Über Claudius Pläging

Claudius Pläging, geboren 1975, arbeitete nach dem Studium der Politikwissenschaft zunächst als Redakteur beim ZDF und zog dann nach Köln, wo er seitdem Autor verschiedener Comedy- und Unterhaltungs-Shows ist – allen voran »TV total«. Ähnlichkeiten mit seinem Anti-Helden Sebastian sind nicht von der Hand zu weisen – sagt jedenfalls seine Frau. Trotzdem sind sie glücklich verheiratet und haben zwei Söhne.

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Gelegenheit macht Helden

Miriam ist seine Frau fürs Leben – Sebastian hat da keine Zweifel, dummerweise aber Miriam. Erst recht, als sie nach einem Wohnungsbrand im Krankenhaus landet und er im Knast.

Wieder in Freiheit, hat Sebastian nur ein Ziel: zeigen, was in ihm steckt!

Leichter gesagt, als getan – vor allem, wenn man zwei unfähige Freunde, einen rachsüchtigen Rocker und den miesesten Job der Welt an der Backe hat. Da ist Not am Mann!

Ein hochkomischer Roman über das Abenteuer, ein Held zu werden.

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Claudius Pläging

Not am Mann

Roman

Inhaltsübersicht

Über Claudius Pläging

Informationen zum Buch

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Kapitel 1,
in dem es keinen Sex gibt, auch wenn es zuerst danach aussieht.

Kapitel 2,
in dem eine leere Rolle Klopapier erst das größte und dann das geringste Problem ist.

Kapitel 3,
in dem sich eine Banane krummlacht und fast alle Pullover kariert sind.

Kapitel 4,
in dem es regelmäßig piept und kein Porno anfängt.

Kapitel 5,
in dem sich alles dreht und Sebastian Besuch bekommt.

Kapitel 6,
in dem das Leben wie ein Staubsauger ist und Sebastian sich schlecht versteckt.

Kapitel 7,
in dem Sebastian zurückweicht und sein Seehund ein neues Auge bekommt.

Kapitel 8,
in dem das Krokodil zuschnappt und es beinahe Bonbons gibt.

Kapitel 9,
in dem sich Sebastian lieber den großen Zeh ins Ohr stecken würde und plötzlich alles Wurst ist.

Kapitel 10,
in dem Martin etwas zu knabbern hat und keiner Spanisch spricht.

Kapitel 11,
in dem Sebastian die Luft anhält und unfreiwillig einen Witz macht.

Kapitel 12,
in dem Sebastian keine Blumen hat und alles futsch ist.

Kapitel 13,
in dem Sebastian unfreundlich lächelt und nichts geschenkt bekommt.

Kapitel 14,
in dem Sebastian vielleicht in der Hölle ist und Katinka alle Fragen beantwortet.

Kapitel 15,
in dem 500 Euro winken und eine Kaulquappe über Teilchenphysik redet.

Kapitel 16,
in dem Schweine einen Namen bekommen und ein Motorrad vor dem Haus steht.

Kapitel 17,
in dem Sebastian Blumen kauft und sich Miriams Eltern etwas überlegt haben.

Kapitel 18,
in dem Sebastian russisch klingt und die Welt für einen Augenblick stillsteht.

Kapitel 19,
in dem Scherben angeblich Glück bringen und ein Überraschungsgast auftritt.

Kapitel 20,
in dem Miriam stolz ist und sich alles richtig gut anfühlt.

Kapitel 21,
in dem sich das Blatt wendet und Sebastian nach einem Messer greift.

Kapitel 22,
in dem Sebastian auf der Hut ist und Olli vielleicht Didgeridoo spielt.

Kapitel 23,
in dem Sebastian reden will und nicht mehr viel Zeit für den schönsten Moment bleibt.

Kapitel 24,
in dem Sebastian die Wahrheit sagt und Miriam sich etwas überlegt, für das man Eier braucht.

Kapitel 25,
in dem sich Schritte nähern und der Adler landet.

