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Wünsch dich ins Wunder-Weihnachtsland

Erzählungen, Märchen und Gedichte zur Advents- und Weihnachtszeit

Band 13

Martina Meier (Hrsg.)

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Impressum

Personen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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© 2020 – Papierfresserchens MTM-Verlag GbR

Mühlstraße 10, 88085 Langenargen

Alle Rechte vorbehalten. Taschenbuchausgabe erschienen 2020.

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.

Titelbild: © Heike Georgi

Lektorat: Redaktions- und Literaturbüro MTM

ISBN: 978-3-96074-368-2 - Taschenbuch

ISBN: 978-3-96074-369-9 - E-Book

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Inhalt

Der Weihnachtsmann langweilt sich

Bruderzwist

Weihnachten wie immer – und doch ganz anders

Weihnachten fällt aus

Ein Fest für den Weihnachtsmann

Ella, die kleine Weihnachtsmaus

Ein Weihnachtstraum

Die Farbe der Stille

Unter der Decke

Weihnachtswünsche

Endlich wieder Weihnachten

Oh du fröhliche, und weiter so!

Die Ballade von Valentin Wichtel

Der verletzte Engel

Winterwonderland

Besuch in Bethlehem

Biggi und die Christkind-Falle

Die einhundert Paar Schuhe

Böses Spiel

Weihnachten im Chaos

Friedenslicht

Der kleine Wichtel mit dem Schnupfen

Leni und das kleine Weihnachtswunder

Der Weihnachtstraum

Weihnachtspost von Juri

Klirrend kalt

Schneekätzchen sind out

Omas Weihnachtsschmuck

Ein hoffnungsvoller Weihnachtsabend

Lies mir eine Geschichte vor

Dir gutem Weihnachtsmann

Erika, die Buchhalterin

Weihnachten mit der Tallu-Maus

Weiße Weihnacht

Einst stand im tiefen Schnee

Die Schneekugel

Lieschens Weihnachtsgedanken

Mein Tagebuch

Nix zu Weihnachten

Weihnachtsüberraschung für Emilia

Leckere Weihnachtsplätzchen

Dezembernacht

Sabrina und Nils

Stille Nacht

Ein Schneeengel

Die Glaskugel

Der lebendige Schneemann

Sechs Kerzen

Jahreswende

Das allerschönste Weihnachtsgeschenk

Ausbildung zum Weihnachtsmann

Das Abenteuer mit Max

Der Lehrling des Weihnachtsmanns

Weihnachtsbäume in Gefahr

Stella und die Schneekugel

Ein Geschenk mit fünf Buchstaben

Der Weihnachtsengel

Wer ist Weihnachten?

Weihnachten im Rollstuhl

Advent, Advent ...

Der kranke Wichtel

Reimmunkels Weihnachten

Wilmas erstes Weihnachtsfest

Mission Rentier

Ein Weihnachtshund für Maia

Große Pause im Weihnachtswunderland

Der Weg nach Hause

Das Weihnachtsfest der Herzen

Der verschollene Zeus

Auf der Suche nach dem Weihnachtsbaum

Englein Silberstern

Advent

Die Mäuse feiern Weihnachten

Krasse Weihnacht

Die Liebe kam an Weihnachten

Der Notfallplan für den Weihnachtsmannn

Ein Känguru als Haustier

Der Besuch bei den Weihnachtsengeln

Dreimal Weihnachten

Der Schneemann

Der kleine Weihnachtswichtel Jonte

Wunschzettel

Das geheime Rezept

Maik und Lana

Zauber der Weihnacht

Modernes Weihnachten

Mila, die kleine Schneeflocke

Ein Weihnachten für alle?

Du kleiner Schlingel

Geheime Mission

Die Weihnachtsmaus

Wünsch dich ins Wunder-Weihnachtsland

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Der Weihnachtsmann langweilt sich

Die schöne, wenn auch anstrengende Weihnachtszeit lag erfolgreich hinter ihm und so hatte sich der Weihnachtsmann mit Rudolf, seinem Rentier, den Elfen und seinen Brüdern Fred Claus und Santa auf den Weg nach Lappland gemacht. Hier konnte er endlich aufatmen, denn für ihn war es wirklich mehr als stressig gewesen, zumal er ja auch nicht mehr zu den Jüngsten gehörte. Wie viele Kinder in den unterschiedlichsten Ländern hatte er mit seinen Gaben glücklich gemacht! Und somit durfte er sich auf seinen Lorbeeren ausruhen.

Inzwischen aber waren vier Monate vergangen, doch wie viele lagen noch vor ihm bis Weihnachten? Was sollte er denn in der Zwischenzeit tun? Es war ihm noch nichts Richtiges eingefallen und so musste er sich daher eingestehen, dass er Langeweile hatte, echte Langeweile. Dabei hatte er schon einiges versucht: Ein Buch angefangen zu lesen, wozu er bis dahin noch nicht gekommen war, mit seinen Freunden telefoniert oder eine WhatsApp-Nachricht geschickt, aber alles war nicht so aufregend wie die Weihnachtszeit, irgendetwas fehlte einfach. Und so beschloss er, mal seine Brüder zu fragen, wie sie mit ihrer freien Zeit bis Weihnachten umgingen.

Oh, was herrschte denn da für ein Krach? Vorsichtig öffnete er die Tür und sah, dass sie Mensch ärgere dich nicht spielten, Santa offensichtlich verloren hatte und sich darüber maßlos ärgerte.

„Meine Güte, wie kann man sich so aufregen, ist doch nur ein Spiel!“

„Ja, aber Fred Claus gewinnt immer und ich nie, der schummelt! Außerdem hat er den besseren Würfel, meiner tut es nicht richtig.“

„Nix da, es liegt doch nicht am Würfel, es ist einfach nur Glück! Aber ich finde es unfair, von meinem Bruder als Falschspieler tituliert zu werden!“

„Und außerdem schmeißt du mich immer kurz vor dem Ziel raus“, ereiferte sich Santa weiter.

„Schluss jetzt mit eurem Gezeter! Aber natürlich ist es mehr als unfair, seinen Bruder einen Falschspieler zu nennen, dafür muss Santa sich entschuldigen.“

Dieser rang mit sich, quetschte sich dann aber ein: „Entschuldigung“, heraus, womit sich sein Bruder im Moment auch zufriedengab.

„So, Herrschaften, jetzt aber Schluss mit der miesen Stimmung, lasst uns besser mal überlegen, wie wir die Zeit bis Weihnachten angenehm rumkriegen.“

„Und, hast du einen Vorschlag?“, fragte Fred Claus mürrisch, der trotz der Entschuldigung noch sauer auf seinen Bruder war. „Es ist doch alles so öde, man weiß wirklich nicht, wie man die Zeit totschlagen kann.“

„Aber, aber“, ereiferte sich da der Weihnachtsmann, „die Zeit ist doch viel zu kostbar, um sie totzuschlagen. Wir sollten sie genießen und überlegen, was wir Schönes unternehmen könnten, bis wir wieder Weihnachtswünsche erfüllen dürfen.“

„Wie sieht es aus, hast du denn eine Idee?“, erkundigte sich Santa, der ebenfalls noch schlechte Laune hatte.

