­set­zung des Paps­tes durch einen be­son­de­ren Ver­trag, die Wil­son­schen Ide­en von mau­re­ri­scher Welt­ver­brü­de­rung, sei­ne gan­ze dem christ­li­chen Ide­en­krei­se ent­nom­me­ne Phra­seo­lo­gie bei Un­ter­drückung ih­res über­na­tür­li­chen In­hal­tes, all dies müss­te, so möch­te man mei­nen, Ben­son zum Vor­bil­de ge­dient ha­ben, wenn es nicht erst drei Jah­re nach sei­nem Tode sei­ne Fest­le­gung und Er­he­bung zum Kriegs­end­zie­le er­fah­ren hät­te, zu des­sen Durch­füh­rung durch die­sen »letz­ten Krieg« die Vor­be­din­gun­gen ge­schaf­fen wer­den sol­len. Des Deut­schen Kai­ser­rei­ches letz­ter Herr­scher hat jüngst noch ei­nem eng­li­schen Pres­se­ver­tre­ter sei­ne von Ben­son ge­wiss un­ab­hän­gi­ge Über­zeu­gung aus­ge­spro­chen, Er­re­ge­rin und Sie­ge­rin im Welt­krie­ge sei die Frei­mau­re­rei und al­lein die ka­tho­li­sche Kir­che habe sich ihr ge­gen­über bis­her zu be­haup­ten ver­mocht.

So wächst das Buch mehr und mehr in die Wirk­lich­keit hin­ein und wird von Tag zu Tag mehr das, was man ›ak­tu­ell‹ nennt. Das be­weist auch nicht zu­letzt die wach­sen­de Nach­fra­ge un­se­rer Zeit. So­mit über­ge­be ich die­se Dop­pelauf­la­ge der Öf­fent­lich­keit; möge sie recht vie­len neu­en Le­sern zum Ge­nuss aber auch zur erns­ten Ge­wis­sens­er­for­schung wer­den.

Füs­sen im Ja­nu­ar 1923
H. M. von Lama

Einleitung

Im Jah­re 1908 er­schi­en in Lon­don ein Ro­man: »The Lord of the World«, des­sen Au­tor, Ro­bert Hugh Ben­son, in li­te­ra­ri­schen Krei­sen schon seit ge­rau­mer Zeit einen nicht mehr ge­wöhn­li­chen Rang ein­nahm. Das Buch er­reg­te so­fort großes Auf­se­hen, was der Ver­fas­ser selbst vor­aus­ge­sagt hat­te, als er in der Vor­re­de schrieb:

»Ich bin voll­stän­dig da­von über­zeugt, dass dies ein au­ßer­or­dent­lich sen­sa­tio­nel­les Werk ist und aus die­sem Grun­de so­wohl, als auch nach an­de­ren Rich­tun­gen hin, ei­ner end­lo­sen Kri­tik aus­ge­setzt sein wird. Aber ich wuss­te nicht, wie ich an­ders die Prin­zi­pi­en, die ich dar­stel­len woll­te (und von de­ren Rich­tig­keit ich durch und durch über­zeugt bin), zum Aus­druck hät­te brin­gen kön­nen, als in­dem ich bei Dar­stel­lung ih­res Ent­wick­lungs­gan­ges die Form der Sen­sa­ti­on wähl­te. Ich habe mich je­doch be­müht, nicht zu schril­le Töne an­zu­schla­gen und, so­weit es mir mög­lich war, die An­schau­un­gen an­de­rer Leu­te mit Ach­tung und Scho­nung zu be­han­deln. Ob mir das ge­lun­gen, ist al­ler­dings eine an­de­re Fra­ge.«

Ehe wir uns mit der li­te­ra­ri­schen Per­sön­lich­keit Ben­sons nä­her be­fas­sen, mö­gen ei­ni­ge bio­gra­fi­sche Da­ten über die­sen be­deu­tends­ten ka­tho­li­schen Schrift­stel­ler des heu­ti­gen Eng­land vor­aus­ge­hen. Ro­bert Hugh Ben­son wur­de am 18. No­vem­ber 1871 zu Can­ter­bu­ry als der Sohn des 1896 ver­stor­be­nen an­gli­ka­ni­schen Erz­bi­schofs Whi­te Ben­son von Can­ter­bu­ry ge­bo­ren. Be­kannt­lich be­klei­det der In­ha­ber die­ses Erz­bi­schofs­sit­zes, den im Mit­tel­al­ter so große und glän­zen­de Geis­ter wie Duns­tan, Lan­frank, An­selm, Tho­mas Becket und an­de­re schmück­ten, die höchs­te Wür­de der an­gli­ka­ni­schen Hier­ar­chie, er ist »Pri­mas von ganz Eng­land« und tritt in der Ran­glis­te des Bri­ti­schen Rei­ches un­mit­tel­bar nach den Mit­glie­dern des Kö­nigs­hau­ses. Der jun­ge Ben­son ge­noss eine vor­treff­li­che Er­zie­hung. Nach­dem er das be­rühm­te Kol­leg zu Eton in Buck­ing­ham, die Pflanz­stät­te so vie­ler in der Ge­schich­te Eng­lands un­s­terb­lich ge­wor­de­ner Män­ner, be­sucht hat­te, wid­me­te er sich in Cam­bridge dem Stu­di­um der Theo­lo­gie. Hier, wo die Wie­ge des eng­li­schen Chris­ten­tums stand, um­rausch­te ihn der Geist ei­ner glän­zen­den Ver­gan­gen­heit, hier goss das Mit­tel­al­ter sei­nen vol­len Zau­ber in das emp­fäng­li­che Ge­müt des Jüng­lings. Ben­son wur­de nach Vollen­dung sei­ner Stu­di­en Vi­kar in Hack­ney Wick und in Kem­sing. Er brach­te eine nach Wis­sen und Wahr­heit dürs­ten­de See­le mit in sei­nen Be­ruf. Glü­hend vor Ei­fer gab er sich der Seel­sor­ger­tä­tig­keit hin. Aber nur zu bald muss­te er sich ge­ste­hen, dass die auf an­gli­ka­ni­scher, hoch­kirch­li­cher Sei­te be­tä­tig­te all­ge­mei­ne Auf­fas­sung des Pries­ter­amts sei­nem Ide­al nicht nach­kam. In Ben­son reg­te sich das Ge­fühl der Un­zu­frie­den­heit, das ihn be­wog, von sei­nem Amte zu­rück­zu­tre­ten und sich ei­nem Krei­se see­le­n­eif­ri­ger, gleich­ge­sinn­ter Män­ner an­zu­schlie­ßen, die un­ter der Lei­tung ei­nes Ober­haup­tes auf dem Ge­bie­te der in­ne­ren Mis­si­on ihre Kräf­te üb­ten.

Wi­d­ri­ge Ge­sund­heits­ver­hält­nis­se nö­tig­ten Ben­son zu ei­ner Er­ho­lungs­rei­se nach Ägyp­ten und dem Hei­li­gen Lan­de. Da er­eil­te ihn in Je­ru­sa­lem die Kun­de, dass das Ober­haupt je­ner Mis­si­ons­ge­nos­sen­schaft zum Ka­tho­li­zis­mus über­ge­tre­ten sei. Die­se Nach­richt lös­te eine schmerz­li­che Trau­rig­keit in Ben­son aus. Aber schon hat­te die Gna­de auch ihn be­rührt und sei­ne An­schau­ung, als sei die an­gli­ka­ni­sche Kir­che eine Schwes­ter, ja ein Glied der ka­tho­li­schen, der er an­zu­ge­hö­ren mein­te, wan­kend ge­macht.

Bei sei­ner Rück­kehr nach Eng­land fand er die Ge­nos­sen­schaft in Auf­lö­sung be­grif­fen, nach­dem noch mehr Mit­glie­der das Bei­spiel des Ober­haup­tes nach­ge­ahmt hat­ten. In Ben­son er­stark­te jetzt das Seh­nen nach der Er­neue­rung Eng­lands im ka­tho­li­schen Sin­ne im­mer mehr. Schon ge­hör­te sein Herz dem Ka­tho­li­zis­mus und mäch­tig zo­gen ihn des­sen Wahr­heit und Schön­heit in sei­nen Bann. Das »Zu­rück zur hei­li­gen Kir­che!« dem be­reits so vie­le Pro­tes­tan­ten ge­folgt sind, klang un­wi­der­steh­lich auch dem Soh­ne des an­gli­ka­ni­schen Pri­mas in der Brust. Doch ehe er den Letz­ten, den ent­schei­den­den Schritt wag­te, ging er auf Wunsch sei­ner in­nig ge­lieb­ten Mut­ter die an­ge­se­hens­ten Au­to­ri­tä­ten der Hoch­kir­che, meis­tens per­sön­li­che Freun­de sei­nes ver­stor­be­nen Va­ters, um ih­ren Rat an. Aber die Hoff­nung der Mut­ter, dass es ih­nen ge­lin­gen wer­de, den Sohn dem an­gli­ka­ni­schen Kir­chen­tum zu er­hal­ten, wur­de ver­ei­telt: Im Jah­re 1903 schied Ben­son aus dem­sel­ben aus, um zur ka­tho­li­schen Kir­che über­zu­tre­ten; ein Jahr spä­ter wur­de er in Rom zum Pries­ter ge­weiht. Als sol­cher leb­te er bis zu sei­nem Tode im Ok­to­ber 1914 in der Nähe von Bun­ting­ford bei Cam­bridge.

