Fjodor M. Dostojewski

Schuld und Sühne

Fjodor M. Dostojewski

Schuld und Sühne

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019
Übersetzung: H. Röhl
EV: Insel Verlag, Leipzig, 1912
2. Auflage, ISBN 978-3-954182-52-7

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Inhaltsverzeichnis

Zum Buch

Au­tor und Werk

Band 1

Teil 1

Teil 2

Teil 3

Band 2

Teil 4

Teil 5

Teil 6

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»Schuld und Süh­ne«, in neue­ren Über­set­zun­gen auch »Ver­bre­chen und Stra­fe«, ist der 1866 er­schie­ne­ne ers­te große Ro­man von Fjo­dor Do­sto­jew­ski.

Sankt Pe­ters­burg Mit­te des 20. Jahr­hun­derts: Der in­tel­li­gen­te, aber arme Jura-Stu­dent Ras­kol­ni­kow sieht sich selbst als »au­ßer­ge­wöhn­li­chen Men­schen«, der sich nur ei­ner hö­he­ren, ab­strak­ten Macht ver­ant­wort­lich fühlt. Um sich und der Welt die­se Be­son­der­heit zu be­wei­sen, plant er einen per­fek­ten, einen er­laub­ten Mord an der Pfand­lei­he­rin Iwa­now­na, in der er das Übel der Welt ver­tre­ten sieht. Ras­kol­ni­kow glei­tet in die Ka­ta­stro­phe, denn er ist nicht der Über­mensch ohne Ge­wis­sen, für den er sich ge­hal­ten hat.

Ei­nes der wich­tigs­ten Wer­ke rus­si­scher Li­te­ra­tur.

Autor und Werk

Fjo­dor Michai­lo­wi­tsch Do­sto­jew­ski (Geb. 11. No­vem­ber 1821 in Mos­kau; gest. 9. Fe­bru­ar 1881 in Sankt Pe­ters­burg) gilt als ei­ner der be­deu­tends­ten rus­si­schen Schrift­stel­ler.

Fjo­dor Do­sto­jew­ski war das zwei­te Kind von Michail An­dre­je­witsch Do­sto­jew­ski und Ma­ria Fjo­do­row­na Netscha­je­wa. Er hat­te zwei Brü­der und drei Schwes­tern. Die Fa­mi­lie ent­stamm­te ver­arm­tem Adel; der Va­ter war Arzt. Nach dem Tod sei­ner Mut­ter, 1837, ließ sich Do­sto­jew­ski mit sei­nem Bru­der Michail in St. Pe­ters­burg nie­der, wo er von 1838 bis 1843 Bau­in­ge­nieur­we­sen stu­dier­te. 1839 soll sein Va­ter auf dem hei­mi­schen Land­gut durch Leib­ei­ge­ne er­mor­det wor­den sein.

Do­sto­jew­ski war zwei­mal ver­hei­ra­tet. Sei­ne ers­te Ehe mit der Wit­we Ma­ria Dmi­tri­jew­na Isa­je­wa en­de­te 1864 nach sie­ben Jah­ren mit dem Tod Ma­ri­as und war kin­der­los. Sei­ne zwei­te Frau war Anna Gri­gor­jew­na Snit­ki­na. Aus der am 15. Fe­bru­ar 1867 ge­schlos­se­nen Ehe, die bis zu Do­sto­jew­skis Tod an­dau­er­te, gin­gen vier Kin­der her­vor, von de­nen je­doch nur zwei das Er­wach­se­nen­al­ter er­reich­ten.

Do­sto­jew­ski be­gann 1844 mit den Ar­bei­ten zu sei­nem 1846 ver­öf­fent­lich­ten Erst­lings­werk »Arme Leu­te«. Mit des­sen Er­schei­nen wur­de er schlag­ar­tig be­rühmt; die zeit­ge­nös­si­sche Kri­tik fei­er­te ihn als Ge­nie. 1847 trat er dem re­vo­lu­tio­nären Zir­kel bei. 1949 de­nun­zier­te man ihn, und er wur­de zum Tode ver­ur­teilt. Ei­gent­lich hät­te er am 22. De­zem­ber 3. Ja­nu­ar 1850 durch ein Er­schie­ßungs­kom­man­do hin­ge­rich­tet wer­den sol­len. Erst auf dem Richt­platz be­gna­dig­te Zar Ni­ko­laus I. ihn zu vier Jah­ren Ver­ban­nung und Zwangs­ar­beit in Si­bi­ri­en, mit an­schlie­ßen­der Mi­li­tär­dienst­pflicht. In der Haft in Omsk wur­de bei Do­sto­jew­ski zum ers­ten Mal Epi­lep­sie dia­gno­s­ti­ziert.

1854 trat er sei­ne Mi­li­tär­pflicht im Rah­men sei­ner Ver­ban­nung in Se­mei (Se­mi­pa­la­tinsk) an; 1856 wur­de er zum Of­fi­zier be­för­dert. Nach sei­ner Hei­rat 1857 und schwe­ren epi­lep­ti­schen An­fäl­len be­an­trag­te er sei­ne Ent­las­sung aus der Ar­mee, die je­doch erst 1859 be­wil­ligt wur­de, so­dass Do­sto­jew­ski nach St. Pe­ters­burg zu­rück­keh­ren konn­te.

1859, noch zur Zeit sei­ner si­bi­ri­schen Ver­ban­nung, ent­stand sein Ro­man »On­kel­chens Traum«, un­mit­tel­bar vor den »Auf­zeich­nun­gen aus ei­nem To­ten­haus« (1860).

Ge­mein­sam mit sei­nem Bru­der grün­de­te er die Zeit­schrift »Zeit« (Wremja), in der im dar­auf fol­gen­den Jahr sein Ro­man »Er­nied­rig­te und Be­lei­dig­te« er­schi­en.

Be­reits 1863 je­doch fiel die Zeit­schrift der Zen­sur zum Op­fer und wur­de ver­bo­ten. In der 1860er Jah­ren reist Do­sto­jew­ski mehr­mals durch Eu­ro­pa.

1863 spiel­te er zum ers­ten Mal Rou­let­te. 1864 star­ben in kur­z­er Fol­ge Do­sto­jew­skis ers­te Frau, sein Bru­der und sein Freund Apol­lon Gri­gor­jew; die Nach­fol­ge­zeit­schrift der »Zeit«, die »Epo­che«, muss­te er aus Geld­man­gel ein­stel­len.

1865 ver­spiel­te er beim Rou­let­te in der Spiel­bank in Wies­ba­den sei­ne Rei­se­kas­se. Im Mit­tel­punkt sei­nes 1866 er­schie­ne­nen Ro­mans »Der Spie­ler« steht ein Rou­let­te­spie­ler. Im sel­ben Jahr er­schi­en der ers­te der großen Ro­ma­ne, durch die Do­sto­jew­skis Werk Teil der Welt­li­te­ra­tur wur­de: »Schuld und Süh­ne« (oder auch in der Neu­über­set­zung: »Ver­bre­chen und Stra­fe«).

Kurz nach sei­ner zwei­ten Ehe­schlie­ßung, 1867, nach dem Zu­sam­men­bruch der mit sei­nem Bru­der ge­grün­de­ten zwei­ten Zeit­schrift ins Aus­land, um sich dem Zu­griff sei­ner Gläu­bi­ger zu ent­zie­hen. Er wohn­te län­ge­re Zeit in Dres­den.

Erst 1871 kehr­te er wie­der nach Russ­land zu­rück. Ent­ge­gen der weit­ver­brei­te­ten An­nah­me, Do­sto­jew­ski habe große Be­trä­ge am Rou­let­te­tisch ver­lo­ren, war er ein Spie­ler mit ge­rin­gen Ein­set­zen, der oft ta­ge­lang mit dem Geld ei­nes ge­ra­de ver­pfän­de­ten Klei­des sei­ner Frau spiel­te.

1868 er­schi­en sein zwei­tes Groß­werk, »Der Idi­ot«, die Ge­schich­te des Fürs­ten Mysch­kin, der (wie Do­sto­jew­ski selbst) un­ter Epi­lep­sie lei­det und auf­grund sei­ner Güte, Ehr­lich­keit und Tu­gend­haf­tig­keit in der St. Pe­ters­bur­ger Ge­sell­schaft schei­tert.

Zu sei­nem Ende hin ver­lief das Le­ben Do­sto­jew­skis in ru­hi­ge­ren Bah­nen. Er ver­fass­te sei­ne bei­den letz­ten großen Wer­ke, den Ro­man »Der Jüng­ling« – in der Neu­über­set­zung »Ein grü­ner Jun­ge« – und schließ­lich den Ro­man »Die Brü­der Ka­ra­ma­sow«, den er in den 1860er Jah­ren, also in der Zeit der Ent­ste­hung von »Schuld und Süh­ne«, be­gon­nen hat­te und der die Ent­wick­lung der rus­si­schen Ge­sell­schaft bis in die 1880er Jah­re be­han­deln soll­te.

Fjo­dor Michai­lo­wi­tsch Do­sto­jew­ski starb am 9. Fe­bru­ar 1881 in Sankt Pe­ters­burg an ei­nem Lun­gen­em­phy­sem; an sei­nem Be­gräb­nis nah­men 60.000 Men­schen teil. Sein Grab be­fin­det sich auf dem Tich­wi­ner Fried­hof des Alex­an­der-New­ski-Klos­ters.