Der Weihnachtsmann wiegte seinen Kopf hin und her, aber plötzlich schien er einen Einfall zu haben. „Was haltet ihr davon, wenn wir mal nachschauen, was die Menschen machen, wenn keine Weihnachtszeit ist?“

Dieser Vorschlag fand allgemein Anklang und ließ die Stimmung sofort von null auf hundert steigen. Umgehend machte man sich auf den Weg.

Doch was war das denn? Kaum ein Mensch war auf den Straßen zu sehen, wo sich sonst doch Menschenmassen knubbelten und man kaum durchkam.

„Wo sind denn die ganzen Leute?“, fragten sie sich. „Machen sie vielleicht Urlaub, denn wir haben immerhin schon Frühling!“

„Aber doch nicht alle auf einmal“, überlegte der Weihnachtsmann, „das glaube ich nicht. Wir sollten mal in die Häuser schauen, vielleicht sind sie alle daheim.“

Gesagt, getan!

Und da war auch schon das erste Fenster, durch das sie ins Wohnzimmer schauen konnten, wo sie die Eltern mit einem Jungen und seiner kleinen Schwester erblickten.

„Seltsam, müssten die Eltern nicht arbeiten und der Junge in der Schule und die Kleine in der Kita sein?“, wunderte sich Fred Claus.

„Ja, aber guckt mal, die spielen auch Mensch ärgere dich nicht. Mal sehen, ob da auch einer nicht verlieren kann.“

Die drei drückten sich die Nasen an der Fensterscheibe platt und verfolgten gespannt das Spiel. Plötzlich schmiss die Kleine alles um und schrie: „Ben hat geschummelt, ich habe keine Lust mehr!“

„Ha, ha, ha, Santa, das Mädchen kann genauso schlecht verlieren wie du!“, rief Fred Claus aus. „Allerdings ist es auch noch klein, da kann man das entschuldigen.“

„Ich kann auch verlieren, wenn es mit rechten Dingen zugeht. Aber du hast gepfuscht.“

Ehe Fred Claus darauf antworten konnte, zog der Weihnachtsmann die beiden von dem Fenster fort. „Hört auf zu streiten! Lasst uns lieber schauen, wie es bei anderen Familien zugeht.“

Durchs nächste Fenster erblickten sie eine Familie, die offensichtlich beim Mittagessen saß. Aber was war das denn? Jeder hatte ein Smartphone neben sich liegen, auf das man von Zeit zu Zeit schaute.

„Meine Güte“, rief Santa ganz entsetzt aus, „die Dinger haben doch nun wirklich nichts auf dem Mittagstisch verloren!“

„Mit Sicherheit nicht, aber leider sind viele danach süchtig, doch kommt weiter, vielleicht sehen wir noch was Interessanteres!“, rief der Weihnachtsmann aus, womit auch seine Brüder einverstanden waren.

Und so warfen sie einen Blick durch ein weiteres Fenster. Da sah es aber ganz anders aus, denn da saß die ganze Familie gemütlich zusammen und las.

„Ihr könntet auch ab und zu mal ein Buch lesen anstatt euch bei Mensch ärgere dich nicht zu zanken“, bemerkte der Weihnachtsmann.

Die beiden Brüder überhörten den Vorwurf, vielmehr zogen sie weiter. Jedoch brauchten sie dieses Mal nicht durchs Fenster zu gucken, da ein Blick in den Garten ihnen zeigte, dass sich die ganze Familie dort tummelte. Die Eltern spielten mit den Kinder Völkerball und alle hatten offensichtlich auch Spaß daran.

„Es gibt also doch noch was anderes als Brettspiele und Smartphone!“, stellte der Weihnachtsmann erfreut fest. „Aber wie es aussieht, sind alle zu Hause, Kinder und Eltern. Da muss was Gravierendes passiert sein. Wir müssen unbedingt mal Nachrichten hören, damit wir wissen, woran wir sind.“

Sofort machten sie sich auf die Suche. Nach einigen Anläufen fanden sie ein Fenster, durch das sie die Nachrichten sehen und hören konnten und endlich wussten, was los war. Ein fieser Virus hatte sich auf der ganzen Welt breitgemacht und schon sehr viele Todesopfer gefordert.

„Beeilt euch, lasst uns sehen, dass wir schnell nach Hause kommen, ohne uns infiziert zu haben!“, trieb der Weihnachtsmann seine Brüder an, was diese sich nicht zweimal sagen ließen.

Renate Hemsen wurde 1940 in Köln geboren, wo sie auch heute noch lebt. Zu ihren Hobbys gehören Schreiben, Lesen und Reisen. Besonders das Schreiben macht ihr große Freude und daher war sie auch froh, dass sie nach dem Ausscheiden aus dem Berufsleben dafür mehr Zeit und Muße hatte. Sie belegte sofort einen Belletristikkursus und später auch noch einen für Kinder- und Jugendliche. Sie hat verschiedene Kurzgeschichten und auch Gedichte veröffentlicht.

*

Bruderzwist

„Du hast meinen Ball kaputt gemacht!“, schreit Sascha und stürmt weinend aus dem Kinderzimmer. Er läuft in die Küche, umklammert seine Mutter und schluchzt: „Fabian ist so gemein! Immer macht er meine Sachen kaputt.“

Die Mutter streichelt Sascha über den Kopf. „Jetzt beruhige dich doch. Und dann erzählst du mir, was passiert ist.“

„Mein Ball, mein Ball“, jammert Sascha. Dicke Tränen laufen über seine Wangen. „Fabian hat meinen Ball kaputt gemacht. Ich hasse ihn.“

Die Mutter blickt auf und sieht Fabian in der Tür stehen. „Was hast du gemacht?“, fragt sie streng. Doch sie bekommt keine Antwort. Fabian schaut nur zu Boden und betrachtet intensiv seine Zehen. „Los, ich habe dich etwas gefragt“, besteht die Mutter auf eine Antwort.

„Jetzt bin natürlich wieder ich der Schuldige“, antwortet Fabian nun doch. „Warum fragst du nicht, was Sascha gemacht hat? Ich muss mir von ihm alles gefallen lassen, aber wenn ich mich einmal wehre, dann ...“ Fabian schießen die Tränen in die Augen. Er dreht sich um, läuft in sein Zimmer und knallt die Tür hinter sich zu.

„Sascha, schau mich einmal an“, fordert die Mutter ihren jüngeren Sohn auf. „Was hast du deinem Bruder angetan?“

„Ich?“, fragt Sascha ganz erstaunt und schaut seiner Mutter unschuldig ins Gesicht. „Ich habe ganz brav in meinem Zimmer gespielt. Und dann ist Fabian gekommen und hat mich gestört. Und dann war mein Ball kaputt. Ich habe gar nichts gemacht, aber Fabian hat ...“

„Ist schon gut“, unterbricht ihn die Mutter seufzend. „Ich werde mit deinem Bruder sprechen. Aber zuerst soll er sich beruhigen. Außerdem muss ich jetzt die Nudeln abseihen. In zwanzig Minuten gibt es Abendessen.“

Sascha sitzt grollend in seinem Zimmer. Eigentlich sollte er ja endlich seinen Wunschbrief an das Christkind schreiben. Aber stattdessen überlegt er, wie er sich an seinem Bruder rächen könnte. „Ich werde es ihm heimzahlen. Ich werde auch seinen Ball kaputt machen“, denkt er. Doch dann fällt ihm ein, dass Fabian gar keinen Ball besitzt. Und plötzlich hat Sascha eine Idee. Er reißt ein Blatt Papier aus seinem Notizblock und schreibt an das Christkind.