Kapitel 26,
in dem anfangs alles nach Plan läuft.

Kapitel 27,
in dem Sebastian tut, was zu tun ist.

Impressum

Kapitel 1,
in dem es keinen Sex gibt, auch wenn es zuerst danach aussieht.

»Kann es sein, dass du nicht ganz bei der Sache bist?!« Dafür, dass sie gerade auf dem besten Wege waren, gleich miteinander zu schlafen, klang Miriams Stimme ganz schön streng.

»Sorry«, murmelte Sebastian und versuchte sich wieder zu konzentrieren. Er war noch nie multitaskingfähig gewesen – und wenn der Fernseher lief und sich gleichzeitig seine Freundin vor ihm auszog, war das einfach ein Blickfang zu viel. Noch während er über seine beschränkte Auffassungsgabe nachdachte, schielten seine Augen wieder Richtung Glotze. Als Miriam ihn dabei ertappte, tat er so, als schaue er träumerisch in die Ferne, aber er konnte ihr nichts vormachen.

»Echt jetzt!«, schimpfte Miriam. Diesmal boxte sie ihn in die Seite.

»Aua!«

Anstatt sich weiter an seinem Hemd zu schaffen zu machen, stieg sie von ihm runter. »Was läuft denn da so Interessantes?«

»Och, nichts Besonderes.« Vorhin beim Zappen war er an einer Dokumentation über einen schwäbischen Unternehmer hängengeblieben, der als junger Mann den Dübel erfunden hatte und damit noch heute unglaublich viel Geld verdiente.

»Machen dich diese Dübel etwa an?«

»Wie meinst du das?«

»Na, sexuell. Kann ja sein, dass dich das auf Touren bringt.«

»Quatsch!«

»Warum glotzt du dann die ganze Zeit dahin statt auf mich, obwohl ich halbnackt auf dir sitze?!«

»Sorry.« Vielleicht lag es daran, dass er Miriam nun schon seit vier Jahren kannte, während er den Erfinder des Dübels noch nie zuvor gesehen hatte. Einem Instinkt folgend, behielt er diesen Gedanken aber für sich. Stattdessen griff er zur Fernbedienung und schaltete den Fernseher aus. Dann machte er sich über Miriam her, die bei Lichte betrachtet doch deutlich mehr Vorzüge hatte als der Dübelmann.

»Was hältst du davon, wenn wir das Ganze im Schlafzimmer fortsetzen?«, hauchte sie gespielt lasziv und schlang ihre Arme um seinen Hals. Kurz stand er auf dem Schlauch, dann wurde ihm klar: Er sollte sie tragen.

»Ui!«, entfuhr es ihm. Er sagte oft »Ui!«, es war das Erste, was ihm durch den Kopf schoss, wenn irgendwas Überraschendes passierte oder jemand etwas Unerwartetes sagte. Er hatte Miriam schon lange nicht mehr hochgehoben. Beim letzten Mal war er wenigstens noch im Fitnessstudio angemeldet gewesen, mittlerweile nicht mal mehr das. Zögernd legte er seinen rechten Arm unter ihre Kniekehlen, umfasste mit dem linken ihren Oberkörper und atmete noch mal tief durch.

»Ich bin keine 150-Kilo-Hantel«, sagte Miriam.

»Lass mich mal machen, Baby«, antwortete er bestimmt und versuchte seiner Stimme dabei einen markanten Klang zu geben. Es hörte sich ein bisschen so an, als hätte er sich übel an Reis verschluckt – das wusste er zufällig ganz genau, denn er hatte sich kürzlich ziemlich übel an Reis verschluckt. Trotzdem schien es Miriam zu gefallen. Sie seufzte und drückte sich an ihn.

Jetzt gab es kein Zurück mehr, er stand auf und hob sie hoch.

»Ui!«

Obwohl Miriam eher schlank war, zog es ihm bis in den Rücken. Er schwankte und musste zwei kleine Ausfallschritte machen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.