Es war in je­ner Zeit, da er die Wahr­heit in­ner­lich be­reits an­ge­nom­men hat­te, je­doch mit tau­send Fä­den noch an sei­nen bis­he­ri­gen Stand­punkt und so vie­les, was ihm lieb und teu­er ge­wor­den war, sich ge­bun­den sah, in je­ner Zeit auch, da er von den wi­der­stre­bends­ten Ge­füh­len und Re­gun­gen hin und her ge­wor­fen den­noch das un­ver­meid­li­che Ende klar er­kann­te, dass ihm ein Ma­nu­skript über die Zeit der Kö­ni­gin Eli­sa­beth un­ter die Hän­de kam. Es er­weck­te sein In­ter­es­se, und um sich dem Be­wusst­sein sei­nes un­er­träg­li­chen Ge­müts­zu­stan­des ei­ni­ger­ma­ßen zu ent­zie­hen, nahm er Ver­an­las­sung, eine Art his­to­ri­scher Er­zäh­lung über den Ge­gen­stand zu schrei­ben. So ent­stand sein ers­tes Buch »By what Aut­ho­ri­ty«, von dem Ben­son selbst be­kennt: »Die­se Ar­beit war, glau­be ich, ein aus­ge­zeich­ne­tes Si­cher­heits­ven­til für mei­ne Geis­tes­ver­fas­sung, und hät­te ich sie nicht ge­fun­den, ich weiß nicht, was ge­sche­hen wäre.« Es ist be­reits eine Apo­lo­gie des ka­tho­li­schen Stand­punk­tes und hat zum Ge­gen­stand die Haupt­schwä­che der an­gli­ka­ni­schen Po­si­ti­on, den Man­gel an Au­to­ri­tät.

Die Wir­kung des Bu­ches auf den Ver­fas­ser war eine aus­ge­zeich­ne­te, denn die stren­ge, kon­se­quen­te Durch­füh­rung der ein­zel­nen Cha­rak­tere, so­wie ih­res re­li­gi­ösen Stand­punk­tes hat­te klä­rend, rei­ni­gend und be­ru­hi­gend auf ihn ge­wirkt, den ge­won­ne­nen Stand­punkt er­heb­lich ge­stärkt, vie­le Vor­ur­tei­le in ihm nie­der­ge­ris­sen und ihn die Halt­lo­sig­keit vie­ler lieb ge­wor­de­ner Auf­fas­sun­gen er­ken­nen las­sen. Der Ab­schluss des Bu­ches fällt mit dem Ent­schlüs­se zu­sam­men, den un­ver­meid­li­chen Schritt in die Kir­che zu tun. Als Pro­tes­tant hat­te er be­gon­nen, doch auch als Ka­tho­lik leg­te er die Fe­der nicht nie­der und zwei wei­te­re his­to­ri­sche Ro­ma­ne ent­stan­den in der Fol­ge, »The Kings Achie­ve­ment« (Des Kö­nigs Werk), das die ge­walt­sa­me Ein­füh­rung des Pro­tes­tan­tis­mus in Eng­land schil­dert, und des­sen Fol­ge »The Queens Tra­ge­dy«, in de­ren Mit­tel­punkt Ma­ria die Ka­tho­li­sche steht.

In­dem Ben­son die­se Tri­lo­gie zum Dol­met­scher sei­ner ka­tho­li­schen An­schau­un­gen und Emp­fin­dun­gen mach­te, ver­folg­te er mit sei­nem Wer­ke of­fen­sicht­lich eine apo­lo­ge­ti­sche Ten­denz. Dass sie sich nir­gends auf­drängt, er­klärt sich wohl be­son­ders da­durch, dass er die­se Bü­cher nur für sich und zur Be­grün­dung sei­ner Über­zeu­gung sich selbst ge­gen­über ge­schrie­ben hat, nicht aber, um an­de­re zu be­leh­ren oder zu be­ein­flus­sen. Deut­lich und klar spricht auch dar­aus, was mit­ge­wirkt hat­te, ihn zur ka­tho­li­schen Kir­che zu­rück­zu­füh­ren: das Stu­di­um der va­ter­län­di­schen Ge­schich­te und be­son­ders der so­ge­nann­ten Re­for­ma­ti­on, von der vor­ur­teils­lo­se pro­tes­tan­ti­sche Eng­län­der selbst ur­tei­len, dass sie für Eng­land kei­nen Ruh­mes­ti­tel be­deu­te. Fa­ther Ben­sons his­to­ri­sches Ge­mäl­de, aus­ge­zeich­net vor al­lem durch Ver­ständ­nis- und lie­be­vol­les Er­fas­sen der eng­li­schen Kir­che des 16. Jahr­hun­derts, wur­de auch von der pro­tes­tan­ti­schen Kri­tik mit war­mem Bei­fall auf­ge­nom­men, die nicht zö­ger­te, dem Ver­fas­ser einen Platz zwi­schen dem großen Kar­di­nal und Kon­ver­ti­ten Ne­w­man und dem Schöp­fer des his­to­ri­schen Ro­mans. Wal­ter Scott, ein­zuräu­men.

Ro­bert Hugh Ben­sons li­te­ra­ri­sches Schaf­fen zeugt von ei­ner au­ßer­or­dent­li­chen Frucht­bar­keit und Reg­sam­keit sei­nes Geis­tes, zu­gleich aber auch von ei­ner merk­wür­di­gen Ener­gie im Stre­ben nach künst­le­ri­scher Vollen­dung. Ger­ne wen­det er sich in sei­nen Ro­ma­nen zeit­ge­mä­ßen Pro­ble­men zu, wie dem Sen­ti­men­ta­lis­mus, Kon­ven­tio­na­lis­mus, Spi­ri­tis­mus, wo­bei er sich mit Vor­lie­be von ei­nem mys­ti­schen Zuge trei­ben lässt.

Aber al­les, was Ben­son auf dem Ge­biet des his­to­ri­schen und mo­der­nen Ro­mans ge­schaf­fen, wird über­trof­fen von sei­nem Wer­ke: »Der Herr der Welt«. Die be­deu­tends­ten Ta­ges­blät­ter Eng­lands gin­gen ei­nig in be­geis­ter­ten Lo­bes­er­he­bun­gen über die­se gran­dio­se Dich­tung, die sich an das Kühns­te wagt, was ei­nem Dich­ter zu wa­gen ver­gönnt ist: an die Schil­de­rung des Wel­ten­des und der Er­schei­nung des All­mäch­ti­gen am Tage des Ge­rich­tes.

Weit da­von ent­fernt, etwa eine Pro­phe­zei­ung zu sein, sucht das Werk mit vi­sio­närer Ge­walt dem Lau­fe der Jahr­hun­der­te vor­an­zu­ei­len, um ein fan­ta­sie­vol­les Ge­mäl­de der Kul­tur­mensch­heit zu ent­wer­fen, wie sich die­se viel­leicht in ei­nem Jahr­hun­dert ent­wi­ckelt ha­ben mag. Vor dem in­ne­ren Schau­en des Dich­ters er­he­ben sich die gi­gan­ti­schen Tri­um­phe des mensch­li­chen Geis­tes, der die höchs­ten Spit­zen der Wis­sen­schaft er­klom­men ha­ben wird. Dann wird die Mensch­heit nur mehr zwei große re­li­gi­öse La­ger er­ken­nen, den Ka­tho­li­zis­mus und den Hu­ma­ni­ta­ris­mus, zu de­nen sich die Form strengs­ter Ge­setz­ge­bung und mit­leids­lo­ses Blut­ver­gie­ßen als die schärfs­ten Ge­gen­sät­ze ver­hal­ten. Für die ka­tho­li­sche Kir­che aber wird eine neue Zeit hef­tigs­ter Ver­fol­gung an­bre­chen, und dä­mo­ni­sche Mäch­te wer­den sich am Ende der Zei­ten auf sie stür­zen, mit al­len Macht­mit­teln des mensch­li­chen Fort­schrit­tes aus­ge­rüs­tet.

