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Titel

Impressum

Wir sind nicht alleine!!

„Ich fühle mich schlecht!

„Wann kommst Du an, Juana?“

Stichwortverzeichnis

ÜBER DEN AUTOR

MEHR SPANNUNG VON F. A. CUISINIER

 

 

 

F. A. Cuisinier

 

 

 

Die Entführung

der Indianerin Juana aus den Katakomben von Paris

 

 

 

 

Erotischer Science-Fiction-Roman

 

 

 

 

DeBehr

 

Copyright by: F. A. Cuisinier

Herausgeber: Verlag DeBehr, Radeberg

Erstauflage: 2018

ISBN: 9783957535962

Grafiken Copyright by Fotolia by Nordreisender und SamsonFM

 

 

 

Wir sind nicht alleine!!

 


„Ich fühle mich schlecht!

Aber auch irgendwie erleichtert!“

Ein kahles Patientenzimmer, weiß gestrichen, ohne irgendetwas Schönes, wenn man mal von dem 08/15-Bild absieht, das, mehr oder weniger scheußlich, in jedem Patientenzimmer hängt. Kein geöffnetes Fenster, durch das man wenigstens die Vögel draußen zwitschern hören könnte. Kein Mobiliar, außer dem Spezialbett mit Wassermatratze, um ein Wundliegen zu vermeiden. Daneben der Infusionsständer mit der daran hängenden Flasche, die heute schon dreimal gewechselt wurde. Auf der anderen Seite der Mülleimer für die Tupfer, Mullbinden und Spritzenverpackungen. Es riecht nach verfaulter Haut, Äther und scharfen Flüssigkeiten, die zum Entfernen der Blutkrusten notwendig sind. Ein Ort des Siechtums und des nahen Todes, den man schnell verlassen und noch schneller vergessen will!

„Und ich bin doch froh, dass es jetzt bald losgeht! Sooft habe ich es mir gewünscht, gleich habe ich es geschafft! Man sagt ja, dass kurz vor dem Tod das ganze Leben an einem vorbeizieht. Dann sehe ich sie ja wieder: Meine Eltern, die mir so eine schöne Kindheit bereitet haben, aber die so gar nicht einverstanden waren mit meinen beruflichen Entscheidungen, meinem Leben. Die kein Verständnis hatten für das, was mich bewegte, was mir wichtig war und leider ermordet wurden, als wir uns gerade wieder angenähert hatten! Die Schulkameraden und Nachbarskinder, die sich einen Spaß daraus machten, mich zu hänseln, ihren Frust über ihr beschissenes Elternhaus an mir ausließen – meine Lehrer, einer eitler als der andere, alte, stockkonservative Spießer, die vermutlich, jeder einzelne, mehr Leichen im Keller hatten, als man mir in meinem Leben unterstellt hat – meine Lover, eine stattliche Anzahl, für keinen war ich wirklich das, was er sich erhofft hat! Aber ich habe keinem von ihnen wissentlich und vorsätzlich wehgetan, war einfach nur nicht die Richtige. Großvater werde ich wiedersehen, auf ihn hätte ich hören sollen, er hatte den Durchblick, wusste, wo es lang geht, ich dumme Gans hatte keine Ahnung von den wichtigen Dingen im Leben! Virginie, meine Freundin, war zur falschen Zeit am falschen Ort! Wenn ich nicht nach Paris gekommen wäre, nicht mit ihr in dieses verdammte Kino gegangen wäre – ach Scheiße, jetzt alles mir anzukreiden, wäre auch nicht fair, ist halt passiert! Goron, ich sehe Dich wieder in Morania – das ist mir das Wichtigste! Dort werden wir ein Paar sein, mit vielen Kindern und Enkeln, einer großen Familie und dort mit Großvater und Virginie zusammen in Frieden leben! Darauf freue ich mich so sehr!

Deswegen ist es gut so, wie es gleich kommt!

