Ich widme dieses Buch meinem Bruder,
der mit mir durch die Hölle ging, und meiner Frau,
die mich aus dem Schatten hervorzerrte.
FTWTTT.
Der wahre Soldat kämpft nicht, weil er das hasst, was ihm gegenübersteht, sondern weil er das liebt, das hinter ihm steht.
G.K. Chesterton
COIN: Counter Insurgency, Aufstandsbekämpfung.
COP: Combat Outpost, vorgelagerter Außenposten.
CSAR: Combat Search and Rescue, Such- und Rettungseinsätze.
Currahees: Fallschirmjäger vom 1. Bataillon des 506. Infanterieregiments, 101. Luftlandedivision.
Dschundis: Bezeichnung für die irakischen Soldaten (»Dschund« ist das arabische Wort für Soldat).
EODler: Kampfmittelräumer (abgeleitet von Explosive Ordinance Disposal, EOD).
IED: Improvised Explosive Device: Sprengfalle (technische Bezeichnung: Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung [USBV]).
LPO: Leading Petty Officer, Offizier, der die Anweisungen des Zugführers (Platoon Chief) umsetzt, entspricht etwa einem Hauptbootsmann.
Master Chief: Oberstabsbootsmann. Unteroffiziersrang in der Navy.
»Neunzeiler«: Für die Freigabe eines Luftangriffs erforderliche Beschreibung des Ziels und Begründung der Notwendigkeit eines Luftschlags.
OIC: Officer in Charge, verantwortlicher Offizier.
Overwatch-Missionen: Missionen, die dazu dienen, anderen Einheiten (z. B. Pioniereinheiten) im Rahmen der »Force Protection« Schutz gegen Angriffe zu gewähren.
Point Man: der SEAL, der im Einsatz an der Spitze der Kolonne geht und sozusagen »die Vorhut« bildet.
Sandy: Bezeichnung für auf Such- und Rettungseinsätze spezialisierte Piloten.
SDVT: SEAL Delivery Vehicle Team. Die Delivery Vehicles sind Kleinst-U-Boote, mit denen die Kampfschwimmer zum Einsatzort gebracht werden.
Senior Chief: Abkürzung für Senior Chief Petty Officer. Stabsbootsmann. Unteroffiziersrang in der Navy.
TOC: Tactical Operations Center, Gefechtsstand.
Triggerman: Aufständischer, der »den Finger am Abzug hat« und eine Sprengfalle auslöst.
Die Namen von noch aktiven Mitgliedern der Spezialeinheiten wurden durch Pseudonyme ersetzt. Bei Elitesoldaten außer Dienst werden die richtigen Namen genannt, sofern diese Personen ihre Einwilligung gegeben haben.
Ich habe dieses Buch geschrieben, um das Können, den Mut und die Opferbereitschaft der außergewöhnlichen Menschen zu würdigen, die ich nicht nur in den SEAL-Teams, sondern in sämtlichen Einheiten im Laufe meines Diensts kennengelernt habe. Dies ist ein Buch für alle Soldaten. Es ist all denen gewidmet, die die Uniform tragen, all denen, die sich, wenn die ersten Schüsse krachen, auf das feindliche Feuer zubewegen anstatt davon weg. Es ist einem tapferen Menschenschlag gewidmet, den Kriegern, die alles riskieren, weil es von ihnen erwartet wird, weil sie für die Vereinigten Staaten einstehen und manchmal für sie sterben.
Im Leben gibt es vieles, das wichtig ist. Aber nichts ist so wichtig wie die Frage, wem oder welcher Sache man dienen will.
Die Menschen, über die ich in diesem Buch schreibe, haben ihr Leben einem Zweck gewidmet, der größer ist als sie. Getrieben von der Leidenschaft, ihre Brüder, ihre Schwestern, ihre Nachbarn und ihr Land zu verteidigen, erklärten sie sich aus freien Stücken bereit, ihr Leben an den gefährlichsten Orten der Welt in die Waagschale zu werfen.