Mit hin­rei­ßen­der Be­red­sam­keit und ei­ner er­staun­li­chen Plas­tik stellt Ben­son je­nes Zeit­al­ter vor das er­schau­ern­de Ge­müt des Le­sers, der über­wäl­tigt wird von der dra­ma­ti­schen Wucht der Er­eig­nis­se. Welch ein furcht­ba­res Epos, wenn die Luft­schif­fe des fa­na­tisch has­sen­den Fein­des der Kir­che über dem ewi­gen Rom er­schei­nen, um es zu zer­stö­ren! Wer wür­de da nicht er­in­nert an die Of­fen­ba­rung Jo­han­nes’ von dem sie­ben­köp­fi­gen Tier: »Auch ward ihm ge­ge­ben, Krieg zu füh­ren mit den Hei­li­gen und sie zu über­win­den … Und es tat große Zei­chen, so­dass es so­gar Feu­er vom Him­mel fal­len mach­te vor den Au­gen der Men­schen« (13, 7.13.). Kein Mi­che­lan­ge­lo ver­möch­te die Schluss­ka­ta­stro­phe der Mensch­heit, die­ses große und schreck­li­che Bild, er­schüt­tern­der in Far­ben zu fas­sen, als der ge­nia­le eng­li­sche Pries­ter-Dich­ter sie im »Herrn der Welt« malt. Ge­wiss, die­ser Ro­man ist sen­sa­tio­nell im höchs­ten Gra­de, ohne dass da­durch dem künst­le­ri­schen Wer­te der Dich­tung Ab­bruch ge­schä­he. Es ist ein un­ge­heu­rer Stoff, der hier ge­bän­digt und mit ei­nem über­wäl­ti­gen­den Reich­tum at­men­den Le­bens aus­ge­stal­tet wor­den ist. Ge­bil­de­te Le­ser wer­den ho­hen Ge­nuss aus dem Ro­man schöp­fen und, was noch weit mehr ist, den An­stoß zu erns­tem, frucht­brin­gen­dem Den­ken emp­fan­gen.

Ot­to von Scha­ching

Prolog

»Sie müs­sen mir einen Au­gen­blick Zeit las­sen«, sag­te der Greis, in­dem er sich zu­rück­lehn­te.

Per­cy nahm wie­der auf sei­nem Stuh­le Platz und war­te­te, das Kinn auf die Hand ge­stützt.

Es war ein sehr stil­les Ge­mach, in wel­chem die drei Män­ner sa­ßen, und dem Ge­schmack der Zeit ent­spre­chend ein­fach aus­ge­stat­tet. Es hat­te we­der Fens­ter noch Türe, denn es wa­ren be­reits sech­zig Jah­re ver­gan­gen, seit­dem der Mensch zur Ein­sicht ge­kom­men war, dass der be­wohn­ba­re Raum sich nicht nur auf die Ober­flä­che der Erd­ku­gel be­schränk­te, und er hat­te in­fol­ge­des­sen ernst­lich zu gra­ben an­ge­fan­gen. Des al­ten Herrn Tem­ple­tons Haus stand un­ge­fähr vier­zig Fuß un­ter dem Ni­veau des Them­seu­fers, in ei­ner all­ge­mein als güns­tig be­zeich­ne­ten Lage, denn man hat­te nur hun­dert Me­ter weit zu ge­hen, bis man zur Hal­te­stel­le der zwei­ten Zen­tral-Mo­tor­bahn kam, und eine Vier­tel­mei­le bis zur Luft­schiffs­ta­ti­on von Black­fri­ars.1 Mr. Tem­ple­ton war je­doch über neun­zig Jah­re alt und ging jetzt nur sel­ten mehr aus. Die Wän­de des Zim­mers wa­ren voll­stän­dig mit dem matt­grü­nen, von der Sa­ni­täts­be­hör­de vor­ge­schrie­be­ner Email­le be­klei­det und mit dem vor vier­zig Jah­ren von Reu­ter er­fun­de­nen künst­li­chen Son­nen­licht er­leuch­tet; im Far­ben­ton glich es ei­nem Früh­lings­wal­de, und Wär­me und Ven­ti­la­ti­on wur­den durch das klas­si­sche Fries­git­ter so ge­re­gelt, dass die Tem­pe­ra­tur stets ge­nau acht­zehn Grad Cel­si­us be­trug. Mr. Tem­ple­ton war sehr ein­fach und be­gnüg­te sich da­mit, so zu le­ben, wie sein Va­ter es ge­tan hat­te. Die Mö­bel wa­ren, wenn auch in Be­zug auf Aus­füh­rung und Form et­was alt­mo­disch, dem Zeit­ge­brauch ent­spre­chend aus mit wei­chem As­bes­te­mail über­zo­ge­nem Ei­sen, da­her sehr dau­er­haft und be­quem, und hät­ten für Ma­ha­go­ni ge­hal­ten wer­den kön­nen. Auf bei­den Sei­ten des nie­de­ren, aus Bron­ze ge­fer­tig­ten elek­tri­schen Ka­mins, vor wel­chem die drei Her­ren sa­ßen, stan­den ei­ni­ge gut aus­ge­stat­te­te Bü­cher­schrän­ke, und in den Ecken des Zim­mers fan­den sich die hy­drau­li­schen Per­so­nen­auf­zü­ge, von wel­chen der eine in das Schlaf­zim­mer führ­te, wo­ge­gen man mit­telst des an­de­ren in den fünf­zig Fuß ober­halb ge­le­ge­nen Kor­ri­dors und aus die­sem auf den Kai ge­lang­te.

Fa­ther2 Per­cy Fran­klin, der äl­te­re der bei­den Pries­ter, eine ziem­lich im­po­san­te Er­schei­nung, war trotz höchs­tens fünf­und­drei­ßig Jah­ren be­reits voll­kom­men er­graut; aus sei­nen grau­en, von dunklen Brau­en über­schat­te­ten Au­gen leuch­te­te eine auf­fal­len­de Leb­haf­tig­keit, doch lie­ßen sei­ne stark mar­kier­ten Züge und die Ent­schlos­sen­heit, die sich in sei­nen Lip­pen aus­drück­te, kei­ne wei­te­ren Zwei­fel über die Fes­tig­keit sei­nes Wil­lens ent­ste­hen.

Fa­ther Fran­cis, der jün­ge­re hin­ge­gen, der in dem ho­hen Stuhl auf der an­de­ren Sei­te des Ka­mins saß, war ein Durch­schnitts­mensch; denn wenn auch sei­ne brau­nen Au­gen an­ge­nehm und aus­drucks­voll blick­ten, so konn­te man doch in sei­nem Ge­sich­te kei­ne Spur von Ent­schlos­sen­heit fin­den; sei­ne Mund­win­kel und sein Au­gen­auf­schlag lie­ßen viel­mehr einen Hang zu der dem schwä­che­ren Ge­schlecht ei­ge­nen Me­lan­cho­lie ver­mu­ten.

Mr. Tem­ple­ton war ein sehr be­jahr­ter Mann mit ener­gi­schen Zü­gen, tie­fen Run­zeln, wie je­der­mann glatt ras­tert, und so lag er nun, in eine Stepp­de­cke gehüllt, be­quem auf sei­nem Was­ser­kis­sen. End­lich er­griff er das Wort, in­dem er zu­erst einen Blick auf den zu sei­ner Lin­ken fit­zen­den Per­cy warf.

»Ja«, sag­te er, »es ist wohl schwer, sich an al­les ge­nau zu er­in­nern. In Eng­land wur­de un­se­re Par­tei wäh­rend der Ta­gung vom Jah­re 1927 zum ers­ten Male we­sent­lich be­un­ru­higt. Die­se zeig­te uns, wie tief die gan­ze so­zia­le At­mo­sphä­re vom Her­véis­mus3 durch­drun­gen war. Es hat­te wohl vor­her So­zia­lis­ten ge­ge­ben, aber kei­ner der­sel­ben konn­te mit dem grei­sen Gu­stav Her­vé ver­gli­chen wer­den, — we­nigs­tens war kei­ner so ein­fluss­reich ge­we­sen. Er lehr­te, wie Sie viel­leicht ge­le­sen ha­ben wer­den, ab­so­lu­ten Ma­te­ria­lis­mus und So­zia­lis­mus, die er bis zu ih­rem lo­gi­schen Aus­gang ver­folg­te. Der Pa­trio­tis­mus, sag­te er, wäre ein Über­rest der Bar­ba­rei und das wahr­haft Gute nur in sinn­li­chen Ver­gnü­gun­gen zu fin­den. Na­tür­lich wur­de er über­all aus­ge­lacht. Man sag­te, dass es ohne Re­li­gi­on un­mög­lich wäre, un­ter den Volks­mas­sen einen an­ge­mes­se­nen Be­weg­grund zu selbst der ein­fachs­ten Form so­zia­ler Ord­nung zu fin­den. Aber al­lem An­schein nach hat­te er recht. Nach dem Fall der fran­zö­si­schen Kir­che zu Be­ginn des Jahr­hun­derts und den Met­ze­lei­en von 1914 be­gann die Bour­geoi­sie sich zu or­ga­ni­sie­ren; die­se au­ßer­ge­wöhn­li­che Be­we­gung setz­te in al­lem Ernst ein und wur­de von den mitt­le­ren Volks­klas­sen wei­ter­ge­führt, un­ter Bei­sei­te­set­zung al­len Pa­trio­tis­mus, al­ler Rang­un­ter­schie­de und na­he­zu ohne Waf­fen. Na­tür­lich stand al­les un­ter der Lei­tung der Frei­mau­rer. Sie ver­brei­te­te sich nach Deutsch­land, wo be­reits der Ein­fluss von Karl Marx —«

»Ge­wiss, mein Herr«, un­ter­brach ihn Per­cy in sanf­ter Wei­se, »aber möch­ten Sie uns, bit­te, sa­gen, was in Eng­land ge­sch­ah.«

»Ja rich­tig, Eng­land. Nun, im Jah­re 1917 er­griff die Ar­bei­ter­par­tei die Zü­gel, und der Kom­mu­nis­mus nahm da­mit ei­gent­lich sei­nen An­fang. Da­ran kann ich mich al­ler­dings nicht mehr er­in­nern, doch pfleg­te mein Va­ter ihn von die­sem Zeit­punk­te an zu da­tie­ren. Es war nur ein Wun­der, dass alle die­se Be­we­gun­gen nicht schnel­ler um sich grif­fen, doch ich ver­mu­te, es steck­te noch ein gu­tes Stück To­ry­tum4 im Vol­ke.

