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© 2020 Sven Degenhardt
Titelbild: Ein Cartoon von Phil Hubbe. In der Bildmitte eine lange Treppe, über die ein roter Teppich ausgerollt ist. Auf dem oberen Treppenabsatz, rechte Bildseite, stehen mit strahlenden Gesichtern eine Frau und ein Mann mittleren Alters. Der Mann – Brillen- und Glatzenträger, in schwarzem Sakko, weißem Hemd und blauer Krawatte – reckt beide Arme empor. In seiner Sprechblase steht „Inklusion!“. Die Frau – mit schwarzem Rock und grüner Bluse, die grauen Haare hochgesteckt – rechts neben ihm streckt ebenfalls die Arme aus und in ihrer Sprechblase steht „Willkommen!“. Zwischen den beiden liegt ein Blumengebinde auf dem Boden. Auf der linken Bildseite und am unteren Ende der Treppe befindet sich eine Gruppe von sechs jungen Menschen, teils mit Schulranzen auf dem Rücken und Büchern oder Heften unter dem Arm. Der Junge im Rollstuhl stößt an die untere Treppenstufe; dahinter die bunt gemischte Gruppe mit Langstock, Gehhilfe, Hand am Ohr … Aus ihren Gesichtern ist Anstrengung, Frust oder zumindest Unschlüssigkeit zu lesen.
Herstellung und Verlag:
BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 978-3-7519-2940-0
Der Titel der Veröffentlichung „Elementare Barrierefreiheit in Bildungsbauten: Ein Aufruf zum interdisziplinären Diskurs im Rahmen der Entwicklung inklusiver Bildungssysteme“ wirft zugleich drei Fragen auf: Was ist eine „Elementare Barrierefreiheit“? Und in diesem Zusammenhang: Welche Aspekte des Bildungsbaus „im Rahmen der Entwicklung inklusiver Bildungssysteme“ umfasst sie nicht? Und letztendlich muss umrissen werden, welche konkreten Zielvorstellungen mit dem Aufruf zum interdisziplinären Diskurs verbunden sein könnten.
Eigentlich müsste das Thema Barrierefreiheit als unumstrittene Zielkategorie und Qualitätsstandard „durch sein“… über 10 Jahre ist die UN-Behindertenrechtskonvention (UN 2006/2008) Bestandteil des bundesdeutschen Rechtssystems! Dennoch muss konstatiert werden,
Es ist unbestritten, dass die Umsetzung inklusiver Bildungsprozesse auch mit der Debatte um inklusiv gedachte Bildungsbauten einhergehen muss. Aber auch hier scheint sich eine Debatte um den Fokus abzuzeichnen.
In der (bundesdeutschen) Erziehungswissenschaft wird der Streit um den „weiten“ und den „engen“ Inklusionsbegriff fast liebevoll gepflegt. Einerseits wird Inklusion „weit“ als Konzept für eine chancengleiche, diskriminierungsfreie Bildung für alle Lernenden, also unter Einschluss aller Diversitätskategorien, umrissen. Andererseits verweisen Vertreterinnen und Vertreter der Sonderpädagogik auf die schlechte Erfahrung, dass alle „weiten Lösungen“ in der Vergangenheit der Gefahr unterlagen, dass spezifische Bedarfe „übersehen“ wurden, und fordern daher – unter Bezug auf die UN-Behindertenrechtskonvention (UN 2006/2008) – (auch) die explizite Fokussierung auf spezifische Bedarfe für Lernende mit Behinderung ein. Dieser Zugang wird dann als „eng“ bezeichnet. Eng! Ein wenig sprachliche „Abwertung“ schwingt da schon mit.
Überträgt man diese Pole auf den inklusiven Bildungsbau, entsteht ein kleines Pendant: Bildungsbau, der sich der Herausforderung inklusiver Entwicklungen stellt, muss Raumkonzepte und –bedarfe im großen Maßstab der Flächenbedarfe und der Geometrie diskutieren, das gesamte System von der Bauplanung und –realisierung bis zur Inbetriebnahme und Betreibung umfassen, sich mit der notwendigen Reform des Baurechts beschäftigen, Qualitätssicherungs- und Weiterbildungskonzepte entwickeln, die an den richtigen Stellen des Prozesses an die richtigen Professionen die richtigen Fragen stellen, Transparenz schaffen und die Einbindung aller Nutzerinnen und Nutzer mit ihren unterschiedlichen Visionen umsetzen. Inklusiver Bildungsbau ist ein weites und komplexes Feld!