Gleich werden sie mich holen – hoffentlich haben sie mein Sterbezimmer so hingekriegt, wie ich es mir gewünscht habe: Fichten und Tannen aus dem Gartencenter, frisch geschlagenes Holz, grobe Späne am Boden, eine CD mit Waldvogelstimmen, ein Baumstumpf als Tisch, darauf die Spritze. Kein Mensch im Raum, wenn es passiert. Ja das will ich so, hat doch sowieso keinen Zweck mehr mit dem Körper!

Nachmittags, haben sie gesagt, nach dem immer gleichen Tagesablauf müsste es bald so weit sein!

Da kommen sie, ich höre Schritte auf dem Flur – und – jetzt hab ich eine Scheißangst, verdammt noch mal! O. k., dann soll es so sein, ist besser so!“

 

 

„Wann kommst Du an, Juana?“

„Um, warte, ich hab’ schon wieder die Uhrzeit vergessen – um 4.35 Uhr, ich ruf Dich vom Handy aus an, Virg, wenn ich aus dem Flieger draußen bin!“

„D’accord! Ich hol Dich ab und dann lassen wir’s krachen, dass Paris noch Jahrzehnte davon spricht!“

„Aber hallo! – Ich freu’ mich auf Dich!“

„Ich freu’ mich auch! Guten Flug!“

„Danke, bis nachher!“

„Das wird ein Scheißflug, werde dauernd daran denken müssen, was ich Nick gestern Abend alles an den Kopf geworfen habe, am besten, ich nehme eine Schlaftablette!“

„Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten, Kaffee, Tee, Saft oder was Hochprozentiges?“ Die äußerst attraktive Flugbegleiterin, sehr dezent eingehüllt in eine Wolke eines ziemlich erotisch duftenden Parfüms, beugte sich zu Juana hinunter.

„Nein, danke, wenn Sie bitte eine Schlaftablette hätten, aber keine so starke, damit ich in Paris wieder im Vollbesitz meiner körperlichen und geistigen Fähigkeiten bin!“

„Natürlich, bitte sehr, etwas zum Runterspülen, Wasser oder etwas anderes?“

„Wasser ist o. k., danke!“

„Wow!, dachte Juana, „das ist ja ein Sahneschnittchen erster Güte, die sollte ich eigentlich in Paris zu einer kleinen, aber feinen, ‚Ménage à trois‘ bei Virginie einladen! Aber Virginie und ich, wir haben uns so viel zu erzählen, lieber doch nicht! Jetzt erst mal ein bisschen schlafen, war alles zu viel in den letzten Tagen!“

 

 

Ihr altes Kinderzimmer in Aspen, damals, als es noch schön und nicht so überlaufen war von dämlichen, eingebildeten, neureichen Ski-Touristen mit ihren genauso dämlichen, eingebildeten, schreienden Bastarden: Draußen zwitschern die Vögel, schreit ein Weißkopfseeadler, alles riecht nach frisch geschlagenem Holz und gerade gehäckselten Spänen, aus der Küche im Erdgeschoß duftet es nach frischem Kaffee, den ihr Großvater jeden Morgen um 5.30 Uhr macht – da hat er im Winter schon die Einfahrt von Schnee freigeschaufelt, im Nachthemd und nur so reingeschlüpfter Hose! Gleich wird er sich sein Frühstück machen: Eine dicke Schnitte Brot, dünn Butter drüber und drei frische Knoblauchzehen draufdrücken, die andere Scheibe Brot mit dick Griebenschmalz drauf, dazu den Kaffee, der Tote aufweckt – den Geruch bekommt man nie aus der Nase! Herrlich!

Plötzlich springt die Tür auf, Dr. Matthews stürmt herein: „Tomlinson, schon wieder bist Du zu spät! – Und Deine Hausaufgaben hast Du wahrscheinlich auch nicht gemacht! Was soll bloß aus Dir werden, als Pennerin wirst Du enden am Nebraska-Boulevard!“

„Lass Dich nicht verbiegen, Büffelchen, geh’ Deinen Weg!“

„Danke Großvater!“

„Feuer, Feuer!!“ Bill Clinton stürzt herein, im Kampfanzug mit Sturmgepäck. „Nick wartet im Auto, wir machen einen Ausflug ans Meer, pack’ schnell Deine Sachen!“

Auf dem Fenstersims sitzt ein Seeadler, in einer Kralle hält er ihre Puppe Madeleine, ihr Kopf ist schon halb abgebissen.