In der Nacht, wenn alle Kinder schlafen, ist das Christkind unterwegs. Suchend schaut es sich um, hinter welchem Fenster ein Wunschbrief liegt. „Na endlich, jetzt hat auch Sascha seinen Brief geschrieben“, stellt es erleichtert fest. „Morgen ist doch schon Weihnachten!“ Gespannt nimmt das Christkind den Brief, öffnet ihn und liest.

Liebes Christkind!

Ich wünsche mir zu Weihnachten ein ferngesteuertes Auto, ein Buch über Ritter und ein Taschenmesser. Außerdem wünsche ich mir, dass mein Bruder einen Ball bekommt.

Das Christkind schaut vom Brief auf und lächelt den schlafenden Sascha an. „Du bist ja ein ganz lieber Bub“, flüstert es. „Du denkst auch an deinen Bruder.“ Dann liest es weiter.

Fabian hat nämlich heute meinen Ball kaputt gemacht. Leider kann ich mich nicht rächen, weil er keinen Ball hat. Aber wenn du ihm einen Ball schenkst und mir ein Taschenmesser, dann werde ich es ihm so richtig heimzahlen.

Liebe Grüße

Sascha

Entsetzt lässt das Christkind den Brief fallen. Das Lächeln ist aus seinem Gesicht verschwunden. „Nein, Sascha, so geht das nicht“, murmelt es. „Ich bringe den Menschen Frieden und Freude, nicht Streit und Rache.“

Schnell hebt das Christkind den Brief auf, steckt ihn ein und berührt Saschas Nase. „Träum schön!“, flüstert es. Dann fliegt es in Fabians Zimmer, berührt auch dessen Nase und flüstert wieder: „Träum schön!“

Sascha und Fabian träumen:

„Du hast meinen Ball kaputt gemacht, na warte!“, schreit Fabian und läuft seinem fliehenden Bruder nach. Weil Sascha wieder einmal zur Mutter in die Küche flieht, dreht Fabian um und schleicht sich in das Zimmer seines Bruders. „Du wirst schon sehen, was du davon hast“, denkt er zufrieden.

Sascha geht beschwingt in sein Zimmer. „Rache ist doch süß“, denkt er und öffnet die Tür. Doch die Fröhlichkeit verschwindet schlagartig aus seinem Gesicht. Denn mitten im Zimmer steht sein ferngesteuertes Auto, das er erst zu Weihnachten bekommen hat. Und neben dem Auto liegt die abgebrochene Antenne.

Unruhig wälzen sich Sascha und Fabian in ihren Betten, dann träumen sie weiter.

Die Sonne strahlt vom Himmel. Auf der Terrasse ist mit verschiedenen Gartengeräten eine Rennstrecke ausgelegt. Blumentöpfe stehen als Hindernisse auf der Strecke. Fabian lenkt konzentriert das ferngesteuerte Auto durch den Parcours, während Sascha die Zeit stoppt. „Drei Minuten 17 Sekunden, nicht schlecht für fünf Runden!“, ruft Sascha fröhlich. „Aber jetzt zeige ich dir, dass es noch besser geht.“ Er reicht seinem Bruder die Stoppuhr und übernimmt von diesem die Fernsteuerung.

„Wir werden ja sehen“, antwortet Fabian genauso fröhlich. „Was hältst du davon, wenn wir nachher ein bisschen Ball spielen?“

„Gute Idee“, antwortet Sascha begeistert. „Aber zuvor holen wir uns noch ein Eis.“

Am nächsten Tag wachen Sascha und Fabian nachdenklich auf. Während des Frühstücks sprechen sie kaum. Nur ab und zu wirft der eine dem anderen einen unsicheren Blick zu. Ansonsten verhalten sie sich so, als ob der andere Luft wäre.

Endlich läutet das Glöckchen. Freudig betreten die beiden Brüder zusammen mit den Eltern das Wohnzimmer. Der Christbaum strahlt im Kerzenglanz. Darunter liegen viele Päckchen. Doch bevor diese ausgepackt werden dürfen, singt die Familie Weihnachtslieder und liest das Weihnachtsevangelium. Sascha und Fabian sind schon ganz zappelig.

Endlich ruft ihr Vater: „Fröhliche Weihnachten, meine Lieben! Schauen wir doch einmal, wem das erste Päckchen gehört. Es ist für Sascha!“

Freudig nimmt Sascha das Päckchen entgegen und öffnet es vorsichtig. Ein wunderschönes Auto kommt zum Vorschein. Nachdenklich betrachtet Sascha die lange Antenne. Plötzlich kann er sich gar nicht richtig über das Geschenk freuen.

Das nächste Päckchen ist für Fabian. Er reißt das Geschenkpapier auf und hält eine Schachtel ohne Aufschrift in der Hand. Neugierig öffnet er die Schachtel und wundert sich. In der Schachtel befindet sich ein Ball. „Den habe ich mir doch überhaupt nicht gewünscht“, denkt er. „Außerdem war es doch Saschas Ball, der gestern kaputtgegangen ist.“ Da fällt Fabian der komische Traum ein, den er letzte Nacht gehabt hat. Er überlegt kurz. Dann nimmt er den Ball aus der Schachtel, geht zu seinem Bruder, drückt ihm den Ball in die Hand und sagt: „Tut mir leid, was gestern mit deinem Ball passiert ist. Magst du diesen haben? Ich schenke ihn dir.“

Sascha schaut seinen Bruder zunächst erstaunt an, doch dann schleicht sich ein Lächeln auf sein Gesicht. „Danke“, flüstert er. „Dafür darfst du auch mit meinem Auto spielen.“

Sissy Schrei lebt zurzeit in Maria Lanzendorf.

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Weihnachten wie immer – und doch ganz anders

So wie alle Jahre. Das war für Tina das Wichtigste. Weihnachten sollte alle Jahre möglichst gleich verlaufen. Der Christbaum sollte immer am selben Platz stehen und sie freute sich jedes Jahr wieder, die schönen Weihnachtskugeln und den anderen glitzernden Schmuck darauf wiederzuerkennen. Es gab an jedem Heiligen Abend das gleiche Essen: gebackenen Fisch mit Kartoffelsalat. Den Fisch mochte Tina zwar nicht so gerne, aber er gehörte auch zum alljährlichen Ritual und deswegen aß sie ihn an diesem ganz besonderen Abend mit Freude und mit Appetit. Und alle Jahre wieder sangen sie die altvertrauten Lieder unter dem Weihnachtsbaum, so wie immer. Nur die Geschenke, die sollten natürlich nicht jedes Jahr gleich sein – das wäre ja langweilig! Tina hatte sehr viele Spielsachen. Ihr ganzes Zimmer war voll mit allen nur möglichen Sachen. Und eigentlich wusste sie gar nicht so recht, was sie sich dieses Jahr vom Christkind wünschen sollte ...