In diesem Kontext die Forderung nach normgerechten Stufenvorderkantenmarkierungen zu stellen oder nachzufragen, ob Sitztreppen in einem durchgängig in Weiß gehaltenen Atrium oder großzügige Glaswände wirklich für alle Lernenden förderlich oder nicht doch Barrieren darstellen (können), erzeugt die Gefahr, wieder als „eng“ wahrgenommen zu werden.
Und da sich diese Veröffentlichung nicht schon wieder dem Vorwurf der Engführung aussetzen mag, wird der Arbeitsbegriff der „Elementaren Barrierefreiheit“ gewählt. Elementar in diesem Sinne sind also die Bestandteile barrierefreien Bauens die – vermeintlich – als geklärt angesehen werden. Es gibt detaillierte und quantifizierte Vorgaben, ob nun in der DIN 18040-1 bis -3 (Barrierefreies Bauen – Planungsgrundlagen – Teil 1: Öffentlich zugängliche Gebäude; Teil 2: Wohnungen und Teil 3: Öffentlicher Verkehrs- und Freiraum) oder in der ASR V3a.2 (Technische Regeln für Arbeitsstätten; Barrierefreie Gestaltung von Arbeitsstätten), die über das vielschichtige und komplexe bundesdeutsche Baurecht mittlerweile auch verankert sind (vgl. zu den rechtlichen Grundlagen u. a. BMI 2016, Teil A, 9-19). Es gibt gefühlt 1001 Planungsleitfäden auf fast allen Ebenen von fast allen relevanten Akteurinnen und Akteuren… nur, es gibt immer noch unterlaufbare Treppen in Schulneubauten, umfangreiche Sanierungsprojekte von Hochschulbauten, die Kriterien der Barrierefreiheit mit dem Verweis auf das Denkmal und die baulich schwierigen Vorgaben nicht einmal aufrufen, und zugängliche Türschilder und Orientierungssysteme an bundesdeutschen Schulen sind in ihrer Wahrscheinlichkeit nahe am Lottogewinn.
Obendrein gibt es die Erfahrungen, dass selbst die „reine“ Umsetzung der Normen für Bildungsbauten nicht ausreichend ist und dass die allgemein anerkannten Regeln der Technik auch durch die Forschungsergebnisse, den Erkenntnis- und Erfahrungsstand der Erziehungswissenschaft und der Nutzerinnen und Nutzer von Bildungsbauten geformt werden müssen. So muss das Wissen um eine gute Beleuchtung für Menschen mit Beeinträchtigung des Sehens endlich Eingang in den inklusiven Bildungsbau finden und die Entscheidung für einen Bodenbelag nicht ausschließlich durch das Kriterium optimierter Reinigungszyklen bestimmt werden.
An dieser Stelle setzt der Aufruf zu einem interdisziplinären Diskurs an, denn z. B. die Erfahrung aus der Psychiatrie und der Geriatrie, beim Bodenbelag auf hochkontrastreiche Muster (z. B. Granulatnachahmung oder Streifenmuster) zu verzichten, kann und muss auch Standards für Bildungsbauten setzen. Auch für Bildungsbauten gilt, dass der Großteil der bekannten und beschriebenen konkreten Umsetzungen der Schutzziele aus dem Bereich der Beeinträchtigung der körperlich-motorischen Entwicklung stammt. Wenngleich benannt, finden Maßnahmen aus dem Bereich des Zwei-Sinnes-Prinzips, der Akustik, der Farb- und Kontrastgestaltung kaum konsequent Beachtung. Noch fast unbearbeitet sind Aspekte der Elementaren Barrierefreiheit für Lernende mit psychischen Behinderungen, mit Autismus Spektrum Störung und emotional-sozialen Entwicklungsbesonderheiten. Übertragungen aus dem Bereich der Wahrnehmung (Umgang mit störenden Geräuschen und Gerüchen; fehlende Orientierung und Platzierung im Raum durch fehlende visuelle Anhaltspunkte etc.) scheinen angezeigt, müssen aber breiter diskutiert werden.
In diesem Sinne wendet sich diese Veröffentlichung, insbesondere die „Übersicht der Anforderungen an eine Elementare Barrierefreiheit von Bildungsbauten“ (Kapitel 1), an Vertreterinnen und Vertreter unterschiedlicher Fächer (Erziehungswissenschaft, Architektur, Lichttechnik, Akustik, Ergonomie, Gesundheitsmanagement, …) in unterschiedlichen Handlungsfeldern (vorschulische, schulische, berufliche, tertiäre … Bildung) und in unterschiedlichen Nutzungsrollen. Folgt man der Idee von Bildungslandschaften und der Einbindung von Bildungsbauten in die Quartiere, ist eine breite Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger mitzudenken. Zentral ist auch hier die Einbeziehung der Nutzerinnen und Nutzer mit Behinderung sowie deren Organisationen, Verbände und Initiativen.
