VORWORT
REZEPTE
EINLEITUNG
DIE WISSENSCHAFT DER SINNE
DIE WISSENSCHAFT VOM WASSER
DIE WISSENSCHAFT VOM ÖL
DIE WISSENSCHAFT VON DEN EMULSIONEN
DIE WISSENSCHAFT VOM WEIZEN
DIE WISSENSCHAFT VON DEN KÜCHENGERÄTEN
DIE RICHTIGE KÜCHENAUSSTATTUNG
PASTAFORMEN
LITERATUR
REGISTER
REZEPTE VON A BIS Z
IMPRESSUM
KONZEPT 1PASTATEIG BRAUCHT MEHL, WASSER UND GEDULD
KONZEPT 2DAS MEHL ENTSCHEIDET ÜBER DIE PASTA
KONZEPT 3EI MACHT FRISCHE PASTA KÖNIGLICH GUT
KONZEPT 4EIN WENIG SALZ MACHT DEN NUDELTEIG GESCHMEIDIG
KONZEPT 5PASTA BENÖTIGT WASSER UND HOHE GARTEMPERATUREN
KONZEPT 6PASTA AL DENTE GELINGT NUR MIT TROCKENEN NUDELN
KONZEPT 7WAS INS NUDELWASSER GEHÖRT – UND WAS NICHT
KONZEPT 8MEHR AROMA DURCH RÖSTNOTEN
KONZEPT 9FÜR JEDE SAUCE GIBT ES DIE PASSENDE PASTA
KONZEPT 10NUDELN UND SAUCE WERDEN IN DER PFANNE VERMÄHLT
KONZEPT 11ERST MIT TOMATEN SCHMECKT ES RICHTIG RUND
KONZEPT 12LANGE KOCHZEITEN INTENSIVIEREN DEN SAUCENGESCHMACK
KONZEPT 13KÄSE UND ANDERE UMAMI-VERSTÄRKER MACHEN PASTAGERICHTE SCHMACKHAFT
KONZEPT 14CARBONARA: DAS EIGELB GEHÖRT NICHT AUF, SONDERN IN DIE SAUCE
KONZEPT 15PERFEKTES PESTO AUS DEM MÖRSER
Mit diesem vierten Band aus der Reihe „Perfektion – die Wissenschaft des guten Kochens“ beschreitet die Stiftung Warentest neue Wege. Nachdem die ersten drei Bände (Fleisch, Gemüse und Backen) auf Erkenntnissen aus „America´s Test Kitchen“ beruhten, ist der vorliegende Band nun hausgemacht, so wie sich das für gute Pasta gehört.
„Perfektion Pasta“ speist sich aus den fundierten Kenntnissen und Fertigkeiten der beiden Autoren: Das jahrelange Praxiswissen aus der Pastaküche des Frankfurter Kochs Mario Furlanello trifft hier auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse des Molekularphysikers Thomas A. Vilgis. Gemeinsam haben die Autoren diskutiert, ausprobiert, verkostet und nicht zuletzt zahlreiche Experimente durchgeführt, um dem Geheimnis perfekter Pasta auf den Grund zu gehen – mit zum Teil überraschenden Ergebnissen.
Das Ziel dieses Buches ist es, allen Pastaliebhaberinnen und -liebhabern den Weg zu den besten Ergebnissen in der Pastaküche zu zeigen, egal ob es sich nun um bewährte oder neue Rezepte handelt, ob moderne Techniken oder überlieferte Zubereitungsmethoden zum Einsatz kommen.
In 15 Kapiteln, die wir Konzepte nennen, werden verschiedene Erkenntnisse aus der Pastaküche mit je einem Theorie- und einem Praxisteil dargestellt. Jedes Konzept beginnt mit einer Beschreibung der „Wissenschaft dahinter“, die das theoretische Rüstzeug liefert. Die anschließenden Experimente an Herd oder Labortisch, mit Topf oder Petrischale, zeigen, welche Erkenntnisse die Wissenschaft für die Küche bereithält. Und anhand der zahlreichen Rezepte mit praktischen Hinweisen, wie und warum etwas funktioniert, können Sie die neu gewonnenen Erkenntnisse aus den Experimenten dann sofort kulinarisch umsetzen.
Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen und noch mehr Freude
beim Ausprobieren!
PASTATEIGE
Grundteig – der Minimalist
Grundteig – der Heimklassiker
Grundteig – der Allrounder
Grundteig – der Flexible
Grundteig – der Festliche
GEFÜLLTE PASTA MIT FLEISCH
Lila Blutwursthalbmonde auf Sauerkraut
Mezzelune con sanguinaccio e crauti
Ochsenschwanzravioli im eigenen Saft
Ravioli di coda di bue
Carbonara Fagottini mit Schnittlauchbutter
Fagottini ripieni alla Carbonara con erba cippollina
GEFÜLLTE PASTA MIT FISCH ODER MEERESFRÜCHTEN
Lachs-Agnolotti in lila Senfsauce
Agnolotti al salmone con salsa di senape
Offenes Raviolo mit Oktopus
Raviolo aperto con polpo
Ravioli mit Scampifüllung
Ravioli ai scampi
GEFÜLLTE PASTA VEGETARISCH
Grüne Dreiecke mit Ricotta
Triangoli verdi con ricotta
Schlutzkrapfen
Tortelli mit Kürbisfüllung
Tortelli alla zucca
Ravioli mit Ziegenfrischkäse
Ravioli al formaggio fresco di capra
Mit viererlei Käse gefüllte Nudeln
Cappelletti ai quattro formaggi
Erbsenbonbons
Caramelle ai piselli
Rote-Bete-Ravioli in Mohnbutter
Ravioli ripieni di barbabietola al burro di papavero
SAUCEN MIT FLEISCH
Eigelb-Raviolo mit Trüffelsauce
Raviolo ripieno di tuorlo al tartufo
Breite Kakao-Bandnudeln mit Hirschragout
Pappardelle di cacao alla selvaggina
Steinpilznudeln mit Parmaschinken
Pasta ai porcini con prosciutto di Parma
Röhrennudeln mit Kaninchen
Garganelli al coniglio
Dünne Bandnudeln mit Trüffeln
Tajarin al tartufo
Sardische Culurgionis mit Kartoffelfüllung
Culurgionis d’Ogliastra
Spaghetti mit Zitronensauce
Spaghetti al limone
Paccheri mit Kalbsleber und Apfelcreme
Paccheri al fegato con crema di mela
Ditali mit Schinken und Erbsen
Ditali con prosciutto e piselli
