Meine schönsten Erzählungen
Ernst Wichert
Inhalt:
Ernst Wichert – Biografie und Bibliografie
Das Duell
Das Grundstück
Der Väter Sünden
Der Wilddieb
Endrik Kraupatis
Für tot erklärt
Mutter und Tochter
Ansas und Grita
Der Schaktarp
Die Schwestern
Ewe
Meine schönsten Erzählungen, E. Wichert
Jazzybee Verlag Jürgen Beck
Loschberg 9
86450 Altenmünster
ISBN: 9783849639808
www.jazzybee-verlag.de
admin@jazzybee-verlag.de
Dramatischer Schriftsteller und Novellist, geb. 11. März 1831 in Insterburg, gest. 21. Jan. 1902 in Berlin, studierte in Königsberg die Rechte, wurde 1860 Kreisrichter zu Prökuls, nahe der russischen Grenze, lebte seit 1863 als Stadt-, seit 1877 als Oberlandesgerichtsrat in Königsberg und wurde 1887 als Kummergerichtsrat nach Berlin versetzt. 1896 trat er in den Ruhestand. Mit dem vaterländischen Schauspiel »Unser General York« (Berl. 1858), der Tragödie »Der Withing von Samland« (das. 1860) und dem Schauspiel »Licht und Schatten« (das. 1861) errang W. Achtungserfolge, die er indessen durch die Erfolge seiner beifällig und selbst enthusiastisch aufgenommenen Lustspiele: »Der Narr des Glücks« und »Ein Schritt vom Wege« (»Gesammelte dramatische Werke«, Berl. 1873), »Die Realisten« (1874), »Biegen oder Brechen« (1874), »An der Majorsecke« (1875), »Der Freund des Fürsten« (1879), des Schauspiels »Die Frau für die Welt« (1876, sämtlich in Reclams Universal-Bibliothek, andre Dramen sind nur als Manuskript gedruckt), bald weil hinter sich ließ. Ihnen folgten die Lustspiele: »Der geheime Sekretär« (1881), »Hohe Gönner« (1883) und »Die Bekenntnisse einer armen Seele« (1885), das Volksschauspiel: »Peter Munk« (1882), die Schauspiele: »Aus eigenem Recht« (Leipz. 1893), »Im Dienste der Pflicht« (Dresd. 1897). Von seinen Romanen und Novellen heben wir hervor: »Ein häßlicher Mensch« (Berl. 1868, 2 Bde.); »Kleine Romane« (das. 1871, 3 Bde.); »Hinter den Kulissen« (das. 1872, 3 Bde.); »Die Arbeiter« (Bielef. 1873); »Das grüne Tor« (Jena 1875, 3 Bde.); »Schuster Lange. Störungen«, gesammelte Novellen (das. 1876, 2 Bde.); den historischen Roman »Heinrich von Plauen« (Leipz. 1881; 9. Aufl., Dresd. 1905, 3 Bde.); »Rauschen. Ein Strandidyll« (Leipz. 1881); »Litauische Geschichten« (das. 1881, neue Folge 1890; 3. Aufl., Dresd. 1904–06, 2 Bde.; seine beste Leistung auf dem Gebiete der erzählenden Dichtung); »Aus dem Leben«, Novellen (das. 1882, 2 Bde.); »Eine vornehme Schwester« (Berl. 1883); »Die Brant in Trauer« (das. 1884); »Unter einer Decke«, Novellen (das. 1883); »Von der deutschen Nordostmark« (das. 1885); »Der Große Kurfürst in Preußen« (das. 1886–87, 3 Abtlgn. in 5 Bdn.; 4. Aufl. 1905, 3 Bde.); »Aus verstreuter Saat« (das. 1886); »Mutter und Tochter« (das. 1886); »Suam cuique« (das. 1888, 2 Bde.); »Eins zum andern« (das. 1889); »Das Grafenkind und andre Novellen« (Berl. 1889); »Tileman vom Wege« (Leipz. 1890, 3 Bde.); »Schule und Leben« (das. 1891); »Die Taube auf dem Dache« (Stuttg. 1892); »Nur ein Jude! Das Grundstück« (Leipz. 1892); »Herr von Müller« (das. 1893, 2 Bde.); »Frauengestalten« (Dresd. 1894); »Andrer Leute Kinder« (das. 1895); »Die verlorne Tochter«, Humoreske (das. 1895); »Blinde Liebe« (das. 1895); »Die Schwestern« (das. 1896); »Minister a. D.« (das. 1899); »Der zerbrochene Krummstab« (das. 1902); »Geschichten im Schnee« (das. 1903); »Mütter« (das. 1904). Den Hintergrund vieler seiner Erzählungen bilden die ostpreußischen und preußisch-litauischen Volkszustände. Auch hier zeigt sich W. als vorwiegend realistisches Talent, von gesunder Tüchtigkeit und solider, gleichartiger Ausführung. Seine fesselnde Selbstbiographie veröffentlichte er u. d. T. »Richter und Dichter« (Berl. 1899). Aus seinem Nachlaß wurden noch herausgegeben »Gedichte und Sprüche« (Dresd. 1904). W. war auch Mitherausgeber der »Altpreußischen Monatsschrift«. Seine »Gesammelten Werke« erschienen in 18 Bänden (Dresd. 1896–1902).
Drei Universitätsfreunde, der Burschenschaft angehörig, mit nicht gewöhnlichem Eifer allem Zeitbewegenden zugewandt, hatten einander, als sie mit Ablauf desselben Semesters in das Philisterland abreisten, das feierliche Versprechen gegeben, an einem bestimmten Tage nach zehn Jahren in der Reichshauptstadt zusammentreffen zu wollen, nicht nur, um ein hoffentlich fröhliches Wiedersehen mit einem guten Glase Wein zu begießen und dabei der schönen Studentenzeit zu gedenken, sondern vielleicht mehr noch zur Prüfung, ob man in allerhand Hauptfragen des Lebens einig geblieben und auch weiter geneigt sei, dieselbe Richtung, wenn schon auf verschiedenen Straßen, einzuhalten. In zehn Jahren, hatten sie gemeint, könne sich so viel verändert haben, daß gleichsam ein neues Losungswort ausgegeben werden müßte: könne man das finden, so sei es gewiß ein gutes Zeichen fortdauernder innigster Zusammengehörigkeit.
Sie hatten in Leipzig und Heidelberg, zuletzt in Berlin studiert, und hier warteten sie einander nun vor einem Hause in der Dorotheenstraße ab, in welchem sich damals eine gemütliche Weinkneipe befunden hatte, die den Rendezvousplatz abgeben sollte. Das alte, noch an die Zopfzeit erinnernde Haus war inzwischen niedergerissen und durch einen Bau von doppelt so vielen Stockwerken ersetzt, die nun sämtlich anderen Zwecken dienten. Sie kundeten aber den Wirt aus, der eine Straße weiter sein altes Weinlager gekellert und eine Trinkstube ungefähr im früheren Stil eröffnet hatte. Dort saßen vormittags und abends die Gäste, denen es noch immer mehr auf einen guten Tropfen als auf eine glänzende Ausstattung des Lokals ankam, an einfachen Holztischen, und hier fanden auch die drei Freunde eine stille Ecke, in der sich's behaglich von Vergangenheit und Zukunft heiter und ernst plaudern ließ. Vom Briefschreiben hielten alle drei nicht viel, so daß sie das wenige nicht ganz Berufsübliche, was jedem in dem Decennium passiert war, meist erst jetzt erfuhren. Auch das eigentlich nur in kurzen Randbemerkungen. Es geht alten Freunden so, daß sie lange Zeit fast für einander tot zu sein scheinen und beim Zusammentreffen die Empfindung haben, nie getrennt gewesen zu sein.