„Und am Schulausflug nächste Woche darfst Du auch nicht teilnehmen, wollen doch mal sehen, ob ich nicht doch noch ein anständiges, christliches Mädchen aus Dir machen kann!“

„Der Wald hinter meinem Haus strahlt so eine Ruhe und Geborgenheit aus, am liebsten würde ich immer im Wald leben wie ein Reh, an meiner Seite mein Kitz, die Sonne scheint grell durch die hohen Bäume.“

„Stell’ Dich nicht so an, es tut nicht weh! Fass ihn ruhig an, Du wirst sehen, wie groß er dann wird!“

„Aber Mr. Matthews, ich möchte das nicht!“

„Zieh Dein Höschen aus, ich will sehen, ob Du schon Schamhaare hast!“

„Bitte nicht, es tut weh, es tut weh!“

„Und wehe, Du erzählst irgendwem davon, dann wird es Deiner Familie schlecht ergehen! Du weißt, ich kann Deinen Vater rauswerfen, wann immer ich will, ich bin der Direktor! – Und morgen kommst Du um 15 Uhr zu mir nach Hause zur Nachhilfe und dann mache ich Dich zur Frau! Du wirst sehen, wie schön das für Dich sein wird!“

„Feuer, Feuer – das Haus brennt lichterloh! – Die weißen Männer sind überall!“

Mr. Matthews taumelt ins Zimmer, brennt lichterloh, seine Haut löst sich vom Körper, sein Gesicht eine einzige brennende Fratze.

„Und morgen nach der Schule musst Du wieder nachsitzen!“

„Miss Tomlinson, geht es Ihnen gut, Sie haben im Schlaf geschrien!“

„Oh Gott! Schon wieder! Wo bin ich?“

„Im Flugzeug nach Paris, alles in Ordnung! Möchten Sie einen Kaffee, wir werden bald landen!?“

„Ja, bitte, das wäre sehr lieb, den brauch’ ich jetzt!“

„Einen Muffin dazu?“

„Nein, danke, ich freu’ mich riesig auf mein erstes Croissant in diesem Jahr!“

„Scheiß Albträume, die werde ich wohl nie los!“

 

 

„Ich hab’ den Flieger gerade verlassen, Virg, bin gleich bei Dir!“

„D’accord!, Kann’s kaum erwarten, bis gleich!“

„Juana! Schön, Dich wieder zu sehen!“

„Virginie, meine Sonne!“

„Hattest Du einen guten Flug?“

„Ich hab eine Schlaftablette genommen, um keine schlechten Träume zu haben, hat aber nicht geklappt, war schlimmer als sonst!“

„Matthews?“

„Ja, diesmal ist er verbrannt.“

„Armes Ding!“

„Ich brauch jetzt ein frisches Croissant, ein Pain au Chocolat und einen Café très fort und dann möchte ich bei Dir zu Hause Deine neuesten Dessous sehen, eine kleine Modenschau und so!“

„Und so auch?“

„Vor allem „und so“, darauf hab ich mich schon seit Monaten gefreut!“

„Monsieur, s’il vous plaît, deux Café très fort, deux croissant beurre et un pain au chocolat. Merci!“

„Virg, warum muss immer alles so kompliziert sein, warum geht es nicht einfach, das Leben kann so einfach sein, mein Großvater hat sein ganzes bisheriges Leben einfach verbracht und ist glücklich!?“

„Weil es darauf ankommt, wie man aufgewachsen ist. Wenn Du in New York als Tochter eines jüdischen Rabbis geboren wirst, hast Du die Arschkarte gezogen, Dein Großvater hatte das Glück bei den Lakota groß zu werden, dort hat er gelernt, was wichtig ist im Leben!“