Auch ver­geht ein Jahr­hun­dert ge­wöhn­lich nicht so schnell, wie man es er­war­tet, be­son­ders dann nicht, wenn es mit großen Auf­re­gun­gen be­gon­nen hat. Aber da­mals ent­stand die neue Ord­nung, und die Kom­mu­nis­ten ha­ben, mit Aus­nah­me des un­be­deu­ten­den Fal­les im Jah­re 1928, nie wie­der einen ernst­li­chen Rück­stoß er­lit­ten. Blen­kin grün­de­te ›Das neue Vol­k‹, und die ›Ti­mes‹ kam in Ver­fall, aber son­der­ba­rer­wei­se hielt sich das Ober­haus bis zum Jah­re 1935, wo es zum letz­ten Male fiel. Die Staats­kir­che hat­te sich im Jah­re 1929 end­gül­tig auf­ge­löst.« —

»Und wel­che Wir­kung hat­te dies in re­li­gi­öser Be­zie­hung?«, frag­te Per­cy schnell, da der Greis in­ne­hielt, sich räus­per­te und sei­nen In­ha­la­ti­ons­ap­pa­rat hö­her stell­te. Dem Pries­ter lag viel dar­an, bei die­sem Punk­te ste­hen­zu­blei­ben.

»Es war we­ni­ger ein Er­eig­nis«, er­wi­der­te der an­de­re, »als viel­mehr eine Wir­kung an und für sich. Se­hen Sie, nach­dem die Ri­tua­lis­ten, wie man sie zu nen­nen pfleg­te, ihr Mög­lichs­tes ge­tan hat­ten, um mit der Ar­bei­ter­par­tei vor­an­zu­kom­men, ver­ei­nig­ten sie sich nach dem Kon­gress von 1919, wo das Ni­zäi­sche Glau­bens­be­kennt­nis ab­kam, mit der Kir­che; und wah­re Be­geis­te­rung war nur un­ter ih­nen selbst zu fin­den. Aber in­so­fern als die end­gül­ti­ge Auf­lö­sung eine Wir­kung her­vor­brach­te, be­stand die­se, glau­be ich, dar­in, dass das, was von der Staats­kir­che üb­rig ge­blie­ben war, sich mit der Frei­en Kir­che ver­ei­nig­te, und die Freie Kir­che war, im Gan­zen ge­nom­men, nichts wei­ter als eine Schwär­me­rei. Nach den in den zwan­zi­ger Jah­ren statt­ge­hab­ten er­neu­ten An­grif­fen von deut­scher Sei­te her war die Bi­bel als Au­to­ri­tät voll­stän­dig auf­ge­ge­ben wor­den, und ei­ni­ge sind der Mei­nung, dass der Glau­be an die Gott­heit Chris­ti schon im Be­ginn des Jahr­hun­derts nur noch dem Na­men nach be­stand. Da­für hat­te die Ke­no­ti­sche5 Theo­rie schon ge­sorgt. Jene son­der­ba­re klei­ne Re­gung un­ter den An­hän­gern der Frei­en Kir­che hat­te so­gar schon frü­her be­gon­nen, da­mals, als die Pas­to­ren, die eben nur mit dem Strom schwam­men — die so­zu­sa­gen et­was Zug­luft spür­ten —, ihre bis­he­ri­gen Stel­lun­gen ver­lie­ßen. Es ist selt­sam un­ter den Be­rich­ten aus je­ner Zeit zu le­sen, wie man sie da­mals als Frei­den­ker be­grüß­te. Und ge­ra­de dies wa­ren sie nicht … Aber, wo war ich denn ste­hen­ge­blie­ben. Ja, rich­tig — nun, da­durch be­ka­men wir frei­es Feld, und die Kir­che mach­te wäh­rend ei­ni­ger Zeit au­ßer­or­dent­li­che Fort­schrit­te, — das heißt au­ßer­or­dent­lich im Hin­blick auf die Um­stän­de, denn Sie müs­sen be­den­ken, dass die Din­ge sich da­mals an­ders ver­hiel­ten, als es vor zehn oder zwan­zig Jah­ren der Fall ge­we­sen war. Ich will da­mit sa­gen, um mich kurz aus­zu­drücken, dass man schon be­gon­nen hat­te, die Bö­cke von den Scha­fen zu son­dern. Die re­li­gi­ösen Leu­te wa­ren ei­gent­lich durch­weg Ka­tho­li­ken und In­di­vi­dua­lis­ten, die Gott­lo­sen woll­ten von dem über­na­tür­li­chen über­haupt nichts wis­sen und wa­ren aus­schließ­lich Ma­te­ria­lis­ten und Kom­mu­nis­ten. Aber die Fort­schrit­te, die wir mach­ten, ver­dan­ken wir ei­ni­gen her­vor­ra­gen­den Män­nern, — De­la­ney, dem Phi­lo­so­phen, den bei­den Phil­an­thro­pen McAr­thur und Lar­gent und so wei­ter. Es schi­en wirk­lich, als ob De­la­ney und sei­ne An­hän­ger al­ler er­rei­chen wür­den. Erin­nern Sie sich an sei­ne Ana­lo­gie? Ja, rich­tig, al­les dies ist ja in den Text­bü­chern ent­hal­ten … Und dann hat­ten wir, am Ende des Va­ti­ka­ni­schen Kon­zils, wel­ches im neun­zehn­ten Jahr­hun­dert ein­be­ru­fen, aber nie ge­schlos­sen wor­den war, große Ver­lus­te durch die Ent­schei­dun­gen. Man pfleg­te es den ›Ex­odus der In­tel­lek­tu­el­len‹ zu nen­nen.« —

»Die bib­li­schen Ent­schei­dun­gen«, warf der jün­ge­re der bei­den Pries­ter ein.

»Zum Teil; aber der gan­ze Kon­flikt be­gann mit dem Auf­kom­men des Mo­der­nis­mus zu An­fang des Jahr­hun­derts; mehr noch aber war es die Ver­ur­tei­lung De­la­neys und im All­ge­mei­nen der Neu-Tran­szen­den­ta­lis­mus, wie man ihn da­mals auf­fass­te, üb­ri­gens starb je­ner au­ßer­halb der Kir­che, wie Sie wis­sen. Dann wur­de Sciot­tis Werk über ver­glei­chen­de Re­li­gi­ons­wis­sen­schaft ver­ur­teilt. Da­rauf mach­ten die Kom­mu­nis­ten Fort­schrit­te, wenn auch nur sehr lang­sa­me. Es mag Ih­nen, ver­mu­te ich, merk­wür­dig Vor­kom­men, aber Sie kön­nen sich die Auf­re­gung nicht vor­stel­len, als im Jah­re 1960 das Ge­setz, be­tref­fend den Han­del mit Ge­brauchs­mit­teln, in Kraft trat. Die Leu­te glaub­ten, dass jede Tat­kraft sto­cken müss­te, wenn so vie­le Be­rufs­stän­de ver­staat­licht wür­den; aber wie Sie wis­sen, war das nicht der Fall.«

»In wel­chem Jah­re war es, dass die Zwei­drit­tel­mehr­heits-Vor­la­ge durch­ging?«, frag­te Per­cy.

»O, lan­ge vor­her, im ers­ten oder zwei­ten Jah­re nach dem Fall des Ober­hau­ses. Es war dies, glau­be ich, not­wen­dig, sonst wä­ren die In­di­vi­dua­lis­ten noch voll­stän­dig ver­rückt ge­wor­den. Nun, das Ge­brauchs­mit­tel­ge­setz war nicht zu ver­mei­den. Schon da­mals, als die Ei­sen­bah­nen in Lan­des­be­sitz über­gin­gen, hat­te das Volk an­ge­fan­gen, das ein­zu­se­hen. Für eine Wei­le nahm das Hand­werk einen star­ken Auf­schwung, denn alle die In­di­vi­dua­lis­ten, wel­che sich zu ei­nem sol­chen eig­ne­ten, ver­leg­ten sich dar­auf (ge­ra­de da­mals war es, dass auch die Tol­ler Schu­le ge­grün­det wur­de); aber nach und nach wand­ten sie sich doch wie­der staat­li­chen An­stel­lun­gen zu. Die Ge­winn­gren­ze von sechs Pro­zent für Pri­vat­un­ter­neh­men hat­te eben nicht viel Ver­lo­cken­des — und der Staat zahl­te gut.« —

Per­cy schüt­tel­te den Kopf.