»Bin ich dir zu schwer?«

Ihm war sofort klar, dass das eine Fangfrage war. »Nö, geht schon«, ächzte er. Inzwischen stand er sicher. Anders als beim Gewichtheben war die Übung damit aber nicht zu Ende, im Gegenteil: Er musste es jetzt auch noch irgendwie schaffen, Miriam ins Schlafzimmer zu befördern, möglichst ohne dass sie sich dabei den Kopf am Türrahmen stieß. Schließlich war das hier kein Slapstick-Sketch, sondern das echte Leben. Mit wackligen Schritten steuerte er auf die Wohnzimmertür zu. Wie das am Hals zog! Das würde bestimmt blaue Flecken geben.

»Ich kann auch laufen«, erklärte Miriam genervt. Ihre romantische Stimmung war mittlerweile offenbar einer gewissen Ernüchterung gewichen.

Statt zu antworten – so viel Luft hatte er momentan gar nicht –, ging er weiter. Sie kamen gut durch die Tür und betraten den Flur. Dann rutschte ihm die Schlafanzughose runter, die er wie üblich zum abendlichen Fernsehen angezogen hatte. Als er nach dem ausgeleierten Gummizug griff, um ihn festzuhalten, schwankte Miriam gefährlich in seinem Arm und streifte mit dem Kopf die Jacken, die an der Garderobe hingen. Mit einem Schritt zur Seite versuchte er sie aufzufangen, doch dort stand die Kommode. Sein kleiner Zeh stieß an einen der eckigen Metallfüße.

»Auaaa!«

Halb entglitt Miriam ihm, halb sprang sie selbst. Beide gingen zu Boden, Miriam landete in den Schuhen, er daneben.

»Auaaa!«, wiederholte er.

»Tut’s sehr weh?«, fragte Miriam.

Er nickte nur mit schmerzverzerrtem Gesicht und hielt sich den Fuß.

»Mir geht’s gut, danke der Nachfrage!«, sagte Miriam.

»Sorry, aber ich habe echt Schmerzen!«

»Vielleicht solltest du ab und zu doch mal ein bisschen Sport machen.«

»Was soll das denn jetzt heißen?! Ich habe mir den Zeh gestoßen. Das hätte jedem passieren können.«

»Also Daniel Craig könnte mich locker spazieren tragen, da bin ich mir relativ sicher. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der am Ende auf dem Boden sitzt und sich heulend den Fuß hält.«

»Ich heule doch gar nicht. Und seit wann stehst du überhaupt auf Daniel Craig?!«

»Tue ich ja gar nicht. Aber der ist halt ein echter Mann.«

»Und ich nicht, oder was?« Sebastian inspizierte seinen verunglückten Zeh. Der würde bestimmt anschwellen. Vielleicht half es, wenn er pustete. Zu spät bemerkte er, dass Miriam ihn beobachtete. Schweigend zog sie die Augenbrauen hoch. Okay, vielleicht hatte sie recht. Ihm war schon klar, dass er nicht das Paradebeispiel für ein athletisches Alpha-Tier war. Aber bisher hatte er gedacht, dass Miriam das nicht stört. Andererseits, als sich neulich bei einem Konzert zwei Typen direkt vor sie gestellt hatten, machte Miriam ihm bittere Vorwürfe. Er hätte die beiden verscheuchen müssen – stattdessen habe er nur den Kopf geschüttelt, und das auch noch im Rhythmus der Musik. Sie flippte auch jedes Mal aus, wenn er sich wieder ein Probe-Abo oder eine Kundenkarte hatte aufschwatzen lassen, weil er einfach nicht Nein sagen konnte. Möglicherweise hatte sie also doch ein Problem damit, dass er kein Alpha-Tier war, sondern eher ein verweichlichtes Beta-Tier.