Band 1

Teil 1

I

An ei­nem der ers­ten Tage des Juli – es herrsch­te eine ge­wal­ti­ge Hit­ze – ver­ließ ge­gen Abend ein jun­ger Mann sei­ne Woh­nung, ein mö­blier­tes Käm­mer­chen in der S…­gas­se, und trat auf die Stra­ße hin­aus; lang­sam, wie un­ent­schlos­sen, schlug er die Rich­tung nach der K…­brücke ein.

Ei­ner Be­geg­nung mit sei­ner Wir­tin auf der Trep­pe war er glück­lich ent­gan­gen. Sei­ne Kam­mer lag un­mit­tel­bar un­ter dem Da­che des ho­hen, vier­stö­cki­gen Hau­ses und hat­te in der Grö­ße mehr Ähn­lich­keit mit ei­nem Schran­ke als mit ei­ner Woh­nung. Sei­ne Wir­tin, die ihm die­se Kam­mer ver­mie­tet hat­te und ihm auch das Mit­ta­ges­sen lie­fer­te und die Be­die­nung be­sorg­te, wohn­te selbst eine Trep­pe tiefer, und je­des Mal, wenn er das Haus ver­las­sen woll­te, muss­te er not­wen­dig auf der Trep­pe an ih­rer Kü­che vor­bei­ge­hen, de­ren Tür fast im­mer weit of­fen stand. Und je­des Mal, wenn der jun­ge Mann vor­bei­kam, er­griff ihn ein pein­li­ches Ge­fühl der Feig­heit, des­sen er sich stirn­run­zelnd schäm­te. Er steck­te bei der Wir­tin tief in Schul­den und fürch­te­te sich des­halb da­vor, mit ihr zu­sam­men­zu­tref­fen.

Nicht dass Schüch­tern­heit und Feig­heit in sei­nem Cha­rak­ter ge­le­gen hät­ten; ganz im Ge­gen­teil; aber er be­fand sich seit ei­ni­ger Zeit in ei­nem auf­ge­reg­ten und ge­reiz­ten Ge­müts­zu­stan­de, der große Ähn­lich­keit mit Hy­po­chon­drie hat­te. Er hat­te sich der­ar­tig in sein ei­ge­nes Ich ver­gra­ben und sich von al­len Men­schen ab­ge­son­dert, dass er sich schlecht­hin vor je­der Be­geg­nung scheu­te, nicht nur vor ei­ner Be­geg­nung mit sei­ner Wir­tin. Die Ar­mut hat­te ihn völ­lig über­wäl­tigt; aber selbst die­se be­dräng­te Lage emp­fand er in der letz­ten Zeit nicht mehr als las­ten­den Druck. Auf Brot­ar­beit hat­te er ganz ver­zich­tet; er hat­te kei­ne Lust mehr zu ir­gend­wel­cher Tä­tig­keit. In Wahr­heit fürch­te­te er sich vor kei­ner Wir­tin in der Welt, moch­te sie ge­gen ihn im Schil­de füh­ren, was sie woll­te. Aber auf der Trep­pe ste­hen­zu­blei­ben, al­ler­lei Ge­wäsch über al­len mög­li­chen ihm ganz gleich­gül­ti­gen All­tags­kram, all die­se Mah­nun­gen ans Be­zah­len, die Dro­hun­gen und Kla­gen an­zu­hö­ren und da­bei selbst sich her­aus­zu­win­den, sich zu ent­schul­di­gen, zu lü­gen – nein, da war es schon bes­ser, wie eine Kat­ze auf der Trep­pe vor­bei­zu­schlüp­fen und sich, ohne von je­mand ge­se­hen zu wer­den, flink da­von­zu­ma­chen.

Üb­ri­gens war er dies­mal, als er auf die Stra­ße hin­austrat, selbst er­staunt dar­über, dass er sich so vor ei­ner Be­geg­nung mit sei­ner Gläu­bi­ge­rin fürch­te­te.

»Eine so große Sa­che pla­ne ich, und da­bei fürch­te ich mich vor sol­chen Klei­nig­kei­ten!« dach­te er mit ei­nem ei­gen­tüm­li­chen Lä­cheln. »Hm … ja … al­les hat der Mensch in sei­ner Hand, und doch lässt man sich al­les an der Nase vor­bei­ge­hen, ein­zig und al­lein aus Feig­heit … das ist schon so die all­ge­mei­ne Re­gel … Merk­wür­dig: wo­vor fürch­ten die Men­schen sich am meis­ten? Am meis­ten fürch­ten sie sich vor ei­nem neu­en Schrit­te, vor ei­nem ei­ge­nen neu­en Wor­te … Üb­ri­gens schwat­ze ich viel zu viel. Da­rum hand­le ich auch nicht, weil ich so­viel schwat­ze. Vi­el­leicht aber liegt die Sa­che auch so: weil ich nicht hand­le, dar­um schwat­ze ich. Da habe ich nun in die­sem letz­ten Mo­nat das Schwat­zen ge­lernt, wenn ich so gan­ze Tage lang im Win­kel lag und an weiß Gott was dach­te. Nun also: wozu gehe ich jetzt aus? Bin ich etwa im­stan­de, das aus­zu­füh­ren? Ist es mir etwa Ernst da­mit? Ganz und gar nicht. Ich amü­sie­re mich nur mit ei­nem mü­ßi­gen Spiel der Ge­dan­ken; Tän­de­lei! Ja, wei­ter nichts als Tän­de­lei!«

Auf der Stra­ße war eine furcht­ba­re Hit­ze; dazu noch die drücken­de Schwü­le und das Ge­drän­ge; über­all Kalk­hau­fen, Bau­ge­rüs­te, Zie­gel­stei­ne, Staub und je­ner be­son­de­re Som­mer­ge­stank, den je­der Pe­ters­bur­ger, so­weit er nicht in der Lage ist, in die Som­mer­fri­sche zu ge­hen, so gut kennt. All dies zerr­te plötz­lich auf das un­an­ge­nehms­te an den oh­ne­hin schon reiz­ba­ren Ner­ven des jun­gen Man­nes. Der un­er­träg­li­che Dunst aus den ge­ra­de in die­sem Stadt­tei­le be­son­ders zahl­rei­chen Knei­pen und die Be­trun­ke­nen, auf die man trotz Werk­tag und Ar­beits­zeit fort­wäh­rend stieß, vollen­de­ten das wi­der­wär­ti­ge, trau­ri­ge Ko­lo­rit die­ses Bil­des. Ein Aus­druck des tiefs­ten Ekels spiel­te einen Au­gen­blick auf den fei­nen Zü­gen des jun­gen Man­nes. (Um dies bei­läu­fig zu er­wäh­nen: er hat­te ein un­ge­wöhn­lich hüb­sches Äu­ße­res, schö­ne, dunkle Au­gen, dun­kel­blon­des Haar, war über Mit­tel­grö­ße, schlank und wohl­ge­baut.) Aber bald ver­sank er in tie­fes Nach­den­ken oder, rich­ti­ger ge­sagt, in eine Art von Geis­tes­ab­we­sen­heit und schritt nun ein­her, ohne sei­ne Um­ge­bung wahr­zu­neh­men; ja, er woll­te sie gar nicht wahr­neh­men. Nur ab und zu mur­mel­te er et­was vor sich hin, zu­fol­ge je­ner Nei­gung, mit sich selbst zu re­den, die er sich so­eben selbst ein­ge­stan­den hat­te. Gleich­zei­tig kam ihm auch zum Be­wusst­sein, dass sei­ne Ge­dan­ken sich zeit­wei­lig ver­wirr­ten und dass er sehr schwach war: dies war schon der zwei­te Tag, dass er so gut wie nichts ge­ges­sen hat­te.

Er war so schlecht ge­klei­det, dass ein an­de­rer, selbst je­mand, der die Ar­mut schon ge­wohnt war, sich ge­schämt hät­te, bei Tage in sol­chen Lum­pen auf die Stra­ße zu ge­hen. Üb­ri­gens war die­ser Stadt­teil von der Art, dass es schwer war, durch die Klei­dung hier je­mand in Ver­wun­de­rung zu ver­set­zen. Die Nähe des Heu­mark­tes,1 die über­große Zahl ge­wis­ser Häu­ser und ganz be­son­ders die Fa­brik­ar­bei­ter- und Hand­wer­ker­be­völ­ke­rung, die sich in die­sen in­ne­ren Stra­ßen und Gas­sen von Pe­ters­burg zu­sam­mendräng­te, brach­ten mit­un­ter in das Ge­samt­bild einen so star­ken Pro­zent­satz der­ar­ti­ger Ge­stal­ten hin­ein, dass es son­der­bar ge­we­sen wäre, wenn man sich bei der Be­geg­nung mit ei­ner ein­zel­nen sol­chen Fi­gur hät­te wun­dern wol­len. Aber in der See­le des jun­gen Man­nes hat­te sich be­reits so viel in­grim­mi­ge Ver­ach­tung an­ge­sam­melt, dass er trotz all sei­ner mit­un­ter stark jüng­lings­haf­ten Emp­find­lich­keit sich sei­ner Lum­pen auf der Stra­ße nicht mehr schäm­te. An­ders beim Zu­sam­men­tref­fen mit ir­gend­wel­chen Be­kann­ten oder mit frü­he­ren Kom­mi­li­to­nen, de­nen er über­haupt nicht gern be­geg­ne­te … Als in­des­sen ein Be­trun­ke­ner, der ge­ra­de in ei­nem großen Bau­ern­wa­gen mit ei­nem mäch­ti­gen Last­pfer­de da­vor auf der Stra­ße ir­gend­wo­hin trans­por­tiert wur­de, ihm plötz­lich im Vor­bei­fah­ren zu­rief: »He, du! Hast’­nen deut­schen De­ckel auf dem Kopf!«, aus vol­lem Hal­se zu brül­len an­fing und mit der Hand auf ihn zeig­te: da blieb der jun­ge Mann ste­hen und griff mit ei­ner krampf­haf­ten Be­we­gung nach sei­nem Hute. Es war ein ho­her, runder Hut, aus dem Hut­ge­schäft von Zim­mer­mann, aber schon ganz ab­ge­nutzt, völ­lig fuch­sig, ganz vol­ler Lö­cher und Fle­cke, ohne Krem­pe und in gräu­lichs­ter Wei­se ein­ge­knickt. Aber es war nicht Scham, son­dern ein ganz an­de­res Ge­fühl, das sich sei­ner be­mäch­tig­te, eine Art Schreck.