»Ja, aber ich be­grei­fe den ge­gen­wär­ti­gen Stand der Din­ge nicht. Sie sag­ten vor­hin, dass es nur mit klei­nen Schrit­ten vor­an­ging.«

»Ja«, mein­te der alte Herr, »Sie müs­sen an die Ar­men­ge­setz­ge­bung den­ken. Da­durch hat­ten die Kom­mu­nis­ten für alle Zu­kunft ge­won­nen. Man muss sa­gen, Braithwai­te ver­stand sich auf sein Ge­schäft.«

Der jun­ge Per­cy sah ihn fra­gend an.

»Die Ab­schaf­fung des Ar­beits­haus-Sys­tems!«, sag­te Mr. Tem­ple­ton. »Na­tür­lich ist das al­les für Sie alte Ge­schich­te; aber ich er­in­ne­re mich, als ob es ges­tern ge­we­sen wäre. Eben das war es, was der Mon­ar­chie und den Uni­ver­si­tä­ten ein Ende be­rei­te­te.«

»Ah«, sag­te Per­cy, »dar­über möch­te ich ger­ne ei­ni­ges von Ih­nen er­fah­ren.«

»So­fort. Also, Braithwai­tes Werk war dies: Nach dem al­ten Sys­tem wur­den alle Ar­men gleich­be­han­delt und fühl­ten dies. Nach dem neu­en Sys­tem gab es die drei Gra­de, die wir jetzt ha­ben, und die Er­tei­lung des Wahl­rech­tes an die bei­den hö­he­ren. Nur der ganz Wert­lo­se wur­de dem drit­ten Gra­de zu­ge­wie­sen und mehr oder we­ni­ger als Ver­bre­cher be­han­delt — na­tür­lich erst nach sorg­fäl­ti­ger Prü­fung. Dann kam die Re­or­ga­ni­sa­ti­on der Al­ters­un­ter­stüt­zun­gen. Also se­hen Sie dar­aus nicht, wie sehr das den Kom­mu­nis­ten zu­gu­te­kam? Die In­di­vi­dua­lis­ten — To­ries nann­te man sie, als ich noch ein Kna­be war — die In­di­vi­dua­lis­ten ha­ben seit­her kei­ne Aus­sich­ten mehr ge­habt. Heut­zu­ta­ge sind sie nur mehr ein lee­res Netz. Die ar­bei­ten­den Klas­sen in ih­rer Ge­samt­heit — und das be­deu­te­te: neun­und­neun­zig vom Hun­dert — hat­ten sie ge­gen sich.« Per­cy sah auf, aber sein Ge­gen­über fuhr fort: »Dann hat­ten wir das Ge­fäng­nis­re­form­ge­setz un­ter Mac­pher­son und die Ab­schaf­fung der To­dess­tra­fe; dann end­lich das Un­ter­richts­ge­setz von 1959, das den dog­ma­ti­schen Sä­ku­la­ris­mus ein­setz­te: die tat­säch­li­che Ab­schaf­fung des Erbrechts, ver­bun­den mit der Re­for­mie­rung der Ver­bind­lich­kei­ten Ver­stor­be­ner. —« »Ich er­in­ne­re mich nicht mehr an das alte Sys­tem, wie war es ei­gent­lich?« un­ter­brach Per­cy.

»Ja, man soll­te es nicht für mög­lich hal­ten, aber nach dem al­ten Sys­tem wa­ren alle gleich hoch be­steu­ert. Zu­erst kam die Erb­schaft­seinschät­zung, und dann wur­de die­se so um­ge­än­dert, dass die Steu­er auf er­erb­tes Ver­mö­gen drei­mal so hoch war, als die auf er­wor­be­nes Ver­mö­gen, wo­durch man im Jah­re 1989 die Leh­re Karl Mar­x’ an­ge­nom­men hat­te, — Ers­te­re trat aber im Jah­re 1977 in Kraft. Nun, durch all die­se Vor­gän­ge hielt Eng­land Schritt mit dem Kon­ti­nent; wir ka­men ge­ra­de noch zu­recht, uns an dem end­gül­ti­gen Ent­wurf, be­tref­fend den ame­ri­ka­ni­schen Frei­han­del, zu be­tei­li­gen. Wie Sie sich er­in­nern, war das die ers­te Wir­kung des Sie­ges der So­zi­al­de­mo­kra­tie in Deutsch­land.«

»Aber wie ge­lang­ten wir dazu, nicht in den Krieg im Os­ten ver­wi­ckelt zu wer­den?«, frag­te Per­cy et­was er­regt.

»Ja, das ist eine lan­ge Ge­schich­te, aber, mit ei­nem Wort, Ame­ri­ka hin­der­te uns dar­an, und auf die­se Wei­se gin­gen uns In­di­en und Aus­tra­li­en ver­lo­ren. Ich glau­be, seit dem Jah­re 1925 sind die Kom­mu­nis­ten ih­rem Fal­le nie so nahe ge­we­sen, wie da­mals. Aber Braithwai­te wuss­te in sehr klu­ger Wei­se sich her­aus­zu­ar­bei­ten, in­dem er uns das Pro­tek­to­rat von Süd­afri­ka ein für alle Mal er­warb, ob­wohl er da­mals schon ein al­ter Mann war.«

Mr. Tem­ple­ton un­ter­brach sich, um zu hus­ten, wäh­rend Fa­ther Fran­cis leicht seufz­te und auf sei­nem Stuhl hin und her rück­te.

»Und Ame­ri­ka?«, frag­te die­ser.

»Ja, das ist al­les sehr kom­pli­ziert. Ame­ri­ka war, wie Sie wis­sen, sich sei­ner Stär­ke be­wusst und an­nek­tier­te noch im sel­ben Jah­re Ka­na­da. Das war der schlimms­te Zeit­punkt für uns.«

Per­cy er­hob sich.

»Ha­ben Sie einen Ge­schichts­at­las, Mr. Tem­ple­ton?«, frag­te er.

Der Greis wies auf ein Bü­cher­brett. »Dort ist er.«

Ein paar Au­gen­bli­cke be­trach­te­te Per­cy schwei­gend die Kar­ten, in­dem er sie auf sei­nen Kni­en auf­schlug.

»Je­den­falls ist so al­les viel ein­fa­cher«, sag­te er zu sich selbst, wäh­rend er die viel­far­bi­ge Kar­te des be­gin­nen­den zwan­zigs­ten mit den drei großen Farb­flä­chen auf je­ner des ein­und­zwan­zigs­ten Jahr­hun­derts ver­glich.

Er fuhr mit dem Fin­ger über Asi­en ent­lang. Auf dem in Matt­gelb ge­zeich­ne­ten Ge­bie­te, das vom Ural im Wes­ten bis zur Be­ring­stra­ße6 im Os­ten reich­te und sich über In­di­en, Aus­tra­li­en und Neu­see­land er­streck­te, stand in großen Buch­sta­ben »Reich des Os­tens«. Sein Blick fiel auf das Rot; es war viel klei­ner, aber doch noch be­deu­tend ge­nug, da es nicht nur das ei­gent­li­che Eu­ro­pa, son­dern auch Russ­land bis zum Ural und ganz Afri­ka be­deck­te. Die in Blau ge­hal­te­ne Ame­ri­ka­ni­sche Re­pu­blik um­fass­te die Ge­samt­heit die­ses Kon­ti­nen­tes und ver­schwand ge­gen den Rand der west­li­chen Halb­ku­gel in ei­ner Un­zahl blau­er Punk­te, die aus dem wei­ßen Ozean auf­tauch­ten.

»Ja, ein­fa­cher ist es«, be­merk­te der alte Herr tro­cken.

Per­cy klapp­te das Buch zu und stell­te es ne­ben sei­nen Stuhl.

»Und jetzt, Mr. Tem­ple­ton, was wird zu­nächst ge­sche­hen?«

Der alte Tory-Staats­mann lä­chel­te.

»Weiß Gott«, sag­te er, »wenn der Os­ten sich ent­schließt, sich zu re­gen, kön­nen wir nichts ma­chen. Ich weiß über­haupt nicht, warum er sich noch nicht er­ho­ben hat. Ich glau­be, die Ur­sa­che liegt in re­li­gi­ösen Dif­fe­ren­zen.«

»Eu­ro­pa wird sich nicht spal­ten?«, frag­te der Pries­ter.