Der eine – Arnold Runge – hatte erst Theologie, bald aber, seine Freigeistigkeit fürchtend, Philologie studiert und war Gymnasiallehrer irgendwo in Schlesien, hatte auch geheiratet und sogar schon zweimal taufen lassen. Ein rechter Brausekopf, mit aufstehendem rotblondem Kraushaar und zwei breiten Schmarren über der linken Backe bis in den Mundwinkel hinein, jetzt nach der dritten Flasche wieder stark gerötet. Er zuckte immer mit den Augenbrauen, als bemerkte er unter dem Schultisch eine verbotene Version, und schlug gewohnheitsmäßig gern mit der Hand auf den Tisch, die Blicke auf sich zu lenken. Keine Minute lang saß er fest auf seinem allerdings nicht bequemen Holzstuhl, schnaufte, räusperte sich, führte auf der Tischplatte sein Glas in allerhand Figuren herum und mißhandelte seine Cigarre, indem er sie nach jedem Zuge auf einen Aschteller stippte und unten breit auseinander trieb.
»Ich denke, der Reden sind genug gewechselt,« rief er, »laßt uns nun endlich Thaten seh'n.«
»Was heißt das?« fragte sein Nachbar zur Linken. Veit Glauberg, der nach mancherlei naturwissenschaftlichen und nationalökonomischen Studien den philosophischen Doktor gemacht, dann weite Reisen unternommen und endlich einen reichen Onkel beerbt hatte, dessen Fabriken sich eines weiten Rufes erfreuten; »du bist ja doch bisher scharf in der Opposition gewesen, Arnold.«
»Ja, ich habe meine Gründe vorgebracht und mit Eifer verfochten,« antwortete dieser, »das war meine Schuldigkeit. Aber wenn eure Gründe besser sind ... Ich habe einen gewaltigen Respekt vor der Logik und Vernunft. Ist das Duell, von allen Seiten angesehen, Unsinn, so ist es eben Unsinn und muß sobald als möglich aus der Welt geschafft werden. Was wir drei dazu thun können, das sind wir verpflichtet zu thun. Denn: wer die Wahrheit kennet und saget sie nicht – und so weiter. Es vergißt sich nur nicht so leicht, daß man als Student fleißig auf der Mensur gestanden und mit dem Schläger in der Hand gelobt hat, die Ehre über das Leben zu setzen.«
»Unsere Gesichter sind ja genügend gezeichnet,« meinte Glauberg lachend und den braunen Vollbart behäbig ausstreichend. »Man wird uns glauben, daß wir auf der Universität nicht feige Hunde gewesen sind. Überhaupt die Schlägermensuren der Studenten! – reden wir davon nicht. Unsinn sind sie natürlich auch, aber das steht auf einem anderen Brett. Mit der Frage, ob ein Ehrenmann moralisch verpflichtet und berechtigt ist, seine verletzte Ehre mit den Waffen zu rächen, haben sie kaum etwas zu thun. Gefährliche Spielerei, nichts weiter! Allenfalls ein pädagogisches Mittel, die Mannhaftigkeit zu stärken. Ist man mit der Schule fertig, so soll man zusehn, was das Leben fordert. Und ich bleibe dabei, das jetzige Duellunwesen ist eine schwere Gefahr für die bürgerliche Gesellschaft, die nur durch das entschlossene und mutige Zusammenstehen aller ernstlich Besorgten eingedämmt und beseitigt werden kann.«
»Ich bin ja schon mit dir einverstanden,« knurrte der Gymnasiallehrer, indem er mit dem kleinen Finger die glühenden Deckblattfetzen seiner Cigarre so eifrig abstrich, daß sie über den ganzen Tisch hinflogen. »Man muß sich nur dazu entschließen, ein gesellschaftliches Vorurteil auf seine Vernünftigkeit zu prüfen, dann ist es schon halb abgethan.«
Es war also die Duellfrage, mit der die Freunde sich beschäftigt hatten. In letzter Zeit hatten sich so erstaunlich viel Fälle zur öffentlichen Kenntnis gebracht, in denen der Ehrenkodex eines exklusiven Teils der Gesellschaft blutige Opfer forderte, daß mit Recht die Besorgnis entstehen konnte, diese prinzipielle Mißachtung des göttlichen und staatlichen Gesetzes müsse wie eine ansteckende Krankheit auch die gesunden Glieder des Volkskörpers ergreifen und völlig demoralisierend wirken. Es lag für drei nachdenkliche Männer, die in der studentischen Verbindung dem Duellzwange gehuldigt hatten, Reserveoffiziere geworden waren und in gesellschaftlichen Kreisen verkehrten, die ihnen bei entstehenden Konflikten nach der landläufigen Meinung bestimmte Verpflichtungen auferlegten, genug Anlaß vor, nach festen Grundsätzen für ihr Verhalten zu suchen. Gelang es ihnen, sie aufzufinden und zu befestigen, so hatte der Freundschaftstag mindestens ein wichtiges Ergebnis.