»Es ist aber auch irgendwie unfair, mich mit einem Actionheld zu vergleichen, findest du nicht?«

»Basti, mir ist schon klar, dass ich nicht mit James Bond zusammen bin. Keiner verlangt von dir, dass du die Welt rettest.«

»Genau das ist ja das Problem. James Bond kommt ständig in Situationen, wo er den Larry raushängen lassen und die Menschheit vor dem Untergang bewahren kann. Das lässt ihn natürlich leicht in gutem Licht dastehen. Ich wette, wenn der einfach nur zu Hause bei seiner Frau ist, schaltet er auch einen Gang runter.«

»Und schafft es nicht mal, sie ins Schlafzimmer zu tragen?«

»Wer weiß? Der dreht auch nur auf, wenn er muss. Hauptsache, man steht seinen Mann, wenn es drauf ankommt.«

»Verstehe. Das heißt, du bist einfach unterfordert. Aber wenn sich irgendwann mal die Gelegenheit ergibt, mutierst du zum Helden.«

»Ganz genau. Gelegenheit macht Helden.«

Mitleidig lächelte sie ihn an. Dann rappelte sie sich vom Boden auf und hielt ihm die Hand hin, um ihn hochzuziehen.

»Danke.«

»Schon gut«, sagte sie und tätschelte ihm die Wange. »Ich gehe schon mal ins Bett. Wenn du jemals wieder laufen kannst, komm doch einfach nach. Oder soll ich dich tragen?«

»Sehr witzig.«

Das mit dem Sex hatte sich für heute wohl erledigt. Frustriert holte er sich eine Tüte Chips aus der Küche und humpelte zum Fernseher. Wie sich herausstellte, hatte der Dübel-Erfinder noch einiges anderes erfunden. Und ich sitze hier auf dem Sofa rum und jammere über meinen Zeh, dachte Sebastian. Kein Wunder, dass Miriam ihn für einen Loser hielt. Nicht nur, dass er nicht mit einem athletischen Körper aufwarten konnte. Auch in seinem Job als Programmierer lief er seit Jahren irgendwie so mit, während Miriam inzwischen Projektleiterin bei einer Marketingagentur war und deutlich mehr verdiente als er. Er sprach zwar immer davon, eines Tages eine brillante Software zu entwickeln, die sich millionenfach verkaufte, aber mittlerweile war daraus ein Running Gag geworden. Irgendwie hatte er immer gedacht, dass das nichts war, was ihre Beziehung ernsthaft belastete. Aber vielleicht schraubte Miriam ihre Ansprüche mit der Zeit höher – vor allem, da jetzt langsam die Frage aufkam, ob sie zusammen eine Familie gründen würden. Da war eben kein Schluffi mehr gefragt, der nichts auf die Reihe bekam, sondern ein sorgender Familienvater, der die Dinge im Griff hatte. Wahrscheinlich war es nur eine Frage der Zeit, bis sich Miriam nach jemand anderem umsah. Nach einem, bei dem sie sich fallen lassen konnte, anstatt dass er sie fallen ließ.

Es musste sich was ändern! Bei nächster Gelegenheit musste er ihr irgendwie beweisen, dass man sich auf ihn verlassen konnte, wenn es darauf ankam. Aber jetzt musste er erst mal aufs Klo.

Kapitel 2,
in dem eine leere Rolle Klopapier erst das größte und dann das geringste Problem ist.

»Scheiße, nicht schon wieder!«, fluchte Sebastian. Er feuerte die leere Klopapierrolle quer durchs Badezimmer. Sie riss den Zahnputzbecher um, und seine Zahnbürste fiel in einen Haufen schmutziger Unterwäsche, die neben dem Waschbecken auf dem Boden lag. Unter leisem Ächzen und ohne ganz von der Toilette aufzustehen, beugte sich Sebastian so weit wie möglich nach vorne. Während er sich mit der linken Hand auf dem Badezimmerteppich abstützte, versuchte er mit der rechten, an den Schubladenknauf des Schranks zu kommen.

»Och nö!« Die Schublade war leer.