„Aber Nick ist ein Naturkind wie ich und macht trotzdem alles kompliziert!“

„Nick ist ein Yuppie, er hat seine Herkunft immer als Belastung angesehen, als Makel, Vater Chinese, Mutter Lakota, für ihn ein Albtraum! Er will nach oben, ganz oben, da ist kein Platz für Gefühlsduseleien, er hat keine Zeit für eine traumatisierte Indianerin, die über Jahre von ihren Lehrern vergewaltigt wurde, viel Zuwendung braucht und eigentlich nur weglaufen will, in den Wald zu ihren Vorfahren!“

„Du hast sicher recht, aber ich dachte, ich liebe ihn!“

„Du liebst so viele Menschen, mich zum Beispiel, Deinen Großvater, Dein Volk, jeden gut aussehenden Jungen, der Dir über den Weg läuft und den Du Deiner Sammlung einverleiben willst – da bleibt für Nick nicht mehr viel übrig, das hat er wahrscheinlich gespürt und sich in die Arbeit gestürzt !“

„Bin ich wirklich so schlimm?“

„Du bist die wunderbarste, gefühlvollste, stärkste, kämpferischste und geilste Frau auf diesem Planeten, ich liebe Dich und kann es gar nicht abwarten, an Deinen Nippeln zu lutschen und Dich vollkommen verrückt zu machen! Denk nicht so viel nach über das Leben, genieße es, wo Du kannst!“

„Danke Dir, vielleicht hast Du recht, ich sollte mir nicht mehr so viel Gedanken machen, das Leben genießen und vögeln, was das Zeug hält!“

„Genau so bist Du meine große, starke Indianerin! Wir zeigen es den Männern!“

„Auf uns, die Männer und die Frauen, die den Männern zeigen, wer das starke Geschlecht ist!!“

 „Santé!! Eigentlich erstaunlich, dass Du so eine herrlich versaute Frau geworden bist, bei Deinen Erfahrungen in der Kindheit! Das passt eigentlich gar nicht zusammen! Hast Du mal mit einem Psychiater darüber gesprochen?“

„Hab ich, der meinte, durch meine Vergewaltigungserfahrungen hat sich meine Sexualität verändert, sodass ich heute Spaß daran habe, Männer zu manipulieren und es genieße, dass sie mir bis zum Orgasmus willenlos ausgeliefert sind, Gerüche und Geschmack beim Sex lösen bei mir eine durch nichts zu verhindernde Sex-Sucht aus, ich bin dann nicht aufzuhalten! Das ist derselbe Effekt, wie ihn der Hase bei einem Windhund auslöst!

Sagte der Psychiater! Sprach’s, holte seinen Schwanz heraus, drückte meine Schultern nach unten und steckte ihn mir in den Mund – einfach herrlich, ich hab es sehr genossen, brauchte auch nichts zu bezahlen!“ Beide lachten!

„Ach, Metrofahren ist doch einfach entspannend!“

„Aber nur ganz früh oder ganz spät!“

„Ist die Station ‚Abbesses‘ jetzt fertig?“

„Seit zwei Wochen, ist recht nett geworden, alles schön restauriert, jetzt brauch’ ich nur 5 Minuten bis nach Hause! Neulich hab ich an der Place Émile Goudeau spätabends einen Exhibi gesehen!“

 „Echt?“

„Ja, ich ging Richtung Rue Gabrielle, da stand er plötzlich vor mir, langer, schwarzer Mantel, schwarze Strumpfmaske über dem Kopf und rief: „Halt, Du kommst mir nicht davon!“ Ich dachte schon, o. k., den nimmst Du mit nach Hause und machst ihn fertig, dass er nicht mehr weiß, ob er Männlein oder Weiblein ist! Aber der Loser, reißt seinen Mantel auf, drunter splitternackt, mit so einem großen Ständer, sagt aber kein Wort! Du kennst mich ja, ich flüsterte ihm zu: „Junge, Junge der würde aber perfekt in meine Muschi passen!“ Stell Dir vor, der ist panisch weggerannt! Wenn der wüsste, was ihm entgangen ist!“

„Der Arme wird es nie erfahren! Solche Typen haben nur ‘ne große Klappe, aber nichts dahinter, wahrscheinlich hätte er keinen mehr hochgekriegt, wenn Du ihn Dir zu Hause vorgenommen hättest!“