In den Jahren, die ich die Uniform getragen habe, war ich einer der Glücklichen. Als stolzes Mitglied der SEALs kann ich nach allem, was geschehen ist, jeden Morgen in den Spiegel schauen.
Ich entschloss mich, dieses Buch zu schreiben, als ich über all die selbstlosen, tapferen Seelen nachdachte, die im Einsatzgebiet meinen Weg gekreuzt hatten. Auf den folgenden Seiten können Sie Einblicke ins Leben unserer Elitesoldaten gewinnen, die hin und wieder in den Schlagzeilen auftauchen, aber am liebsten anonyme, schweigsame Profis bleiben. Und Sie werden von Kriegern aus anderen Teilen des Militärs hören, deren Einsatz mir etwas bedeutet. Am Ende des Buchs werden Sie feststellen, dass wir alle mindestens eine Sache gemein haben: die Fähigkeit, wieder aufzustehen und uns durchzukämpfen, durch den Krieg, durch den Schmerz und zurück ins zivile Leben, wo unser Dienst an unseren Familien und Gemeinden genauso wichtig ist wie alles, was wir in der Uniform geleistet haben.
Ich war einer dieser schweigsamen Profis. Es war mein Schicksal, aus dem Schatten vorzutreten. Ich schrieb Lone Survivor, um das Andenken von drei Brüdern zu würdigen, die an einem Nachmittag in der afghanischen Provinz Kunar mit mir in den Kampf zogen und nicht zurückkehrten. Und ich schrieb es im Gedenken an sechzehn von Amerikas besten Söhnen, die in die Hölle flogen, um uns zu retten, und in einem Hubschrauber starben. Leider kann diese Mission mittlerweile nicht mehr als dunkelster Tag in der Geschichte der amerikanischen Spezialkräfte bezeichnet werden. Es folgten noch größere Rückschläge. Am 6. August 2011 verloren wir 30 unserer besten Männer. Keiner von uns wird diese Verluste je vergessen.
Am Nachmittag des 28. Juni 2005 wachte ich in Afghanistan unter einem Felsvorsprung unterhalb des Gipfels eines Bergs namens Sawtalo Sar auf, nachdem meine drei Kameraden im Kampf gefallen waren und der Hubschrauber, der das Rettungsteam gebracht hatte, von mir unbemerkt abgeschossen worden war. Ich verlor dort draußen ein Stück von mir. Wenn wir an einer Aufgabe scheitern, einen schweren Rückschlag hinnehmen müssen und in einer Mission oder in unserer Laufbahn eine Niederlage erleiden, verändern wir uns. Tun wir es nicht, so haben wir erneut versagt. Aber lange vor diesem unglückseligen Einsatz hatte ich gelernt, dass meine Stärke zum Teil darauf beruhte, dass ich nie zuließ, dass mich eine einzelne Erfahrung völlig bestimmte. Ich glaube, dass alles einen Grund hat. Die Situationen, in denen ich mich wiederfand, waren die Pflastersteine auf einem Weg zum einem höheren, unergründlichen Bestimmungsort. Ich habe jetzt eine Frau und einen Sohn, ich bin mit so vielen wunderbaren Dingen gesegnet. Aber eines bleibt unverändert: Nach jedem Schritt, auch nach einem Fehltritt, werde ich meinen Rucksack schultern, meine Kräfte sammeln und weitermarschieren. Ich kann nur hoffen, dass es mir auch weiterhin gelingen wird, denn ich habe eine Familie, die mich liebt. Ein Teil davon sind Blutsverwandte. Andere sind Blutsbrüder, Männer, die sich die Ehre verdient haben, den Trident zu tragen, und als Teamkameraden gelernt haben, wie wahr das Motto der SEALs ist: »Der einzige leichte Tag war gestern.« Viele Mitglieder meiner Familie leben, atmen und arbeiten an gefährlichen Orten der Welt, ohne dass die Öffentlichkeit davon weiß. Einige von ihnen sind nicht mehr bei uns. Sie haben den höchsten Preis bezahlt, als sie ihre Pflicht erfüllten, und wachen als Tote über uns. Sie versprachen, ihren Dienst zu leisten, und gaben alles, was sie hatten, um dieses Versprechen einzulösen. Unsere Familie wird nicht durch die Ausbildung, den Mut oder das Können zusammengehalten, sondern durch Liebe, Ehre, Pflicht und Loyalität.