›Hab ich’s doch ge­wusst!‹ mur­mel­te er be­stürzt. ›Hab ich’s mir doch ge­dacht! Das ist das Al­ler­wi­der­wär­tigs­te! Ir­gend­ei­ne Dumm­heit, ir­gend­ei­ne ganz ge­wöhn­li­che Klei­nig­keit kann den gan­zen Plan ver­der­ben! Ja, der Hut ist zu auf­fäl­lig … Er ist lä­cher­lich, und da­durch wird er auf­fäl­lig. Zu mei­nen Lum­pen ist eine Müt­ze ab­so­lut not­wen­dig, und wäre es auch ir­gend so ein al­ter Topf­de­ckel, aber nicht die­ses Un­ge­tüm. So et­was trägt kein Mensch. Eine Werst2 weit fällt den Leu­ten so ein Hut auf, und sie er­in­nern sich dar­an … Ja, das ist es: sie er­in­nern sich sei­ner nach­her, und schon ist der In­di­zi­en­be­weis da. Bei sol­chen Ge­schich­ten muss man mög­lichst un­auf­fäl­lig sein, … die Klei­nig­kei­ten, die Klei­nig­kei­ten, die sind die Haupt­sa­che! Gera­de die­se Klei­nig­kei­ten ver­der­ben im­mer al­les …‹

Er hat­te nicht weit zu ge­hen; er wuss­te so­gar, wie viel Schrit­te es von sei­ner Haus­tür wa­ren: ge­nau sie­ben­hun­dert­und­drei­ßig. Er hat­te sie ein­mal ge­zählt, als er sich sein Vor­ha­ben schon leb­haft aus­mal­te. Da­mals frei­lich glaub­te er selbst noch nicht an die­se sei­ne Fan­ta­sie­ge­mäl­de und kit­zel­te nur sich selbst mit ih­rer grau­en­haf­ten, aber ver­füh­re­ri­schen Ver­we­gen­heit. Jetzt, einen Mo­nat spä­ter, hat­te er be­reits an­ge­fan­gen, die Sa­che an­ders zu be­trach­ten, und trotz al­ler höh­ni­schen Mo­no­lo­ge über sei­ne ei­ge­ne Schwä­che und Un­schlüs­sig­keit hat­te er sich un­will­kür­lich dar­an ge­wöhnt, das »grau­en­haf­te« Fan­ta­sie­ge­mäl­de be­reits als ein be­ab­sich­tig­tes Un­ter­neh­men zu be­trach­ten, wie­wohl er an sei­nen Ent­schluss noch im­mer selbst nicht recht glaub­te. Sein jet­zi­ger Aus­gang hat­te so­gar den Zweck, eine Pro­be für sein Vor­ha­ben zu un­ter­neh­men, und mit je­dem Schrit­te wuchs sei­ne Auf­re­gung mehr und mehr.

Das Herz stand ihm fast still, und ein ner­vö­ses Zit­tern über­kam ihn, als er sich ei­nem ko­los­sa­len Ge­bäu­de nä­her­te, das mit der einen Sei­te nach dem Kanal, mit der an­de­ren nach der …stra­ße zu lag. Die­ses Haus hat­te lau­ter klei­ne Woh­nun­gen, in de­nen al­ler­lei ein­fa­che Leu­te wohn­ten: Schnei­der, Schlos­ser, Kö­chin­nen, Deut­sche ver­schie­de­nen Be­ru­fes, al­lein­ste­hen­de Mäd­chen, klei­ne Be­am­te usw. Durch die bei­den Hau­sto­re und auf den bei­den Hö­fen des Hau­ses war ein fort­wäh­ren­des Kom­men und Ge­hen. Hier gab es drei oder vier Haus­knech­te zur Auf­sicht. Der jun­ge Mann war sehr da­mit zu­frie­den, dass er kei­nem von ih­nen be­geg­ne­te, und schlüpf­te gleich vom Tore aus un­be­merkt rechts eine Trep­pe hin­auf. Die Trep­pe war dun­kel und eng, ein »Wirt­schafts­auf­gang«; aber er hat­te dies al­les schon stu­diert und kann­te es, und die­se gan­ze Ört­lich­keit ge­fiel ihm: in sol­cher Dun­kel­heit war selbst ein neu­gie­rig for­schen­der Blick nicht wei­ter ge­fähr­lich. ›Wenn ich mich jetzt schon so fürch­te, wie wür­de es dann erst sein, wenn es wirk­lich zur Aus­füh­rung der Tat selbst käme?‹ dach­te er un­will­kür­lich, wäh­rend er zum drit­ten Stock hin­auf­stieg. Hier ver­sperr­ten ihm Mö­bel­räu­mer, ent­las­se­ne Sol­da­ten, den Weg, die aus ei­ner Woh­nung Mö­bel her­austru­gen. Er hat­te schon frü­her in Er­fah­rung ge­bracht, dass hier eine deut­sche Be­am­ten­fa­mi­lie wohn­te. ›Al­so die­ser Deut­sche zieht jetzt aus; folg­lich ist für ei­ni­ge Zeit im drit­ten Stock an die­sem Auf­gang und an die­sem Trep­pen­ab­satz die Woh­nung der Al­ten als ein­zi­ge be­wohnt. Das ist güns­tig … für je­den Fall‹, über­leg­te er wie­der und klin­gel­te an der Tür der Al­ten. Die Glo­cke ras­sel­te schwach, wie wenn sie aus Blech wäre statt aus Mes­sing. In sol­chen großen Miets­häu­sern mit die­sen klei­nen Woh­nun­gen fin­det man fast im­mer sol­che Tür­klin­geln. Er hat­te den Ton die­ser Glo­cke schon ver­ges­sen, und nun war es, als ob die­ser be­son­de­re Ton ihn auf ein­mal an et­was er­in­ner­te und es ihm wie­der klar vor die See­le bräch­te … Er fuhr zu­sam­men; sei­ne Ner­ven wa­ren doch schon recht schwach ge­wor­den. Es dau­er­te nicht lan­ge, da wur­de die Tür einen schma­len Spalt weit ge­öff­net; durch die­sen Spalt hin­durch be­trach­te­te die Be­woh­ne­rin den An­kömm­ling mit of­fen­kun­di­gem Miss­trau­en; von ihr wa­ren nur die aus der Dun­kel­heit her­vor­fun­keln­den Au­gen zu se­hen. Aber da sie auf dem Trep­pen­ab­satz eine Men­ge Men­schen sah, fass­te sie Mut und öff­ne­te die Tür ganz. Der jun­ge Mann trat über die Schwel­le in ein dunkles Vor­zim­mer, das durch eine Bret­ter­wand in zwei Tei­le ge­teilt war; hin­ter die­ser Wand be­fand sich eine win­zi­ge Kü­che. Die Alte stand schwei­gend vor ihm und blick­te ihn fra­gend an. Es war ein klei­nes, ver­hut­zel­tes Weib von etwa sech­zig Jah­ren, mit schar­fen, tücki­schen, klei­nen Au­gen und klei­ner, spit­zer Nase; eine Kopf­be­de­ckung trug sie nicht. Das hell­blon­de, nur we­nig er­grau­te Haar war stark mit Öl ge­fet­tet. Um den dün­nen, lan­gen Hals, der mit ei­nem Hüh­ner­bei­ne Ähn­lich­keit hat­te, hat­te sie einen Fla­nel­lap­pen ge­wi­ckelt, und auf den Schul­tern hing trotz der Hit­ze eine ganz ab­ge­tra­ge­ne, ver­gilb­te Pelz­ja­cke. Die Alte hus­te­te und räus­per­te sich alle Au­gen­bli­cke. Der jun­ge Mann muss­te sie wohl mit ei­nem ei­gen­tüm­li­chen Blick an­ge­se­hen ha­ben; denn in ih­ren Au­gen fun­kel­te auf ein­mal wie­der das frü­he­re Miss­trau­en auf.

»Mein Name ist Ras­kol­ni­kow, Stu­dent; ich war schon ein­mal vor ei­nem Mo­nat bei Ih­nen«, be­eil­te sich der jun­ge Mann mit ei­ner leich­ten Ver­beu­gung zu sa­gen; denn es fiel ihm ein, dass er sehr lie­bens­wür­dig sein müs­se.

»Ich er­in­ne­re mich, Vä­ter­chen; ich er­in­ne­re mich recht gut, dass Sie hier wa­ren«, er­wi­der­te die Alte be­däch­tig, hielt je­doch da­bei wei­ter ihre fra­gen­den Au­gen un­ver­wandt auf sein Ge­sicht ge­hef­tet.