Kurze Röhrennudeln mit Kartoffeln
Mezze maniche alle patate
Pasta mit geschmorter Perlhuhnkeule
Trecce con faraona brasata
Rigatoni mit Radicchio, Speck und Taleggio
Rigatoni con radicchio, speck e Taleggio
Cavatelli mit Bratwurst
Cavatelli alla salsiccia
Bucatini mit Tomaten-Speck-Sauce
Bucatini all´amatriciana
Breite Bandnudeln mit Entenragout
Pappardelle al ragù d´anatra
Tagliatelle mit Bolognesesauce
Tagliatelle al ragù (bolognese)
Bolognesesauce (einfache Version)
Ragù alla bolognese
Tagliatelle mit Geflügelinnereien-Ragout
Tagliatelle con frattaglie di pollo
Freestyle-Nudeln mit Pfifferlingen
Maltagliati ai finferli
Spaghetti mit Käse, Speck und Ei
Spaghetti alla carbonara
Lumache mit Erbsen und Schinken
Lumache con piselli e prosciutto
SAUCEN MIT FISCH ODER MEERESFRÜCHTEN
Dünne Bandnudeln mit Sepiatinte
Tagliolini al nero di seppia
Schwarze Bandnudeln mit Tintenfisch und Rogen
Tagliolini neri con seppia e bottarga
Schmetterlingsnudeln mit Thunfisch und Oliventapenade
Farfalle al tonno con pesto di olive nere
Muschelnudeln mit gebeiztem Fisch
Conchiglie al baccalà
Bavette mit Miesmuscheln und Safran
Bavette alle cozze con zafferano
Sardische Röstnudeln mit Venusmuscheln
Fregola sarda con arselle
Öhrchennudeln mit Stängelkohl
Orecchiette alle cime di rapa
Penne mit Spargel und Garnelen
Penne con asparagi e gamberetti
Linguine mit Muscheln
Linguine alle vongole
Fusilli „nach Hurenart“
Fusilli alla puttanesca
SAUCEN VEGETARISCH
Röhrennudeln mit Paprikacreme
Calamarata alla crema di peperoni
Cremiges Nudelrisotto mit Zucchini
Risoni cremosi al zucchino
Bucatini mit Käse und Pfeffer
Bucatini cacio e pepe
Bandnudeln mit Butter und Parmesan
Tagliatelle Alfredo
Handgerollte Spaghetti mit Semmelbröseln
Pici alle briciole
Penne in scharfer Tomatensauce
Penne all´arrabbiata
Spaghetti in Knoblauch-Chili-Öl
Spaghetti aglio, olio e peperoncino
Klassische Tomatensauce
Sugo al pomodoro
Sauce aus frischen Tomaten
Salsa di pomodorini freschi
Rigatoni mit Auberginen
Rigatoni alla Norma
Nudeln mit Linsensauce
Pasta con lenticchie
Bavette mit Auberginen
Bavette alle melanzane
Rigatoni mit Gorgonzolasauce
Rigatoni al gorgonzola
Käsespätzle mit Röstzwiebeln
Torsionsnudeln mit Pesto
Trofie al pesto con fagiolini e patate
Rotes Pesto
Pesto rosso
Walnusspesto
Pesto di noci
Schwarze Oliventapenade
Pesto di olive nere
SALATE
Nudelsalat Vitello tonnato
Insalata di pasta al vitello tonnato
Nudelsalat mit Farfalle, Rucola und Parmesan
Insalata di Farfalle con rucola e Parmigiano
Nudelsalat mit selbst getrockneten Tomaten
Insalata di pasta con pomodori secchi
SUPPEN
Geflügelbrühe mit Tortellini
Tortellini al brodo
Bohneneintopf mit Nudeln
Pasta e fagioli
Gemüsesuppe mit Nudeleinlage und Pesto
Minestrone mit Pesto
ÜBERBACKENES UND FRITTIERTES
Gefüllte Röhrennudeln
Cannelloni
Nudelterrine mit Auberginen
Timballo di pasta alle melanzane
Nudelrolle mit Ricotta und Spinat
Rotolo con ricotta e spinaci
Überbackene Muschelnudeln
Conchiglioni al forno
Frittierte Nudelteigtaschen
Panzerotti
Lasagne
Röstzwiebeln
Perfektion Pasta – das klingt verführerisch. Denn bei Pasta gerät fast jeder ins Schwelgen, egal ob klein oder groß, und erinnert sich sofort an die ersten eigenen Tomatensaucenversuche oder an den in seiner Einfachheit kaum zu überbietenden Teller Spaghetti aglio, olio e peperoncino auf der Terrasse der toskanischen Trattoria, der so göttlich schmeckte.
Das Geheimnis der Beliebtheit von Nudelgerichten ist – auch wissenschaftlich betrachtet – gar keines, denn es liegt geradezu auf der Hand beziehungsweise auf der Zunge: Viele geschmorte Nudelsaucen kombinieren Fleisch, Sardellen, Tomaten, Zwiebeln, Wurzelgemüse und Pilze, die einen vollen, tiefen Geschmack garantieren, wenn sie lange Zeit haben, sanft zu garen. Hinzu kommen Geschmack und Aromen von Olivenölen der letzten Ernte, von Kräutern und Gewürzen, von Zitronen, Knoblauch und von herzhaften Würsten und gereiftem Schinken sowie von Käse wie Parmigiano oder Pecorino. Nicht zu vergessen die Textur! Der Al-dente-Biss der Pasta, die mit Sauce getränkten Oberflächen der Spaghetti, der Spielraum zwischen den einzelnen Nudeln und das richtige Verhältnis zwischen weicher (aber nicht zu weicher) Nudel und glatter, sämiger oder stückiger Sauce – alle diese Eindrücke erfüllen den Mundraum und tragen wesentlich dazu bei, Appetit und Hunger zu befriedigen, unabhängig davon, ob die Pasta ganz klassisch als Zwischengang (primi piatti) zwischen Antipasti und Hauptgericht serviert wird, oder als eigenständige Hauptmahlzeit.