Der Amtsrichter Walther von Dürenholz, welcher gegenüber saß und den etwas massiven, aber im Profil feingeschnittenen Juristenkopf in die Hand stützte, hatte sich anfangs bei der Debatte sehr lebhaft beteiligt, zuletzt aber schweigend zugehört. Die klugen grauen Augen wanderten von dem einen der Sprechenden zum anderen, bald sich weit öffnend, wenn das Gespräch eine überraschende Wendung nahm, bald ruhig abwartend, ob sich ein gangbarer Weg zeigen werde. »Ich glaube, liebe Freunde,« sagte er jetzt, indem er sich vom Tisch aufrichtete und in den Stuhl zurücklegte, »wir haben den Stoff erschöpft und können gleichsam zur Abstimmung schreiten. Sie wird nötig werden, obgleich unsere Meinungen kaum noch in irgend einem wesentlichen Punkte auseinanderzugehen scheinen. Es war ja vorauszusehen, daß Männer von unserer Sinnesart und Bildung sich dem Verdikt gegen das Duell anschließen würden. In der That erweisen sich alle Gründe, die es verteidigen sollen, als bloße Scheingründe, mit denen höchstens dargethan werden kann, daß unsere gesellschaftlichen Zustände noch so barbarisch sind, bei Verletzungen der sogenannten Standesehre ein so gesetz- und vernunftwidriges Ausgleichsmittel zu brauchen. Es scheint kein Fall konstruierbar, in welchem das Duell wirklich als eine sittliche Notwendigkeit anerkannt werden müßte. Wenn wir nun aber darüber einig sind, so stehen wir vor der anderen Frage: Was haben wir zu thun, um dieser Erkenntnis, soweit es an uns ist, Anerkennung zu verschaffen? Ist es genug, daß wir unsere Ansicht überall offen vertreten, wo man sie nicht will gelten lassen? Oder ist es auch unsere Pflicht, uns untereinander verbindlich zu machen, ihr jederzeit und in jedem Falle nachzuleben? Nur wenn wir dazu entschlossen sind, hat unser Urteil Wert.«
»Aber das versteht sich doch eigentlich von selbst,« polterte Arnold, »daß wir handeln, wie wir denken. Ich wenigstens –«
»Na – zwischen Theorie und Praxis klafft manchmal ein weiter Spalt,« fiel Glauberg bedächtig ein. »Ich meine doch, Walther hat recht, daß man sich förmlich binden muß. Die menschliche Natur ist schwach.«
»So wird sie auch nicht stärker durch ein Versprechen.«
»O doch! Man hat einen Riegel vorgeschoben, der das Ausbrechen erschwert.«
»Und worauf sollten wir einander das Wort geben?«
»Darauf,« antwortete Dürenholz mit ruhigem Ernst, »daß wir nie, was auch geschehen sei und in Zukunft geschehe, eine Forderung ergehen lassen oder annehmen! Nie – und unter keinen Umständen! Ja, liebe Freunde, das ist die Konsequenz. Haben wir nicht den Mut, für uns die Möglichkeit des Nachgebens gänzlich auszuschließen, so ist es besser, wir lassen die großen Worte. Nur das einfache im Voraus gesprochene Nein überhebt uns aller Bedenken und giebt unserem Handeln für jede Lebenslage Festigkeit. Ich weiß, was das sagen will, und deshalb dringe ich darauf, daß wir völlige Klarheit schaffen.«
Glauberg ließ den Weinrest in seinem Glase umlaufen und blickte nachdenklich vor sich hin. »Ganz recht,« bemerkte er, »man stellt sich möglicherweise eine schwere Aufgabe.«
»Eine sehr schwere,« bestätigte der Amtsrichter. »Was mich selbst betrifft – meine Berufsthätigkeit erfordert mitunter ein rücksichtsloses Vorgehen, und das richterliche Ansehen will gegen jeden verletzenden Angriff gewahrt sein. Mein Name, auch wenn er mir nur ein Name ist, weist mich äußerlich einem Stande zu, der von jeher für sich eine besondere Ehrenstellung in Anspruch genommen hat. Was für Anschauungen in Offizierskreisen gelten, ist bekannt, und mein künftiger Schwiegervater, obgleich jetzt außer Diensten, gehört zu ihnen und steht, wie ich weiß, auf einem Standpunkt, der dem meinigen gerade entgegengesetzt ist. Gleichwohl bin ich bereit, euch mein Wort zu verpfänden, daß ich ehrlich bemüht sein will, jede Versuchung niederzukämpfen, was ich mir auch vorher schon zur Gewissenspflicht gemacht hatte. Folgt mir oder nicht – meine Wahl ist getroffen. Wenn wir uns nach zehn Jahren wiedersehen, hoffe ich von mir sagen zu können, daß ich mir selbst treu geblieben bin.«
»Hoffentlich als wohlbestallter Rat bei einem Obergericht, glücklicher Ehemann und Familienvater,« fügte Glauberg hinzu, worauf er seinen Wein austrank und den Rand des umgekehrten Glases auf seinen Daumennagel setzte.
Arnold Runge legte den Arm mit der geöffneten Hand über den Tisch. »Schlagt ein,« rief er mit nicht mehr ganz leichter Zunge. »Drei für einen – und gleiche Brüder, gleiche Kappen! Ich verspreche, solange ich bei gesunder Vernunft bin –«
»Es bedarf unter uns keines feierlichen Abkommens,« fiel Dürenholz ein, indem er seine Hand nahm und schüttelte. »Gelobe jeder sich selbst, was er meint sich geloben zu können. Und Handschlag darauf, daß es ihm Ernst ist.«
Glauberg fügte seine Rechte dazu. »Dies sei unser Rütli,« sagte er. »Und nun die letzte Flasche! Einem so guten Werk muß man die Champagnertaufe geben.«
»Ohne davon noch weiter zu sprechen,« ergänzte der Amtsrichter spitz.
»Ja, trinken wir eine letzte recht vergnügte Flasche,« bestätigte Runge und winkte dem Kellner in der blauen Schürze, der schon schläfrig in der Ecke saß, »aber nicht mit schäumendem Zuckerwasser gefüllt, sondern eine spinnewebige, die an die gute alte Zeit erinnert, in der man beim Wein nicht so tiefgründige Gespräche zu führen, aber zu singen pflegte: Es hatten drei Gesellen ein fein Kollegium –« Er sang wirklich, griff aber den Ton zu hoch und kam mit der Stimme nicht hinauf. »Ah! zum Kapellmeister tauge ich noch immer nicht.«
Dafür trank er den größten Teil des edlen Rüdesheimers allein aus. Als der letzte Tropfen getilgt war, brachen die Freunde auf. Dürenholz mußte zur Bahn, da sein Urlaub am anderen Tage ablief. »Auch ist die Sehnsucht nach der Braut gewiß groß,« bemerkte Glauberg. »Mein Himmel, wir haben über sie noch so wenig gesprochen; ich glaube, nicht einmal den Namen hast du uns genannt, und wenn wir nicht den verräterischen Ring an deinem Finger bemerkt hätten, wer weiß, ob wir überhaupt von dem großen Ereignis etwas erfahren hätten. Wann wird denn die Hochzeit sein?«
»Hoffentlich nun bald,« antwortete Dürenholz lächelnd. »Die Beschaffung der Ausstattung machte Schwierigkeit. Meine Braut ist ganz unvermögend, und ich habe auch nur mein Gehalt. Der alte Oberstleutnant hat sehr strenge Ansichten. Er will keines Menschen Schuldner werden und erlaubt auch mir nicht einmal, das erforderliche kleine Kapital aufzunehmen. Was durchaus erforderlich, wollte er von seiner Pension nach und nach ersparen. Das ging natürlich nicht schnell. Wir mußten eine lange Weile unsere Verlobung geheimhalten. Vor einem halben Jahre ist sie publiziert, und jetzt, denke ich, sind wir bald am ersehnten Ziel. Dann hab ich freie Hand, das Fehlende nachzuliefern.«
»Vergiß nicht, lieber Bruder, daß du mir nur eine Zeile zu schreiben brauchst –« sagte Glauberg, ihm die Hand auf die Schulter legend.
