Quintessenz* und Prävention
Über den Tellerrand hinaus
Metabolisches Syndrom
Von Dr. med. Jan-Dirk Fauteck, Imre Kusztrich
Band 4 der Präventions-Buchreihe
Quintessenz (von lateinisch quinta essentia, „das fünfte Seiende“) ist im übertragenen Sinne das Wesentliche, das Hauptsächliche, das Wichtigste. Ursprünglich wurde die quinta essentia von dem griechischen Philosophen und Naturforscher Aristoteles in Form des Äthers den vier Elementen hinzugerechnet.
ISBN: 9783955776305
Lese-Tipps:
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Die medizinische Wissenschaft könnte es sich einfacher machen und vom tödlichen Quartett sprechen. Ob es Absicht ist, dass griechische und lateinische Silben so oft Nicht-Medizinern das Begreifen wichtiger Zusammenhänge erschweren, ist nicht geklärt. Es scheint Methode zu sein. Aber kaum ein Begriff verschließt sich so sehr dem Verstehen durch Außenstehende wie die zwei Worte Metabolisches Syndrom (Am ehesten noch auch die Bezeichnung Kohlenhydrate, denn es wird Generationen dauern, bis sich herumgesprochen hat: Mehl, Kartoffeln, Pizzen, Toastbrot, Orangensaft, Honig, Zucker, Kuchen – sie alle bestehen, chemisch gesehen, im Wesentlichen aus Zuckermolekülen).
So kommt es, dass krankhafte Abweichungen vom Normalzustand als Folge der chemischen Prozesse im Körper das Leben von Millionen Menschen beeinflussen, ohne dass sie die dafür gewählte Wortschöpfung durchschauen oder ausreichend darüber Bescheid wissen.
Die Gesamtheit dieser Vorgänge heißt Metabolismus (metá = zwischen, inmitten, nach), bedeutet Veränderung und steht für Stoffwechsel.
Nicht nur griechisch-lateinisch-englische Wörter können Rätsel darstellen; die deutsche Sprache ist nicht viel besser. Was wir als Wechsel von Stoffen bezeichnen, umschreibt sämtliche chemischen Umsetzungen in unserem Körper: die Umwandlung resorbierter Nährstoffe in Aufbausubstanzen, ihre Überführung in eine energiereiche Form, die Freisetzung von Energie durch Abbau dieser Moleküle mittels Atmung oder Gärung und schließlich die Ausscheidung von nicht weiter verwertbaren Endprodukten.
In jedem Augenblick versucht die Intelligenz unseres Körpers, das Zusammenspiel der siebzigtausend Millionen Zellen harmonisch hinzukriegen. Nach jeder Veränderung hat das konstante Streben nach Ausgleich höchste Priorität. Ein ganzes Heer von chemischen Elementen, Mineralstoffen, Enzymen, Aminosäuren, Fetten und ihren säureartigen Bestandteilen sowie Salzen ist im Einsatz und wird von Hormonen und Vitaminen fein reguliert. Zielpunkt sind die Stellschrauben der inneren Organe. Keines soll mehr leisten müssen als nötig. Idealfall ist die Rückkehr zur Normalität. Dafür gibt es wieder so ein Rätselwort. Homöostase – (nach griechisch homo, gleich). Und sobald das nicht mehr gelingt, werden einzelne Bemühungen erst Recht verstärkt oder durch weitere Maßnahmen unterstützt.
Aus dem Ruder gelaufen. Das ist, auf den Punkt gebracht, die Situation in einem Organismus, dem die Balance nicht mehr gelingt. Denn die Bemühungen setzen sich fort, bis der eine oder andere Bereich auf der Strecke bleibt und zusammenbricht.
Sobald sich das Krankheitsbild daraus aus mehreren charakteristischen Merkmalen zusammensetzt, liegt ein Metabolisches Syndrom (sýn = zusammen, gemeinsam, gleichzeitig; drom = Rundkurs, wie in Motodrom) vor.
Vier Hauptfaktoren
Geprägt wird es durch vier Haupt-Faktoren: Fettleibigkeit im Bauchbereich, erhöhter Blutdruck, Entgleisung der Blutfette und Insulin-Resistenz. Es sind typische Notmaßnahmen, die als Reaktion auf Stoffwechsel-Prozesse entstehen. Jeder einzelne Krankheitszustand erhöht bereits die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung der Kranzgefäße des Herzens, also jener Arterien und Venen, die mit Blut versorgen oder es abführen.
Oft liegen weitere Abweichungen von den Normwerten vor, die in der Regel weniger Beachtung finden: erhöhte Harnsäure (zehn Mal häufiger bei Männern als bei Frauen, durch Stress, fettreiche Ernährung, Medikamente, verbunden mit Gicht-Risiko), verstärkte Blutgerinnung und krankhafte Veränderungen an der Innenauskleidung der Gefäße.
In Deutschland leidet etwa ein Viertel der Bevölkerung an einem Metabolischen Syndrom, Tendenz steigend, auch schon unter Jugendlichen, am stärksten ausgeprägt etwa ab dem 60. Lebensjahr, Männer und Frauen sind ähnlich betroffen.
Kompliziert wird es dadurch, dass sich die Gewinnung von Energie, die Erneuerung von Zellen und die umfassenden Leistungen der inneren Organe in ihrer Gesamtheit nach den Gesetzen der Chronobiologie nachts völlig von den notwendigen Aufgaben tagsüber unterscheiden.
Eine weltweit gültige wissenschaftliche Einengung darauf, was das Wesentliche eines Metabolischen Syndroms ausmacht und wie wichtig seine Krankheitsbilder zueinander sind, gibt es nicht. Bei uns ist sogar die Klassifizierung als „Stoffwechselstörung, nicht näher bezeichnet“ erlaubt. Einen Rückschluss erlaubt die medizinische Praxis, die ihre Bemühungen in der Regel zuallererst auf die Insulin-Resistenz und auf das Übergewicht konzentriert.
Aber einig ist sich die Wissenschaft darin, warum Abermillionen Menschen betroffen oder gefährdet sind: Das so genannte tödliche Quartett entwickelt sich aus Überernährung, Fehlernährung, Bewegungsmangel und zusätzlichen Folgen einer sitzenden Lebensweise wie beispielsweise entzündliche Prozesse.
Dieses Krankheitsbild war lange Zeit typisch für die westlichen Industriestaaten und entwickelt sich rasant auch in der Dritten Welt zu einer globalen Epidemie. Das wird innerhalb weniger Jahrzehnte enorme Folgen haben, nicht nur finanziell.
Die Folgen entstehen aus Fettleibigkeit und gipfeln in der Unfähigkeit der Bauchspeicheldrüse, mehr und mehr Insulin zu produzieren. Dieses Hormon wird immer benötigt, damit nach Energie gierende Zellen vor allem in den Muskeln die im Blut zugeführten Glukosemoleküle aufnehmen. Ziel ist es, einen normalen Blutzucker-Stoffwechsel zu gewährleisten. Ein Überangebot an solchen Zuckermolekülen, verbunden mit dem Anstieg des Blutzuckerspiegels, kann die Bauchspeicheldrüse eine gewisse Zeit lang durch die Freisetzung einer erhöhten Insulinmenge korrigieren, doch bereits das ist ein krankhafter Zustand (medizinischer Begriff: Hyperinsulinämie). Ziel ist es, wieder einen normalen Blutzucker-Stoffwechsel herbeizuführen.