Die folgende „Übersicht der Anforderungen an eine Elementare Barrierefreiheit von Bildungsbauten“ versteht sich also als Aufschlag zur Diskussion und ist mit der Hoffnung verbunden, dass sie durch die erhofften Rückmeldungen, die Fortsetzung der Debatten und durch das weitere Sammeln von Erfahrungen eine geringe „Halbwertzeit“ hat!
Dafür an dieser Stelle allen Mitwirkenden ein DANK!
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Die am Ende jedes Abschnittes gesammelten „Verweise“ verstehen sich nicht als Quellen oder Referenzbelege, da die aufgeführten Anforderungen in einigen der Punkte ausdrücklich von den Normvorgaben abweichen. So sind z. B. die Bewegungsflächen großzügiger angegeben, da in lebhaften Bildungsbauten enge Wege und „Wege ohne Richtungsänderungen“ nicht akzeptabel sind. In der Phase der Finalisierung dieser Veröffentlichung wird die klassische Argumentation für einen Universal Design Ansatz auch auf diesem Feld noch einmal deutlich unterstrichen: Eine ausreichende Flurbreite (die sich nicht am Mindestmaß orientiert), großzügige Flächen vor Aufzügen und breite(re) Reihenabstände in Hörsälen sind nicht nur zwingend erforderlich für Nutzerinnen und Nutzer eines Rollstuhls, sie sind angesichts der Abstandsregeln in den SARS-CoV-2-Zeiten mehr als nur komfortabel – sie sind plötzlich notwendig und erforderlich für alle (vgl. u. a. DGUV 2020, 3).
Die Angaben im Bereich Akustik folgen der durch die DIN 18041 „Hörsamkeit in Räumen“ definierten Kategorien „Sprache/Vortrag inklusiv“ und „Unterricht/ Kommunikation inklusiv“. Wo überhaupt noch nicht-inklusive Räume der Kategorien „Sprache/Vortrag“ und „Unterricht/Kommunikation“ geplant und gebaut werden, erschließt sich in diesem Zusammenhang natürlich nicht. Für den Bereich Beleuchtung werden die vollkommen aus der Zeit gefallenen Vorgaben der aktuell gültigen Angaben der DIN EN 12464-1:2011 „Beleuchtung von Arbeitsstätten – Arbeitsstätten in Innenräumen“ durch eine abwägende Kombination aus den Vorgaben der ASR A3.4 (Technische Regeln für Arbeitsstätten – Beleuchtung), den Vorgaben der Lichttechnischen Gesellschaft für Räume zur Nutzung durch sehbehinderte Lernende (Schierz 2013), den strukturiert gesammelten und festgehaltenen Erfahrungen aus dem Bereich der Pädagogik bei Beeinträchtigung des Sehens (Buser 2003, Degenhardt & Hilgers 2008, Henriksen & Laemers 2016, Degenhardt 2016, LWV-Hessen 2018), der Blinden- und Sehbehindertenselbsthilfe (Hesse-Germann 2016, DBSV 2016) sowie der Architektur (Holfeld 2013, Boubekri 2015) ersetzt. Auch die Erfahrungen aus einer demenzsensiblen Architektur (Dietz 2018) finden sich z. B. in den Bereichen Bodenbelag und Kontrastgestaltung wieder.
Die jeweiligen Argumentationsketten zu den „Abweichungen“ sind entweder unter „Kommentare“ im Kapitel 1 oder im Kapitel 2 angedeutet oder ausgeführt.
Die Verweise möchten also zur Einordnung der Vorschläge in bestehende Normen, Rechtsvorschriften, Leitfäden und Veröffentlichungen und/oder zur expliziten Kontrastierung dienen.
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Die vorliegende „Übersicht der Anforderungen an eine Elementare Barrierefreiheit von Bildungsbauten“ versteht sich als Ergänzung zu den einschlägigen Normen, Leitfäden und Kommentaren; für illustrierende Abbildungen muss auf die in den Verweisen und Quellen genutzten Veröffentlichungen verwiesen werden. Weiterhin ist auf das Visualisieren der in Diskursen um inklusive Gesellschaftsentwicklung so gerne genutzten „best practice“ verzichtet worden. Zum einen ist Elementare Barrierefreiheit im steten Fluss und abhängig von Entscheidungen der beteiligten Partnerinnen und Partner – also i. e. S. nicht kopierbar – und zum Zweiten werden die eher unangenehmen Kommentare umgangen, die z. B. die Beleuchtung und die Kontraste der Türen zu den Wänden positiv hervorheben, aber die fehlenden Stufenvorderkanten nicht verschweigen können. Die in der Übersicht unter 1.5 positiv hervorgehobene Trennung von Treppenlauf und Sitztreppe durch einen Handlauf an der A.P. Møller-Skolen (vgl. Chiles 2015, 78) ist die eine Seite. Dass diese Treppe unterlaufbar und damit nicht normkonform ist, gehört aber auch zur ganzen Wahrheit. Die Leserinnen und Leser können und sollen diese Pro-Contra-Wertungen in der Wirklichkeit und den medialen Abbildungen selbst vornehmen.