»Nein, nein. Wir wis­sen jetzt, wo auf un­se­rer Sei­te die Ge­fahr ist. Und Ame­ri­ka wird si­cher­lich auf un­se­rer Sei­te sein. Aber, wie dem auch sei, Gott hel­fe uns — oder Ih­nen, möch­te ich eher sa­gen —, wenn das Reich sich regt, es kennt nun end­lich sei­ne ei­ge­ne Stär­ke.«

Still­schwei­gen herrsch­te für ei­ni­ge Mo­men­te. Ein schwa­ches Zit­tern ging durch den Raum; eine der Rie­sen­lo­ko­mo­ti­ven pas­sier­te den über ih­nen ge­le­ge­nen brei­ten Bou­le­vard.

»Pro­phe­zei­en Sie!« brach Per­cy das Schwei­gen. »Ich mei­ne, be­züg­lich der Re­li­gi­on.«

Mr. Tem­ple­ton tat einen lan­gen Atem­zug aus sei­nem Ap­pa­rat; dann nahm er die Un­ter­hal­tung wie­der auf.

»Kurz ge­sagt«, be­gann er, »wir ha­ben drei re­li­gi­öse Mäch­te — den Ka­tho­li­zis­mus, den Hu­ma­ni­ta­ris­mus und die Re­li­gio­nen des Os­tens. Was die Letz­te­ren be­trifft, kann ich nichts pro­phe­zei­en, wenn ich auch glau­be, dass schließ­lich die Su­fis Sie­ger blei­ben wer­den. Et­was wird ge­sche­hen; der Eso­te­ri­zis­mus — und da­mit der Pan­the­is­mus — schrei­tet mäch­tig vor­an; und die Ver­schmel­zung der chi­ne­si­schen mit der ja­pa­ni­schen Dy­nas­tie wirft alle un­se­re Be­rech­nun­gen über den Hau­fen. Aber, und dar­an ist kein Zwei­fel, in Eu­ro­pa und Ame­ri­ka voll­zieht sich der Kampf zwi­schen den bei­den an­de­ren. Wir kön­nen al­les Üb­ri­ge bei­sei­te­las­sen. Und, wenn Sie wün­schen, dass ich mei­ne Mei­nung sage, ich glau­be, dass, mensch­lich ge­spro­chen, der Ka­tho­li­zis­mus rasch zu­rück­ge­hen wird. Es ist voll­kom­men wahr, dass der Pro­tes­tan­tis­mus tot ist. Die Mensch­heit hat end­lich er­kannt, dass eine über­na­tür­li­che Re­li­gi­on eine ab­so­lu­te Au­to­ri­tät er­for­dert, und dass die Frei­heit in Glau­bens­fra­gen nichts an­de­res ist, als der Be­ginn der Zer­set­zung. Und eben­so wahr ist es, dass, nach­dem die ka­tho­li­sche Kir­che die ein­zi­ge In­sti­tu­ti­on ist, wel­che für sich über­na­tür­li­che Au­to­ri­tät mit all ih­ren er­bar­mungs­lo­sen Kon­se­quen­zen in An­spruch nimmt, sie al­lein die An­hän­ger­schaft so ziem­lich al­ler Chris­ten be­sitzt, die sich noch ir­gend einen über­na­tür­li­chen Glau­ben be­wahrt ha­ben. Es gibt wohl ei­ni­ge Bes­ser­wis­ser, be­son­ders in Ame­ri­ka und bei uns, aber sie kom­men nicht in Be­tracht. Das ist al­les ganz gut; aber and­rer­seits dür­fen Sie nicht ver­ges­sen, dass der Hu­ma­ni­ta­ris­mus ent­ge­gen den Er­war­tun­gen al­ler im Be­griff ist, selbst eine, wenn auch der über­na­tür­li­chen ent­ge­gen­ge­setz­te, Re­li­gi­on zu wer­den. Er ist nichts an­de­res, als Pan­the­is­mus; er schafft sich un­ter dem Deck­man­tel der Frei­mau­re­rei einen ei­ge­nen Ri­tus, er hat sein ei­ge­nes Cre­do: ›Gott ist der Men­sch‹, und so fort. Er bie­tet da­her re­li­gi­ösem For­schen in ge­wis­ser Be­zie­hung wirk­li­chen Stoff, er idea­li­siert, ohne da­bei ir­gend­wel­che An­for­de­run­gen an geis­ti­ge Fä­hig­keit zu stel­len. Dazu kommt, dass ihm alle Kir­chen und Ka­the­dra­len, die uns­ri­gen aus­ge­nom­men, zur Ver­fü­gung ste­hen, und dass man dort end­lich an­ge­fan­gen hat, dem Ge­füh­le Rech­nung zu tra­gen. Es ist ihm au­ßer­dem mög­lich, sei­ne Sym­bo­le zur Schau zu tra­gen, was wir nicht dür­fen. Ich glau­be, in spä­tes­tens zehn Jah­ren wird er ge­setz­lich an­er­kannt sein.

Nun be­den­ken Sie, dass wir Ka­tho­li­ken be­reits ab­neh­men; seit mehr als fünf­zig Jah­ren ge­hen wir ste­tig zu­rück. Nach mei­ner Schät­zung ma­chen wir un­ge­fähr ein Vier­zigs­te! Ame­ri­kas aus, — und das ist das Re­sul­tat der ka­tho­li­schen Be­we­gung vom An­fang der zwan­zi­ger Jah­re. In Frank­reich und Spa­ni­en exis­tie­ren wir nicht mehr, ge­schwei­ge denn in Deutsch­land. Wir hal­ten al­ler­dings un­se­re Stel­lung im Os­ten, aber selbst da bil­den wir ein hal­b­es Pro­zent — die Sta­tis­ti­ken sa­gen es we­nigs­tens — und die­ses ist sehr ver­streut. In Ita­li­en. Es ist rich­tig, Rom ge­hört wie­der uns, das ist aber auch al­les; hier ha­ben wir das ge­sam­te Ir­land und un­ge­fähr einen Ka­tho­li­ken auf sech­zig Ein­woh­ner in Eng­land, Wa­les und Schott­land, aber wir hat­ten noch vor sieb­zig Jah­ren einen auf vier­zig. Dazu kom­men die enor­men Fort­schrit­te der Psy­cho­lo­gie, die seit min­des­tens ei­nem Jahr­hun­dert sich di­rekt ge­gen uns rich­ten. An­fangs, se­hen Sie, herrsch­te der rei­ne und nack­te Ma­te­ria­lis­mus, — die­ser ver­sag­te mehr oder we­ni­ger, — er war zu roh, — bis ihm die Psy­cho­lo­gie zu Hil­fe kam. Nun­mehr be­an­sprucht die Psy­cho­lo­gie das gan­ze üb­ri­ge Ge­biet, und der Sinn für Über­na­tür­li­ches scheint sich für jene zu er­klä­ren. So ste­hen die Din­ge. Nein, Fa­ther, wir neh­men ab; und wir wer­den wei­ter ab­neh­men, und ich glau­be, wir müs­sen je­den Mo­ment auf eine Ka­ta­stro­phe ge­fasst sein.«

»Aber —«, be­gann Per­cy.

»Sie hal­ten das für die Schwä­che ei­nes al­ten Man­nes, der am Ran­de des Gra­bes steht. Nun, es ist, wie ich den­ke. Ich sehe kei­ne Hoff­nung. In der Tat, es scheint mir so­gar, dass ge­ra­de jetzt et­was Uner­war­te­tes über uns her­ein­bre­chen wird. Nein, ich sehe kei­ne Hoff­nung, bis —«

Per­cy blick­te rasch auf.

»Bis un­ser Hei­land wie­der­kehrt«, sag­te der alte Staats­mann. —

Fa­ther Fran­zis seufz­te aber­mals und Schwei­gen trat ein.

»Und der Fall der Uni­ver­si­tä­ten?«, frag­te Per­cy nach ei­ner Wei­le.

»Mein lie­ber Herr, das war ge­nau wie beim Fall der Klös­ter un­ter Hein­rich VIII. — die­sel­ben Er­geb­nis­se, die­sel­ben Be­weis­grün­de, die­sel­ben Zwi­schen­fäl­le. Sie wa­ren die Boll­wer­ke des In­di­vi­dua­lis­mus, wie die Klös­ter jene des Papst­tums wa­ren, und sie wur­den mit der­sel­ben Scheu und dem glei­chen Neid be­trach­tet. Dann be­gann die ge­wöhn­li­che Art von Be­mer­kun­gen über die Men­ge des dort ge­trun­ke­nen Port­weins, und so­gleich sag­te man, die Uni­ver­si­tä­ten hät­ten sich über­lebt, dass ihre In­sas­sen Mit­tel und Zweck ver­wech­sel­ten, — und man hat­te sehr viel mehr Grund, das zu sa­gen. Je­den­falls, wo über­na­tür­li­cher Glau­be be­steht, sind Klös­ter eine ein­fa­che Kon­se­quenz des­sel­ben; der Zweck ei­ner rein welt­li­chen Er­zie­hung aber ist wohl die Schaf­fung von et­was Wahr­nehm­ba­rem — ent­we­der Cha­rak­ter oder Kennt­nis­sen; und es kam da­hin, dass es un­mög­lich mehr be­wie­sen wer­den konn­te, dass die Leis­tun­gen der Uni­ver­si­tä­ten de­ren Exis­tenz ge­recht­fer­tigt hät­ten. Die Un­ter­schei­dung zwi­schen ον und μη7 ist noch nicht Zweck an sich, und die Men­schen, die durch ein sol­ches Stu­di­um ge­bil­det wur­den, wa­ren nicht das, was das Eng­land des Zwan­zigs­ten Jahr­hun­derts brauch­te. Und ich möch­te nicht ein­mal be­haup­ten, dass die­sel­ben etwa mir be­son­ders ent­spra­chen (und ich bin im­mer ein un­ent­weg­ter In­di­vi­dua­list ge­we­sen) — aus­ge­nom­men viel­leicht durch ihr Pa­thos.«

»Ja?«, sag­te Per­cy.