Dürenholz nickte. »Das Darlehn dürfte diesmal kaum fürchten, sich und den Freund zu verlieren,« erwiderte er, »aber – ich bekomm's überall leicht, da ich in eine Lebensversicherung eingekauft bin.«
»Aber auf dein bloßes Angesicht –«
»Gut, gut! Ich kenne ja deinen Leichtsinn ausreichend.«
Glauberg seufzte: »Meinen Leichtsinn! Ich wollte, du hättest recht. Ich bin aber eher zu schwerblütig seit Übernahme der Fabriken, in die ich mich erst hineinleben muß, etwas verschüchtert, wage mich an die Frauenzimmer nicht recht heran, verstehe nicht zu leben, wie ich könnte, schäme mich, unsinniges Geld zu verdienen, da ich es nicht ebenso unsinnig auszugeben weiß. Zum Glück hab ich einen verbummelten Schwager, der von Zeit zu Zeit einen Teil des Überflusses abzapft. Jetzt hab ich ihm ein großes Blatt gekauft, da er von Hause aus Litterat ist, und da wird's wohl eine Weile dauern, bis er abgewirtschaftet hat. Übrigens soll er als Redakteur recht geschickt sein.«
So plaudernd langten sie auf dem Bahnhof Friedrichstraße an.
»Ich nehme euch nicht mit hinauf,« sagte der Amtsrichter. »Suchen wir uns einen stillen Winkel hier in der Halle zur letzten Umarmung.« So geschah es. Dann an der Treppe trennten sie sich.
Der Oberlehrer ging nicht ganz sicher; er hatte seinen Arm in den Glaubergs gelegt und stützte sich merklich auf ihn. »Trinken wir noch eine Tasse Kaffee?« fragte er, als sie in die Nähe der Linden kamen.
»Ich habe nichts dagegen,« antwortete Glauberg. »Dürenholz ist doch noch immer der Alte. Ich hörte unseren Senior sprechen, wie er damals gegen die Korps zu Felde zog, die Verderber des studentischen freien Geistes, und gegen die Indifferenten, die auch als Männer nicht Partei ergreifen, sondern sich um alle zeitbewegenden Fragen herumdrücken würden.«
»Ja,« bestätigte Runge weinselig kichernd, »er ging immer auf das Ganze. Und das ist seine Art auch heute noch. Immer auf das Ganze! Er kann's einmal – hi, hi, hi – zu etwas ganz Großem bringen, oder – da drüben ist das Café Bauer.«
Sie steuerten darauf hin. Glauberg, der ein Hüne von Gestalt war, hielt den Begleiter fest am Arm und brachte ihn auch sicher durch die große Glasthür.
Es war schon spät in der Nacht und das Lokal gefüllt. Rechts hatte ein Dutzend Herren an zusammengeschobenen Tischen Platz genommen. Sie unterhielten sich sehr laut. Es befanden sich darunter auch einige jüngere, aber die meisten hatten das Aussehen gereifter Männer in den Dreißigern oder Vierzigern. Alle trugen sie Farbenbänder, zum Teil über den Rock gehängt. Die roten Gesichter und lallenden Stimmen bewiesen, daß sie scharf pokuliert hatten. Es waren augenscheinlich alte Herren einer studentischen Verbindung, die von irgend einer Festfeier kamen und noch lange nicht Lust hatten, nach Hause zu gehen.
Glauberg blickte über den Kreis hin, stutzte und blieb stehen. »Gehen wir lieber wo anders hin,« sagte er.
»Weshalb?«
»Es ist hier zu voll.«
»Ach – ein paar Stühle finden wir schon noch.«
»Nein, komm! Da sitzen auch alte Herren von den Sueven.«
»Wo?« Er sah nach rechts. »Ah ja. Was thut das? Sie sollen sich doch nicht einbilden, daß wir uns vor ihnen drücken?«
»Sie haben uns noch nicht bemerkt.«
»Gleichviel. Denen geh ich nicht aus dem Wege – denen aus keinen Fall!« Er zog Glauberg weiter in den Saal hinein.
»Wir haben getrunken,« wehrte dieser, »und sie haben getrunken. Man kann nicht wissen –«
»Aber ich bin ganz nüchtern,« versicherte der Oberlehrer, »und überhaupt – was gehen uns die Kerls an?«
»Nichts. Das vergiß doch nicht.«
Es war nur noch ein kleiner Tisch ganz in der Nähe der lustigen Gesellschaft frei. Sie setzten sich und bestellten Kaffee.
Glaubergs Vorsicht war sehr gerechtfertigt. Die Burschenschaft, welcher die Freunde angehörten, war bei Gelegenheit eines Fackelzuges, durch den der Rektor geehrt werden sollte, mit dem Corps Suevia in Streit geraten. Die Corps hatten den Vortritt beansprucht, es war aber durchgesetzt worden, daß die Reihenfolge durch das Los bestimmt werden sollte. Die Sueven hatten eine tiefere Nummer gezogen, drängten sich aber, als der Zug schon in Bewegung kam, plötzlich vor und schoben sich so ein, daß sie die Burschenschaft hinter sich ließen. Nach dem Zusammenwerfen der Fackeln kam es zu einer Rempelei, bei der die Sueven unterlagen. Es folgten von dieser Seite massenhaft Forderungen auf Pistolen. Sie wurden abgelehnt, solange das Corps eine öffentliche Entschuldigung wegen der frechen Eigenmächtigkeit unterlasse. Darauf war gegenseitige Verrufserklärung erfolgt. Mehrere Jahre später wurde zwar, nachdem beide Verbindungen vom Senat suspendiert waren, ein Ausgleich erzielt; doch fraß der Groll weiter. Runge und Glauberg hatten der Burschenschaft gerade zu der Zeit angehört, als jener Konflikt ausbrach, und es befanden sich unter den Herren nebenan mehrere, die bei der Holzerei Prügel bekommen hatten. Es ließ sich nicht voraussetzen, daß sie sich jetzt ruhig verhalten würden, wenn sie die Gegner erkannten.
Und das geschah sehr bald. Man gab sich über die zusammengerückten Tische hin Winke. Ein Dicker, der den Hut von der heißen, mit Narben bedeckten Stirn zurückgeschoben hatte, schnupperte auffällig mit der roten Nase in der Luft herum und äußerte, es rieche plötzlich so schlecht, worauf ein unbändiges Gelächter losbrach. Es wurde auf die Ursache geraten, und dabei fielen anzügliche Bemerkungen über Verbindungen, die in schlechtem Geruch ständen, weil sie aus nichtigen Gründen Forderungen hätten hängen lassen. Es sei endlich für den Senioren-Konvent Zeit, durchzugreifen und zu beschließen, daß die Corps sich bei studentischen Veranstaltungen überhaupt nur unter der unbedingten Zuerkennung des Vortritts zu beteiligen hätten. Die Prätension der Gleichberechtigung sei überall als eine Unverschämtheit zurückzuweisen. Allgemeine jubelnde Zustimmung.
Arnold Runge hielt sich nicht länger. Sein Blut kochte. Er erhob sich. Glauberg wollte ihn niederziehen, aber er bat: »Laß mich – ich weiß, was ich thue.« Sich umkehrend, sagte er: »Ich ersuche die Herren, sich etwas vorsichtiger zu äußern. Ich bin Burschenschafter.«
Einen Augenblick entstand Stille. Dann erwiderte der Dicke spöttisch: »So geht es Sie ja mit an.«
»Deshalb eben,« sagte der Oberlehrer, den Ärger verbeißend. »Ich nehme an, daß es nicht die Absicht der Herren sein kann, Beleidigungen auszusprechen.«
»Wem das nicht gefällt, was wir sprechen, der höre nicht zu,« lautete die hochnäsige Antwort.