„Ja, wahrscheinlich, aber geil war sein Teil schon, hab tagelang dran denken müssen!“

„Und Dir in Gedanken an den schönen Schwanz mit Deinem Dildo mächtig starke Orgas bereitet!“

„Na klar, Du warst ja nicht da!“

„Das holen wir nach, auch ohne Kerle!“

„Ja, das machen wir, auf nach Hause!“

 

 

Der Weg von der Metro-Station Abbesses bis zu Virginies Appartement in der Rue Gabrielle ist einer der schönsten in ganz Paris, der Place Émile Goudeau mit der alten Pariser Bank, Blick auf Paris, das Bateau Lavoir, in dem so viel Kunstgeschichte geschrieben bzw. gemalt wurde, vorbei an Picassos erstem Atelier, an dem kleinen Kellerladen, in dem die Maler der Place du Tertre ihre Leinwände und Malutensilien kaufen und in dem schon so viele Künstler ihren Pastis mit dem Inhaber getrunken haben. Picasso und seine Muse Fernande Olivier, seine Malerfreunde Derain, Modigliani, Braque, Gris, der Zöllner Rousseau, de Vlaminck, der Schriftsteller Max Jakob und viele andere. Man fühlt sich dann irgendwie in diese Zeit versetzt und würde sich dann nicht wundern, wenn Picasso plötzlich, wie so oft, an der Place Émile Goudeau seine Pistole ziehen und wie wild rumballern würde in seinem Suff! Sehr schade, nicht dabei gewesen zu sein!

„Ich bin schon in den besten Hotels der Welt mit den tollsten Aufzügen gefahren, aber die alten, schmiedeeisernen Dinger hier in den Altbauten haben einfach was, das ist Nostalgie pur, irgendwie gemütlich!“

„Stimmt! Aber nur wenn sie funktionieren, ich bin schon x-mal in ihnen steckengeblieben!“

„Ich bin vor ein paar Wochen in Cincinnati in einem Skyscraper zwei Stunden lang im Aufzug steckengeblieben. Mit mir war ein ziemlich gut aussehender Latino eingeschlossen, was glaubst Du, wie die Monteure geguckt haben, als sie die Türen aufgedrückt haben!?“

„Das kann ich mir vorstellen, Du geiles Stück!“

 

 

In Virginies Bude angekommen haben beide erst mal das gemacht, was sie immer machen, wenn Juana aus den Staaten zu ihr zu Besuch kommt: lange warm duschen, sich gegenseitig waschen und aufgeilen. Virginie zieht ihre neuesten Dessous an und erzählt Juana dabei von ihren vielen Liebesabenteuern, bis sie irgendwann so aufgeheizt sind, dass sie den restlichen Tag im Bett verbringen, von einem zum nächsten Orgasmus schweben und nach ein paar Stunden völlig kaputt, eng umschlungen, einschlafen und erst wieder aufstehen, wenn ihnen furchtbar der Magen knurrt. Juana geht dann freiwillig Croissants holen, saugt Paris in sich ein und ist glücklich, was selten vorkommt, sehr selten!

„Was machen wir heute Abend?“

„Ich hab eine Überraschung für Dich! Guy hat für uns eine Einladung in die Katakomben zu einer schwarzen Party ergattert! Wo wir in die Gänge einsteigen, weiß ich noch nicht, Guy sagt, er kriegt eine SMS mit dem Treffpunkt, dort werden uns die Augen verbunden und sie führen uns hinein. Ich hab schon Stirnlampen besorgt! Das wird total aufregend! Ich muss der Katze Futter hinstellen, vor 9 Uhr morgens kommen wir nicht zurück!“

„Wow! Das ist echt abgefahren, das habe ich immer schon mal machen wollen, hab schon so viel drüber gehört und gelesen, das muss man mal erlebt haben! Was ziehen wir an?“

„Was Schwarzes natürlich, passend zum Sterben!“

 

 

Um 23.15 Uhr bekam Virginie die SMS von Guy. „Wir sollen zum Cimetière St. Vincent kommen, das ist der Friedhof unterhalb von Sacré Cœur, wo der Maler Maurice Utrillo begraben ist.“

Ab 18.00 Uhr sind normalerweise alle Pariser Friedhöfe geschlossen, sie waren gespannt, wie es weitergehen würde!

