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Mitten im schneeweißen Finnland...

Über die Autorin

Mehr Leseabenteuer von Peggy Kosel bei DeBehr

 

 

 

Peggy Kosel

 

 

 

Lenja aus der Elfenwelt

 

 

 

 

 

Band 1  - Auf der Suche nach dem verlorenen

Väterchen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

© Verlag DeBehr

 

Copyright by Peggy Kosel

Herausgeber: Verlag DeBehr, Radeberg

ISBN: 9783957535559

Erstauflage: 2018

Grafiken Copyright by Fotolia by Elena Schweitzer, freshidea, the_lightwriter

Mitten im schneeweißen Finnland, wo die eisige Kälte und der Frost jedes Jahr lange Zeit herrschen, stand ein kleines Holzhaus, einsam und doch nicht verlassen. Weit und breit war es das einzige Häuschen, welches dem wehenden Schneesturm des eisigen Winters trotzte. Dieses besondere Häuschen hatte vor vielen, vielen Jahren das Väterlein mit seinen eigenen Händen gebaut. Stein auf Stein, Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat und Jahr für Jahr. Es verging sehr, sehr viel Zeit, bis sein Meisterwerk vollendet war. Das Schutzhaus, wie es Väterlein immer nannte, war gerüstet, nicht nur gegen alle Arten von Unwetter, auch vor dem Zorn und den bösen Streichen der Kobolde. Es sollte der Familie Schutz geben, dem Väterlein, dem Mütterlein und Lenja.

 

 

Doch eines Tages geschah etwas sehr Schlimmes, die Kobolde nahmen das Väterlein einfach mit. Lenja konnte sich genau an diesen traurigen und machtlosen Augenblick erinnern. Zwar war sie zu jener Zeit noch klein, und doch wusste sie, was geschehen war. Es passierte so: Wie jeden Abend saß die Familie am Tisch und ließ sich das Abendmahl schmecken. Durch das geöffnete Fenster schlichen sich die Kobolde hinein und wollten unter allen Umständen das vom Väterlein gebaute Schutzhaus in ihren Besitz nehmen, doch das ließ es nicht zu. Niemals wollte Väterlein das Schutzhaus herausgeben. So stellten die Kobolde ihm die Wahl, entweder nahmen sie das Haus ein oder er müsse den Kobolden dienen. Schweren Herzens ging das Väterlein mit und niemand wusste, ob es je freigelassen würde oder ob ihm gar die Flucht gelänge. Niemand wusste, ob man das Väterlein überhaupt jemals wiedersehen würde. Zurück blieben an diesem Abend das Mütterlein und Lenja, die weinend am Tisch saßen.

Einige Zeit später begann das Mütterlein stark zu altern. Das Gemüt der einst so kraftvollen und lebenslustigen Frau füllte sich mit Traurigkeit, der Glanz schwand langsam aus ihren Augen und ihr schulterlanges braunes Haar wurde grau. Ihr Herz tat weh vor Kummer und Schmerz. Ihre Beine mochten sie nicht mehr tragen. An guten Tagen, die nun nur noch sehr selten vorkamen, lief das Mütterlein ein paar Schritte im kleinen Holzhaus. Ansonsten verbrachte es viel Zeit in seinem Schaukelstuhl mit seiner Lieblingsbeschäftigung, dem Stricken.

Während Lenja sich ihren dicken, kuscheligen Fellmantel anzog und zuknöpfte, blickte sie noch einmal zum Mütterlein und sprach: „Ich hole Holz für den Ofen.“ Lenja war es im Laufe der Jahre gewohnt, einen Augenblick zu warten, bis das Mütterlein reagierte. Etwas langsam, aber deutlich kam aus Mütterleins Mund: „Mach das, mein Kind, und zieh dich warm an, auch wenn du nur ein paar Schritte vor die Tür gehst.“

Die Tür vom Holzhaus knirschte beim Aufmachen, der Schnee hatte sich unter der Türschwelle verfangen. Mit etwas Druck schaffte es Lenja, ihn beiseitezuschieben. Sie stapfte durch den Schnee und versank bis zu den Knien. Das Holz, welches sie brauchte, lag trocken in dem Anbau auf der anderen Seite. Der Schneesturm hatte inzwischen aufgehört, doch die eisige Kälte biss Lenja ins Gesicht, sie zog wie gewohnt ihren warmen Schal so hoch, dass nur noch ihre Nasenspitze zu sehen war. Sie legte das Körbchen ab und füllte es mit großen und kleinen Holzstücken. Das Holz schlug Lenja mit dem Holzbeil entzwei. Sie trug ihre Lieblingshandschuhe, die über die Jahre bereits abgenutzt waren. Es gab kein Jahr, in dem keine neuen Löcher hinzukamen, die gestopft werden mussten, aber das machte Lenja nichts aus. Sie liebte ihre alten, wenn auch schon fast zerfetzten Handschuhe. Das Mädchen Lenja hatte ja auch nichts zum Eintauschen gegen ein paar neue Handschuhe. Wie so oft zog die klirrende Kälte auch diesmal durch die gestopften Fäustlinge. Lenjas Korb war inzwischen gut gefüllt. Unter den Arm klemmte sie noch vier bis sechs Holzstücke.