»Es muß ihm nur die Möglichkeit gegeben sein,« replizierte Runge. »Übrigens ist mein Zweck erreicht, die Herren darauf aufmerksam zu machen, daß Sie von jemand, den es mit angeht, gehört werden. Weiter habe ich nichts zu sagen.«
Er verneigte sich leicht und setzte sich wieder. »Wir wollen unseren Kaffee austrinken und bezahlen,« riet Glauberg leise.
»Jetzt müssen wir bleiben,« entschied der Freund. »Die gute Sache fordert das.«
»Du merkst doch, daß sie etwas im Kopf haben. Und wenn sie nun nicht schweigen –«
»Hinter meinem Rücken sollen sie nichts Anzügliches reden. Wir sind es unserer Burschenschaft schuldig, nichts auf uns sitzen zu lassen.«
»Du sprichst wie ein Student. Bedenke –«
Es war schon zu spät. Das Gespräch nebenan wurde sogleich wieder aufgenommen.
»Wie war das denn eigentlich damals bei dem Fackelzuge?« fragte ein Grünschnabel, sich an den Dicken wendend. »Du bist ja damals Senior gewesen.«
»Pah!« machte der. »Wir wahrten unseren Standpunkt und hätten mit den Waffen Genugthuung gegeben, wenn's verlangt wäre. Aber es schien denen ja ritterlicher, vier Fäuste gegen zwei zu gebrauchen. Auf unsere Forderung reagierten sie mit einer lächerlichen Verrufserklärung. Die unsere war wirksamer, denn die sämtlichen Corps schlossen sich uns natürlich an.«
»Fünf gegen einen,« sagte Arnold Runge laut, »und die Retourkutsche blieb doch stecken.«
»Zahlkellner!« rief Glauberg.
»Ich trinke noch eine Tasse Kaffee,« bemerkte der Oberlehrer weit hörbar, »dann stehe ich zur Verfügung.«
In diesem Augenblick wurde sein Stuhl von hinten her heftig von einem anderen Stuhl angestoßen. Er drehte sich rasch um. »Mein Herr – Sie haben, denke ich, Raum genug.«
»Es scheint, nicht,« antwortete eine heisere Baßstimme, »wenn das Ihr Stuhl war, der da im Wege stand.«
»Er steht nicht Wege.«
»Erlauben Sie mir, das zu beurteilen.«
»Man pflegt sich in solchem Fall mindestens zu entschuldigen –«
»Wenn man etwas versehen hat, was man wieder gut machen will.«
Runge sprang auf. Seine Muskeln strafften sich. »So hätten Sie absichtlich –«
»Nehmen Sie meinetwegen an, es sollte Ihnen ein Wink gegeben werden, daß Sie sich des Mitredens zu enthalten hätten.«
»Mein Herr – das ist eine Unverschämtheit –!«
Auch der andere erhob sich und sah ihn herausfordernd an. »Nun –?«
Glauberg trat dazwischen. »Meine Herren, es ist hier doch nicht der Ort –« mahnte er. »Das Publikum wird schon aufmerksam.«
Arnold schob ihn mit zitternder Hand zurück. Seine Stirn war blutrot, und seine Augen sprühten Funken. »Nun –?« fragte er zurück.
»Wohin treibst du?« zischelte Glauberg ihm zu. »Du bist deiner nicht mehr Herr, Arnold.«
»Ich glaube deutlich genug gesprochen zu haben,« schnarrte der Baß, in dem er einen der schneidigsten Sueven von damals erkannte, »wenigstens für jemand, der nicht taub sein will.«
»Sie verdienen Ohrfeigen,« zischte Runge, »für eine so infame Verdächtigung.«
»Nehmen Sie sie meinerseits als empfangen an,« wurde höhnisch erwidert.
Runge wollte zuspringen, aber Glauberg riß ihn zurück. Zugleich trat der Dicke vor. »Mit wem haben wir's denn eigentlich zu thun?« fragte er.
»Ich denke, Sie kennen mich,« antwortete der Oberlehrer, »wie ich Sie kenne. Aber – hier ist meine Karte.« Er zog sie aus seiner Brieftasche. »Ich werde mich noch achtundvierzig Stunden in Berlin aufhalten.« Er nannte das Hotel, in dem er logierte.
Sein Gegner überreichte ihm nun ebenfalls eine Karte. »Die Wohnung ist darauf vermerkt.«
Auch der Dicke fügte die seine bei. Nun bezahlten die Freunde und entfernten sich.
Als sie auf die Straße kamen, fauchte Arnold Runge wütend: »Solche Bestien!«
»Das ist nicht übel,« sagte Glauberg, seinen Arm nehmend und den Laufschritt mäßigend. »Vor einer Stunde haben wir uns feierlich das Wort gegeben, uns nicht zu duellieren, und schon hast du dich in die Lage gebracht, fordern oder eine Forderung annehmen zu müssen.«
»Das gilt für diesen Fall nicht,« rief Arnold wild. »Es handelt sich da um eine alte Sache, die jetzt nur wieder aufgewärmt ist. Früher oder später mußte sie zum Austrag gebracht werden. Du wirst zugeben, ich habe mich sehr ruhig verhalten – ich bin in unerhörter Weise provoziert worden. Nenn's einen Temperamentsfehler, aber darauf die Ohren einzukneifen und den Mund zu halten, ist mir nicht gegeben.«
»Dürenholz wird sich wundern –«
»Ich schreibe ihm sofort. Ich glaube, er wird sich nicht wundern, wenn er hört, daß die Sueven – er müßte ja seine Studentenzeit völlig verleugnen, wenn er das nicht begriffe. An meiner Stelle hatte er ebenso gehandelt, ganz ebenso.«
»Wer weiß –«
»Ich sage dir, dies zählt nicht mit. Ah! mir ist wohl, daß ich's los bin. Es hat mich schon immer im Innersten gewurmt, daß wir vor elf Jahren nicht zum Schluß kamen. Basta! Ich kann doch auf dich rechnen?«
»Es ist nun einmal geschehen,« sagte Glauberg, »und nicht zu ändern. Daß ich meinen Bruder jetzt nicht im Stich lasse, versteht sich von selbst.«
Die kleine Stadt, in welcher Walther von Dürenholz sein Richteramt verwaltete, lag seitab von der großen Verkehrsstraße zwischen Ost und West, war aber doch durch eine Eisenbahn »angeschlossen« und seitdem entschieden im Aufblühen. Das Landgericht lag nur zwei Meilen entfernt und war selbst mit dem Bummelzuge in einer kleinen Stunde zu erreichen. Der Amtsrichter besuchte dort regelmäßig das Juristenkränzchen und beteiligte sich auch bei den Vorträgen, die von Zeit zu Zeit gehalten wurden. Er brauchte sich nicht auf seinem Posten verlassen zu fühlen, konnte in schwierigeren Rechtsfällen leicht einen Meinungsaustausch mit Kollegen herbeiführen. Da er mit Amtsgeschäften nicht übermäßig belastet war, blieb ihm Zeit zu wissenschaftlicher Arbeit, die er liebte, und zu geselligem Umgang, der allerdings mit einer gewissen Vorsicht gewählt werden mußte.