Sie warteten an der Eingangspforte, einem großen, schweren, grauen Eisentor, was tatsächlich verschlossen war. Um diese Uhrzeit war niemand unterwegs, die Nachtschwärmer waren noch in ihren Wohnungen, um sich auf die Nacht vorzubereiten. In den frühen Morgenstunden wäre ganz schön was los gewesen hier, wenn sie wieder nach Hause geschlichen wären, oder gewankt, je nachdem.

„Ich liebe Friedhöfe! Es ist irgendwie unerklärlich, aber die Atmosphäre eines Friedhofs bei Nacht ist schon ganz speziell. Man weiß, hier liegen nur Tote, die Dir nichts mehr tun können, aber die Geschichten rund ums Totenreich hast du im Kopf und kannst dich ihrer nicht entziehen! Als Jugendliche haben wir oft auf den Friedhöfen gespielt, wir fanden das cool. Z. B. traf man sich vor dem Eingang, kletterte über den Zaun, um sich dann mit dem Auftrag zu trennen, die anderen zu erschrecken! Ich war immer sehr gut darin, den anderen einen Schreck einzujagen, weil ich sehr einfallsreich war im Suchen von Verstecken. Von dort aus, versteckt hinter Büschen, großen Grabsteinen oder Mausoleen konnte ich in Ruhe abwarten, bis jemand vorbeischlich, sich ängstlich umguckend, bis er oder sie auf meiner Höhe war und mein „Uuaahhh!!!“ sie bis ins Mark erschütterte und sie zitternd und bebend wegrannten! Ein herrlicher Spaß! Aber eines Tages hat es mich dort auch mal erwischt! Wir waren wieder über den Zaun geklettert, hatten uns geteilt und ich hatte ein derart perfektes Versteck gefunden, dass mich keiner fand und erschrecken konnte. Nach einer Stunde wurde es mir langweilig, vielleicht waren die anderen ja längst nach Hause gegangen!? Ich verließ mein Versteck in Richtung Ausgang, tatsächlich niemand da, alle waren bereits weg. Der Mond stand hell und voll über mir, alles total ruhig. Plötzlich knackte etwas hinter mir! Der Schreck fuhr mir in die Glieder und plötzlich war ich es, die zitterte, aber kein „Uuaahhh!“ kam und ich schlug mich schnell in die Büsche rechts von mir! Was war passiert? An der Stelle, wo ich das Knacken gehört hatte, stand ein großer Baum, auf dem ein schwarzer Vogel geschlafen hatte und von mir gestört worden war. Vor Schreck war er zur Seite gehüpft und hatte dabei einen morschen Ast getroffen, der direkt hinter mich gefallen war! Ich atmete tief durch, ziemlich erleichtert, schlich aber trotzdem irgendwie geschlagen davon!“

„Ich glaube, ich hätte mir ins Höschen gemacht!“

„Hab ich auch!“

Das Friedhofstor öffnete sich plötzlich mit einem verräterischen Knarren und Quietschen. „Virginie?“

 „Oui!“

„Hierher, nach links!“

„Salut, Guy!“

„Salut Virginie, wen hast Du denn dabei?“

„Juana.“

„Salut Juana, das verspricht ja eine geile Nacht zu werden, im wahrsten Sinne des Wortes!“

„Das will ich doch stark hoffen, glaubst Du, ich bin von Usa hierhergeflogen, um Paris Miniatur zu besuchen?“