»Nun also … ich kom­me wie­der in ei­ner sol­chen An­ge­le­gen­heit«, fuhr Ras­kol­ni­kow fort, et­was be­fan­gen und ver­wun­dert über das Miss­trau­en der Al­ten.

›A­ber viel­leicht ist sie im­mer so, und ich habe es das ers­te­mal nur nicht be­ach­tet?‹, dach­te er mit ei­nem un­an­ge­neh­men Ge­fühl.

Die Alte schwieg ein Weil­chen, wie wenn sie et­was über­leg­te, dann trat sie zur Sei­te und sag­te, in­dem sie auf die ins Zim­mer füh­ren­de Tür zeig­te und dem Be­su­cher den Vor­tritt ließ:

»Tre­ten Sie ein, Vä­ter­chen.«

Das klei­ne Zim­mer, in wel­ches der jun­ge Mann ein­trat, war gelb ta­pe­ziert; an den Fens­tern hin­gen Mus­se­lin­gar­di­nen; auf den Fens­ter­bret­tern stan­den Gera­ni­en­töp­fe; in die­sem Au­gen­blick war das Zim­mer von der un­ter­ge­hen­den Son­ne hell er­leuch­tet. ›Die Son­ne wird also auch dann so schei­nen!‹ dach­te Ras­kol­ni­kow un­will­kür­lich und ließ einen schnel­len Blick über das gan­ze Zim­mer glei­ten, um die Lage und Ein­rich­tung mög­lichst ken­nen­zu­ler­nen und sich ein­zu­prä­gen. Et­was Be­son­de­res war im Zim­mer nicht zu se­hen. Das Mo­bi­li­ar, durch­weg sehr alt und aus gel­bem Hol­ze, be­stand aus ei­nem Sofa mit ge­wal­ti­ger, ge­schweif­ter höl­zer­ner Rücken­leh­ne, ei­nem ova­len Ti­sche vor dem Sofa, ei­nem Toi­let­ten­tisch mit ei­nem Spie­gel­chen am Fens­ter­pfei­ler, ei­ni­gen Stüh­len an den Wän­den und zwei oder drei bil­li­gen, gelb ein­ge­rahm­ten Bil­dern, wel­che deut­sche Fräu­lein mit Vö­geln in den Hän­den dar­stell­ten – das war die gan­ze Ein­rich­tung. In der Ecke brann­te vor ei­nem klei­nen Hei­li­gen­bil­de das Lämp­chen. Al­les war sehr sau­ber: die Mö­bel und die Die­len wa­ren blank ge­rie­ben; al­les glänz­te nur so. ›Das ist Li­sa­we­tas Werk‹, dach­te der jun­ge Mann. In der gan­zen Woh­nung hät­te man kein Stäub­chen fin­den kön­nen. ›Bei bos­haf­ten al­ten Wit­wen ist sol­che Rein­lich­keit häu­fig‹, fuhr Ras­kol­ni­kow in sei­nen Über­le­gun­gen fort und schiel­te for­schend nach dem Kat­tun­vor­hang vor der Tür nach dem zwei­ten klei­nen Zim­mer­chen, wo das Bett und die Kom­mo­de der Al­ten stan­den; in die­ses Zim­mer hat­te er bis­her noch nicht hin­ein­schau­en kön­nen. Die gan­ze Woh­nung be­stand nur aus die­sen bei­den Zim­mern.

»Was wün­schen Sie?« frag­te die Alte in schar­fem Tone, nach­dem sie ins Zim­mer ge­tre­ten war und, wie vor­her, sich ge­ra­de vor ihn hin­ge­stellt hat­te, um ihm ge­nau ins Ge­sicht bli­cken zu kön­nen.

»Ich brin­ge ein Stück zum Ver­pfän­den. Da ist es!«

Er zog eine alte fla­che sil­ber­ne Uhr aus der Ta­sche. Auf dem hin­te­ren De­ckel war ein Glo­bus dar­ge­stellt. Die Ket­te war aus Stahl.

»Das frü­he­re Pfand ist auch schon ver­fal­len. Vor­ges­tern war der Mo­nat ab­ge­lau­fen.«

»Ich will Ih­nen für noch einen Mo­nat Zin­sen zah­len. Ha­ben Sie noch Ge­duld.«

»Es steht bei mir, Vä­ter­chen, ob ich mich noch ge­dul­den oder Ihr Pfand jetzt ver­kau­fen will.«

»Was ge­ben Sie mir auf die Uhr, Al­jo­na Iwa­now­na?«

»Sie kom­men im­mer nur mit sol­chen Trö­del­sa­chen, Vä­ter­chen. Die hat ja so gut wie gar kei­nen Wert. Auf den Ring habe ich Ih­nen das vo­ri­ge Mal zwei Schein­chen ge­ge­ben; aber man kann ihn beim Ju­we­lier für an­dert­halb Ru­bel neu kau­fen.«

»Ge­ben Sie mir auf die Uhr vier Ru­bel; ich löse sie wie­der aus; es ist ein Erb­stück von mei­nem Va­ter. Ich be­kom­me nächs­tens Geld.«

»An­dert­halb Ru­bel und die Zin­sen vor­weg, wenn es Ih­nen so recht ist.«

»An­dert­halb Ru­bel!« rief der jun­ge Mann.

»Ganz nach Ihrem Be­lie­ben!«

Mit die­sen Wor­ten hielt ihm die Alte die Uhr wie­der hin. Der jun­ge Mann nahm sie und war so er­grimmt, dass er schon im Be­griff stand weg­zu­ge­hen; aber er be­sann sich noch schnell ei­nes an­de­ren, da ihm ein­fiel, dass er sonst nir­gend­wo­hin ge­hen konn­te und dass er auch noch zu ei­nem an­de­ren Zweck ge­kom­men war.

»Nun, dann ge­ben Sie her!« sag­te er grob.

Die Alte griff in die Ta­sche nach den Schlüs­seln und ging in das and­re Zim­mer hin­ter dem Vor­hang. Der jun­ge Mann, der al­lein mit­ten im Zim­mer ste­hen­ge­blie­ben war, horch­te mit leb­haf­tem In­ter­es­se und kom­bi­nier­te. Es war zu hö­ren, wie sie die Kom­mo­de auf­schloss. ›Wahr­schein­lich die obe­re Schub­la­de‹, mut­maß­te er. ›Die Schlüs­sel trägt sie also in der rech­ten Ta­sche … alle als ein Bund, an ei­nem ei­ser­nen Rin­ge … Und es ist ein Schlüs­sel da­bei, der ist grö­ßer als alle an­de­ren, drei­mal so groß, mit ge­zack­tem Bart; na­tür­lich nicht von der Kom­mo­de … Also ist da noch eine Tru­he oder ein Kas­ten … Das ist in­ter­essant. Tru­hen ha­ben im­mer der­ar­ti­ge Schlüs­sel … Aber wie ge­mein ist das al­les!‹

Die Alte kam zu­rück.

»Nun also, Vä­ter­chen: wenn wir zehn Kope­ken vom Ru­bel mo­nat­lich rech­nen, dann be­kom­me ich für an­dert­halb Ru­bel von Ih­nen für einen Mo­nat fünf­zehn Kope­ken im vor­aus. Und für die bei­den frü­he­ren Ru­bel be­kom­me ich von Ih­nen nach der­sel­ben Be­rech­nung noch zwan­zig Kope­ken im vor­aus. Das macht zu­sam­men fünf­und­drei­ßig Kope­ken. Sie er­hal­ten also jetzt für Ihre Uhr einen Ru­bel und fünf­zehn Kope­ken. Hier, bit­te.«

»Wie? Also jetzt nur einen Ru­bel und fünf­zehn Kope­ken?«

»Ganz rich­tig.«

Der jun­ge Mann ließ sich nicht auf einen Streit ein und nahm das Geld. Er sah die Alte an und zau­der­te mit dem Fort­ge­hen, als wol­le er noch et­was sa­gen oder tun; aber er schi­en selbst nicht zu wis­sen, was denn ei­gent­lich.

»Vi­el­leicht brin­ge ich Ih­nen nächs­tens noch ein Pfand­stück, Al­jo­na Iwa­now­na, … ein schö­nes … sil­ber­nes … Zi­ga­ret­te­ne­tui, … so­bald ich es von ei­nem Freun­de zu­rück­be­kom­me …«

Er wur­de ver­le­gen und schwieg.

»Nun, dar­über kön­nen wir ja dann spä­ter spre­chen, Vä­ter­chen.«

»Adieu … Aber sit­zen Sie denn im­mer so al­lein zu Hau­se? Ist Ihre Schwes­ter nicht da?« frag­te er mög­lichst harm­los, wäh­rend er in das Vor­zim­mer hin­austrat.