Dieses Buch ist ein Salut an alle, die das Sternenbanner auf der Schulter getragen haben, für dieses Land zur Waffe gegriffen und die Front bewacht oder hinter den feindlichen Linien im Einsatz gewesen sind – sei es in den heutigen oder in früheren Kriegen. Zu viele Helden bekommen nie die öffentliche Anerkennung, die sie verdient hätten. Ich bin stolz darauf, einige ihrer Geschichten aus meiner persönlichen Perspektive schildern zu können. Seit der Veröffentlichung von Lone Survivor ist meine persönliche Geschichte in der Öffentlichkeit. Ich habe das Gefühl, dass es dort draußen viele andere gibt, die öffentliche Anerkennung für ihre Dienste verdienen. Im Kriegsdienst gingen sie an ihre Grenzen. Sie gaben alles – und bekamen dafür etwas, was außer den Kämpfern niemand für sich in Anspruch nehmen kann: Gemeinsam bilden sie einen Faden, der in das Gewebe der Geschichte Amerikas eingeflochten ist. Sie sind Teil von etwas, das größer als sie ist. Es gibt im Leben noch andere Dinge, die zählen. Aber in meinen Augen zählt nichts so viel.
Februar 2012
Es war gegen vier Uhr morgens, als mein Handy zu summen begann. Ich setzte mich auf, nahm es vom Nachttisch und starrte auf das Display. Der Anrufer war JT, einer meiner engsten Teamkameraden.
Es war klar, was ein Anruf um diese Uhrzeit bedeutete. Ich wischte mit dem Finger über das Display und fragte: »Was ist mit meinem Bruder?«
Es musste um Morgan gehen, und ich hatte recht.
»Sein Zustand ist stabil, Bro, aber es hat ihn übel erwischt.«
Ich fühlte, wie mich Schwäche überfiel. »Ich bin auf dem Weg.« Als ich auflegte, wurde mir übel. Ich lief ins Bad und übergab mich.
JT hatte aus dem Naval Medical Center in Portsmouth angerufen. Mein Bruder und sein Platoon hatten in der Nacht knapp 40 Kilometer vor der Küste von Virginia an einer Übung teilgenommen. Es war eine wolkenlose Nacht, und es herrschte nur geringer Wellengang, als sich der Black Hawk einem Kriegsschiff näherte. Der Hubschrauber ging auf der Backbordseite in den Sinkflug und blieb in geringer Höhe über dem Deck der USNS Arctic in der Luft stehen. Die Besatzung ließ die Seile herab, die wie schlaffe Feuerwehrrutschstangen vom Vogel zum Deck hingen. Morgan und seine Kameraden saßen mit baumelnden Beinen in der offenen rechten Tür bereit.
Die amerikanische Marine beteiligte sich am Kampf gegen die internationale Piraterie, weshalb Übungen wie diese ein fester Bestandteil der Ausbildung waren. Die SEALs mussten lernen, Piraten aufzuspüren und ihre Schiffe zu entern. Es war sechs Monate her, dass somalische Piraten das Containerschiff Maersk Alabama gekapert und den amerikanischen Kapitän als Geisel genommen hatten. Eines unserer Scharfschützenteams hatte auf dem überhängenden Teil des Hecks eines amerikanischen Kriegsschiffs Position bezogen und die drei Geiselnehmer erschossen.