„Ganz die alte Juana!“

„Ganz der alte Schwerenöter, Salut Guy!“

„Hier, setzt die schwarzen Hauben auf, sonst kommen wir nicht weiter!“

Sie setzten solch nonnenartige Hauben auf, die auch vorne geschlossen waren und diese wurden augenblicklich an ihren Hinterköpfen festgezogen und verknotet. Eine Hand führte sie weiter. Am Anfang setzten sie noch sehr vorsichtig einen Fuß vor den anderen, aber nach und nach gewannen sie mehr Vertrauen und es ging etwas schneller. Links, rechts, vier Stufen hinunter, wieder rechts, wieder knarrte eine Tür, wieder links, wieder eine Treppe runter, diesmal mit vielen Stufen. Nach ein paar Minuten wurden sie von einer unbekannten Stimme aufgefordert, stehen zu bleiben und man nahm ihnen die Hauben ab. Sie sahen aber absolut nichts, es war stockduster! Jemand fummelte an ihren Köpfen herum, zog ihnen die mitgebrachte Stirnlampe über den Kopf und schaltete das Licht an. Sie waren total geblendet, es tat in den Augen weh!

„Schaut Euch nicht gegenseitig an, bis Ihr Euch an das Licht gewöhnt habt!“

„Wer bist Du denn, wo ist Guy!?“

„Der holt noch weitere Gäste von anderen Einstiegsstellen ab!“

„Und wie war doch gleich der Name!?“

 „Ab hier gibt sich jeder einen Fantasie-Namen, der zum Motto der Fête passen sollte, ich bin der „Knochenbrecher.“

„Sehr fantasievoll, wir überlegen uns was!“

„Hier geht’s weiter!“

Sie mussten einen etwas holprigen Gang mit sehr grob gepflasterten Steinen abschüssig entlang gehen, mit mehreren leichten Kurven, wieder ein paar Stufen runtersteigen, bis sie nach etlichen Minuten an eine weitere Eisentür gelangten. Der Knochenbrecher klopfte ziemlich grob an die Tür. Eine zigarettenschachtelgroße Klappe in Kopfhöhe wurde geöffnet. „Passwort?“

„Sartre küsst Beauvoir.“

„D’accord! Entrée!“

Es wurde etwas heller, sie nahmen ihnen die Stirnlampen ab und hängten sie neben der Tür an vorbereitete Haken, die schon ziemlich behängt waren.

Juana und Virginie befanden sich in einem riesigen, sehr niedrigen Raum, der von starken, dunkelroten Strahlern erhellt wurde. Die Mitte des Raumes war ausgefüllt mit einer überdimensionalen Bühne aus schwarzem Polster, die rundherum, bis auf einen kleinen Eingang, von schwarzen Helebarden eingezäunt war, an denen mittelalterliche Waffen, wie „Neunschwänzige Katzen", Degen und Rapiere, Schwerter und Handschellen hingen. Am Fuße des „Helebarden-Zauns“ brannten kleine Feuer, die aus überdimensionalen alten Öllampen loderten. Zwischen den Öllampen standen große Schalen, aus denen Weihrauch, Myrrhe und andere Kräuterdüfte in kräuselnden Rauchwölkchen aufstiegen.

Im Hintergrund hingen brennende Fackeln an der Wand. Leise, düstere Musik spielte, die aber von dem Getuschel der vielleicht fünfzig schwarz gekleideten Menschen übertönt wurde. Sie standen grob verteilt im Raum, eingehüllt in teils skurrile Verkleidungen. Frauen, teils in langen schwarzen Kleidern, ohne Verzierungen, fast sarggerecht schlicht, aber mit schwarzen Hüten, Kopftüchern und langen schwarzen Schals. An den Händen fast ausnahmslos schwarze, teils über die Ellbogen reichende Handschuhe. Als Oberteile sah man schwarze Seidenblusen, die durch die Feuer glänzend flackerten, aber auch durchsichtige, teils in Fetzen hängende Stoffbahnen. Ihre Füße steckten in schwarzen, meistens mittelalterlichen Schuhen, die die meistens verhüllten Beine der Frauen trotzdem irgendwie erotisch hervorhoben.