»O, an Pa­thos fehl­te es am al­ler­we­nigs­ten. Die Hoch­schu­len von Cam­bridge und die Ko­lo­ni­al­aka­de­mie von Ox­ford wa­ren die letz­te Hoff­nung, und end­lich gin­gen auch die­se ein. Die al­ten Her­ren Pro­fes­so­ren, die ›D­ons‹, zo­gen mit ih­ren Bü­chern um­her, aber nie­mand frag­te mehr nach ih­nen, — sie wa­ren zu ein­sei­tig theo­re­tisch; ei­ni­ge lan­de­ten in Ar­men­häu­sern ers­ten oder zwei­ten Gra­des, um an­de­re nah­men sich mit­lei­di­ge Geist­li­che an, auch wur­de ein Ver­such ge­macht, sie ge­mein­sam in Dub­lin un­ter­zu­brin­gen, aber auch die­ser schei­ter­te, und bald hat­te man ih­rer ganz ver­ges­sen. Die Ge­bäu­lich­kei­ten wur­den, wie Ih­nen ja be­kannt, für alle mög­li­chen Zwe­cke ver­wen­det. Ox­ford war dann für ei­ni­ge Zeit Ma­schi­nen­fa­brik, und Cam­bridge eine Art staat­li­ches La­bo­ra­to­ri­um. Ich war ja sei­ner­zeit, wie Sie wis­sen, selbst in Kings Col­le­ge, und dar­um hät­ten die­se Din­ge für mich nicht schreck­li­cher sein kön­nen; im­mer­hin freut es mich, dass we­nigs­tens die Ka­pel­le of­fen­blieb, wenn auch nur als Mu­se­um. Es war wirk­lich nicht hübsch, in den Chor­stüh­len ana­to­mi­sche Prä­pa­ra­te auf­ge­stellt zu se­hen. Nun, ich den­ke, viel häss­li­cher war es auch nicht, als Sto­len und Tor­rö­cke dar­in hän­gen zu se­hen.«

»Und was ge­sch­ah mit Ih­nen?«

»O, ich kam sehr bald ins Par­la­ment und be­saß zu­dem et­was ei­ge­nes Ver­mö­gen. Aber für man­chen der an­de­ren war es sehr hart; sie hat­te eine ge­rin­ge Pen­si­on, we­nigs­tens alle die­je­ni­gen, die ar­beits­un­fä­hig wa­ren. Und doch, ich weiß nicht, ich glau­be, es muss­te so kom­men. Sie wa­ren ja nur we­nig mehr als pit­to­res­ke Über­bleib­sel, die nicht ein­mal die Gna­de re­li­gi­öser Über­zeu­gung hat­ten.«

Per­cy seufz­te wie­der und blick­te in das Ge­sicht des al­ten Man­nes, der, froh ge­launt, Erin­ne­run­gen al­ter Zei­ten auf­frisch­te. Plötz­lich, das The­ma wech­selnd, frag­te er: »Wie den­ken Sie hin­sicht­lich des eu­ro­päi­schen Par­la­ments?«

Der alte Herr be­gann von Neu­em.

»O! … ich den­ke, das wird auch noch kom­men, wenn der rich­ti­ge Mann ge­fun­den wer­den kann, der es durch­setzt. Das gan­ze ab­ge­lau­fe­ne Jahr­hun­dert dräng­te, wie Sie se­hen, dar­auf hin. Und der Pa­trio­tis­mus ist schnell aus­ge­stor­ben; aber er muss­te ver­schwin­den, wie die Skla­ve­rei und an­de­res un­ter dem Ein­fluss der ka­tho­li­schen Kir­che ver­schwun­den sind. Nun ist es ge­sche­hen ohne die Kir­che und die Fol­ge da­von ist, dass die Welt im Be­grif­fe steht, sich ge­gen uns zu wen­den, es ist ein or­ga­ni­sier­ter Ant­ago­nis­mus, — eine Art ka­tho­li­scher, all­ge­mei­ner An­ti­kir­che. Die De­mo­kra­tie hat be­sorgt, was die gött­li­che Mon­ar­chie ge­tan ha­ben soll­te. Wenn das Pro­jekt ver­wirk­licht wird, glau­be ich, mag uns noch ein­mal so et­was wie eine Ver­fol­gung be­vor­ste­hen … Aber ich wie­der­ho­le, viel­leicht ret­tet uns die Er­he­bung des Fer­nen Os­tens, wenn sie zu­stan­de kommt … Ich weiß nicht …«

Ei­nen Au­gen­blick noch blieb Per­cy ru­hig sit­zen, dann stand er plötz­lich auf.

»Ich muss ge­hen, Mr. Tem­ple­ton«, sag­te er, sich nun der Welt­spra­che Es­pe­ran­to be­die­nend, »es ist be­reits nach neun­zehn Uhr. Mei­nen bes­ten Dank. Kom­men Sie mit, Fa­ther?«

Die­ser in sei­nem dun­kel­grau­en Ge­wand, das den Pries­tern zu tra­gen ge­stat­tet war, er­hob sich eben­falls und nahm sei­nen Hut.

»Also, Fa­ther«, be­gann der alte Herr noch­mals, »kom­men Sie wie­der ein­mal, wenn ich Ih­nen heu­te nicht etwa zu schwatz­haft ge­we­sen bin. Ver­mu­te ich recht, Sie ha­ben noch Ihren Brief zu schrei­ben?«

Per­cy nick­te. »Die Hälf­te be­sorg­te ich schon heu­te Mor­gen«, sag­te er, »aber ich fühl­te, es fehl­te mir noch ein wei­te­rer Über­blick, wie er zum völ­li­gen Ver­ständ­nis un­be­dingt not­wen­dig ist, und ich dan­ke Ih­nen herz­lich, dass Sie ihn mir ge­ge­ben ha­ben. Es ist wirk­lich eine große Ar­beit, die­ser täg­li­che Be­richt an den Kar­di­nal-Pro­tek­tor, und ich den­ke schon dar­an, zu re­si­gnie­ren, wenn man es mir ge­stat­tet.«

»Mein lie­ber Herr, tun Sie das nicht. Wenn ich mir er­lau­ben darf, es Ih­nen ins Ge­sicht zu sa­gen, ich glau­be, Sie be­sit­zen sehr schar­fen Ver­stand; und ehe Rom nicht all­sei­tig un­ter­rich­tet ist, kann es nichts tun. Ich be­zweifle, ob Ihre Kol­le­gen hier­in so ge­nau wä­ren, wie Sie.«

Per­cy lä­chel­te, durch He­ben sei­ner dunklen Au­gen­brau­en ab­weh­rend.

»Kom­men Sie, ge­hen wir«, sag­te er.

Die bei­den Pries­ter trenn­ten sich an der Schwel­le des Kor­ri­dors, und Per­cy stand eine oder zwei Mi­nu­ten, in die wohl­be­kann­te Herbst­land­schaft hin­aus­bli­ckend und sich be­mü­hend, sie ganz zu er­fas­sen. Was er dort un­ten ge­hört hat­te, schi­en ihm so ei­gen­tüm­lich die­se Vi­si­on glän­zen­den Ge­dei­hens, die da vor ihm lag, zu be­leuch­ten.