»Was wol­len Sie denn von ihr, Vä­ter­chen?«

»Nun, nichts Be­sondres. Ich frag­te nur so. Aber Sie müs­sen auch gleich … Adieu, Al­jo­na Iwa­now­na!«

Ras­kol­ni­kow ging in hoch­gra­di­ger Er­re­gung hin­aus. Und sei­ne Er­re­gung wuchs noch im­mer mehr. Als er die Trep­pe hin­un­ter­stieg, blieb er so­gar ei­ni­ge­mal ste­hen, wie wenn ihn ein Ge­dan­ke plötz­lich ganz über­mannt hät­te. Und end­lich – er war schon auf der Stra­ße – rief er aus:

»O Gott, wie scheuß­lich das al­les ist! Wer­de ich denn … wer­de ich denn wirk­lich … nein, das ist ja ein Un­sinn, eine Ab­sur­di­tät!« füg­te er ent­schlos­sen hin­zu. »Wie konn­te mir so et­was Gräss­li­ches über­haupt nur in den Sinn kom­men? Wel­cher schmut­zi­gen Ge­dan­ken ist mei­ne See­le doch fä­hig! Ja, es ist eine schmut­zi­ge, ab­scheu­li­che, ekel­haf­te, Sa­che. Und ich habe einen gan­zen Mo­nat lang …«

Aber kei­ne Wor­te und kei­ne Aus­ru­fe wa­ren im­stan­de, sei­ner Er­re­gung Aus­druck zu ge­ben. Das Ge­fühl ei­nes ge­wal­ti­gen Ekels, das schon vor­hin sein Herz be­drückt und be­klemmt hat­te, als er noch auf dem Wege zu der Al­ten ge­we­sen war, nahm jetzt sol­che Di­men­sio­nen an und trat in sol­cher Schär­fe her­vor, dass er nicht wuss­te, was er vor Un­ru­he tun soll­te. Er ging auf dem Trot­toir wie ein Be­trun­ke­ner, be­merk­te die Be­geg­nen­den gar nicht und stieß mit ih­nen zu­sam­men; erst in der nächs­ten Stra­ße kam er zur Be­sin­nung. Um sich bli­ckend, ge­wahr­te er, dass er vor ei­ner Knei­pe stand, zu der man vom Trot­toir eine Trep­pe hin­ab­stieg, ins Sou­ter­rain. Aus der Tür ka­men ge­ra­de in die­sem Au­gen­blick zwei Be­trun­ke­ne her­aus und stie­gen, in­dem sie sich wech­sel­sei­tig stütz­ten, un­ter Schimpf­wor­ten zur Stra­ße hin­auf. Ohne sich lan­ge zu be­sin­nen, stieg Ras­kol­ni­kow hin­un­ter. Er war noch nie in ei­nem sol­chen Lo­ka­le ge­we­sen; aber jetzt war ihm der Kopf ganz schwind­lig, dazu quäl­te ihn ein bren­nen­der Durst. Es ver­lang­te ihn, ein Glas kal­tes Bier zu trin­ken, umso mehr, da er sei­ne plötz­li­che Schwä­che auch auf Rech­nung sei­nes lee­ren Ma­gens setz­te. Er nahm in ei­nem dunklen, schmut­zi­gen Win­kel an ei­nem kleb­ri­gen Tisch­chen Platz, be­stell­te Bier und trank gie­rig das ers­te Glas aus. So­fort wur­de ihm leich­ter ums Herz, und sei­ne Ge­dan­ken klär­ten sich. ›Das ist ja lau­ter dum­mes Zeug‹, sag­te er wie­der hoff­nungs­voll zu sich selbst, ›und es war gar kein Grund zur Auf­re­gung. Eine rein phy­si­sche Stö­rung! Ein ein­zi­ges Glas Bier, ein Bis­sen Brot – und im Au­gen­blick hat sich der Ver­stand er­holt, das Den­ken wird klar, der Wil­le fest! Pfui über die­se gan­ze Jäm­mer­lich­keit!‹ Aber ob­wohl er bei den letz­ten Wor­ten ver­ächt­lich aus­spie, sah er schon hei­ter aus, als wäre er plötz­lich von ei­ner furcht­ba­ren Last be­freit, und be­trach­te­te mit freund­li­chen Bli­cken die an­de­ren Gäs­te. Doch selbst in die­sem Au­gen­blick ahn­te er ganz von fern, dass die­se gan­ze Emp­fäng­lich­keit für bes­se­re Re­gun­gen bei ihm gleich­falls et­was Krank­haf­tes an sich habe.

In der Schen­ke wa­ren nur noch we­ni­ge Leu­te. Au­ßer je­nen bei­den Be­trun­ke­nen, de­nen er an der Trep­pe be­geg­net war, hat­te un­mit­tel­bar nach ih­nen noch eine gan­ze Ge­sell­schaft, etwa fünf Män­ner und eine Dir­ne, mit ei­ner Zieh­har­mo­ni­ka das Lo­kal ver­las­sen. Nach ih­rem Weg­ge­hen war es still ge­wor­den; auch war nun mehr Raum. Zu­rück­ge­blie­ben wa­ren: ein Mann, der bei sei­nem Bie­re saß, be­trun­ken, je­doch nicht über­mä­ßig, dem Aus­se­hen nach ein Klein­bür­ger; fer­ner sein Kum­pan, ein di­cker, sehr groß­ge­wach­se­ner Kerl mit grau­em Bar­te; er hat­te einen kur­z­en Kaftan an, war sehr stark be­trun­ken und lag schla­fend auf ei­ner Bank; mit­un­ter aber brei­te­te er auf ein­mal wie in halb­wa­chem Zu­stan­de die Arme weit aus­ein­an­der, schnips­te mit den Fin­gern und schnell­te mit dem Ober­kör­per in die Höhe, ohne je­doch von der Bank auf­zu­ste­hen; dazu sang er ir­gend­wel­chen Un­sinn, in­dem er sein Ge­dächt­nis an­streng­te, um sich auf Ver­se von die­ser Art zu be­sin­nen:


»Dass ich – zärt­lich zu ihr – war,
Währ­te – wohl ein gan­zes Jahr.«

Oder er wach­te auf ein­mal auf und gröl­te:


»Auf dem Pro­me­na­den­platz
Traf ich mei­nen einst’­gen Schatz.«

Aber nie­mand nahm an sei­nem Glücke An­teil; sein schweig­sa­mer Kum­pan be­trach­te­te die­se Aus­brü­che so­gar mit Miss­trau­en und Feind­se­lig­keit. Es war au­ßer­dem noch ein Mann da, an­schei­nend ein frü­he­rer Be­am­ter. Er saß al­lein für sich bei sei­ner Fla­sche Brannt­wein und sei­nem Gla­se; ab und zu nahm er einen Schluck und sah sich um. Er be­fand sich, wie es schi­en, gleich­falls in ei­ni­ger Auf­re­gung.


  1. Ein Vik­tua­li­en­markt  <<<

  2. Russ. Weg­maß, etwa 1 km  <<<

II

Ras­kol­ni­kow war an das Zu­sam­men­sein mit ei­ner grö­ße­ren An­zahl von Men­schen nicht ge­wöhnt und mied, wie schon ge­sagt, jede Ge­sell­schaft, na­ment­lich in der letz­ten Zeit. Aber jetzt fühl­te er sich auf ein­mal zu den Men­schen hin­ge­zo­gen. Es ging eine Art Wand­lung in ihm vor, und zu­gleich mach­te sich bei ihm ge­ra­de­zu ein Durst nach mensch­li­cher Ge­sell­schaft spür­bar. Er war von sei­ner nun schon einen gan­zen Mo­nat dau­ern­den hef­ti­gen Un­ru­he und düs­tern Auf­re­gung so er­schöpft, dass er sich da­nach sehn­te, we­nigs­tens für einen Au­gen­blick in ei­ner an­de­ren Welt – moch­te sie sein, wie sie woll­te – auf­zuat­men, und so blieb er denn jetzt trotz al­ler Unsau­ber­keit der Um­ge­bung mit Ver­gnü­gen in der Knei­pe sit­zen.

Der Wirt hielt sich in ei­nem an­de­ren Zim­mer auf, kam aber häu­fig in den Haup­traum, zu dem er ei­ni­ge Stu­fen her­ab­stieg. Da­bei wur­den zu­erst sei­ne ele­gan­ten Schmiers­tie­fel mit großen ro­ten Stul­pen sicht­bar. Er trug einen lang­schö­ßi­gen är­mel­lo­sen Über­rock und eine furcht­bar fet­ti­ge schwarz­sei­de­ne Wes­te; die Kra­wat­te fehl­te, und sein gan­zes Ge­sicht schi­en wie ein ei­ser­nes Schloss mit Öl ein­ge­schmiert zu sein. Hin­ter dem Schenk­tisch stand ein etwa vier­zehn­jäh­ri­ger Jun­ge; auch war noch ein and­rer, jün­ge­rer da, der den Gäs­ten das Be­stell­te hin­trug. An Spei­sen wa­ren auf­ge­stellt: in Schei­ben ge­schnit­te­ne Gur­ken, schwar­zer Zwie­back und in klei­ne Bis­sen zer­leg­ter Fisch; al­les roch sehr übel. Es herrsch­te eine sol­che Schwü­le, dass es ge­ra­de­zu un­er­träg­lich war, hier zu sit­zen, und die ge­sam­te At­mo­sphä­re war der­art mit Brannt­wein­dunst ge­schwän­gert, dass man schon al­lein von die­ser Luft in fünf Mi­nu­ten be­trun­ken wer­den konn­te.