 

 

Sie ging wieder in Richtung des Hauses, nur das Knirschen der Stiefel im Schnee war zu hören. Auf der kleinen Terrasse blieb sie stehen, legte das Holz sowie das Körbchen ab und schob die Schneemassen von der Bank. Auch diese baute einst das Väterlein. Holzarbeiten waren seine Leidenschaft gewesen. Man könnte fast behaupten, wenn genug Material und vor allem Zubehör vorhanden wäre –und Väterlein noch einmal jung und hier wäre, würde es sicher noch einmal in seinen Holzarbeiten aufblühen, so wie früher. Sie saß einfach da und blickte auf die weite weiße Schneedecke Finnlands. Diese Stille war mehr als nur Stille, Lenja nannte sie immer „schweigende Stille“. Kein Wind wehte, Bäume, Sträucher und Büsche gab es schon lange nicht mehr. Diese hatte der Schneeorkan vor ein paar Jahren alle entwurzelt und mit sich gerissen. An Vogelgeräusche, das Summen von Bienen, das Fliegen von Schmetterlingen, das Kriechen von Raupen konnte sich Lenja nur schwach erinnern. All das gab es damals, als das Väterchen noch im Haus war. Mit dem Väterchen verschwanden auch all die Schönheiten der Natur. Nur die Sonne schaffte es an manchen Tagen, die Wolkendecke aufzureißen. Lenja spürte die eisige Kälte wieder im Gesicht, ihr warmer Schal war inzwischen bis zum Kinn gerutscht. Sie biss sich auf die Zähne, kniff die Augen zusammen, dachte an das Väterchen und hoffte, es wäre noch am Leben. Wie sehr wünschte sie sich, es würde ihr irgendein Lebenszeichen schicken. Lenja war so tief in ihren Gedanken versunken, dass sie gar nicht bemerkte, dass ihre Haarsträhnen einfroren. Sie beschloss, hinein zu gehen.

Im warmen, schimmernden Kerzenlicht richtete Lenja ihren Blick zum Mütterlein. Das Strickzeug lag auf deren Schoß, Mütterlein schien ein Schläfchen zu halten. Nachdem Lenja das Holz ablegt hatte, nahm sie das Handwerkzeug des Mütterleins und platzierte es auf dem Beistelltisch, anschließend deckte sie das Mütterlein mit einer großen selbst gestrickten Wolldecke zu. Erst dann zog Lenja den Mantel aus, legte Mütze, Schal und Handschuhe ab und heizte den Ofen mit den Holzstücken.

Das Holzhaus war bescheiden, doch brauchbar eingerichtet, es gab einen Ofen, einen Herd und in der Mitte stand ein Tisch, darum herum Stühle und Mütterleins Schaukelstuhl. Im Nebenzimmer standen die Schlafbetten, Möbelstücke, die einst das Väterlein mit viel Liebe und Leidenschaft gezimmert hatte. Lenja setzte den Wasserkessel auf den Herd, der heiß glühte. Das Mütterlein trank gern Tee, Schneeflockentee mit einem Hauch von Zimtgeschmack. Lenja schnitt Brotscheiben. Das Brotmesser fiel zu Boden, Lenja bückte sich. Sie wollte sich gerade wieder aufrichten, da bemerkte sie etwas sehr Merkwürdiges. In einem winzig kleinen Loch tief in der Wand erblickte Lenja ein grün blinkendes Licht. Als sie genauer hinsah, traute sie ihren Augen nicht, es war ein Glühwürmchen. Jedoch war die Stelle zu klein und zu schmal, um das Glühwürmchen zu befreien. Lenja versuchte gegen einen der Steine an der Hauswand zu klopfen, in der Hoffnung, dass dieser womöglich abbröckelte. Der Stein bröselte und nun konnte man sehen, dass das Glühwürmchen in der Wand in einem Glas gefangen war. Lenja sah den Kopf des Glühwürmchens nun ganz genau. Es klopfte immer gegen das Glas, als wollte es befreit werden. Sie nahm vorsichtig die ovale Form aus dem Versteck und stellte sie auf den Tisch.