Vielleicht ist es dieses perfekte Zusammenspiel aller Sinne, was die Faszination von Pastagerichten ausmacht – und vielleicht auch die Tatsache, dass viele Rezepte leicht nachkochbar erscheinen. Dabei greift allerdings die Behauptung „Pastagerichte sind doch ganz einfach!“ viel zu kurz und ist sogar grundfalsch. Die Vorstellung, man müsste nur einen Teller dampfende Nudeln servieren, einen Klecks Sauce, eine Handvoll geriebenen Käse obenauf, einen Löffel und eine Gabel, und schon wäre das Essen fertig, enthält viele Fallen, sowohl auf der kulturellen Ebene als auch auf dem Gebiet der Sensorik. Allein diese Methode des Anrichtens offenbart die Misere: Die Nudeln wirken wie ein Sieb, die Sauce separiert, ein dünnes Süppchen sammelt sich im tiefen Pastateller, die festen Bestandteile bleiben oben in der Pasta hängen, der Genuss ist gestört, da hilft selbst gewaltiges Rühren nichts mehr. Doch keine Sorge, in diesem Buch werden wir ein wenig Klarheit schaffen, wie man Pasta am besten zubereitet und anrichtet und wie man sicherstellt, dass Nudel und Sauce ausgezeichnet zusammenpassen. Denn für Pasta in Perfektion benötigt man neben guten Zutaten vor allen Dingen eine gehörige Portion Wissen um die Physik und Chemie des Kochens. Nach der Lektüre dieses Buches werden Sie ein ganz anderes Verhältnis zu Nudeln haben und Ihre Fähigkeiten und Kenntnisse auf diesem Gebiet enorm ausgebaut haben. Zwar braucht es, um wahre Perfektion zu erlangen, immer noch viele Kilogramm Grieß und Mehl, Tausende Eier und Salzprisen, unzählige Liter Tomatensauce und Olivenöl sowie ziemlich viele Versuche – aber die folgenden Konzepte und Rezepte geben dabei Richtungen zum immer gezielteren Üben und Praktizieren vor. Das erspart einige Eier und Tomaten und schafft Wissen und Vertrauen in das eigene Können.
Und vermutlich schmecken – aus wissenschaftlich nicht belegbaren Gründen – die Spaghetti im toskanischen Sonnenuntergang immer noch besser als dasselbe Gericht mit den Originalzutaten zu Hause. Aber wenn die Gäste irgendwann ungläubig fragen: „Wie, die Pasta ist selbst gemacht?“, ist das Ziel bereits in Reichweite. Und nicht zu vergessen: Jeder Versuch lohnt sich, denn er beschert jedes Mal ein köstliches Pastagericht – auf dem Weg zum perfekten Genuss.
Wenn wir sagen „Es schmeckt“, meinen wir im Grunde etwas ganz anderes als nur den Geschmack, nämlich den Gesamteindruck aller Sinne, die beim Essen beteiligt sind, im Englischen flavour genannt. Sitzen wir in einem Restaurant, malen wir uns schon beim Lesen der Speisekarte die jeweiligen Gerichte aus. Die Wahl der Pasta folgt nicht dem „freien Willen“, sondern wird durch Stimmungen, Erinnerungen an frühere Mahlzeiten, Lüste, Gelüste und die Umgebung beeinflusst, ebenso wie durch die Tatsache, ob wir bei schönem Wetter draußen sitzen oder drinnen bei dezenter Begleitmusik.
Wird die Pasta serviert, beginnt als Erstes das Auge den Teller zu betrachten. Der optische Sinn legt im Gehirn eine positive Grundlage für das, was unmittelbar folgt: die Dämpfe, die Aromen, die vom Teller aufsteigen. Wir schnuppern genüsslich, bemerken vielleicht einen Hauch Basilikum? Oder ist noch Thymian dabei? Langsam wickeln wir unter weiterem orthonasalem Riechen die Spaghetti, nehmen Ravioli oder Penne auf die Gabel und führen sie in den Mund. Dann entdecken wir den Geschmack: einen Hauch Süße und Säure? Natürlich, die Sauce ist auf Tomatenbasis. Dezent salzig ist es auch, und schmeckt es nicht sogar leicht bitter? Der Blick in die Sauce bestätigt dies: Selleriewürfel, Rosmarinnadeln, gehackte Oliven und das Olivenöl. Dann drängt sich ein herzhafter Geschmack in den Vordergrund: Der Parmesan gesellt sich zur Schmorsauce, der tiefe Umami-Geschmack, gepaart mit dem Eindruck einer unglaublichen Mundfülle, macht sich auf der Zunge breit. Aber halt, spüren wir nicht zugleich eine Spur heißer Schärfe? Tatsächlich ist in der Sauce etwas Peperoncino! Kaum später wird es kühl und kalt: Minze kommt zum Vorschein und frischer, nicht mitgebratener Knoblauch. Offenbar zog der Koch alle Register und spielte nicht nur mit den fünf Geschmacksrichtungen, sondern auch mit dem Nervus trigeminus, einem Nerv, der Schmerzwahrnehmungen registriert: die der echten Temperaturen, gemessen in Grad Celsius, und die der gefühlten Temperaturen, die über ganz bestimmte Moleküle aus Chili (schmerzend heiß), Pfeffer (warm bis heiß), Minze (kühl) oder Zwiebelgewächse (schmerzend kalt) ausgelöst werden. Der reine Geschmack, gepaart mit Trigeminusreizen, wäre allerdings immer noch eine relativ langweilige Angelegenheit, wenn wir nicht gleichzeitig beim Kauen weiter riechen würden. Die flüchtigen Aromen, die im Grunde weder die Wasserphase der Sauce noch den wässrigen Speichel auf der Zunge mögen, nehmen beim Kauen und Beißen jede Gelegenheit zur Flucht wahr, erst recht im Mund. Dort verflüchtigen sie sich nicht in die Küche, sondern steigen von der Mundhöhle in den Rachenraum, wo wir sie retronasal (wörtlich: hinter der Nase gelegen) wahrnehmen: die Zitrusnoten der Zitronenschalen, den Lorbeerduft, die Aromen des Kräutersträußchens und der Gewürze, die röstigen Duftstoffe, die vom Anbraten der Zwiebeln und des Fleisches stammen, oder die fettigen Gerüche der Meeresfrüchte. Erst die bedachte Kombination von verschiedenen Gerüchen, den fünf Grundgeschmacksqualitäten und einzelnen Temperaturreizen macht ein Pastagericht zur kulinarischen Sensation.