Eigentlich sollten dort immer mehrere jungfräuliche Klopapierrollen bereitliegen, in freudiger Erwartung, eines Tages – zum Beispiel heute – ihre Bestimmung zu erfüllen und mit Kacke beschmiert zu werden. Resigniert richtete er sich wieder auf und stellte fest, dass seine Hand vom Teppich ein paar Schamhaare und nicht näher definierbare weiße Krümel mitgebracht hatte.

Immer er! Wie oft hatte er Miriam gebeten, auch mal das Klopapier nachzufüllen, wenn es zur Neige ging? Schließlich war sie diejenige, die das meiste davon verbrauchte. Er hatte das mal im Internet recherchiert: Dass Frauen bis zu dreimal so viel Klopapier benutzten wie Männer, war offenbar ganz normal – zumindest, wenn man den Forenbeiträgen der User FrauenkennerGera, PipiLangstrumpf und WC-Ente43 Glauben schenken durfte. Ebenso normal sollte es dann aber auch sein, dass sie für Nachschub sorgten, fand Sebastian. Stattdessen schlief Miriam seelenruhig, während er überlegen musste, wie er seinen Hintern sauber kriegen sollte, ohne sich anschließend eine Hand amputieren zu wollen.

Wenn es einen Gott gibt, muss er mich hassen, dachte er und pustete sich Schamhaare und Krümel von der Hand. Und das war seine Strafe. Vielleicht hielt Gott für die verschiedensten Arten von Sünden ein Arsenal passender Sanktionen bereit, das von Kacke am Arsch über einen Wasserrohrbruch im Keller bis hin zum Tod durch autoerotische Strangulation reichte. Möglicherweise hatte Gott ein ganzes Team kreativer Leute um sich, das den lieben langen Tag nichts anderes machte, als sich für jedes Vergehen einen adäquaten Denkzettel zu überlegen. Sebastian gefiel dieser Gedanke. Allerdings nur in der Theorie. In der Praxis hätte er lieber Klopapier gehabt, und wenn es nur so billiges aus Altpapier gewesen wäre, dünn, grau und rau, wie das, was es früher immer auf der Schultoilette gegeben hatte. Auf Schultoiletten konnte man seinen Frust wenigstens mit einem Edding an der Wand zum Ausdruck bringen. Er hätte jetzt gerne »Fickt euch alle!« an die Badezimmerkacheln geschrieben, die ohnehin hässlich waren und vermutlich schon hier gehangen hatten, als jemand während der Halbzeitpause vom Wunder von Bern pinkeln ging. Aber hier gab es genauso viele Eddings wie volle Klopapierrollen.

Okay, es gab sicher ein paar Milliarden Menschen auf der Welt, denen es noch schlechter ging als ihm. Aber jeder litt in seiner Liga. Und bei Sebastian bedeutete »Klopapier alle« eben Alarmstufe Rot und stand ungefähr auf einer Ebene mit »Fernseher funktioniert nicht«, »Backenzahnplombe rausgefallen« und »Morgen ist Muttertag«.

Vielleicht bildete er sich das auch nur ein, aber es kam ihm so vor, als ob sein Leben in letzter Zeit voll solcher kleiner Demütigungen war. Beim Autofahren drängelte sich jemand vor ihm in die Spur, und Sebastian war der Erste, der es nicht mehr über die nächste Ampel schaffte. Sebastian grüßte einen Kollegen, aber der guckte weg. Beim nächsten Mal guckte Sebastian weg, doch dann grüßte der andere. Sein geliebtes Duschgel Soul Harmony wurde vom Supermarkt aus dem Sortiment genommen – während alle anderen im Regal standen, als wäre es das Selbstverständlichste von der Welt. Eines Tages würde er sich wehren. Wenn ihn ein anderer Autofahrer dreist schnitt, würde er einfach bei Rot über die Ampel fahren, den anderen einholen und rammen. Er würde niemanden mehr als Erster grüßen. Wenn der andere dann grüßte, würde er ein halblautes »Lo!« hervorstoßen. Das klang wie das Ende von »Hallo!« und erweckte den Eindruck, er habe schon früher mit dem Grüßen angefangen und nicht erst, nachdem der andere gegrüßt hatte. Und er würde von jedem Duschgel eins kaufen, sodass sämtliche Supermärkte ihr komplettes Sortiment unterschiedlich stinkender Waschsoßen austauschen und einen Milliardenverlust machen mussten, wenn sie ihn ins Leere laufen lassen wollten. Ja, verdammt noch mal: Eines Tages würde er seinen Mann stehen und sich wehren!