Als nun mein Bruder und seine Kameraden gerade mit dem Abseilen beginnen wollten, durchtrennte der Hauptrotor des Hubschraubers ein schweres Spannkabel, das einen der riesigen Schornsteine des Schiffs stabilisierte. Die Rotorblätter verfingen sich in dem dicken Kabel, und der Black Hawk geriet außer Kontrolle. Die in der Tür sitzenden SEALs wurden in den linken Teil des Laderaums geschleudert. Der Hubschrauber krachte auf das Deck, Stahl auf noch dickeren Stahl, und kippte auf die Seite. Von dem Aufprall benommen, sah Morgan Feuer, das, wie aus einem riesigen Flammenwerfer geschossen, auf ihn zuraste. Er konnte nicht aufstehen und versuchte, dem Inferno kriechend zu entfliehen. Es gelang ihm, aus dem Wrack zu entkommen, aber dann fiel er über eine Kante fünf Meter hinab auf das nächste Deck des Schiffs. Bei dem Aufprall verlor er das Bewusstsein.
Während die Schiffsfeuerwehr das Feuer löschte, barg ein Team in Schutzausrüstung die Verletzten. Bei einer schnellen Sichtung der Lage stellte sich heraus, dass der Kommandant der Hubschrauberbesatzung tot war. Acht weitere Männer, darunter Morgan, waren schwer verletzt. Innerhalb kürzester Zeit flog ein Hubschrauber die Verwundeten nach Portsmouth aus. Vom Krankenhaus aus verbreitete sich die Nachricht von dem Unglück wie ein Lauffeuer.
Als JT anrief, war ich in Florida, wo ich mich nach einer Rückenoperation einer Reha unterzog. Nach den letzten beiden Kampfeinsätzen war meine Wirbelsäule eine Großbaustelle für die Ärzte, aber nichts konnte mich davon abhalten, nach Portsmouth zu fliegen, um meinen Bruder zu besuchen. Morgan und ich lassen immer alles stehen und liegen, um einander zur Seite zu stehen – und zwar wirklich immer. Ich rief einen großherzigen Freund an, der ein Privatflugzeug besaß, und zwang ihn, mir zu helfen. Während er nach Pensacola flog, um mich abzuholen, packte ich eine Tasche, sprang in meinen Mietwagen und raste zum Flughafen. Wenige Stunden später verschwand der Golf von Mexiko hinter uns.
Der Flug in den Norden schien ewig zu dauern, und je näher wir dem Flughafen Norfolk in der Nähe von Portsmouth kamen, desto langsamer schien die Zeit zu vergehen. Als ich im Krankenhaus eintraf, wartete Morgan gerade auf ein MRT. Als ich das MRT-Labor betrat, hob er den Kopf und zwinkerte in meine Richtung. Ich lief zu ihm hinüber. Sie hatten ihn auf einer Trage festgeschnallt, da er unter heftigem Schluckauf litt. Jeder der kleinen Zwerchfellkrämpfe schüttelte seinen zerschlagenen Oberkörper unter furchtbaren Schmerzen durch. Unsere Blicke trafen sich, und mein Hals schnürte sich zusammen, als ich ihn so daliegen sah. Mein Magen hob sich erneut, aber er enthielt nichts mehr, was ich hätte erbrechen können.
»Hey, mijo« sagte er. Der spanische Spitzname, den er mir gegeben hatte, bedeutet so viel wie »Kleiner«. Der Klang seiner Stimme holte mich in die Wirklichkeit zurück. Ich nahm seine Hand, umarmte ihn behutsam und sagte: »Ich bin hier, Brüderchen. Wir schaffen das.«
Der Techniker starrte konzentriert auf seinen Computerbildschirm und schien mich nicht bemerkt zu haben. Anscheinend konnten sie das MRT nicht machen, solange der Patient unter Schluckauf litt, aber sie taten nichts, um die Krämpfe zu stoppen. Ich machte dem Techniker klar, dass er seine Arbeit machen solle: »Heben Sie Ihren faulen Arsch und helfen Sie meinem Bruder, bevor ich Ihnen die Arme abreiße und Sie damit durchprügle!« Im Handumdrehen bekam Morgan ein Medikament, und als der Schluckauf nachließ, schoben die Techniker ihn in die Röhre.
Meinen Bruder dort liegen zu sehen und ihm nicht helfen zu können zerriss mich innerlich. Er ist einer der härtesten Männer, die ich kenne. Er kann nicht einfach nur Schmerzen ertragen, sondern er bietet dem Schmerz die Stirn.