Viele von den Bürgern betrieben noch Ackerwirtschaft, allein als Nahrungszweig oder in Verbindung mit einem Handwerk. Die am Markt und in der Hauptstraße wohnenden Kaufleute hatten es meist nur zu sehr mäßigem Wohlstande gebracht, gehörten zwar der Kasinogesellschaft an, die ein Haus mit hübschem Garten am Flüßchen besaß und im Winter Bälle, Konzerte, Liebhabertheater und andere Vergnüglichkeiten veranstaltete, erhoben aber darüber hinaus nicht den Anspruch, in den geselligen Verkehr der Honoratioren gezogen zu werden, zu welchen die Offiziere eines im Städtchen garnisonierenden Bataillons, der Landrat, der oberste Steuerbeamte, die Geistlichen, der Kreisbaumeister, die Ärzte und Rechtsanwälte, ein paar Fabrikbesitzer, einige Pensionäre aus dem Militär- und höheren Beamtenstande, die den kleinen, aber hübschgelegenen Ort seiner Billigkeit wegen aufgesucht hatten, allenfalls auch der Bürgermeister und Apotheker gehörten, neben denen dann von auswärts die großen Gutsbesitzer der Umgegend und der Oberförster in Betracht kamen. Den Unverheirateten stand ein Mittagstisch in dem vornehmsten Gasthause zur Verfügung, das sich schon »Hotel« nennen durfte. Daran nahm auch der Amtsrichter teil, ohne sich durch die ständige oder ambulante Nachbarschaft einiger dii minores genieren zu lassen.
Dürenholz lebte vorsichtig zurückgezogen. Von den politischen Parteikämpfen, die natürlich auch hier, namentlich zu Mahlzeiten, mächtig auf- und abwogten, hielt er sich grundsätzlich fern, auch in kirchliche Streitigkeiten mischte er sich nicht. Er versteckte seine liberale Gesinnung keineswegs, wenn es darauf ankam, Farbe zu bekennen, zeigte sich aber nicht in Versammlungen und suchte auch nicht einmal Beziehung zu den Führern, die seine Ansichten vertraten. Der Herr Landrat und der Herr Superintendent wußten schon, daß von ihm keine Unterschrift für ihre Aufrufe zu erlangen war, wenn er auch bei patriotischen Festlichkeiten nie ausblieb. Er entschuldigte sich nach beiden Seiten hin damit, daß die richterliche Stellung ihm verbiete, rechts oder links als Parteimann thätig zu sein; man solle völlig überzeugt zu ihm aufs Gericht gehen, daß er ganz unbefangen und unbeeinflußt urteile, niemandem zuliebe noch zuleide. Dagegen war freilich nichts zu sagen, aber dieser hohe Standpunkt gefiel den Stützen des Staates und der Kirche doch wenig, und im stillen unter sich äußerten sie ihre argwöhnischen Bedenken, ob er nicht mehr gegen sie als gegen ihre demokratischen Widersacher eingenommen sei; in gewissem Sinne hätten sie gerade den Amtsrichter gern parteiverläßlich gewußt.
Sein eigener Schwiegerpapa, in dessen Hause er wöchentlich einige Abende verbringen durfte, war in dieser Hinsicht mit ihm nicht ganz zufrieden. Der Oberstleutnant Müller, obgleich wegen seiner Zurdispositionsstellung gegen einige hohe Militärs tief ergrimmt, ließ doch über seine konservative und streng kirchliche Gesinnung keinen Zweifel aufkommen. Er hatte bei der Artillerie gedient und stets als das Muster eines pflichttreuen, ganz in seinem Beruf aufgehenden Soldaten gegolten. Seinen untergebenen Offizieren war er ein recht unbequemer Vorgesetzter gewesen, den Mannschaften wendete er seine väterliche Sorge zu, wennschon er es auch an harten Besserungsstrafen nicht fehlen ließ. Als Hauptmann hatte er Vorzügliches geleistet und war bei jeder Truppenvorstellung belobt worden. Der Major beschäftigte sich vielleicht schon zu pedantisch mit dem Kleindienst. Er hatte als junger Offizier den Krieg mitgemacht, sich durch Tapferkeit ausgezeichnet und das eiserne Kreuz verdient; nun spornte ihn der militärische Ehrgeiz, sich in eine hohe Stellung hinaufzubringen. Dabei versah er es durch zu großen Eifer. Als er der nächste zum Regimentskommandeur war, erhielt er zu seiner schmerzlichsten Überraschung den Abschied, in der gnädigsten Form freilich unter Verleihung eines sehr schönen Ordens, aber doch den Abschied. Er war überzeugt, daß der bürgerliche Name Müller und der Mangel an Vermögen ihn zu Fall gebracht hätten. Deshalb im Innersten verbittert, blieb es doch nun erst recht sein Bemühen, den strammen Soldaten herauszukehren, der dem Könige noch lange gute Dienste hätte leisten können. Er behielt die militärische Haltung bei, trug immer eine steife Halsbinde, den Rock mit dem Ordensbändchen hoch zugeknöpft, den grauen Bart am Kinn ausrasiert. Er las nur die Kreuzzeitung und das Militär-Wochenblatt, sprach über alle Tageserscheinungen, die seinen enggezogenen Gedankenkreis störten, schroff ab und gefiel sich in einem barschen, befehlshaberischen Tone, der angestoßen hätte, wenn man nicht seinem wie aus einem Guß geformten soldatischen Charakter kleine Ausschreitungen nachzusehen geneigt gewesen wäre.
Er hatte seine Frau durch den Tod verloren, als seine älteste Tochter Adelheid erst sechzehn Jahre zählte, und war Witwer geblieben. Zwei Söhne wurden im Kadettenhause erzogen, eine jüngere Tochter besuchte noch die Schule. Er hatte es nicht leicht, sich mit seiner Pension standesgemäß durchzubringen, und war in seinen Ausgaben pedantisch genau. Adelheid führte ihm die Wirtschaft und mußte über ihre Kasse am Schluß jedes Monats umständlich Rechnung legen; es gab ein Himmeldonnerwetter, wenn sie nicht auf den Pfennig stimmte. Es ging in seinem Hause etwas spartanisch zu, was nicht jedem behagte. Der Amtsrichter hatte ihm gleich nach seiner Anstellung eine Visite abgestattet und an Adelheid so viel Gefallen gefunden, daß er trotz der Verschiedenheit in mancherlei Lebensanschauungen gern das Gastrecht in Anspruch nahm. Das ebenso schöne als liebenswürdige Fräulein war damals einundzwanzig Jahre alt gewesen. Rasch hatte sich auf beiden Seiten eine tiefere Herzensneigung gefunden, die zu einem stillen Verlöbnis führte. Was die baldige Vereinigung hinderte, hatte der Amtsrichter schon den Freunden angedeutet.
Der Oberstleutnant konnte ein recht freundschaftliches Verhältnis zu seinem künftigen Schwiegersohn schwer finden. Gerade dessen beste Eigenschaften, den Sinn für ritterliche Unabhängigkeit, für wissenschaftliche Unparteilichkeit wußte er nicht zu schätzen; er machte ihm nicht genug aus seinem adeligen Namen, aus dem Reserveleutnant, er beschuldigte ihn gelegentlich, nicht genug Ehrgeiz zu besitzen; er stellte sich für ihn immer nicht genug in die erste Reihe, wo man gesehen werde. Das könne ja doch auf die allernobelste Weise geschehen!