Daher war sie in der Vorweihnachtszeit mit ihrer Mama unterwegs in die Stadt, um sich in den Geschäften umzusehen und vielleicht etwas zu finden, das sie noch nicht hatte und sie sich wünschen konnte. Sie gingen zu einem riesengroßen Einkaufszentrum. Noch vor dem Eingang begrüßte sie ein verkleideter Weihnachtsmann mit eindeutig aufgeklebtem Bart und verteilte Zuckerln an die Kinder. Dabei sagte er immer wieder: „Ho ho ho!!“, und bimmelte mit einer Glocke, die er in der Hand hatte. Tina hätte nur zu gerne an dem falschen Bart gezogen, um sicherzugehen, dass er aufgeklebt war, aber sie wusste, dass man das nicht tat, und eigentlich traute sie sich auch gar nicht. Also nahm sie brav ihr Zuckerl, sagte: „Danke“, und dachte sich dabei: „Ich weiß, dass du nicht echt bist, denn zu uns kommt das Christkind und an den Weihnachtsmann glaub ich nicht.“

Endlich erreichten sie die Eingangstüre. Es war so eine Glastür, die sich im Kreis drehte, und es dauerte ein wenig, bis sie endlich drinnen waren, denn Tina konnte einfach nicht widerstehen, ein paar Runden damit im Kreis zu laufen.

Als sie ins Innere traten, musste Tina fast ein wenig die Augen zusammenkneifen, so sehr blendeten sie die vielen bunten und blinkenden Lichter. Alles war so wunderbar geschmückt und es duftete nach Lebkuchen, Punsch und auch ziemlich stark nach Parfum, da gleich nebenan eine sehr geschminkte Dame jeder vorbeigehenden Frau – ob diese wollte oder nicht – Parfum aufsprühte, da man diesen wunderbaren Duft nur an diesem Tag besonders billig kaufen konnte. Überhaupt herrschte in diesem Einkaufszentrum eine rege Betriebsamkeit, um nicht zu sagen – Hektik. Im Hintergrund hörte man kaum die stimmungsvolle Weihnachtsmusik und irgendwie wollte diese auch gar nicht so richtig zu den hastenden Menschen mit den riesengroßen übervollen Einkaufstaschen passen. Tinas Mama wurde von der Parfum versprühenden stark geschminkten Dame in ein Gespräch verwickelt und so hatte Tina Zeit, sich genau umzusehen.

Sie setzte sich in Sichtweite ihrer Mama auf eine kleine Bank. Dort saß schon jemand, und zwar ein kleiner Junge, circa in Tinas Alter. Tina sah den Jungen unauffällig von der Seite an. Sie bemerkte, dass er nicht sehr warm angezogen war und auch seine Turnschuhe waren für den Schneefall und die eisige Kälte draußen viel zu dünn. Er hatte keine Handschuhe an und seine Hände steckten fest in den Jackentaschen. Die Ohren und seine Nase waren ganz rot, da sie in der Wärme des Einkaufszentrums gerade auftauten. So wie auch Tina sah er sich im Einkaufszentrum die schöne Beleuchtung, die Auslagen und die umher eilenden Menschen an. Tina blickte sich zu ihrer Mutter um. Diese war inzwischen bei einem Schmuckstand angekommen und probierte verschiedene Ohrringe an, das hieß, sie war noch für einige Zeit beschäftigt.

Der Junge auf der Bank neben ihr machte Tina neugierig und sie beschloss, ihre Schüchternheit zu überwinden und ihn anzusprechen. „Hallo“, sagte sie, „ich heiße Tina. Bist du auch mit deinen Eltern da, um Weihnachtsgeschenke auszusuchen?“

Der kleine Bub sah sie aus großen dunklen traurigen Augen an. „Ich heiße Ronnie. Nein, ich bin hier, um mich aufzuwärmen“, sagte er und blickte wieder vor sich hin.“

„Was meinst du mit aufwärmen?“, fragte Tina verwirrt. „Warum wärmst du dich nicht zu Hause auf? Und du bist ganz alleine hier?“ „Bei mir zu Hause ist es nicht warm“, antwortete Ronnie und sah dabei auf seine viel zu dünnen und vom Schnee durchnässten Schuhe. „Wir haben kein Geld, um Holz für den Ofen zu kaufen. Und ja, ich bin alleine hier, meine Eltern sind beide arbeiten, damit wir wenigstens etwas zu essen kaufen können.“

„Wo wohnst du denn?“, fragte Tina, der der kleine Junge ganz schön leidtat.

Er deutete stumm auf ein Haus auf der anderen Straßenseite des Einkaufszentrums, das man durch die drehende Glastür erkennen konnte.

„Welches Spielzeug wünschst du dir vom Christkind?“, fragte Tina.

„Spielzeug?“, fragte der Junge, der Ronnie hieß. „Ich wünsche mir kein Spielzeug. Ich wünsche mir Holz für den Ofen, damit wir wieder heizen können, und, dass wir genug zu essen kaufen können. Und dass meine Eltern ein wenig Zeit für mich haben …“, fügte er noch leise hinzu.

Tina dachte über die Worte des Buben nach. Mitten in ihre Gedanken hinein hörte sie ihre Mutter rufen. „Tina, komm, wir gehen jetzt ins Spielzeuggeschäft und sehen mal, was du dir vom Christkind wünschen könntest!“ Fröhlich rauschte ihre Mutter heran, umgeben von einer intensiven Duftwolke. Die geschminkte Parfumdame hatte ganze Arbeit geleistet. An Mamas Ohren baumelten neue Ohrringe.

Spontan umarmte Tina ihre Mama und sagte leise: „Schön, dass wir Zeit miteinander verbringen, Mama!“ Zu dem Jungen sagte sie noch: „Tschüss und schöne Weihnachten“. Dann zog sie an Mamas Hand Richtung Spielzeuggeschäft.

Doch irgendwie konnte sich Tina nicht so richtig für all die Barbies, Legos, Puppenhäuser, Stofftiere, Playmobilfiguren und was es da alles sonst noch gab begeistern. Ihre Gedanken wanderten immer wieder zu Ronnie mit den traurigen Augen ...

Unverrichteter Dinge kam sie mit ihrer Mama nach Hause. Sie hatte nichts gefunden, das sie gerne in ihren Christkindbrief schreiben würde. Beim Betreten der Wohnung nahm sie erstmals die wohlige Wärme wahr, die sie schon an der Eingangstüre umfing. Wieder musste sie an Ronnie denken, der sich im Einkaufszentrum aufwärmen musste, weil es bei ihm zu Hause so kalt war.