Es schi­en hel­ler Tag zu sein. Künst­li­ches Son­nen­licht hat­te al­les über­wun­den, und Lon­don kann­te jetzt kei­nen Un­ter­schied mehr zwi­schen Dun­kel­heit und Licht. Er be­fand sich in ei­ner Art email­lier­ter Ar­ka­de, grob ge­pflas­tert mit ei­ner Kaut­schuk­mas­se, die den Fuß­tritt laut­los mach­te. Un­ter ihm, am Fuße der Trep­pe, ström­te eine end­lo­se Dop­pel­li­nie von Leu­ten, durch ein Ge­län­der ge­trennt, nach rechts und links hin, ge­räusch­los, ab­ge­se­hen von dem Ge­mur­mel der Es­pe­ran­to­wor­te, die sie wäh­rend des Ge­hens aus­tausch­ten. Durch die kla­ren, mas­si­ven Schei­ben des öf­fent­li­chen Gang­stei­ges sah man auf eine brei­te, glat­te Stra­ße von dunklem Aus­se­hen, nach den Sei­ten hin an­stei­gend und in der Mit­te ge­furcht, die be­zeich­nen­der­wei­se leer war. Und als er so dort stand, tön­te ein Geräusch fern­her von Alt-West­mins­ter, gleich dem Sum­men ei­nes Rie­sen­bie­nen­stockes und mit dem Nä­her­kom­men stär­ker wer­dend. Im nächs­ten Au­gen­blick saus­te ein durch­sich­ti­ges, nach al­len Sei­ten Licht aus­strah­len­des Et­was vor­über, und dann nahm das Geräusch wie­der ab, in Sum­men und schließ­lich Schwei­gen über­ge­hend, — der große Staats­mo­tor vom Sü­den war vor­bei­ge­rast, um die Post nach dem öst­li­chen Lon­don zu be­för­dern. Dies war eine re­ser­vier­te Stra­ße, nur Staats­fahr­zeu­ge durf­ten sie be­nüt­zen, und auch die­sen war eine Schnel­lig­keit von nicht mehr als hun­dert eng­li­schen Mei­len in der Stun­de ge­stat­tet.

Al­les an­de­re Geräusch war in die­ser kau­tschuk­ge­pflas­ter­ten Stadt un­ter­drückt; die Zir­ku­la­ti­ons­we­ge für Fuß­gän­ger wa­ren hun­dert Yards ent­fernt, und der Un­ter­grund­ver­kehr lag zu tief, um sich an­ders als durch ein schwa­ches Vi­brie­ren fühl­bar zu ma­chen. Die­se Vi­bra­ti­on zu be­sei­ti­gen und den Lärm der ge­wöhn­li­chen Fahr­zeu­ge ab­zu­schwä­chen, das war wäh­rend der letz­ten zwan­zig Jah­re das Stre­ben der staat­li­chen Sach­ver­stän­di­gen ge­we­sen.

Und ehe er wei­ter­ging, ver­nahm er wie­der über sich einen lang ge­zo­ge­nen, auf­fal­lend wohl­klin­gen­den und durch­drin­gen­den Laut, und als er sein Auge von dem Schim­mer des ru­hig da­hin­flie­ßen­den Stro­mes, der al­lein al­len Wand­lun­gen stand­ge­hal­ten hat­te, er­hob, sah er hoch über sich in den schwe­ren, lich­ten Wol­ken einen lan­gen, schlan­ken Ge­gen­stand von sanf­tem Licht um­ge­ben gen Nor­den schwe­ben und auf aus­ge­spann­ten Schwin­gen ent­schwin­den. Die­ser wohl­tö­nen­de Klang ging von ei­nem der Luft­schif­fe der eu­ro­päi­schen Li­nie aus, das sei­ne An­kunft in der Haupt­stadt Groß­bri­tan­ni­ens an­zeig­te.

»Bis un­ser Hei­land wie­der­kehrt«, dach­te er bei sich selbst, und das Elend über­kam einen Mo­ment sein Herz. Wie schwer war es doch, den Blick auf je­nen fer­nen Ho­ri­zont ge­rich­tet zu hal­ten, wäh­rend die­se Welt vor ihm lag, so be­stri­ckend in ih­rem Glan­ze und ih­rer Kraft. O, noch vor ei­ner Stun­de hat­te er sich mit Fa­ther Fran­cis dar­über un­ter­hal­ten, dass ein Un­ter­schied be­ste­he zwi­schen äu­ße­rer und in­ne­rer Grö­ße, und dass ein im­po­nie­ren­des Äu­ße­res nicht ein un­be­deu­ten­des In­ne­res aus­schlie­ße; und er war so fest über­zeugt von die­sem sei­nem Stand­punk­te, — und den­noch blieb ein Zwei­fel, bis er ihn end­lich selbst zum Schwei­gen zwang, in­dem er in sei­nem Her­zen zu dem ar­men Man­ne von Na­za­reth em­por­fleh­te, er möge sein Herz dem Her­zen ei­nes Kin­des gleich be­wah­ren.

Sei­ne Züge nah­men den Aus­druck der Ent­schlos­sen­heit an. Wie lan­ge wohl Fa­ther Fran­cis sei­nen Stand­punkt wür­de auf­recht­er­hal­ten kön­nen, dach­te er bei sich und stieg die Trep­pe hin­ab. —


  1. Stadt­teil in der In­nen­stadt Lon­d­ons  <<<

  2. Die eng­li­schen Ka­tho­li­ken le­gen den Welt­geist­li­chen den Ti­tel: Fa­ther (Va­ter) bei.  <<<

  3. an­ti­mi­li­ta­ris­ti­sche Be­we­gung, be­nannt nach ih­rem Be­grün­der Gu­sta­ve Her­vé  <<<

  4. kon­ser­va­ti­ve Par­tei des bri­ti­schen Par­la­ments  <<<

  5. Ver­zicht auf gött­li­che At­tri­bu­te bei der Men­sch­wer­dung Je­sus Chris­tus  <<<

  6. Meeren­ge zwi­schen der öst­lichs­ten Stel­le Asi­ens und dem west­lichs­ten Punkt des ame­ri­ka­ni­schen Fest­lands  <<<

  7. Grie­chisch ›sein‹ und ›nicht‹  <<<

Erstes Buch – Die Ankunft

Erstes Kapitel

1.

Oli­ver Brand, der neue Ab­ge­ord­ne­te für Croy­don, saß in sei­nem Stu­dier­zim­mer und sah über sei­ne Schreib­ma­schi­ne hin­weg aus dem Fens­ter. Sein Haus, ge­gen Nor­den ge­rich­tet, war am äu­ßers­ten Ende ei­nes Aus­läu­fers der Sur­rey­hü­gel, die jetzt in­fol­ge der Tun­nels und Durch­brü­che kaum mehr zu er­ken­nen wa­ren; nur einen Kom­mu­nis­ten konn­te die jet­zi­ge Aus­sicht noch be­geis­tern. Un­mit­tel­bar un­ter­halb der brei­ten Fens­ter fiel das um­grenz­te Ge­län­de auf etwa hun­dert Fuß hin und in eine Mau­er aus­ge­hend steil ab, wäh­rend jen­seits der­sel­ben, so­weit das Auge reich­te, die Welt — der Mensch und sei­ne Wer­ke — Tri­um­phe fei­er­te. Zwei brei­te Schie­nen­we­ge, ei­ner Renn­bahn glei­chend, je­der min­des­tens eine Vier­tel­mei­le breit und zwan­zig Fuß tiefer als das um­lie­gen­de Ge­län­de ge­legt, lie­fen nach ei­nem, eine Mei­le wei­ter ent­fern­ten Ve­rei­ni­gungs­punkt, wo sie sich kreuz­ten. Der eine der­sel­ben, der lin­ke, war die Haupt­li­nie nach Brighton, im Kurs­buch mit großen Buch­sta­ben be­zeich­net, der rech­te die Ne­ben­li­nie nach Tun­bridge und Has­tings. Jede die­ser bei­den Li­ni­en war in ih­rer Mit­te durch eine Ze­ment­mau­er ge­teilt, auf de­ren ei­ner Sei­te auf Stahl­schie­nen die elek­tri­sche Tram­bahn hin­führ­te; die an­de­re Sei­te bil­de­te den in drei Tei­le ge­teil­ten Au­to­mo­bil­fahr­weg. In dem Ers­ten fuh­ren, mit ei­ner Schnel­lig­keit von hun­dert­fünf­zig eng­li­schen Mei­len in der Stun­de, die staat­li­chen Wa­gen, im zwei­ten Pri­vat­au­to­mo­bil, de­nen nicht mehr als sech­zig Mei­len in der Stun­de ge­stat­tet wa­ren, im Drit­ten war der bil­li­ge Staats­wa­gen­ver­kehr, mit drei­ßig Mei­len, un­ter­ge­bracht, mit Sta­tio­nen nach je fünf Mei­len. Da­ran schloss sich der für Fuß­gän­ger, Rad­fah­rer und ge­wöhn­li­che Fuhr­wer­ke be­stimm­te Weg, auf wel­chem kein Fahr­zeug die Schnel­lig­keit von zwölf Mei­len in der Stun­de über­schrei­ten durf­te. Jen­seits die­ser großen Strän­ge dehn­te sich ein un­ab­seh­ba­res Meer von Dä­chern hin, aus dem hier und da nie­de­re Tür­me als Kenn­zei­chen der öf­fent­li­chen Ge­bäu­de her­vor­tra­ten, und von Ca­ter­ham zur Lin­ken bis zu dem ge­ra­de­aus lie­gen­den Croy­don er­schi­en al­les rein und klar in der rauch­frei­en Luft; fern ge­gen Wes­ten und Nor­den ho­ben sich die nie­de­ren Vor­stadt­hü­gel vom April­him­mel ab.

In An­be­tracht der zahl­rei­chen Be­völ­ke­rung hör­te man er­staun­lich we­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­