Der Texturunterschied zwischen weichen (rote Linie) und Al-dente-Nudeln (graue Linie) ist anhand der aufgewendeten Bisskraft messbar. Werden beide Nudeln im Experiment mit einem „Zahn“ durchschnitten, gibt es nach den ersten Millimetern deutliche Abweichungen, was den Kraftaufwand dabei betrifft. Besonders am Ende ist bei der „Al-dente“-Nudel nochmals eine Kraftspitze zu erkennen.
Aber das ist noch nicht alles! Bei jeder Gabel fühlen wir im Mund die Sämigkeit der Sauce und den typischen Al-dente-Biss der Pasta zwischen den Zähnen, jenen leichten Widerstand beim finalen Durchbeißen der Nudeln, wenn sie im Kern noch nicht vollkommen durchgekocht sind. Der Unterschied zwischen matschig und al dente ist übrigens trotz des geringen Unterschieds von 1 Minute Kochzeit enorm für den sensorischen Eindruck und lässt sich sogar im Laborversuch nachweisen. Wie und warum der Zustand al dente beim Pastakochen erreicht wird, erläutern und zeigen wir ausführlich in Konzept 6.
Die Kommunikation zwischen Zunge und Hirn, die sich über all diese Eindrücke austauschen, erfolgt schneller, als Sie dies lesen können. Und wenn Sie die Pasta nicht im Restaurant genießen, sondern sie selbst kochen, kommen auch bei Tisch noch alle Erinnerungen an die Eindrücke des Kochens hinzu: die Gerüche der Gewürze, die Tränen vom Zwiebelschneiden, das Zischen beim Anbraten, der Dampf aus dem Saucentopf, die aufsteigenden getreidetypischen Noten beim Abgießen der Nudeln. Der Satz „Das hat geschmeckt!“ ist daher das Resultat von einer Vielzahl multisensorischer Eindrücke, die weiter zurückreichen als die Wahrnehmung von Geschmäckern, Aromen und Texturen während des Essens. Und wenn dann unser Gehirn unsere italienische Lieblings-Canzone aus dem Nichts heraus abspielt, ist der Genuss perfekt.
Wasser ist in der Pastaküche allgegenwärtig, angefangen beim Herstellen des Nudelteiges über das Kochen der Pasta bis hin zur Saucenzubereitung. Im ersten Schritt verbindet sich das Wasser mit dem Weizenmehl oder -grieß zu einem elastischen Teig. Im zweiten erfüllt es eine doppelte Aufgabe: Es ist nicht nur Träger der thermischen Energie und bringt effektiv die Hitze an die Pasta, sondern dringt auch in die Nudeln ein und sorgt dort für Feuchtigkeit – insbesondere trockene, gekaufte Nudeln macht es weich und elastisch. Und schließlich lösen sich in den wässrigen Pastasaucen (z. B. aus dem Saft der Tomaten) alle Geschmacksstoffe aus den Zutaten: Salz und Zucker, Säuren, Moleküle wie Polyphenole, die bitter schmecken, sowie die Glutaminsäure (die uns in diesem Buch noch oft begegnen wird) für den Umami-Geschmack.
Wasser, H2O. Das um etwa 104° gewinkelte Molekül bildet einen Dipol mit einer elektrisch positiv und einer elektrisch negativ geladenen Seite.
Der Grund dafür, dass das Wasser diese verschiedenen Funktionen übernehmen kann, liegt in seinem molekularen Aufbau. Das Wassermolekül, H2O, besteht aus zwei Atomen Wasserstoff (H) und einem Atom Sauerstoff (O), die sich chemisch verbunden haben. Dieses Wassermolekül hat außergewöhnliche Eigenschaften, die fundamental für die Küche sind. Eine der wichtigsten ist seine Polarität. Jedes Wassermolekül ist dipolar, es ist am Sauerstoff leicht negativ und an den beiden Wasserstoffen leicht positiv geladen.
Diese Polarität sorgt dafür, dass sich Wassermoleküle nicht beliebig orientieren können, denn gegenseitige Ladungen ziehen sich an, gleiche Ladungen stoßen sich ab. So müssen sich Wassermolekülediesen Naturgesetzen gemäß immer eine optimale Orientierung suchen. Im flüssigen Zustand sind die Moleküle sehr flink und wechseln die Richtung sehr rasch. Wird es kälter, verlieren sie an Beweglichkeit und drängen sich dichter aneinander, das Wasser erreicht bei 4 °C die größte Dichte und erstarrt bei 0 °C zu Eis. Steigt die Temperatur hingegen an, stoßen sich die Wassermoleküle voneinander ab, der Zusammenhalt wird schwächer, bis das Wasser bei 100 °C gasförmig wird. (Die Kunst des kontrollierten Verdampfenlassens wird uns noch bei vielen Pastasaucen wiederbegegnen.)
Noch wichtiger wird die Polarität des Wassers, sobald andere Moleküle mit ins Spiel kommen. Denn dann suchen die H2O-Moleküle sich immer Partner, die ebenso polar oder elektrisch geladen sind (und zwar nur solche).