Die Tage vergingen und Weihnachten rückte immer näher. Eines Morgens sagte Tinas Mama: „Tina, langsam solltest du deinen Christkindbrief schreiben. Schließlich muss das Christkind doch noch alle Briefe einsammeln und dann alle Wünsche der Kinder besorgen … Dazu braucht es auch ein wenig Zeit. Also, wenn du endlich weißt, was du dir wünscht, dann schreib doch bitte deinen Brief!“

Tina dachte lange nach. Sie hatte doch eigentlich alles. Sicherlich konnte man anstatt zehn Barbies auch elf haben und ein neues Spiel für den Nintendo wäre auch nicht schlecht … Aber war das wirklich notwendig? Brauchte man diese Dinge, um glücklich zu sein? Sie konnte sich doch wirklich glücklich schätzen, dass sie ein warmes, schönes Zuhause und immer genug zu essen hatte.

Es dauerte noch ein paar Tage und viele Überlegungen, dann – auf einmal – wusste Tina ganz genau, was sie sich wünschen würde. Schnell lief sie zu ihrer Mama und strahlte sie an. „Mama, Mama! Ich weiß jetzt, was ich mir wünsche! Du kannst dich doch an Ronnie erinnern, den ich im Einkaufszentrum kennengelernt habe!“

Mama nickte und hörte weiter ihrer aufgeregten Tochter zu.

„Ich wünsche mir“, sprach Tina weiter, „dass Ronnie ein warmes Zuhause und ein schönes Weihnachtsfest hat!“

„Das ist ein toller Wunsch“, strahlte Tinas Mama. „Aber wie sollen wir das machen?“

„Ich weiß, ich weiß, ich weiß!“, rief Tina aufgeregt. Und dann schrieb sie gemeinsam mit ihrer Mama einen langen Brief an das Christkind ...

Endlich war es so weit: Der Heilige Abend war da. Und es war alles so wie immer: Der Christbaum stand da, wo er immer stand, und Tina bewunderte den schönen Schmuck, den sie doch so gut kannte. Sie sang mit ihrer Familie die schönen Weihnachtslieder und aß brav den gebackenen Fisch, obwohl er ihr gar nicht so besonders schmeckte. Also war alles so wie immer.

Oder doch nicht ganz ...

Tatsächlich hatte sie dieses Jahr nur zwei kleine Päckchen vom Christkind bekommen, aber das machte Tina gar nichts aus, denn dieses Jahr hatte sie sich nichts für sich selbst gewünscht.

Für Ronnie war der Heilige Abend auch etwas ganz Besonderes, da seine Eltern an diesem Tag nicht zur Arbeit mussten und daher Zeit für ihn hatten. In dicke Jacken gehüllt, saßen sie beim Esstisch um eine leuchtende Kerze und beteten und sagen Weihnachtslieder. Es gab keinen Christbaum und keine Geschenke, dafür hatten sie leider kein Geld.

Auf einmal klopfte es an der Tür und Ronnie meinte, auch ein zartes Glockengeläute gehört zu haben. Neugierig ging er hinaus und überlegte, wer an Heiligabend denn um diese Zeit noch vorbeikommen könnte. Dann öffnete er die Tür und vor lauter Staunen und Überraschung riss er seine Augen und den Mund ganz weit auf. Er traute seinen Augen kaum.

„Mama, Papa, kommt schnell. Das müsst ihr euch ansehen! Das Christkind war da!“

Und tatsächlich: Vor der Wohnungstüre türmten sich weihnachtlich verpackte Geschenke und ein Korb voller Leckereien sowie ein kleiner Christbaum mit bunten Lichtern und nicht zuletzt eine riesengroße Kiste mit Holz für den Ofen. Sprachlos und mit Tränen der Freude in den Augen starrten Ronnie und seine Eltern die Weihnachtsbescherung an, dann begannen sie, die Sachen ins Wohnzimmer zu bringen.

Als Erstes heizten sie ein und als sich im Zimmer wohlige Wärme auszubreiten begann, setzten sie sich um den kleinen Weihnachtsbaum und machten sie sich daran, die Geschenke auszupacken. Da waren dicke Winterstiefel, Haube, Schal und warme Handschuhe für Ronnie sowie eine Eisenbahn, die von selbst im Kreis fuhr, und ein Teddybär. Für Mama und Papa gab es Wein und Schinken und viele andere Leckereien.

Sie konnten ihr Glück kaum fassen. Es war das schönste Weihnachtsfest, das sie je erlebt hatten. An einem der Pakete klebte ein Kuvert mit einem Brief darin. Da stand geschrieben:

Lieber Ronnie!

Es gibt ein Kind, das auf seine eigenen Weihnachtswünsche verzichtet hat, um dir ein schönes Fest zu ermöglichen.

Hoffentlich freust du dich darüber!

Dein Christkind

Auch für Tina war es ein wunderschönes Weihnachtsfest und sie hoffte ganz stark, dass das Christkind ihren einzigen Wunsch, nämlich den, dass es für Ronnie und seine Familie ein schönes Weihnachtsfest werden würde, auch erfüllt hatte.

Als sie glücklich und zufrieden zu Bett ging, sagte sie zu ihrer Mama: „Weißt du, Mama, es ist schön, wenn man nicht immer nur an sich selbst denkt, sondern jemand anderem auch eine Freude machen kann. Glaubst du, hat das Christkind meinen Wunsch erfüllt?“

Mama lächelte geheimnisvoll und strich Tina zärtlich übers Haar. „Da bin ich mir ganz sicher, mein Engel. Und ich bin sehr, sehr stolz auch dich!“

So war es ein Weihnachten wie immer – und irgendwie doch ganz anders.

Karin Sinai, 55 Jahre alt. Sie lebt mit ihrem Mann und dem jüngsten Sohn in Mistelbach in Niederösterreich/Weinviertel. Insgesamt hat sie drei Kinder, zwei Stiefkinder und zwei Enkelkinder.

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Weihnachten fällt aus

Eine festliche Weihnachtsstimmung hatte das kleine Dorf in den Bergen bereits Wochen vor Weihnachten erreicht. Die Bäckerei von Frau Hase verkaufte nun keine Karottenküchlein mehr, sondern Weihnachtshasen aus Lebkuchen, deren Duft jeden auf den Straßen in den kleinen Laden lockte. Familie Kuh hatte das ganze Haus festlich mit Allerlei geschmückt und keinen Zentimeter ausgelassen. Auch in der Dorfschule lernten die Tierkinder fleißig Weihnachtslieder auswendig, um sie ihren Familien am Heiligen Abend vorzusingen. Familie Huhn hatte alle Nester dick ausgepolstert, damit es keinem Küken kalt wurde. Die Mutter hatte rote Schleifenbänder eingewebt. Die Eichhörnchen hatten alle Pflichten vor Weihnachten erledigt, die Nüsse für den Notfall waren vergraben und die Kobel geschmückt wie kleine, runde Weihnachtsbäume. Am ersten Advent summten die Bienen Stille Nacht und die Rehe trugen alle einen selbst gestrickten roten Schal, den ihn Mutter Kuh geschenkt hatte.