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An dieser Stelle noch eine Anmerkung zur Quellenlage der „Übersicht der Anforderungen an eine Elementare Barrierefreiheit von Bildungsbauten“. Im Dezember 2017 entstand die Idee, eine „Checkliste“ mit allgemeinen und spezifischen Anforderungen an die bauliche Barrierefreiheit von Bildungsbauten zu entwickeln. In Lehrveranstaltungen und in Kooperationsprojekten (z. B. dem Projekt „DAAD Hochschuldialog mit der islamischen Welt“ (2017-2019): Hochschulentwicklung, Forschung und Netzwerkarbeit zu Behinderung und Inklusion in Hamburg und Isfahan; vgl. u. a. Degenhardt et al. 2018) wurde aus der Vielzahl der existierenden Checklisten insbesondere zur DIN 18040-1 die Checkliste 3.1 „Anforderungen an öffentlich zugängliche Gebäude“ (Everding, Sieger & Meyer 2015, 158-165) ausgewählt und in mehreren Durchläufen ergänzt und modifiziert. Im Ergebnis der Kooperationen, Arbeits- und Projektgruppen (insbesondere innerhalb der Arbeitsgruppe „Barrierefreies Bauen an der Universität Hamburg“), individueller Gespräche und Fortbildungen etc. (vgl. Kapitel 4) wurde diese strukturelle und inhaltliche Bearbeitung und Erweiterung – insbesondere in den Bereichen Akustik, Beleuchtung und Farbgestaltung – fortgeführt. Um die Lesbarkeit zu erhalten, sind Teile der aus dem Original verbliebenen Struktur, Überschriften und Formulierungen – insbesondere aus der Spalte „Anforderungen“ der Checkliste 3.1 „Anforderungen an öffentlich zugängliche Gebäude“ (Everding, Sieger & Meyer 2015, 158-165) – nicht mehr als wörtliches Zitat gekennzeichnet. Auf das Gewicht dieser Quelle sei darum – mit Dank – ausdrücklich verwiesen. Gleichsam können, dem Gegenstand folgend, Wörter und Wortketten auch in anderen Vorlagen, Checklisten etc. auffindbar sein.
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In der Diskussion um eine geschlechtersensible Sprache wird zunehmend die zweigeschlechtliche Variante, wie z. B. Nutzerinnen und Nutzer, als unzureichend bezeichnet, weil sie die Geschlechtervielfalt nicht abbildet und die Norm der Zweigeschlechtlichkeit festigt. Daher wurden Binnen-I-, Klammer- und Schrägstrichlösungen und wird aktuell das Gendersternchen (durch das hochgestellte Asterisk), also z. B. Nutzer*innen, empfohlen. Im Kontext der Barrierefreiheit entsteht jedoch ein Interessenskonflikt. Um einen WCAG-konformen, barrierefreien Text für die ePub-Version dieser Veröffentlichung vorhalten zu können, muss auf zerstückelte Wörter, also auf die Verwendung von Sonderzeichen innerhalb von Wörtern, verzichtet werden. Insbesondere Sprachausgaben lesen diese eingeschlossenen Sonderzeichen mit. Ausgaben, wie z. B. Nutzersterncheninnen sind dem Lesefluss und dem Verständnis nicht förderlich. Im Sinne des Interessenausgleiches nutzt diese Veröffentlichung eine gendergerechte Fassung ohne Sonderzeichen und sieht dies ausdrücklich in einer Diversity inkludierenden Funktion.
in der Nähe der barrierefreien Zugänge, damit vorzugsweise in der Nähe des Haupteingangs
mindestens ein Stellplatz; Orientierung: 1 % – 3 % aller Stellplätze; mindestens einer davon mit Heckausstieg
Die Kennzeichnung der Stellplätze sollte möglichst vertikal und horizontal, also als Schild und als Logo auf der Stellfläche, erfolgen. Dabei ist zu beachten, dass diese Kennzeichnungen auch bei schlechter Witterung erkennbar sind; eine regelmäßige Pflege (Reinigung, Befreiung von Schnee und Eis, Erneuerung insbesondere der Markierungen…) ist zu realisieren.
Das Accessible Icon Project (http://accessibleicon.org/