Der Amtsrichter hörte dergleichen Reden geduldig an, ging aber seinen stillen Weg weiter. Auf Adelheids Zustimmung konnte er sich verlassen. Sie war ihrem Vater sehr unähnlich; es hieß, sie habe der Mutter Sanftmut, Seelenheiterkeit und geistiges Wesen geerbt. Fügte sie sich auch den Anordnungen des herrischen Vaters freundlich und willig, so teilte sie doch dessen Ansichten oft nicht, wußte sich aber mit ihrem Bräutigam immer einig, an dem sie mit schwärmerischer Verehrung hing. Sie bemühte sich oft mit Erfolg, stürmische Aufwallungen des alten Brausekopfs niederzuhalten oder wenigstens die aufgetriebenen Wogen rasch auszuglätten. So vermittelte sie zwischen ihm und der Gesellschaft; Walther erleichterte ihr gern die Aufgabe, ihn gegen sich in friedlicher Stimmung zu erhalten.
So erzählte er ihm auch von dem, was die Freunde beraten und beschlossen hatten, nichts. Er meinte, sich allezeit so verhalten zu können, daß er nie in die Lage kommen dürfte, seine Grundsätze bethätigen zu müssen.
Als er Runges Brief las, zog ein sarkastisches Lächeln um seine Lippen. Er schloß ihn mit einem sehr bezeichnenden Achselzucken. Kurz darauf erhielt er auch ein Schreiben Glaubergs. Das Duell sei für den Freund glücklich verlaufen, der Gegner habe eine Kugel in die rechte Schulter bekommen – nichts Lebensgefährliches. Er hielt es für seine Pflicht, Runge zu entschuldigen, der wirklich schwer gereizt worden sei. Es müsse ein unglücklicher Zufall genannt werden, daß man gerade mit diesen Leuten zusammengetroffen wäre. Dürenholz konnte sich zu einer Gratulation nicht entschließen. Habeat sibi! brummte er in sich hinein. Er ahnte nicht, was ihm selbst bevorstand.
In der folgenden Woche schon hatte er eine Schöffensitzung. Unter den Fällen, die zur Verhandlung kommen sollten, war auch einer, der einige Meilen in der Runde ein gewisses Aussehen erregt hatte, weil einer der reichsten und vornehmsten Großgrundbesitzer beteiligt war. Der Graf Stieren, ein sehr cholerischer Herr, hatte mit seinem Förster Altmann einen Konflikt gehabt, weil dieser sich nicht ehrerbietig genug gegen ihn benommen, und ihn infolgedessen nicht nur sofort seiner Stelle entsetzt, sondern auch mit Weib und Kind aus dem Försterhause austreiben lassen. Altmann behauptete, daß ihm unrecht geschehen sei und mindestens die Kündigungsfrist hätte abgewartet werden müssen. Als man ihn bei Gericht belehrte, daß er auf eine Entschädigungsforderung angewiesen sei, sollte er im Schloß, wo man ihn nicht zu dem gnädigen Herrn ließ, Drohungen ausgestoßen haben. Endlich hatte er nur seine Sachen aus dem verschlossenen Försterhause herausverlangt und es dann, da man ihm die Schlüssel, verweigerte, mit Gewalt geöffnet. Deshalb war er angeklagt.
In der Gesellschaft ward viel darüber herumgestritten, ob die plötzliche Entlassung gerechtfertigt gewesen sei. Der Graf erfreute sich nicht großer Beliebtheit, und es gab auch unter seinen Nachbarn auf dem Lande einige, die sein rasches Verfahren mißbilligten. Für den Juristen lag der Fall sehr einfach.
Es wurde noch eine andere Sache verhandelt, als der Graf, der als Zeuge geladen war, in einem mit vier Trakehnern bespannten hochräderigen Jagdwagen angefahren kam und vor dem Gerichtsgebäude abstieg. Er trat, von einem Livreediener gefolgt, sogleich in das Sitzungszimmer ein, schritt auf den für die Richter bestimmten erhöhten Raum zu, grüßte vornehm und sagte, das Plaidoyer des Amtsanwalts unterbrechend, in burschikosem Ton: »Ich melde mich, Herr Amtsrichter. Graf Stieren – bin ja wohl bekannt.«
»Ich habe die Ehre,« antwortete Dürenholz nicht unfreundlich, aber etwas förmlich; »Sie werden sich aber noch etwas gedulden müssen, Herr Graf. Wir sind eben in der Verhandlung einer Sache begriffen, wie Sie bemerken, und es steht dann vor der Ihrigen noch eine andere an.«
»Ah! Können Sie denn die gegen Altmann nicht vorziehen?« fragte der Graf. »Ich habe wenig Zeit.«
»Das geht nicht an,« bedeutete ihn der Amtsrichter, »die Reihenfolge des Terminzettels muß eingehalten werden.«
»So, so!« Der Graf zog seine Uhr. »Ich komme aber nur fünf Minuten zu früh.«
»Die Stunde läßt sich nicht so genau einhalten.«
»Die Geschichte wird aber doch nicht lange dauern? Muß ich mein Fuhrwerk ausspannen lassen?«
»Das bin ich außer stande, im voraus zu beurteilen. Es ist aber wahrscheinlich, daß wir nicht ganz so schnell fertig werden, als Sie vorauszusetzen scheinen.«
Der Graf zögerte. »Es ist doch aber alles klipp und klar. Ich begreife überhaupt nicht –«
»Ich kann mich auf eine Erörterung hierüber nicht einlassen,« unterbrach Dürenholz ungeduldig. »Haben Sie nur die Güte, sich in den Zeugenraum zu begeben und dort den Aufruf der Sache abzuwarten.«
Der Graf blieb stehen und machte Bewegungen mit seinem Hut. »So, so – hm! Sagen Sie einmal, lieber Herr Amtsrichter – hm! Haben Sie denn nicht ein anständiges Zimmer für unsereinen?«
Dürenholz mißfiel diese Frage ebenso wie der Ton, in dem sie gestellt war. Die Schöffen wurden schon unruhig, und auch der Amtsanwalt rückte auf seinem Sessel hin und her. Er hielt aber an sich und entgegnete nur ernst: »Ich bedaure, für Zeugen, denen der allgemeine Warteraum nicht anständig erscheint, ein anderes Zimmer nicht zur Verfügung zu haben.«
»So, so,« knurrte der Graf ärgerlich. »Aber Sie werden doch zugeben, Verehrtester –«
»Ich muß jetzt wirklich bitten, die Verhandlung nicht weiter zu stören,« fiel der Amtsrichter ein. »Wollen Sie die Freundlichkeit haben –« Er verneigte sich zum Zeichen, daß er das Gespräch beendigt wünsche.
»Schon gut, schon gut,« sagte der Graf, den Kopf aufwerfend, »bitte, mich nicht hinauszuweisen.«
Er drehte sich kurz um und gab, während er der Thür zuschritt, dem Diener laut Befehle wegen des Fuhrwerks. Dann verschwand er.