Man be­geg­net mit­un­ter ganz un­be­kann­ten Leu­ten, für die man sich auf den ers­ten Blick, plötz­lich, ehe man noch ein Wort mit ih­nen ge­spro­chen hat, leb­haft in­ter­es­siert. Ei­nen der­ar­ti­gen Ein­druck mach­te auf Ras­kol­ni­kow je­ner Gast, der ab­seits saß und wie ein ehe­ma­li­ger Be­am­ter aus­sah. Der jun­ge Mann er­in­ner­te sich in der Fol­ge­zeit öf­ters an die­sen ers­ten Ein­druck und führ­te ihn so­gar auf eine Vorah­nung zu­rück. Er sah den Be­am­ten mit un­ver­wand­tem Bli­cke an, auch schon des­we­gen, weil auch die­ser ihn starr an­schau­te und of­fen­bar große Lust hat­te, ein Ge­spräch mit ihm an­zu­knüp­fen. Die üb­ri­gen Men­schen in der Knei­pe, den Wirt ein­ge­schlos­sen, wa­ren dem Be­am­ten je­den­falls ein ge­wohn­ter und recht lang­wei­li­ger An­blick; er hat­te für sie so­gar einen lei­sen Aus­druck hoch­mü­ti­ger Ge­ring­schät­zung, als sei­en sie Men­schen von nied­ri­ge­rer Stel­lung und tiefe­rer Bil­dungs­stu­fe, mit de­nen er nicht wohl re­den kön­ne. Er moch­te schon über fünf­zig Jah­re alt sein, war von mitt­ler­er Sta­tur und stäm­mi­gem Kör­per­bau, hat­te er­grau­tes Haar und eine große kah­le Stel­le auf dem Kopf; sein Ge­sicht war von stän­di­ger Trun­ken­heit auf­ge­dun­sen und sah gelb, ja grün­lich aus; un­ter den ge­schwol­le­nen Au­gen­li­dern glänz­ten aus schma­len Spal­ten klei­ne, aber sehr le­ben­di­ge ge­röte­te Au­gen her­vor. Aber es war an ihm et­was Selt­sa­mes: in sei­nem Bli­cke lag eine Art von schwär­me­ri­schem Leuch­ten – auch Ver­stand und Klug­heit moch­te man dar­in fin­den –, aber gleich­zei­tig schim­mer­te es dar­in wie von Irr­sinn. Be­klei­det war er mit ei­nem al­ten, voll­stän­dig zer­ris­se­nen schwar­zen Frack, an dem die Knöp­fe fehl­ten. Nur ein ein­zi­ger Knopf saß noch not­dürf­tig fest, und mit die­sem hat­te er das Klei­dungs­stück zu­ge­knöpft, sicht­lich be­müht, den An­stand zu wah­ren. Aus ei­ner Nan­king­wes­te schau­te ein ganz zer­knit­ter­tes, be­schmutz­tes und be­gos­se­nes Vor­hemd her­aus. Er war, nach Art der Be­am­ten, ra­siert; je­doch muss­te dies schon vor ge­rau­mer Zeit zum letz­ten Male ge­sche­hen sein, da das Ge­sicht von graublau­en Stop­peln be­reits wie­der dicht be­deckt war. Auch in sei­nen Ma­nie­ren lag tat­säch­lich et­was, was an einen ge­setz­ten Be­am­ten er­in­ner­te. Aber er be­fand sich in star­ker Un­ru­he, wühl­te sich im Haar, stemm­te manch­mal die zer­ris­se­nen Ell­bo­gen auf den be­gos­se­nen, schmie­ri­gen Tisch und stütz­te kum­mer­voll den Kopf in bei­de Hän­de. End­lich blick­te er Ras­kol­ni­kow ge­ra­de ins Ge­sicht und sag­te laut und mit fes­ter Stim­me:

»Darf ich mir die Frei­heit neh­men, mein Herr, mich mit ei­nem an­stän­di­gen Ge­sprä­che an Sie zu wen­den? Denn ob­gleich Sie nach Ihrem Äu­ßern nicht den Ein­druck ei­nes hoch­ge­stell­ten Man­nes ma­chen, so er­ken­ne ich bei mei­ner Er­fah­rung doch in Ih­nen einen ge­bil­de­ten und des Trin­kens un­ge­wohn­ten Men­schen. Ich habe eine mit ed­len Cha­rak­terei­gen­schaf­ten ver­bun­de­ne Bil­dung stets hoch­ge­schätzt, und au­ßer­dem bin ich Ti­tu­lar­rat. Mein Name ist Mar­me­la­dow, Ti­tu­lar­rat. Darf ich mir die Fra­ge er­lau­ben, ob Sie ein Amt be­klei­den?«

»Nein, ich stu­die­re«, ant­wor­te­te der jun­ge Mann, ei­ni­ger­ma­ßen ver­wun­dert so­wohl über die­se son­der­ba­re, hoch­tra­ben­de Re­de­wei­se, als auch dar­über, dass er so ge­ra­de­zu, so ohne wei­te­res an­ge­re­det wor­den war. Ob­gleich er noch so­eben das Ver­lan­gen nach ir­gend­wel­chem Ver­kehr mit an­de­ren Men­schen ver­spürt hat­te, emp­fand er plötz­lich bei dem ers­ten Wor­te, das nun wirk­lich an ihn ge­rich­tet wur­de, sein ge­wohn­tes un­an­ge­neh­mes und ge­reiz­tes Ge­fühl des Wi­der­wil­lens ge­gen je­den Frem­den, der mit ihm in Berüh­rung kam oder dies auch nur zu be­ab­sich­ti­gen schi­en.

»Also ein Stu­dent oder ein ehe­ma­li­ger Stu­dent!« rief der Be­am­te. »Hat­te ich es mir doch ge­dacht! Ja, ja, die Er­fah­rung, mein Herr, die lang­jäh­ri­ge Er­fah­rung!« Und prah­le­risch leg­te er einen Fin­ger an die Stirn. »Sie wa­ren Stu­dent, wid­me­ten sich den Wis­sen­schaf­ten! Aber ge­stat­ten Sie …«

Er er­hob sich schwan­kend, nahm sei­ne Fla­sche und sein Glas und setz­te sich zu dem jun­gen Man­ne, ihm schräg ge­gen­über. Er war be­trun­ken, re­de­te aber deut­lich und flie­ßend; nur ab und zu ver­wirr­te er sich ein­mal und zog dann die Wor­te in die Län­ge. Mit ei­ner ge­wis­sen Gier fiel er über Ras­kol­ni­kow her, als hät­te auch er einen gan­zen Mo­nat lang mit kei­nem Men­schen ge­spro­chen.

»Ver­ehr­ter Herr«, be­gann er pa­the­tisch, »Ar­mut ist kein Las­ter; wahr­lich, so ist es. Ich weiß, dass and­rer­seits die Trunk­sucht kei­ne Tu­gend ist, und das ist noch rich­ti­ger. Aber das Bet­tele­lend, mein Herr, das Bet­tele­lend – das ist al­ler­dings ein Las­ter. In der Ar­mut be­wah­ren Sie noch den Adel der an­ge­bo­re­nen Emp­fin­dun­gen; aber im Bet­tele­lend tut das nie­mand. Für Bet­tele­lend wird man nicht ein­mal mit ei­nem Sto­cke hin­aus­ge­jagt, son­dern, um die Be­lei­di­gung noch är­ger zu ma­chen, mit ei­nem Be­sen aus der mensch­li­chen Ge­sell­schaft hin­aus­ge­fegt. Und das mit Recht; denn beim Bet­tele­lend bin ich selbst der ers­te, der be­reit ist, mich zu be­lei­di­gen. Da­her kommt dann das Trin­ken! Ver­ehr­ter Herr, vor ei­nem Mo­nat hat Herr Le­bes­jat­ni­kow mei­ne Gat­tin krumm und lahm ge­prü­gelt, und mei­ne Gat­tin steht hoch über mir! Ver­ste­hen Sie wohl? … Ge­stat­ten Sie mir noch die Fra­ge, nur so aus blo­ßer Neu­gier: ha­ben Sie schon auf der Newa, auf den Heu­käh­nen, über­nach­tet?«

»Nein, das ist mir noch nicht vor­ge­kom­men«, ant­wor­te­te Ras­kol­ni­kow. »Wie­so?«

»Nun, mein Herr, ich kom­me von dort; ich habe schon fünf Näch­te …«

Er füll­te sein Glas, trank es aus und ver­sank in Ge­dan­ken. Tat­säch­lich hin­gen an sei­nem An­zu­ge und so­gar in sei­nen Haa­ren hier und da Heu­hälm­chen. Sehr wahr­schein­lich, dass er sich fünf Tage lang we­der aus­ge­klei­det noch ge­wa­schen hat­te. Ganz be­son­ders schmut­zig wa­ren die fet­ti­gen, ro­ten Hän­de mit den schwar­zen Fin­ger­nä­geln.

Was er sag­te, schi­en in dem Lo­ka­le eine all­ge­mei­ne, aber nicht be­son­ders leb­haf­te Auf­merk­sam­keit zu er­re­gen. Die Kna­ben hin­ter dem Schenk­ti­sche ki­cher­ten. Der Wirt war, wohl ab­sicht­lich, aus dem obe­ren Zim­mer her­ab­ge­kom­men, um den »ko­mi­schen Kerl« zu hö­ren, hat­te sich ab­seits hin­ge­setzt und gähn­te läs­sig, aber wür­de­voll. Of­fen­bar war Mar­me­la­dow hier schon lan­ge be­kannt. Ja, auch sei­ne Nei­gung zu hoch­tra­ben­der Aus­drucks­wei­se hat­te sich wohl da­durch ent­wi­ckelt, dass er ge­wohnt war, mit al­len mög­li­chen un­be­kann­ten Leu­ten in der Knei­pe Ge­sprä­che zu füh­ren. Die­se Ge­wohn­heit geht bei man­chen Trin­kern ge­ra­de­zu in ein Be­dürf­nis über, und na­ment­lich bei sol­chen, mit de­nen zu Hau­se streng ver­fah­ren und kur­z­er Pro­zess ge­macht wird. Da­her su­chen sie, wenn sie mit an­de­ren Trin­kern zu­sam­men sind, sich zu recht­fer­ti­gen oder sich so­gar wo­mög­lich die Ach­tung der an­de­ren zu er­wer­ben.