Das beginnt schon bei der Teigbereitung. Auch Proteine oder Kohlenhydrate haben polare oder elektrisch geladene Bausteine. Bei Proteinen sind dies ganz bestimmte wasserlösliche Aminosäuren oder zuckerartige Seitengruppen (Glykoproteine), bei Kohlenhydraten deren zuckerartige Bausteine (meist Glukose oder deren Abkömmlinge). Diese wasserliebenden, hydrophilen Bausteine sammeln und binden Wasser über sogenannte Wasserstoffbrücken um sich. Nur dadurch ist es möglich, dass aus Mehl und Wasser beim Kneten ein elastischer Pastateig entsteht – nicht zu fest und nicht zu weich. Welche Rolle dabei im Einzelnen die Menge des Wassers spielt, die Mehlsorte, die Prise Salz oder sogar zugegebene Eier, darauf gehen wir in den ersten Konzepten genauer ein. Wasserstoffbrücken sind zwar schwache Bindungen, aber die Konsequenzen sind erheblich. Sie entscheiden über freies und gebundenes Wasser in den Lebensmitteln, und damit über die Wasseraktivität. Freies Wasser hat eine 100-prozentige Aktivität, fest gebundenes Wasser indes 0 Prozent. So ist es kein Wunder, dass gebundenes Wasser eine höhere Energie benötigt, um zu verdampfen.
Dies lässt sich sogar an dem Salz des Nudelwassers erkennen: Gesalzenes Wasser hat einen von der Konzentration abhängigen höheren Siedepunkt als ungesalzenes Wasser. Gibt man in 1 Liter Wasser etwa 10 EL Salz, erhöht sich der Siedepunkt um etwa 1,5 °C. Ein normal gesalzenes Nudelwasser mit 2 EL Salz pro Liter siedet daher bei etwa 100,5 °C. Der Effekt ist spürbar und hat wichtige molekulare Ursachen: Die Ionen des Kochsalzes Natriumchlorid, Na+ und Cl–, scharen Wassermoleküle in der Wasserpolarität entsprechenden Orientierung um sich.
Die elektrisch geladenen Ionen des Salzes scharen das dipolare Wasser um sich, halten es etwas fester, die an die Ionen gebundenen Wassermoleküle können schwerer entfleuchen, sie benötigen eine höhere thermische Energie, daher erhöht sich der Siedepunkt.
Während die Bindung des Wassers an das Salz gering erscheint, sind Moleküle wie polare Kohlenhydrate oder elektrisch geladene Proteine größere Moleküle, die Wasser stark und in größeren Mengen binden können.
Gleichzeitig hält das freie Wasser solche Kettenmoleküle auf Abstand, sie können daher leicht aneinander abgleiten und sich freier bewegen. Genau das sorgt für eine weiche Textur, die wir im Mund spüren. Je freier sich Strukturmoleküle wie z. B. Proteine bewegen können, desto weicher ist die Materie. Das freie Wasser zwischen den Molekülen wirkt sozusagen als molekulares Schmiermittel. Das erkennen wir sowohl beim Nudelteig, der im Idealfall geschmeidig und elastisch ist, als auch später in der gekochten, weichen Nudel. Verdampft das freie und ein Teil des gebundenen Wassers, müssen die Strukturmoleküle enger zusammenrücken und haben weniger Platz für ihre Bewegung, die Biegamkeit und damit die Textur verändert sich.
Beim Trocknen frischer Pasta entziehen wir ihr Wasser und machen sie dadurch haltbar. Die Nudel wird hart und glasartig. Erst beim Kochen führen wir wieder Wasser zu, die Nudel wird rehydriert und weich. Das Wasser und dessen Aktivität in der Nudel definiert die Perfektion von al dente. In den folgenden Konzepten erklären wir, was man vor diesem Hintergrund beim Trocknen von selbst gemachter Pasta beachten muss (siehe Konzept 1), wieso man eine Al-dente-Textur nur mit gekauften, d. h., industriell getrockneten Nudeln erreicht (Konzept 6), und was passiert, wenn man Pasta vor dem Garen trocken röstet (Konzept 8).
Zwei große, kettenförmige Moleküle aus geladenen oder polaren Bausteinen binden viel Wasser. Die Wassermoleküle in der unmittelbaren Umgebung sind stärker gebunden.
Nicht zuletzt bei der Sauce spielt das Wasser eine große Rolle. Alle Geschmacksstoffe sind nämlich polar oder elektrisch geladen, d. h. sie sind wasserlöslich. Dazu gehören Zucker und Salz, ebenso wie das für den Umami-Geschmack verantwortliche Glutamat (siehe Konzept 13) oder die bitter schmeckenden Polyphenole. Selbst die Säure definiert sich über Wasser, denn rasch kann aus H2O etwas werden, was wir als sauer oder alkalisch schmecken: Bindet sich nur ein Wasserstoffatom mehr an das Wassermolekül, entsteht H3O+(z. B. beim Essig), löst sich eines, entsteht eine OH–-Gruppe, die leicht basisch wirkt (wie beim Hausnatron).
Wasser definiert damit den neutralen pH-Wert, wenn H+ (Protonen) und OH– (Hydroxidionen) im Gleichgewicht stehen, sprich, in gleicher Menge vorkommen. Verschiebt sich das Gleichgewicht zu den Protonen, schmeckt es sauer, verschiebt es sich hingegen zu den Hydroxidionen, schmeckt es basisch. Daraus folgt ein fundamentales Prinzip für die Küche: Alles was wir schmecken, löst sich in Wasser, nicht in Öl oder Fett.
Welche Konsequenzen und welches kulinarische Potenzial dies hat, lässt sich an einem einfachen Experiment ablesen. Löst man Salz in Wasser auf und nippt daran, ergibt sich der typische Grundgeschmack „salzig“. Gibt man nun ein paar größere Salzkörner (fleur de sel oder Salzflocken) auf einen Löffel, gießt etwas Olivenöl darüber und nimmt dies in den Mund, ist die Sensorik eine ganz andere: Das Öl benetzt die Zunge, sein Aroma wird frei, erst dann löst sich bei Speichelkontakt langsam das Salz. Die Geschmacksfreigabe ist graduell, sie beginnt langsam, erreicht ein Maximum und verschwindet nach und nach.
Das Gleichgewicht des Wassers: Wasser kann in ein positiv geladenes Proton (H+) und ein negatives Hydroxidion (OH–) zerfallen.