Am Wochenende des zweiten Advents saßen die Kälbchen gerade am Küchentisch und bastelten Weihnachtsgeschenke für ihre Eltern. Jeder hatte eine Karte gefaltet und jetzt wollten sie noch bunte Weihnachtskühe aufkleben. Plötzlich erweckte etwas vor dem Fenster ihre Aufmerksamkeit. Kleine weiße Schnipsel regneten wie Zuckerwatte vom Himmel.

„Es schneit!“, riefen die Kinder aufgeregt und ließen sofort alles stehen und liegen, um nach draußen zu laufen.

Die gleiche Aufregung hatte auch die Ferkel, die Rehkitze und die Küken gepackt und schnell entstand eine gewaltige wunderbare Schneeballschlacht. Kinderlachen erfüllte das Dorf.

Doch das sollte nicht lange so bleiben. Als es eine Woche vor Weihnachten noch immer nicht aufgehört hatte, zu schneien, machten sich die Dorfbewohner langsam Sorgen.

„Wenn das so weiter schneit, können wir gar nicht mehr rausgehen wegen des hohen Schnees“, sagt die Häsin beunruhigt zu Mutter Kuh, als diese am Nachmittag die letzten Plätzchen der Bäckerei kauft. „Ich habe keine Zutaten mehr, um irgendetwas zu backen. Ich muss bald in die Stadt fahren, um einzukaufen, aber bei dem Schnee schickt man doch kein Tier vor die Tür!“

Auch Mutter Kuh war besorgt. Sie hatte noch keine Leckereien für das große Weihnachtsessen eingekauft. „Ich hoffe, dass es bald aufhört.“

Doch leider ging dieser Wunsch nicht in Erfüllung. Zwei Tage vor Weihnachten schneite es noch immer und der Schnee lag über einen halben Meter hoch, bedeckte die Fenster der kleinen Häuser. Vater Schwein hatte einige Wege im Dorf mühsam freigeschaufelt, damit auch Familie Reh mit ihren dünnen Beinen herauskommen konnte. Außerhalb des Dorfes sah es jedoch noch schlimmer aus.

„Wir können nicht in die Stadt fahren. Das ist viel zu gefährlich, weil wir nicht sehen können, was unter dem Schnee liegt“, merkte Frau Hase auf der Notfalldorfversammlung an.

„Aber wie soll ich Essen für Weihnachten einkaufen?“, klagte Frau Schwein und zeigte auf ihre Kinder. „Die Kleinen haben sich schon so auf selbst gemachte Plätzchen gefreut.“

Die Tiere überlegten fieberhaft nach einer Lösung für das Problem. Vater Schwein ging sogar so weit, dass er versuchte, zu Fuß in die Stadt zu kommen. Als er sich wegen des vielen Schnees fast im Wald verlaufen hatte, setzte niemand mehr einen Fuß aus dem Dorf. Die Familien versuchten, so wenig zu essen wie möglich, damit die besonders leckeren Sachen für Weihnachten übrig blieben.

Doch als der Weihnachtstag anbrach, hatte niemand mehr besonders viel. „Mehr als Milch kann ich meinen Kindern dieses Jahr nicht anbieten“, sagt Frau Kuh zu Frau Huhn, als sich ihre Kinder auf dem Spielplatz des Dorfes trafen.

Frau Huhn nickt zustimmend. „Wenn ich doch nur etwas zu meinen Eiern hätte, dann könnte ich wenigstens ein richtiges Rezept kochen.“

Die Küken und Ferkel hatten ihren Müttern zugehört und auf einmal kam ihnen eine zündende Idee, die Weihnachten vielleicht noch retten könnte. Als am Nachmittag die letzte Dorfversammlung vor Weihnachten stattfand, gingen die Tierkinder zum Erstaunen der Erwachsenen nach vorne.

„Wir wissen, wie wir Weihnachten retten können“, sagte ein Ferkel und dann erklären alle ihre Idee.

„Meine Mutter hat nur Milch und die Hühnermutter hat nur Eier“, erklärte das Kälbchen. „Aber wenn wir alles, was wir zu Hause haben, miteinander teilen, dann hat jeder genug, um ein schönes Essen zu kochen!“

Kurz mussten die Erwachsenen nachdenken, dann sprangen alle begeistert auf und redeten wild durcheinander, was jeder zu Hause hatte. Es kam sogar so weit, dass die einzelnen Eltern alles von zu Hause holten und auf dem Platz ausbreiteten. Die Hühnermutter brachte genug Eier, um sie mit allen zu teilen. Der Kuhvater trug drei große Kannen Milch herbei. Frau Hase brachte das restliche Mehl aus ihrer Bäckerei und sogar die Eichhörnchen suchten nach ihren vergrabenen Nüssen. Auch die Bienen transportierten ihren Honig vom Sommer aus der Vorratskammer zum Dorfplatz. Die Rehe hatten im Herbst Pilze und Beeren aus dem Wald gesammelt und brachten große Körbe mit. Als alle wieder da war, betrachteten die Tiere mit großen Augen das viele Essen, das dort lag. Das würde alle Familien satt machen und damit konnte man sogar ein schönes Weihnachtsessen zaubern. Frau Hase machte sich sofort daran, Plätzchen für alle zu backen, die Kühe bereiteten warme Milch mit Honig vor und die Rehe kochten eine schöne Pilzpfanne. Frau Schwein lud alle Dorftiere in ihr großes Haus ein und dort aßen alle, bis sie ganz voll waren. Fast wäre Weihnachten dieses Jahr ausgefallen, aber dadurch, dass alle Tiere das wenige Essen, das sie hatten, miteinander teilen, wurde es doch noch ein ganz schönes und gemütliches Fest.

Denise Sildatke ist 20 Jahre alt und lebt in einem kleinen Dorf in Niedersachsen. Schon als Kind hat sie liebend gerne kleine Geschichten wie diese verschlungen. Heute widmet sie sich lieber dicken Schmökern, doch die eine oder andere Kurzgeschichtensammlung findet zwischendurch auch einen Platz in ihren Regalen. Besonders gerne liest sie in der Weihnachtszeit vor dem Kamin mit einer Katze auf dem Schoß.

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Ein Fest für den Weihnachtsmann

Wenn sich die weißen Schneeflocken im Glanz der Christbaumkugeln spiegeln und Weihnachtslieder vom kalten Wind durch die Straßen getragen werden, dann weißt du ganz genau, dass die schönste Zeit des Jahres begonnen hat. Sicher kannst du es kaum erwarten, unter dem geschmückten Weihnachtsbaum deine kunterbunt eingewickelten Geschenke auszupacken, die der Weihnachtsmann dort in aller Stille liebevoll aufgereiht hat.

Doch weißt du eigentlich, wie der Weihnachtsmann selbst das schönste Fest des Jahres feiert?

Die traurige Wahrheit ist, dass er den gesamten Winter so hart arbeiten muss, dass er nicht einmal genug Zeit hat, um all die Leckereien zu genießen, die das Weihnachtsfest so wundervoll machen. Nicht mal für einen warmen Bratapfel ist genug Zeit. Tagein tagaus ist er damit beschäftigt, die Wunschzettel aller Kinder auf der Welt zu lesen, Spielzeuge zu erfinden oder sich um seine Rentiere und Weihnachtselfen zu kümmern.