Als er sich im College das Sprunggelenk anknackste und kein Geld für den Arzt hatte, humpelte er mehrere Wochen mit dem verletzten Fuß herum, weil er zu den Vorlesungen gehen und arbeiten musste. Im Lauf seines Dienstes hatte er sich zahlreiche Knochen gebrochen und eine Vielzahl blutender Wunden zugezogen, aber verglichen mit dem hier, waren das alles Lappalien: Das MRT zeigte, dass seine Wirbelsäule an sechs Stellen gebrochen war. Außerdem hatte er einen Beckenbruch erlitten.
Im Warteraum rief ich JT und einen weiteren Kameraden an, der den Spitznamen »Boss« trug. In den fünf Tagen, die Morgan im Krankenhaus verbrachte, stellten wir in seinem Zimmer ein Feldbett auf und ließen ihn nicht eine Minute lang allein. Wir hielten abwechselnd rund um die Uhr Wache. Morgan nimmt keine Schmerzmittel, es sei denn, die Schmerzen lassen ihn nicht schlafen oder stören auf andere Art den Heilungsprozess. Also taten wir unser Bestes, um ihn abzulenken. Wir sorgten dafür, dass er Besuch bekam, wenn er Gesellschaft wollte. Wir beschafften ihm einen DVD-Player und etwas zu lesen und bemühten uns um eine heitere Atmosphäre. Doch vor allem gaben wir ihm Raum, sich auszuruhen.
Wenn er sich erleichtern musste, schickten wir die Schwestern hinaus und machten die Arbeit selbst. Einer von uns packte ihn an den Schultern, der Zweite an den Füßen und der Dritte an der Hüfte, um ihn behutsam zur Seite zu rollen, damit er sein Geschäft verrichten konnte. Da ihm all diese Medikamente und Flüssigkeiten in die Adern gepumpt wurden, war das normalerweise eine Sauerei. (Es war wie in dieser Szene in Der Exorzist, nur dass es am anderen Ende herauskam.) Es war immer klar, wer im Raum den niedrigsten Rang hatte, denn dieser Mann war für das Putzen zuständig. Was immer Morgan brauchte, wir taten unser Bestes. Denn das tun Brüder füreinander.
Aber es ist unmöglich, Morgan lange Zeit stillzuhalten. Als sein Appetit zurückkehrte, war uns klar, dass er auf dem Weg der Besserung war. Und als JT anfing, mit den Schwestern zu flirten, wusste ich, dass wir ein weiteres Stück des Weges geschafft hatten: Wenn wir anfangen konnten, uns wieder ein bisschen um uns selbst zu kümmern, war klar, dass Morgans Lage sich verbessert hatte. An diesem Punkt begannen wir, ihn mit liebevoller Härte anzufassen.
»Dein Rücken ist gebrochen – willkommen in meiner Welt, Bruder. Hat ganz schön gedauert, bist du das geschafft hast!«
»Du tust dir hoffentlich nicht leid, nicht wahr?«
»Wenn du dich ein bisschen zusammenreißt, wird das hier schnell vorbei sein.«
»Wenn du es nicht schaffst, wird dein Team ohne dich zum Einsatz aufbrechen.«
Diese Aussicht machte ihm am meisten zu schaffen.
Wenn die Ärzte vorbeischauten, fragten wir sie, ob sie die große Narbe von seiner Stirn auf die Wange verlegen könnten, da die meisten Mädchen Narben an der Stelle lieber mögen.
Hin und wieder gewährten wir ihm eine Atempause, aber die meiste Zeit sorgten wir dafür, dass ihm klar war, dass sein Team mit seiner Rückkehr rechnete, sobald er die Operationen und die Reha hinter sich hatte. Wir hielten sein Elend auf einigen urkomischen Fotos für die Nachwelt fest, denn es würde der Tag kommen, an dem wir diese Fotos hervorkramen müssten, damit er demütig blieb.