H2O → H+ + OH–
eigentlich korrekter:
2H2O ← H3O+ + OH–
Öl ist in der mediterranen Pastaküche eine weitere unverzichtbare Zutat. Im Teig selbst wird es bisweilen eingesetzt, um ihn geschmeidiger zu machen. Seinen Hauptauftritt hat es aber bei den Saucen, und zwar nicht nur als Anbrathilfe etwa für Zwiebeln, Knoblauch, Fleisch und Gewürze. Dass es eine weit größere Rolle spielt, als auf den ersten Blick zu vermuten, wird bei der klassischen Sauce aglio, olio e peperoncino deutlich: Das Öl löst die Aromen des Knoblauchs und das für die Schärfe verantwortliche Capsaicin der Chilischote. Der Grund dafür liegt – wieder einmal – in seinem molekularen Aufbau.
Nahrungsmittelfette bzw. -öle sind stets Triglyceride: An einem Glycerinmolekül sind drei Fettsäuren verestert. Diese Fettsäuren können langkettig (z. B. Talg), mittelkettig (z. B. Kokosöl) oder kurzkettig (z. B. im Butterfett) sein, ungesättigt (z. B. Talg, Kokosöl), einfach ungesättigt (z. B. Olivenöl) oder vielfach ungesättigt (z. B. Leinöl, Fischöle) sein. Es sind diese Eigenschaften, die den Schmelzbereich von Fetten und ihre Stabilität bedingen: Sind die Fettsäuren lang und gerade, werden die Fette rasch fest und kristallin – deshalb sind gesättigte Fette bei Zimmertemperatur fest –, sind sie kurz und geknickt, wie die ungesättigten Fettsäuren, werden sie erst im Kühlschrank fest, wie Olivenöl oder, noch extremer, Fischöle, die selbst bei tiefen Minustemperaturen noch flüssig bleiben.
Diese Unterschiede sind auch bei Pastasaucen von Bedeutung und man kann sie systematisch nutzen. So sind mit Butter und Sahne gebundene Saucen, wie sie z. B. in Norditalien vorkommen, immer ein wenig steifer, denn die gesättigten und langkettigen Fettsäuren des Butterfetts (das in der Sahne dasselbe ist) sind selbst bei höheren Temperaturen teilweise kristallin, sprich, fest.
Mit Olivenöl oder Nussölen gebundene Saucen sind etwas flüssiger. Auch bei kalten Saucen wie Pesto & Co ist das entscheidend. Pesto mit Olivenöl ist weitgehend flüssig. Würde man es mit Butter herstellen, erhielte man eine feste Basilikum-Pinienkern-Parmesan-Butter. Diese wäre zwar nicht traditionell, aber das Experiment ist reizvoll: Die Butter schmilzt auf der heißen Pasta und gibt ihre Aromen deutlich verzögert und gestaffelt frei, anders als beim klassischen Olivenölpesto. Ganz abgesehen von dem unterschiedlichen Flavour von Butter und Olivenöl. Es ist daher immer spannend – selbst bei einfachen Zutaten –, über das Übliche hinauszudenken und zu experimentieren.
Ein typisches Fettmolekül besteht aus einem Glycerin, an das drei Fettsäuren verestert sind. Die großen grauen Kreise stehen für den Kohlenstoff (C), die kleinen grauen Kreise für den Wasserstoff (H) und die roten für den Sauerstoff (O). Ungesättigte Fettsäuren haben eine chemische (cis-) Doppelbindung an ganz bestimmten Stellen, dort ist die Struktur geknickt, was die Kristallisation erschwert und die Schmelzbereiche nach oben setzt.
Der molekulare Aufbau aller Speisefette ist also immer ähnlich. Gemeinsam ist ihnen – unabhängig davon, ob sie lang- oder kurzkettig, gesättigt oder ungesättigt sind – eine zentrale Eigenschaft: Sie sind apolar. Im Gegensatz zu Wasser tragen sie keinen Dipol und keine Ladung. Genau deswegen sind Öle und Fette mit Wasser nicht mischbar. Dies hat zwei für die Küche wichtige Konsequenzen:
1.Alle apolaren Aromastoffe lösen sich weit besser in Fett/Öl als in Wasser (worin sie sich nur begrenzt und in sehr geringen Mengen aufhalten). Fett und Wasser bilden immer Grenzflächen zueinander. Gelingt es, diese zu kontrollieren, dann spricht man von Emulsionen (eine ganz besondere Form strukturierter Lebensmittel, etwa Saucen, Mayonnaisen oder Vinaigretten).
2.Der erste Punkt ist von großer Bedeutung, denn gerade beim Kochen kommt es darauf an, Aromen festzuhalten, damit sie im Topf bleiben und nicht bloß die Küchenluft aromatisieren. In Wasser passiert das nicht, dort sind Geruchsstoffe stark flüchtig, erst recht bei hohen Temperaturen. Sie sind dort in einen sehr schwach verschlossenen Käfig von Wassermolekülen gesperrt, der umso schwächer wird, je größer die Moleküle bzw. die Tröpfchen der Moleküle werden. Sind die Moleküle größer (oder die Temperatur höher), kondensieren die wasserunlöslichen (hydrophoben) Aromastoffe zu Tröpfchen. Deren Dichte ist geringer als die von Wasser, sie können aufsteigen, an der Oberfläche eine Fettschicht bilden und sich von dort aus sehr leicht verflüchtigen. In Öl ist das nicht der Fall. Wasserunlösliche, hydrophobe Aromastoffe können in großer Menge gelöst werden, und zwar so stark, dass die Flüchtigkeit weit geringer ist als in Wasser. Gleiches passt zu Gleichem, die thermodynamische Abstoßung zwischen Aromastoff und Fettmolekül ist weit geringer als die von Aromastoff und Wasser.
Der in der traditionellen mediterranen Küche großzügige Schuss Öl beim Schmoren dient also nicht nur dem sämigeren Mundgefühl, sondern ebenso dem Erhalt der Aromen, und zwar gleich doppelt: Erst werden die zugegebenen Aromen aus den Kräutern und anderen Zutaten im Fett gelöst und vor Oxidation geschützt, und anschließend fängt das Öl die sich während des Schmorens bildenden Aromen ein. So bleiben alle Duftstoffe in der Sauce und gelangen mit der Pasta in den Mund, wo sie beim Kauen wieder freigegeben werden. Dann werden sie retronasal wahrgenommen und sorgen für einen perfekten Genuss.