Virginie und Juana hatten ähnliche, aber kurze schwarze Röcke an, mit Schleppen an einer Seite, schwarzen ellbogenlangen Handschuhen und schwarzen, aber durchsichtigen Blusen, die ihre wohlgeformten Brüste fantastisch zur Geltung brachten. Virginies blonde, lange Haare hatte sie unter einem schwarzen Piratenkopftuch versteckt, sie lugten aber trotzdem überall heraus und gaben ihr um die Schultern so einen rotgoldenen Schimmer, der vom Feuer und den Strahlern erzeugt wurde. Sie sah aus wie das Christkind in Schwarz.

Juana hatte ihre pechschwarzen, langen Haare offen gelassen und Zöpfchen geflochten, in denen kleine Totenköpfe, Augäpfel, Kreuze und Vogelkrallen aus Kunststoff eingearbeitet waren. An einer groben, schwarzen Kette um Juanas Hals hing ein großes Indianermesser aus dunklem, uraltem Hickory-Holz, das ein alter Arapaho-Indianer ihrem Großvater geschenkt hatte, als der ihn mal aus dem eisigen Red River fischte, in dessen Ufereis er eingebrochen war. Ihr Großvater hat ihr dieses Messer am Ende des Colleges geschenkt zum Zeichen, dass sie als Erwachsene in den Stamm aufgenommen worden ist.

Die Männer hatten, wie die Frauen, sarggerechte, schlichte Kleidung an, manche lange Mäntel, die vorne offen waren, glänzende, schwarze Lederhosen, die an den Seiten geschnürt waren, wie Juana es von ihren indianischen Verwandten kannte. Manche verzichteten ganz auf Hemden oder T-Shirts, trugen nur Ketten um den Hals mit Totenköpfen, kleinen Messern, Amuletten oder Tierkrallen. Einige trugen Kopftücher, große schwarze Hüte, oder beides, wie Zorro. Viele hatten schwarze Handschuhe an. Die Kombination schwarze Lederhose, nackter Oberkörper machte Juana irgendwie tierisch an, wie allgemein eine zwar vom Totenkult beherrschte, aber auch latent erotische Stimmung diesen Raum ausfüllte. Alle Personen trugen schwarze Augenmasken, um das Inkognito der Gäste zu gewährleisten.

Plötzlich wurde die Musik immer lauter und eindringlicher, was dazu führte, dass niemand mehr sprach, in prickelnder Erwartung, was da wohl jetzt auf sie oder ihn zukommen würde. Die roten Strahler erloschen und die Halle wurde nur noch von dem Feuer der Fackeln und Öllampen beleuchtet. Die Musik wurde so laut, dass sie in den Ohren wehtat, einige hielten sie sich zu. Plötzlich war abrupt Stille, ein kleiner Musikrest hallte noch von Wand zu Wand und dann erschien sie.

Sie war sehr groß, vielleicht knapp zwei Meter, trug nichts als einen langen, schwarzen, in mehreren Schlitzen endenden, offenen Mantel aus Latex, dazu schwarze, ellbogenlange Handschuhe aus dem gleichen Material. Ihre Füße steckten in sehr hohen schwarzen, glänzenden Stiefeln. Auf dem Kopf, der von schulterlangen, pechschwarzen, glänzenden Haaren umhüllt wurde, thronte ein dunkelrotes Diadem mit dem Kopf einer schwarzen Kobra in der Mitte. Die Augen der Kobra bildeten zwei leuchtend gelbe Kristalle. Ihr Körper war nackt, ohne Schamhaare aber waagerecht durchzogen von schwarzen, aufgemalten Ringen. Sie sah aus wie eine riesige Kobra im Mantel mit gelben Augen.

Niemand wagte zu atmen oder ein Geräusch von sich zu geben.

Sie bewegte sich langsam, fast wie in Zeitlupe, auf die Mitte der Bühne zu, posierte dort breitbeinig und sprach mit einer extrem tiefen Stimme, wie Juana sie noch nie von einer Frau gehört hatte:

„Ihr seid auserwählt, teilzunehmen an der Zeremonie der heiligen Kobra, die so alt ist wie die Menschheit und jedes Jahr irgendwo auf der Welt im Untergrund stattfindet, dem Lebensraum unseres Kultes, zur Ehre unserer Göttin Roo!