Wo wir gerade bei Elfen sind – Nepomuk, der persönliche Assistent des Weihnachtsmanns und zugleich der erfahrenste aller Elfen, konnte es nicht ertragen, dass der Weihnachtsmann sein eigenes Fest nicht auskosten konnte. Aber wenn er sich nicht selbst um sein eigenes Weihnachten kümmern konnte, dann konnten es doch die Elfen für ihn tun. Bei der morgendlichen Elfenversammlung erklärte er seine Idee eines riesigen und bunten Festes, um dem Weihnachtsmann im Namen aller Elfen und aller Kinder dieser Welt Danke zu sagen. Die anderen Elfen waren sofort begeistert und riefen wild umher. Doch statt gemeinsam an der Planung der Veranstaltung zu tüfteln, zog sich jeder Elf zurück, um an seinem eigenen Geschenk für den Weihnachtsmann zu arbeiten. Jeder wollte das größte und schönste zur Feier beitragen, um den Weihnachtsmann besonders stolz zu machen – stolzer noch, als er auf die anderen Elfen sein würde.

Elf Kasimir war ein begnadeter Bäcker. Er plante, einen Lebkuchen zu backen, der von seiner Größe sogar den Weihnachtsschlitten überragen würde. Elfe Elvira war eine wahrhaftige Künstlerin und Handwerkerin. Ihre Spezialität waren geschnitzte Eisskulpturen. Sie wollte eine kleine Hütte bauen, in der der Weihnachtsmann den Ausblick über die Gletscher des Nordpols genießen konnte. Elf Leopold hingegen liebte es, Beeren im persönlichen Eiswald des Weihnachtsmanns zu sammeln. Zugleich wusste er, wie gern dieser die selbst gemachte Marmelade aus den hellroten Beeren morgens auf sein Brot schmierte. Aber um die anderen Elfen zu übertrumpfen, musste er ein so großes Glas Marmelade kochen, dass der Weihnachtsmann monatelang davon naschen könnte.

Einerseits war Nepomuk froh darüber, wie tatkräftig die anderen Elfen an ihren Ideen werkelten, aber er befürchtete auch, dass sie ihr eigentliches Ziel aus den Augen verlieren könnten – ein gemeinsames Fest für den Weihnachtsmann.

Die Tage vergingen und die Projekte schritten zügig voran. Einen Tag vor Heiligabend war es so weit. In Elviras geschnitztem Eishaus stellten die Elfen ihre Ergebnisse vor. Neben Kasimirs großem Lebkuchen und Leopolds Marmeladenglas waren allerlei Dekorationen und Naschwerk verschiedenster Art drapiert.

„Das sieht aber lecker aus“, sagte Nepomuk, während er mit seinem Finger in der Marmelade rührte und ihn genüsslich abschleckte. Doch plötzlich verzog Nepomuk das Gesicht und begann zu husten und zu prusten. „Leopold, das schmeckt fürchterlich! Du hast unreife Beeren benutzt!“

Beschämt sah Leopold zu Boden und murmelte: „Ich wollte doch so viel Marmelade machen, dass der Weihnachtsmann ganz lange davon naschen kann. Dafür habe ich einfach nicht genug reife Beeren gefunden.“

Da fiel ihm Kasimir mit stolzer Stimme ins Wort: „Das ist doch kein Problem. Mein Lebkuchen reicht für Jahre.“

Vorsichtig schnitt Nepomuk eine Ecke des sternförmigen Lebkuchens an und rief: „Kasimir! Der Lebkuchen ist innen noch flüssig und außen ganz hart. Das können wir dem Weihnachtsmann nicht anbieten!“ Auch Kasimir blickte nun beschämt zu Boden, während einige der anderen Elfen schmunzelten.

Da tropfte auf einmal ein kleiner runder Wassertropfen genau auf Nepomuks Fuß. Doch es war kein Regen, der dort auf seinen Fuß purzelte, sondern geschmolzenes Eis. Schnell liefen die Elfen aus der kleinen Hütte. Kurz nachdem der letzte Elf entkommen war, brach Elviras Werk zusammen und begrub die Dekorationen und Leckereien unter sich. Enttäuscht schniefte Nepomuk: „Elvira, du hast leicht schmelzendes Eis benutzt. Alles ist zerstört. Jetzt werden wir dem Weihnachtsmann nie eine schöne Feier bereiten können.“ Traurig lief Nepomuk davon und ließ sich gerade noch in Sichtweite der anderen Elfen in den Schnee fallen. Während er zusammengekauert mit einem Zweig im weißen Frost herumstocherte, verschwanden Kasimir, Elvira, Leopold und all die anderen kleinen Helferlein in der Backstube.

Stunden vergingen, ohne dass Nepomuk ihr Verschwinden bemerkte. Zu sehr war er in seine Gedanken versunken. „Nepomuk, schau mal“, hörte er plötzlich Kasimirs vertraute Stimme rufen. Er traute seinen Augen nicht. Auf seinen Händen trug er eine riesige Torte. Auf der Spitze thronten kleine Figürchen aus Eis vom Weihnachtsmann und seinen Rentieren. Rings herum blickten die Figuren von jedem noch so kleinen Elfen magisch in die Höhe. Hellrote Beeren schlängelten sich um das Eis herum. Alle Elfen hatten zusammengearbeitet und mit ihren jeweiligen Talenten zu einem schönen Geschenk beigetragen, was sie gemeinsam dem Weihnachtsmann übergeben könnten. Gerührt purzelten ein paar kühle Tränen Nepomuks Gesicht herunter. Wortlos reichte Kasimir Nepomuk eine kleine Eisskulptur von ihm und Nepomuk wusste genau, was er zu tun hatte. Liebevoll und vorsichtig stellte er sie zu den anderen. Nun konnte Weihnachten kommen.

Und so begab es sich, dass es das schönste Weihnachten des Weihnachtsmanns werden sollte, als er unter dem Applaus der Elfen zum Ausliefern der Geschenke abhob und bei seiner Rückkehr strahlend das leckere Gebäck entgegennahm. Noch als Nepomuk im Bett lag und über den Tag nachdachte, hallten die Worte des Weihnachtsmanns in seinem Kopf: „Ich bin stolz, dass meine Elfen ein solch gutes Team sind.“

Mathis Ludwig wurde im Jahr 2000 geboren und lebt im Süden von Niedersachsen, wo er Physik studiert. In seiner Freizeit schreibt er gerne Kurzgeschichten.

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Ella, die kleine Weihnachtsmaus

Es war einmal ein junges Mäusemädchen, das auf den Namen Ella hörte. Die kleine Ella wohnte gemeinsam mit ihren Eltern und ihrem großen Bruder Fred in einem Mauseloch, das sich in der Wand eines schicken Einfamilienhauses befand. Da Ella ein ausgesprochen neugieriges Mäuschen war, interessierte sie sich sehr für ihre menschlichen Mitbewohner. Aus diesem Grund ging sie auch – anders als ihre Eltern und ihr Bruder – nicht bloß nach draußen, um nach Essensresten zu suchen, sondern auch, um die Menschen und ihre Gewohnheiten näher kennenzulernen.