Da sich Öl und Wasser untereinander nicht mischen, in den meisten Gerichten aber beide vorkommen, geht es darum, die Grenzflächen, die entstehen, durch grenzflächenaktive Moleküle miteinander zu sortieren. Das sind Stoffe, die sowohl an wasserlösliche als auch an wasserunlösliche Moleküle andocken können und so zwischen den feindlichen Parteien vermitteln. Dann entsteht eine Emulsion.
Als Emulsionen bezeichnet man Gemische aus Öl und Wasser, wie z. B. eine Mayonnaise oder Remoulade. Da Öl und Wasser untereinander nicht mischbar sind, muss immer eine Phase, meist das Öl, in der anderen fein verteilt werden. Sind feine Öltröpfchen im Wasser verteilt, spricht man von Öl-in-Wasser-Emulsionen. Die meisten bekannten kulinarischen Emulsionen, etwa die Mayonnaise, gehören dazu. Damit ist klar, dass auch Saucen Emulsionen sind, denn Fett, sei es durch zugegebenes Olivenöl, Butter oder Sahne, sei es während des Garens austretendes Fett aus Fleisch oder anderen Zutaten, muss sich in der meist wässrigen Sauce (das Wasser tritt aus dem Gemüse oder Fleisch aus) verteilen. Je feiner, desto besser, denn das sorgt für die erwünschte sämige Textur im Mund.
Die Öltröpfchen klein und stabil in Wasser zu halten, ist keine leichte Aufgabe. Jede Grenzfläche kostet Energie. Verantwortlich dafür ist die Oberflächen- oder Grenzflächenspannung. Die Grenzflächenenergie ist die Grenzflächenspannung mal die Oberfläche der Grenzfläche. Angenommen, man zerteilt mit dem Mixer oder Schneebesen einen Riesentropfen Öl in 1 000 winzige Tröpfchen, so bleibt zwar das Ölvolumen dasselbe, aber die Gesamtoberfläche wird 10-mal größer. Damit hätten die Tröpfchen auch eine 10-mal größere Grenzflächenenergie.
In der Physik werden aber grundsätzlich die Zustände niedrigster Energie bevorzugt. Daher ist die einzige Möglichkeit, diese wieder herabzusetzen, die spezifische Grenzflächenspannung zu senken. Das funktioniert nur mit Emulgatoren. Emulgatoren sorgen dafür, dass sich die Öltröpfchen fein in der Sauce verteilen und sich nicht wieder zu großen Tropfen vereinigen. Bei der Mayonnaise stammen die Emulgatoren aus dem Eigelb oder Eiklar. In der Sauce übernehmen diese Aufgabe meist durch das Kochen herausgelöste Proteine oder Lecithin aus Zellmembranen. Und wie wir sehen werden, hilft auch ein Schuss Nudelkochwasser bzw. die darin gelöste Stärke aus den Nudeln, um Fett mit Wasser zu emulgieren (siehe Konzept 7). Die emulgierenden Moleküle legen sich um die kleinen Tröpfchen und halten diese stabil. Die Sauce wird und bleibt im Idealfall sämig.
Es ist kein Zufall, dass die Originalpasta aus Italien oder viele Nudeln dieser Welt traditionell aus Weizenarten gemacht sind. Weizen hat im Vergleich zu anderen Getreiden und Pseudogetreiden nicht wenige Alleinstellungsmerkmale, die sich im Korn verbergen.
Die Sesshaftigkeit in der Menschheitsgeschichte und die damit beginnende Agrarkultur mit den Urgetreiden gestatteten es, Mehl aus gemahlenen Körnern herzustellen. Nach gegenwärtigem Wissen lag der Ursprung der landwirtschaftlichen Praktiken in einem breiten Gürtel Südostasiens, zu dem die Gegenden der heutigen Südtürkei, Palästina, des Libanons und Nordiraks gehören. Dort gab und gibt es bis heute eine große Vielfalt an wildem Getreide, auch waren die klimatischen Bedingungen für das Wachstum ausgezeichnet.
Die frühen Wildgetreidearten der Gattungen Triticum (Weizen) und Hordeum (Gerste) waren genetisch diploid, d. h. sie besaßen männliche und weibliche Erbanlagen und trugen nur wenig Samen. Üppige Ernten waren zu Beginn nicht zu erwarten. Allerdings zeigte sich über die Diploidität eine bemerkenswerte Variation des Protein- und Stärkeanteils der Getreidekörner, die gezielt für die Zucht genutzt werden konnte. Der Beginn der frühen Landwirtschaft und die Erfindung von Bewässerungssystemen ermöglichte das Überleben und die Ausbreitung von poliploiden Körnern, die mehr als zwei Chromosomenpaare besitzen, wodurch die genetischen Variationen zwar reduziert wurden, aber der Anbau vorhersagbarer und damit planbarer wurde. Diese gezielte Zucht zeugt von der großen Leistung der frühen Bauern, die dies erkannten und nutzten.
Die erste stabile Bildung von polyploiden Körnern stammt von etwa 6 000 v. Chr. Die Wahl und die genetische Variabilität waren erforderlich, um die Körner an verschiedene Umweltbedingungen anzupassen. Heute weiß man aus archäologischen Funden und genetischen Analysen, dass die Weizensorten Triticum turgide dicoccoides mit Triticum fantschii gekreuzt wurden, um Triticum aestivum, den Vorläufer unseres heutigen Weizens, zu kreieren. Triticum aestivum ist ein Weizen mit 42 Chromosomen im Vergleich zu den 14 Chromosomen des Einkorns (Triticum monococcum).
Es ist kein Wunder, dass ein genetisch derart mächtiges Getreide alle existierenden Weizensorten ersetzte: Derzeit gibt es 20 000 Arten des Triticum aestivum für den professionellen Anbau von Weizen. Ähnliches gilt für Emmer, Zweikorn oder Triticum dicoccum, denn man versucht weiterhin, das Getreide klimatischen Bedingungen, etwa der hohen Trockenheit mancher Gegenden, anzupassen. Der Wunsch, Weizen zu optimieren, hat nur einen Grund: Er ist das Getreide, das als einziges ausreichend Klebereiweiß hervorbringt, das es erlaubt, mit einfachen Herstellungsweisen Teigwaren oder Brot herzustellen. Kein anderes Getreide schafft dies. Die Unterschiede zwischen Hart- und Weichweizen stehen im Grunde lediglich für ein technisches Feintuning, wie wir im Konzept 1 darstellen.