»Du ko­mi­scher Kerl!« sag­te der Wirt laut. »Wa­rum ar­bei­test du denn nicht, warum bist du denn nicht im Dienst, wenn du doch Be­am­ter bist?«

»Wa­rum ich nicht im Diens­te bin, mein Herr«, ent­geg­ne­te Mar­me­la­dow, in­dem er sich aus­schließ­lich an Ras­kol­ni­kow wen­de­te, als ob die­ser es wäre, der die Fra­ge an ihn ge­rich­tet hat­te, »warum ich nicht im Diens­te bin? Ist es mir denn nicht der größ­te Schmerz, dass ich mich so nutz­los um­her­trei­be? Als Herr Le­bes­jat­ni­kow vor ei­nem Mo­nat ei­gen­hän­dig mei­ne Gat­tin prü­gel­te und ich be­trun­ken dalag, habe ich da etwa nicht ge­lit­ten? Er­lau­ben Sie eine Fra­ge, jun­ger Mann, ist es Ih­nen schon ein­mal be­geg­net, dass Sie … hm … dass Sie ohne Hoff­nung je­mand ba­ten, Ih­nen Geld zu lei­hen?«

»O ja, … das heißt, was mei­nen Sie da­mit: ohne Hoff­nung?«

»Nun, ich mei­ne eben: völ­lig ohne Hoff­nung, so­dass man schon im vor­aus weiß, dass nichts da­bei her­aus­kommt. Ein Bei­spiel: Sie wis­sen be­stimmt im vor­aus, dass die­ser sehr gut­ge­sinn­te und über­aus nütz­li­che Bür­ger Ih­nen un­ter kei­nen Um­stän­den Geld ge­ben wird; denn warum, fra­ge ich, soll­te er es tun? Er weiß ja, dass ich es ihm doch nie­mals wie­der­ge­be. Etwa aus Mit­leid? Aber Herr Le­bes­jat­ni­kow, der alle neu­en Ide­en mit In­ter­es­se ver­folgt, hat neu­lich erst er­klärt, dass das Mit­leid neu­er­dings so­gar von der Wis­sen­schaft ver­bo­ten wor­den sei und dass man in Eng­land, wo die Na­tio­nal­öko­no­mie herrscht, be­reits da­nach ver­fah­re. Wa­rum also, fra­ge ich, soll­te er Ih­nen Geld ge­ben? Und wohl­ge­merkt: ob­wohl Sie im vor­aus wis­sen, dass er Ih­nen nichts ge­ben wird, ma­chen Sie sich den­noch auf den Weg und …«

»Wozu soll man denn dann noch hin­ge­hen?« be­merk­te Ras­kol­ni­kow.

»Wenn aber nie­mand sonst da ist? Wenn Sie sonst nir­gend­wo­hin ge­hen kön­nen? Es müss­te doch so sein, dass je­der Mensch we­nigs­tens ir­gend­wo­hin ge­hen könn­te. Denn es kom­men Zei­ten vor, wo man un­be­dingt ir­gend­wo­hin ge­hen muss! Als mei­ne ein­zi­ge Toch­ter zum ers­ten Male mit dem gel­ben Schein1 ging, da ging auch ich … Mei­ne Toch­ter lebt näm­lich mit dem gel­ben Schein«, füg­te er als er­klä­ren­de Ein­schal­tung hin­zu und blick­te da­bei den jun­gen Mann mit ei­ni­ger Un­ru­he an. »Das macht nichts, ver­ehr­ter Herr, das macht nichts!« be­eil­te er sich schleu­nigst und an­schei­nend ru­hig zu er­klä­ren, als die bei­den Kna­ben hin­ter dem Schenk­ti­sche lo­sprus­te­ten und selbst der Wirt lä­chel­te. »Das macht nichts! Durch die­ses ›Schüt­teln der Häup­ter‹ las­se ich mich nicht ver­wir­ren; denn al­les ist schon längst al­len be­kannt, und ›es ist nichts ver­bor­gen, das nicht of­fen­bar wer­de‹; und nicht mit Ver­ach­tung, son­dern mit De­mut tue ich des­sen Er­wäh­nung. Mö­gen sie, mö­gen sie! ›Se­het, welch ein Mensch!‹ Er­lau­ben Sie eine Fra­ge, jun­ger Mann: Sind Sie im­stan­de … Aber nein, ich will mich stär­ker und be­zeich­nen­der aus­drücken: nicht sind Sie im­stan­de, son­dern wa­gen Sie, wenn Sie mich in die­sem Au­gen­bli­cke an­se­hen, die be­stimm­te Ver­si­che­rung ab­zu­ge­ben, dass ich kein Lump bin?«

Der jun­ge Mann er­wi­der­te kein Wort.

Der Red­ner war­te­te zu­nächst, bis das Ki­chern, das wie­der im Zim­mer auf sei­ne Wor­te ge­folgt war, auf­hör­te, und fuhr dann erst ge­setzt und dies­mal so­gar noch mit er­höh­ter Wür­de fort:

»Nun, mag ich im­mer­hin ein Lump sein; sie aber ist eine Dame. Ich sehe aus wie ein Stück Vieh; aber mei­ne Gat­tin, Ka­te­ri­na Iwa­now­na, ist eine ge­bil­de­te Per­son und als Toch­ter ei­nes Stabs­of­fi­ziers ge­bo­ren. Mag ich auch ein Schuft sein; aber sie ist ein hoch­her­zi­ges Weib und durch ihre Er­zie­hung von ed­len Ge­füh­len er­füllt. Und trotz­dem … ach, wenn sie Mit­leid mit mir hät­te! Ver­ehr­ter Herr, ver­ehr­ter Herr, es müss­te doch in der Welt so ein­ge­rich­tet sein, dass je­der Mensch we­nigs­tens ei­ne Stel­le hät­te, wo man ihn be­mit­lei­de­te! In­des­sen, Ka­te­ri­na Iwa­now­na ist zwar eine hoch­ge­sinn­te Dame, aber un­ge­recht … Ich weiß frei­lich selbst sehr wohl, dass, wenn sie mich an den Haa­ren reißt, sie das le­dig­lich aus mit­lei­di­gem Her­zen tut (denn – ich wie­der­ho­le es ohne Ver­le­gen­heit –: sie reißt mich an den Haa­ren, jun­ger Mann!« ver­si­cher­te er in noch wür­de­vol­le­rem Tone, als er ein neu­es Ge­ki­cher hör­te), »aber, mein Gott, wenn sie doch nur ein ein­zi­ges Mal … Aber nein, nein! Das ist al­les ver­ge­bens, und es hat kei­nen Zweck, da­von zu spre­chen! Gar kei­nen Zweck! Denn das, was ich so­eben als Wunsch aus­sprach, ist schon mehr­mals da­ge­we­sen, und ich bin mehr­mals be­mit­lei­det wor­den; aber … das ist nun ein­mal mei­ne Na­tur so; ich bin ein ge­bo­re­nes Vieh!«

»Na, und ob!« be­merk­te der Wirt gäh­nend.

Mar­me­la­dow schlug ent­schlos­sen mit der Faust auf den Tisch.

»Das ist nun ein­mal mei­ne Na­tur so! Wis­sen Sie, wis­sen Sie, mein Herr, dass ich so­gar ihre St­rümp­fe ver­trun­ken habe? Nicht die Schu­he, denn das wäre ja noch so ei­ni­ger­ma­ßen in der Ord­nung, son­dern die St­rümp­fe, ihre St­rümp­fe habe ich ver­trun­ken! Ihr Hals­tuch aus Baum­wol­le habe ich auch ver­trun­ken (sie hat es ein­mal ge­schenkt be­kom­men, schon frü­her, es war ihr per­sön­li­ches Ei­gen­tum und ge­hör­te mir nicht), und da­bei woh­nen wir in ei­nem kal­ten, klei­nen Lo­che, und sie hat­te sich in die­sem Win­ter er­käl­tet und an­ge­fan­gen zu hus­ten, schon Blut zu hus­ten. Wir ha­ben drei klei­ne Kin­der, und Ka­te­ri­na Iwa­now­na ist vom Mor­gen bis in die Nacht hin­ein bei der Ar­beit; sie scheu­ert, sie wäscht, auch die Kin­der wäscht sie, denn sie ist von klein auf an Rein­lich­keit ge­wöhnt; aber sie hat eine schwa­che Brust und An­la­ge zur Schwind­sucht, und dar­über grä­me ich mich! Grä­me ich mich etwa nicht dar­über? Und je mehr ich trin­ke, de­sto mehr grä­me ich mich. Da­rum eben trin­ke ich, weil ich aus die­sem Ge­trän­ke die Emp­fin­dun­gen des Mit­lei­des und des Gra­mes schöp­fe … Ich trin­ke, weil ich dop­pelt lei­den will!«

Wie in Verzweif­lung neig­te er den Kopf auf den Tisch.