Eines Abends schlich sich die neugierige Ella wieder aus ihrem Mäuseloch, um die Menschenfamilie zu beobachten. Sie fand diese kleinen Ausflüge durchs Haus immer sehr spannend, da sie nie wusste, was diese rätselhaften Menschen diesmal anstellen würden. „Unser Mäuseleben ist sehr simpel“, dachte sie sich. „Unser Tag besteht aus Essen, Schlafen und sich vor Gefahren verstecken. Doch diese Menschen machen oft wirklich komische Dinge, die einfach keinen Sinn ergeben.“ Diese Dinge, die Ella manchmal beobachtete, brachten sie oft ins Grübeln.

Auch heute war wieder so ein Tag, an dem die menschlichen Bewohner verrücktzuspielen schienen. Nachdem Ella quer durch alle Zimmer gehuscht war, um sich im Wohnzimmer unter dem kleinen Couchtisch zu verstecken, beobachtete sie ein seltsames Geschehen. Der Vater der Menschenfamilie stellte einen riesigen Tannenbaum mitten im Wohnzimmer auf. Ella konnte es nicht fassen. Und nicht nur das: Nachdem der Baum aufgestellt war, kamen die Mutter und die fünfjährige Tochter Anna dazu, um den Baum mit Kugeln, Lametta und allerlei Süßigkeiten zu schmücken. Die kleine Maus war neugieriger denn je! Sie kroch unter dem Tisch hervor, um sich den großen Baum näher anzusehen.

„Ah! Hilfe! Eine Maus!“, rief die Mutter plötzlich, als sie das kleine Nagetier entdeckte.

Ella rannte, so schnell sie konnte, zurück in ihr Mauseloch. Sie wusste, dass sie ihre Familie in große Schwierigkeiten gebracht hatte. Schließlich konnten die Menschen jederzeit einen Kammerjäger holen oder Mäusefallen aufstellen. Ella hatte keine andere Wahl und musste ihrer Familie den heimlichen Ausflug beichten.

„Junge Dame! Deine Neugier bringt uns noch ins Verderben! Halte dich in Zukunft von den Menschen fern!“, befahl Ellas Mutter, als sie davon erfuhr.

„Aber Mama, ich wollte doch bloß wissen, was für komische Dinge die Menschen machen“, sprach Ella und senkte dabei ihr Köpfchen.

Die Mutter erklärte: „Die Menschen feiern gerade Weihnachten. Man nennt es auch das Fest der Liebe. Wir Mäuse sind bei diesem Fest unerwünscht.“

Ella konnte es nicht verstehen. „Wenn es das Fest der Liebe ist, warum sind wir dann nicht eingeladen?“, fragte sie.

„Weil es eben so ist! Nun hör auf, dir darüber den Kopf zu zerbrechen. Hilf mir lieber bei der Hausarbeit!“

Ella und ihr Bruder waren gerade dabei, den Boden der kleinen Mäusewohnung zu schrubben, da flüsterte Fred ihr plötzlich ins Ohr: „Ich denke, dass ich weiß, wie du die Menschen auf deine Seite ziehen kannst.“

Ella wurde hellhörig. „Und wie?“, fragte sie gespannt.

Fred erklärte: „Ich bin etwas älter als du und habe bereits ein Weihnachtsfest miterlebt. Und eines kann ich dir sagen: Den Menschen geht es zu Weihnachten eigentlich nur um Geschenke. Wenn du es schaffst, ihnen ein schönes Geschenk zu besorgen, dann werden sie dich vielleicht einladen, mit ihnen zu feiern.“

Ella fand diese Idee toll und machte sich noch am selben Abend auf, um nach einem Geschenk für die Menschen zu suchen. Sie schlich sich heimlich aus dem Mauseloch, flitzte durch das Haus und gelangte durch einen kleinen Spalt in der Haustür nach draußen. Ella hatte ein wenig Angst, doch sie blieb mutig. Sie wollte die Menschen unbedingt beeindrucken, und so lief sie durch die Straßen auf der Suche nach Geschenken.

Nach kurzer Zeit sah sie einen Mann, der am Straßenrand Weihnachtsbäume verkaufte. Fasziniert stand sie vor einem der großen Tannenbäume und blickte nach oben. „Genauso einen Baum haben unsere Menschen auch gekauft“, erinnerte sie sich. Als sie sich umsah, bemerkte sie, dass überall auf dem Boden Tannennadeln und kleine Äste lagen. „Vielleicht können unsere Menschen das gebrauchen“, dachte sie sich und nahm ein paar der hübschen Äste mit.

Wenig später traf Ella auf eine Frau, die an ihrem kleinen Stand Schmuck verkaufte. Das Mäuschen trat näher und sah sich den Schmuck genau an. Sie blickte auf eine Kette mit roten Perlen. „Diese Kette würde der Mutter gut stehen“, dachte sie sich. Doch Ella war nur eine kleine Maus und Mäuse hatten kein Geld. Betrübt sprach sie die Verkäuferin an: „Guten Abend, darf ich Sie etwas fragen?“ Die Frau blickte verdutzt um sich, denn sie sah niemanden.

„Hier unten bin ich“, sprach Ella.

„Ach, ein kleines Mäuschen, wie süß!“, sagte die nette Frau. „Was hast du denn für eine Frage?“

Traurig fragte Ella: „Gibt es denn auch Geschenke in der Menschenwelt, die nichts kosten?“

„Soll ich dir etwas verraten, kleine Maus?“, sprach die Verkäuferin und lehnte sich Ella entgegen. „An Weihnachten geht es darum, dass man aneinander denkt. Das Geschenk selbst ist gar nicht so wichtig.“

Nun wurde Ella vieles klar. „Aber natürlich!“, sprach sie und bedankte sich für den Tipp der netten Frau. Fröhlich machte sich Ella auf den Heimweg, denn sie hatte einen neuen Plan. Unterwegs kam sie an einer Wiese vorbei, pflückte ein paar Gänseblümchen und rannte weiter bis zu ihrem Haus.

Am nächsten Morgen, dem ersten Weihnachtstag, war es endlich so weit. Ella konnte stolz ihre Überraschung präsentieren. Aufgeregt führte sie ihre Mäusefamilie nach draußen an den Couchtisch.

„Was ist denn los, Ella?“, fragte Ellas Papa.

„Wir sollten um diese Uhrzeit nicht hier draußen sein“, meinte die Mutter, „die Menschen könnten jeden Moment …“

Als die Mäuse schließlich vor dem Tisch standen, staunten sie. „Ella, hast du das gemacht?“, fragte der Vater beeindruckt.

Ella nickte.

„Ah! Schon wieder diese Maus!“, schrie Annas Mutter, als sie Ella entdeckte.

wurde 1991 geboren und lebt in Graz. Sie veröffentlicht regelmäßig Kurzgeschichten für Kinder und Erwachsene. Neben der Schriftstellerei interessiert sie sich für Tiere und die Natur.