Begnügt man sich mit wenigen, hausgemachten Pastasorten wie Cavatelli, Orecchiette oder Pici, kommt man für die eigene Pastaproduktion fast ohne Hilfsmittel aus. Dann genügen Hartweizengrieß, Wasser, ein Messer und eine Arbeitsfläche, idealerweise aus Holz. Das kann eine auf die eigene Küche zugeschnittene Leimholz-Arbeitsplatte aus dem Baumarkt sein, die man immer nur dann hervorkramt, wenn man sich und seinen Gästen mal wieder was Gutes tun möchte.
Hat man die wenigen Nudelsorten aber satt, dann erweitert einem ein Nudelholz oder eine Nudelmaschine, mit der man den Teig zu gleichmäßig dünnen Teigbahnen ausrollen kann, das Spektrum um ein Vielfaches. Bandnudelvarianten oder sämtliche gefüllte Nudeln, stehen einem dann offen.
Da das Nudelholz viel Übung und Routine erfordert, um gute Ergebnisse zu erzielen, ist der Einsatz einer Nudelmaschine für Anfänger oder Gelegenheitsköche absolut empfehlenswert. Der Vorteil: Die Teigbahnen sind immer genauso dick wie gewünscht, und zwar an jeder Stelle. Der Nachteil: Man ist an die Öffnungsbreite der Nudelmaschine bzw. die Breite der beiden Walzen gebunden. Beträgt diese nur 10 cm, wird man wohl oder übel viele schmale Teigbahnen herstellen müssen, was zeitraubend ist.
Hier lohnt sich auf jeden Fall die Investition in eine möglichst breite Nudelmaschine, da man dieselbe Teigmenge in sehr viel kürzerer Zeit verarbeiten kann. Das ist auch in Anbetracht der Tatsache, dass je nach Nudelauswahl noch Zeit in die Zubereitung einer Füllung, in die Formung jeder einzelnen Nudel und die Herstellung einer Sauce gesteckt werden muss, nicht zu vernachlässigen. Bei der Anschaffung einer Nudelmaschine ist neben der Breite wichtig, dass die beiden Walzen absolut parallel laufen. Günstige Produkte haben da so ihre Schwierigkeiten. Das liegt daran, dass eine der beiden Walzen verstellbar gelagert, also beweglich sein muss, um den Abstand zu der anderen Walze weiter oder schmaler gestalten zu können.
Mit der Zeit leidet hier oftmals der Mechanismus, zumal ein guter Nudelteig der Maschine einiges abverlangt. Dann erhalten die Bahnen einen konischen, d. h., kegelförmigen Querschnitt, was den Spaß an der Sache sehr schnell trübt und gute Ergebnisse unmöglich macht. Richtig teuer wird es bei den Nudelmaschinen nur, wenn Sie die bequeme elektrische Variante wünschen. Die lohnt sich wirklich nur, wenn Sie regelmäßig und in größerer Menge Nudeln herstellen. Ist dies nicht der Fall, dann suchen Sie sich lieber einen sympathischen Assistenten oder eine gutgelaunte Assistentin, die im Wechsel mit Ihnen kurbeln und so die Mühe bei einem anregenden Gespräch halbiert.
Überlegen Sie vor der Anschaffung auch, ob der Ort, an dem Sie Nudeln produzieren möchten, über eine Stelle verfügt, an der man die Nudelmaschine ordentlich befestigen kann. Da hier, wie gesagt, große Kräfte walten, ist es ratsam, die Nudelmaschine mit einer ausreichend dimensionierten Schraubzwinge festzumachen. Das geht nur, wenn die Arbeitsfläche untergriffen werden kann und nicht durchweg mit Schubladenfronten belegt ist oder ausreichend auskragt. Aber selbst wenn in der Küche eine solche Stelle gibt, ist nicht gewährleistet, dass es die richtige für die Anbringung einer Nudelmaschine ist, da die üblichen Produkte so ausgelegt sind, dass man von rechts nach links arbeitet, also mit der rechten Hand kurbelt und den Teig mit der linken Hand aus der Maschine zieht und auf die nach links offene Arbeitsfläche ausbreitet. Behilft man sich wie oben beschrieben mit einem mobilen Brett, hat man diese Schwierigkeiten üblicherweise nicht, da es je nach Bedarf platziert werden kann. Allerdings ist dann auf die Stabilität zu achten, da das Eigengewicht der Arbeitsplatte manchmal nicht ausreicht, um die dynamischen Lasten der Teigverarbeitung abzutragen. Gegebenenfalls hilft hier eine weitere Schraubzwinge, um die mobile Arbeitsplatte ihrerseits an einem stabilen Untergrund zu befestigen.
Wie auch immer, schon mit der Anschaffung einer ordentlichen Nudelmaschine steht einem fast der ganze Pastahimmel offen. Lediglich die industriell in speziellen Extrudern hergestellten Varianten wie die berühmten stranggepressten Spaghetti, Rigatoni oder Penne, die mit hohem Druck durch metallene Matrizen gedrückt werden, müssen dann nach wie vor fertig gekauft werden. Das ist nicht weiter tragisch, da der Markt eine Fülle von richtig guten Produkten bereithält, die man daheim selbst mit der entsprechenden Technik nicht reproduzieren kann. Es gibt zwar Hersteller, die für ihre Küchenmaschinen Aufsätze für die stranggepresste Nudelherstellung bereithalten, eine ernsthafte Alternative stellen sie aber nicht dar, weil man meistens am Tempo verzweifeln wird, mit dem diese Maschinen den Teig durch die Matrize pressen. Dann geht man lieber in der halben Zeit zum nächsten Feinkostladen und besorgt sich dort doppelt so gute Maccheroni aus einem Hartweizen bester Güte, an den man als Endverbraucher in Rohform sowieso nicht rankommt.
Industriell gefertigte Pasta wird unter hohem Druck über Extruder durch Formscheiben gepresst.