Als er die chirurgischen Eingriffe hinter sich und eine Weile das Krankenhausleben genossen hatte, sagte Morgan schließlich: »Bro, ich muss unbedingt hier raus.« Nicht, dass er unser inoffizielles Trainingsprogramm sattgehabt hätte – er war einfach an dem Punkt angelangt, an dem er die Gefangenschaft nicht länger ertragen konnte. Also entwarfen wir einen Evakuierungsplan.
Es würde ein schneller und schmutziger Einsatz werden, und da wir auf einen Mann wie JT zählen konnten, waren wir überzeugt, dass es tatsächlich klappen würde. Als die Nacht einbrach, ging JT hinaus auf den Gang und begann, eine der Schwestern anzumachen. Als wir Gelächter hörten, schlüpfte Boss in einen geborgten Laborkittel, hievte Morgan in seinen Rollstuhl und schob ihn hinaus. Einfach so. Gegen den ärztlichen Rat rollten wir ihn zur Tür hinaus. Er war frei. Wir hatten die »Operation Heimkehr« erfolgreich abgeschlossen.
Ich nahm Morgan mit nach Pensacola, wo ich selbst zur Reha gewesen war, als JT mir die Nachricht überbracht hatte. Gemeinsam begannen wir mit einem speziellen Rehaprogramm in einer ausgezeichneten Einrichtung namens Athletes’ Performance, die sich darauf spezialisiert hat, Leute wie uns wieder in Form zu bringen. Da ich selbst schon einige Zeit dort verbracht hatte, wusste ich, wie schwer es sein würde, Morgan vollkommen wiederherzustellen. Aber ich wusste auch, dass er alles tun würde, was nötig war, um es zu schaffen. Aufzugeben ist unmöglich, wenn eine Bruderschaft wie unsere dich in die Mitte nimmt und entschlossen ist, dich wieder auf die Beine zu bringen. Meine Brüder hatten es für mich getan, nachdem ich im Juli 2005 von der »Operation Redwing« zurückgekehrt war. Jetzt würden wir dasselbe für Morgan tun.
Im Kriegseinsatz festigen sich die Beziehungen zu den Brüdern unter dem Druck ständiger Gefahr. Die Bindungen werden dauerhaft und sind nicht mit irgendwelchen anderen Beziehungen zu vergleichen, die man im Lauf seines Lebens knüpft. Die Beziehungen zu den Menschen außerhalb der inneren Bruderschaft wirken dagegen flüchtig, vorübergehend und austauschbar. Wir aber sind Brüder. Das wird mir jedes Mal bewusst, wenn ich im zivilen Leben einem Kriegsveteranen über den Weg laufe.
Es gibt nicht vieles, was die 2,4 Millionen Männer und Frauen, die im Irak und in Afghanistan gedient haben, voneinander trennt. Wir haben die staubige Luft im Irak geschmeckt und im Hindukusch unter diesem Brennen in den Lungen gelitten. Wir haben uns in Humvees und Black Hawks gezwängt und wurden beschossen. Wir haben in langsam dahinkriechenden Konvois gesteckt und uns gefragt, was das nächste Schlagloch wohl für uns bereithält. Ich denke an die Soldaten und US-Marines, die Seite an Seite mit uns gekämpft haben, an die Spähtrupps und Sprengmeister, die Bombentechniker, die Fliegerleittrupps, die Leute von der Aufklärung, die Piloten und das Unterstützungspersonal, die Ärzte und Sanitäter, die Versorgungszüge und all die anderen. Und selbstverständlich denke ich vor allem an meine Teamkameraden. Viele von ihnen stehen immer noch im Dienst, schreiben weiterhin ihre Geschichten und machen den Feinden Amerikas die Hölle heiß. Die Gedanken an sie tragen mich zurück in die gute alte Zeit. Ich weiß, dass ich ohne sie nicht hier wäre.
Es gibt nur einen Weg aus der Hölle: geradewegs hindurch. Wenn man diesen Weg beschreitet, ist es immer gut, wenn man seine Brüder zur Seite hat.