Die anstehende Sache war rasch beendigt, die folgende hielt nicht lange auf. Dann betrat der Förster Altmann die Anklagebank.
Er erschien in seinem grünen Rock, den ein paar Kriegsdenkmünzen schmückten, und war sichtlich sehr aufgeregt, unterbrach öfter die Vorlesung der Anklage, so daß er scharf zur Ruhe verwiesen werden mußte, und sprach dann von dem himmelschreienden Unrecht, das ihm geschehen sei. Er habe Zeugen mitgebracht, die bekunden würden, daß er zu seiner Entlassung keinen Grund gegeben habe, dagegen von dem Herrn Grafen geschimpft und sogar mißhandelt sei. Er hatte auch einen Verteidiger angenommen, der nun bestimmte Anträge formulierte und begründete.
Dürenholz sah schon als gewiß an, daß eine sehr erregte Verhandlung bevorstand. Wie stets in solchem Fall ermahnte er sich zu besonderer Aufmerksamkeit auf sein Verhalten. Er pflegte dann mit peinlichstem Feingefühl seiner richterlichen Würde eingedenk zu bleiben.
Graf Stieren wurde hereingerufen. Der Vorsitzende wies ihn auf die Zeugenpflicht hin, unter dem Eide die volle Wahrheit zu sagen, und bat ihn, die rechte Hand aufzuheben und ihm die Formel nachzusprechen. Alle Anwesenden erhoben sich zu dieser feierlichen Handlung von ihren Sitzen.
Der Graf zog unwillig den Handschuh ab. »Es ist doch ein starkes Stück,« sagte er dabei, »daß ich eines solchen Schlingels wegen überhaupt einen Eid leisten muß.«
Es entstand eine allgemeine Bewegung. Altmann zuckte in den Schultern und ließ die Hand klappend auf die Barriere fallen. Der Amtsrichter gab ihm ein Zeichen zu schweigen. »Herr Graf,« sagte er, sich hoch aufrichtend, »ich muß Sie dringend ersuchen, sich aller beleidigenden Äußerungen zu enthalten.«
»Ach – gegen so einen, der auf der Anklagebank sitzt –« bemerkte der Graf verächtlich.
»Er ist noch nicht verurteilt,« berichtigte der Vorsitzende streng, »und auch abgesehen davon –«
»Schon gut,« unterbrach ihn der Graf, den Handschuh auf den Tisch werfend. »Also wenn's denn beliebt ... Ich, Graf Sigismund Tassilo Stieren, neununddreißig Jahre alt, evangelischer Konfession, schwöre bei Gott dem Allmächtigen und – und ... Weiter, wenn ich bitten darf.«
Der Amtsrichter nahm das Barett ab und setzte sich. »Sie scheinen so gereizt zu sein,« sagte er, »daß ich es nicht verantworten kann, Sie vor Ihrer Vernehmung zu vereidigen.«
»Aber – aber – ich wüßte nicht ...«
»Machen Sie nun Ihre Aussage.«
Der Graf mußte sich fügen. »Es kommt ja wohl auf nichts weiter an,« sagte er, »als daß ich den Befehl gegeben habe, die Försterwohnung zu verschließen und dem unverschämten Menschen – pardon! dem p. Altmann die Sachen nicht herauszugeben, an denen ich mich gepfändet hatte. Daß er die Thüren erbrochen hat, wird er nicht frech genug sein zu bestreiten.«
Der Verteidiger war durchaus anderer Ansicht. Es interessiere zu wissen, aus welchem Grunde der Angeklagte Knall und Fall entlassen sei, und welches Recht der Dienstherr gehabt habe, ihm sein Eigentum vorzuenthalten.
Das wollte der Graf nicht gelten lassen. Er habe über seine Handlungen niemand Rechenschaft zu geben und sei ja noch in der Lage, zahlen zu können, was er etwa schuldig sei; die Gewaltthat bleibe unter allen Umständen strafbar.
Der Amtsrichter entschied, es könne doch unter Umständen für das Strafmaß von Bedeutung sein, was sich vorher zugetragen habe. Der Herr Zeuge wolle sich daher auch über den Entlassungsgrund erklären.
Nun gab der Graf einen offenbar stark gefärbten Bericht, immer in nachlässigem Ton, als thue er mit jedem Wort dem Richter eine Gnade an. Der Verteidiger bestritt und berief sich auf die Zeugen des Angeklagten. Der Gerichtshof beschloß, sie zu hören.
Sie wurden einzeln hereingerufen und vernommen. Ihre Aussage bestätigte die Behauptungen des Försters in allen Punkten.
»Es hat ja leibhaftig den Anschein,« rief der Graf feuerrot, »als ob ich hier der Angeklagte bin.«
»Wollen Sie nun Ihre Aussage aufrecht halten?« fragte ihn der Vorsitzende.
»Natürlich!« schrie der Graf ihn an. »Das ist alles erstunken und erlogen.«
»Ich verbitte mir ernstlich solche Ausdrücke,« erklärte Dürenholz, um dem Verteidiger zuvorzukommen, der sich schon zu einer scharfen Entgegnung rüstete. »Der Herr Zeuge hat nicht das Recht, andere Zeugen zu beleidigen.«
»Diese infamen Kerle –« entrüstete der Graf sich weiter. »Ich werde beweisen, daß sie Wilddiebe sind und mit dem fortgejagten Förster unter einer Decke gesteckt haben.«
»Das sollen Sie beweisen – das sollen Sie beweisen!« riefen ihm die Zeugen und der Angeklagte entgegen.
Der Amtsrichter schlug ein Gesetzbuch auf und las daraus einen Paragraphen vor, nach welchem das Gericht Zeugen, die sich einer Ungebühr schuldig machen, eine Ordnungsstrafe bis hundert Mark oder drei Tage Haft auflegen könne.
»Merkt euch das!« rief der Graf den Gegenzeugen zu.
»Es ist auch für Sie gesagt, Herr Zeuge!«
»Ich danke.« Er verneigte sich auffallend tief.
Der Amtsrichter war bleich wie die weiße Schleife, deren Zipfel sich über den schwarzen Sammet der Robe legten; die Narben auf Wange und Stirn zeichneten sich rot ab. »Ich sehe mich genötigt, den Herrn Zeugen darauf aufmerksam zu machen,« sagte er mit leiser, aber bei der herrschenden Stille scharf durchdringender Stimme, »daß sein Benehmen vor Gericht nicht das eines gebildeten Mannes würdige ist.«
Der Graf warf den Kopf zurück. »Ich kann keine Belehrung darüber annehmen, wie ich mein Benehmen einzurichten habe,« antwortete er, »– von niemand!«
»Der Herr Zeuge wolle nun schweigen,« rief der Richter unwillig.
»Ach – der Herr Zeuge, der Herr Zeuge!« spöttelte der Graf mit blitzenden Augen. »Für den Herrn von Dürenholz bin ich allemal der Herr Graf Stieren.«
Der Amtsrichter glaubte an der äußersten Grenze der Nachsicht angelangt zu sein. Er blickte seitwärts zum Amtsanwalt hinüber. »Herr Amtsanwalt –«