»Jun­ger Mann«, fuhr er, sich wie­der auf­rich­tend, fort, »auf Ihrem Ge­sich­te lese ich so et­was wie Kum­mer. Schon als Sie ein­tra­ten, mach­te ich die­se Beo­b­ach­tung, und dar­um habe ich mich auch so­gleich an Sie ge­wandt. Denn wenn ich Ih­nen mei­ne Le­bens­ge­schich­te mit­tei­le, so ver­fol­ge ich da­bei nicht den Zweck, mich vor die­sen Ta­ge­die­ben, de­nen üb­ri­gens al­les schon oh­ne­hin be­kannt ist, an den Pran­ger zu stel­len, son­dern ich su­che einen Men­schen von Ge­fühl und Bil­dung. Ver­neh­men Sie also, dass mei­ne Gat­tin in ei­nem vor­neh­men, für den Adel des Gou­ver­ne­ments be­stimm­ten Pen­sio­na­te er­zo­gen wur­de und bei der Ent­las­sungs­fei­er in Ge­gen­wart des Gou­ver­neurs und and­rer ho­her Per­sön­lich­kei­ten einen Schlei­er­tanz ge­tanzt hat, wo­für sie eine gol­de­ne Me­dail­le und ein Be­lo­bi­gungs­zeug­nis er­hielt. Die Me­dail­le … nun, die Me­dail­le ha­ben wir ver­kauft … schon lan­ge … hm! … Das Be­lo­bi­gungs­zeug­nis aber liegt noch bis auf den heu­ti­gen Tag in ih­rem Kas­ten, und noch neu­lich hat sie es uns­rer Wir­tin ge­zeigt. Und ob­gleich sie mit der Wir­tin un­auf­hör­lich Zank und Streit hat, so woll­te sie sich doch we­nigs­tens vor ei­nem Men­schen rüh­men und von ver­gan­ge­nen glück­li­chen Ta­gen re­den. Und ich rich­te nicht, ich rich­te nicht; denn dies ist das letz­te, was ihr noch als Erin­ne­rung ge­blie­ben ist, al­les üb­ri­ge ist fort und da­hin. Ja, ja, sie ist eine tem­pe­ra­ment­vol­le Dame, stolz und un­beug­sam. Den Fuß­bo­den wäscht sie selbst auf und lebt von Schwarz­brot; aber eine Ver­let­zung der ihr ge­büh­ren­den Ach­tung dul­det sie nicht. Des­halb woll­te sie auch von Herrn Le­bes­jat­ni­kow kei­ne Grob­heit dul­den, und als Herr Le­bes­jat­ni­kow sie nun da­für prü­gel­te, da leg­te sie sich ins Bett, nicht so­wohl we­gen der Schlä­ge als we­gen des Ge­fühls der Krän­kung. Ich habe sie ge­hei­ra­tet, als sie Wit­we war, mit drei Kin­der­chen, ei­nes klei­ner als das and­re. Ihren ers­ten Mann, einen In­fan­te­rie­of­fi­zier, hat­te sie aus Lie­be ge­hei­ra­tet und war mit ihm aus dem El­tern­hau­se da­von­ge­lau­fen. Sie lieb­te ih­ren Mann gren­zen­los; aber er er­gab sich dem Kar­ten­spie­le, kam vor Ge­richt und starb wäh­rend der Un­ter­su­chung. In der letz­ten Zeit schlug er sie häu­fig, und ob­wohl sie ihm auch nichts hin­ge­hen ließ, was mir zu­ver­läs­sig und aus si­che­ren Be­zeu­gun­gen be­kannt ist, so er­in­nert sie sich sei­ner doch bis auf den heu­ti­gen Tag mit Trä­nen und macht mir im Ge­gen­sat­ze zu ihm häu­fig Vor­wür­fe, und ich freue mich dar­über, ja, ich freue mich dar­über, weil sie sich we­nigs­tens ein­bil­det, ein­mal glück­lich ge­we­sen zu sein … Als er ge­stor­ben war, blieb sie mit den drei klei­nen Kin­dern in ei­ner ab­ge­le­ge­nen, un­zi­vi­li­sier­ten Kreis­stadt zu­rück, wo auch ich mich da­mals be­fand, und sie leb­te in so trost­lo­sem Elend, dass ich gar nicht im­stan­de bin, es zu be­schrei­ben, wie­wohl ich viel und man­cher­lei Un­glück in mei­nem Le­ben mit an­ge­se­hen habe. Die Ver­wand­ten hat­ten sich alle von ihr los­ge­sagt. Und sie war auch stolz, über alle Ma­ßen stolz. Und da, ver­ehr­ter Herr, bot ich, der ich gleich­falls Wit­wer war und von mei­ner ers­ten Frau eine vier­zehn­jäh­ri­ge Toch­ter hat­te, ihr mei­ne Hand an, weil ich einen sol­chen Jam­mer nicht an­se­hen konn­te. Wel­chen Grad ihr Elend er­reicht hat­te, das kön­nen Sie dar­aus be­ur­tei­len, dass sie, eine ge­bil­de­te, wohl­er­zo­ge­ne Frau aus an­ge­se­he­ner Fa­mi­lie, sich be­reit fand, mich zu neh­men. Ja­wohl, sie hei­ra­te­te mich! Sie wein­te und schluchz­te und rang die Hän­de; aber sie hei­ra­te­te mich! Denn sie wuss­te nicht, wo sie blei­ben soll­te. Ver­ste­hen Sie, ver­ste­hen Sie, ver­ehr­ter Herr, was das be­sa­gen will, wenn man nicht weiß, wo man blei­ben soll? Nein! Das ver­ste­hen Sie noch nicht … Ein gan­zes Jahr lang er­füll­te ich im Diens­te mei­ne Pf­licht treu und ge­wis­sen­haft und rühr­te das da« (er tipp­te mit dem Fin­ger an die Brannt­wein­fla­sche) »nicht an; denn ich habe ein füh­len­des Herz. Aber trotz­dem hat­te sie im­mer an mir et­was aus­zu­set­zen; und nun ver­lor ich gar mei­ne Stel­le, gleich­falls ohne mein Ver­schul­den, viel­mehr in­fol­ge ei­ner Etat­ver­än­de­rung der Be­hör­den, und da fing ich an zu trin­ken! … Es wird jetzt an­dert­halb Jahr her sein, dass wir end­lich nach lan­gen Irr­fahr­ten und vie­len Drang­sa­len in die­ser präch­ti­gen, mit zahl­rei­chen Denk­mä­lern ge­schmück­ten Re­si­denz an­lang­ten … Ich be­kam hier eine Stel­le; ich be­kam sie und ver­lor sie wie­der. Ver­ste­hen Sie wohl? Dies­mal ver­lor ich sie nun schon durch mei­ne ei­ge­ne Schuld; denn mei­ne Na­tur mach­te sich gel­tend … Wir ha­ben jetzt eine Schlaf­stel­le bei der Zim­mer­ver­mie­te­rin Ama­lia Fjo­do­row­na Lip­pe­wech­sel; wo­von wir aber le­ben und wo­mit wir be­zah­len, das weiß ich nicht. Es woh­nen da noch vie­le Leu­te au­ßer uns, … ein ganz scheuß­li­ches So­dom und Go­mor­rha … hm! … ja … Un­ter­des­sen war auch mein Töch­ter­chen aus ers­ter Ehe her­an­ge­wach­sen; was sie, mein Töch­ter­chen, wäh­rend sie her­an­wuchs, von ih­rer Stief­mut­ter al­les zu er­dul­den hat­te, da­von will ich schwei­gen. Denn ob­gleich Ka­te­ri­na Iwa­now­na ganz von hoch­her­zi­gen Ge­füh­len er­füllt ist, so ist sie doch eine tem­pe­ra­ment­vol­le, reiz­ba­re Dame und kann ei­nem die Höl­le heiß ma­chen … Ja! Na, es hat kei­nen Zweck, da­von zu re­den. Or­dent­li­chen Un­ter­richt hat Son­ja, wie Sie sich leicht den­ken kön­nen, nicht er­hal­ten. Vor vier Jah­ren mach­te ich den Ver­such, Geo­gra­fie und Welt­ge­schich­te mit ihr durch­zu­neh­men; aber da ich selbst in die­sen Wis­sen­schaf­ten nicht fest war und wir kei­ne ge­eig­ne­ten Leit­fä­den dazu be­sa­ßen – denn was wa­ren das für elen­de Bü­chel­chen, die wir hat­ten … hm! Nun, die sind jetzt nicht mehr vor­han­den, die­se Bü­chel­chen –, so war der gan­ze Un­ter­richt auch bald zu Ende. Wir ka­men nur bis zu dem per­si­schen Kö­nig Cy­rus. Spä­ter, als sie zu rei­fe­rem Al­ter ge­langt war, las sie ei­ni­ge Bü­cher, in de­nen Ro­ma­ne stan­den, und noch kürz­lich las sie mit großem In­ter­es­se ein Buch, das sie durch Herrn Le­bes­jat­ni­kows Ver­mitt­lung be­kom­men hat­te, die Phy­sio­lo­gie von Le­wes (ken­nen Sie es?), und sie las uns so­gar ei­ni­ge Par­ti­en dar­aus vor. Das ist ihre gan­ze Bil­dung. Jetzt wen­de ich mich an Sie, mein ver­ehr­ter Herr, ganz pri­va­tim mit ei­ner rein per­sön­li­chen Fra­ge: Kann Ih­rer An­sicht nach ein ar­mes, aber an­stän­di­ges Mäd­chen durch ehr­li­che Ar­beit et­was Erkleck­li­ches ver­die­nen? Sie wird noch nicht fünf­zehn Kope­ken den Tag ver­die­nen, mein Herr, wenn sie sich an­stän­dig hält und kei­ne be­son­de­ren Ta­len­te be­sitzt, und auch das nur, wenn sie bei der Ar­beit die Hän­de kei­nen Au­gen­blick ru­hen lässt. Und da­bei ist noch der Staats­rat Iwan Iwa­no­witsch Klop­stock (ha­ben Sie viel­leicht von ihm ge­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­2­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­