Doch erst mal saß er hier und wusste nicht, wie er seinen Hintern sauber kriegen sollte.

Plötzlich bemerkte er, dass es ziemlich warm geworden war. Und dann noch dieser beißende Geruch. Was war das? Etwa Rauch? Scheiße, es brannte! Dichter, schwarzer Qualm kroch unter der Tür durch ins Badezimmer. Dann hörte er Sirenen, und vor dem Milchglasfenster flackerte Blaulicht. Sebastian sprang auf und zog die Hose seines ausgeleierten Schlafanzugs hoch, die sofort wieder runterrutschte, als er sie losließ, um nach der Türklinke zu greifen.

»Aaah!«, brüllte er und riss seine Hand zurück – die Klinke war glühend heiß. Mit der Schlafanzughose auf den Knöcheln stolperte er zum Fenster und zerrte es hektisch auf. Dabei räumte er eine Reihe von Parfumpröbchen ab, die Miriam auf der Fensterbank sammelte, als sei sie Jean-Baptiste Grenouille persönlich. Was sollte dieses Pröbchengesammele? Er hatte noch nie gesehen, dass Miriam sie benutzte. Geschweige denn gerochen. Gingen die Dinger überhaupt auf?! Zumindest gingen sie kaputt, wenn sie auf den Boden fielen. Der ganze Mist lief aus. Sebastians Schlafanzughose schleifte durch die mit Splittern übersäte Pfütze und sog verschiedenste Gratis-Düfte auf. Aber wahrscheinlich war das im Moment sein geringstes Problem.

Er lehnte sich aus dem Fenster. Draußen standen drei Löschzüge der Feuerwehr und zwei Polizeistreifen. Ein Krankenwagen kam gerade um die Ecke. Dazwischen wuselten Einsatzkräfte herum, rollten Schläuche aus und zeigten auf das Haus, in dem Sebastian wohnte.

Genau genommen: Sie zeigten auf ihn!

Ich muss mir doch noch den Arsch abwischen, schoss es ihm durch den Kopf. Kurz spielte er mit dem Gedanken, das aus dem Fenster zu rufen. Ein bisschen kam er sich vor wie der Papst, als er da am Fenster stand und überlegte, was er der Menge mitteilen sollte. Ich denke zu viel, ich sollte handeln, dachte er. Und dann dachte er, dass er schon wieder dachte und nicht handelte. Ein Teufelskreis.

Plötzlich tauchte ein Feuerwehrmann im Rettungskorb vor ihm auf.

»Keine Panik, wir holen Sie da raus!«

Wegen solcher Sätze ging man wohl zur Feuerwehr. Darauf war der Typ jetzt bestimmt stolz, dass er einen auf cool machen und ihm so etwas zurufen konnte. Sebastian fragte sich, wie viele Menschen das schon gehört hatten und dann doch verbrannt waren. Andererseits konnten Feuerwehrleute ja schlecht rufen: »Wir versuchen Sie zu retten, kann aber auch sein, dass Sie bei lebendigem Leib verbrennen! Ihre Chancen stehen etwa fifty-fifty!«

Der Feuerwehrmann war nur noch ein paar Meter entfernt, als Sebastian spürte, wie es an seinen Beinen heiß wurde. Sehr, sehr heiß. Er trat einen Schritt vom Fenster zurück und schaute nach unten. Seine Hose brannte. Die Parfümpfütze hatte sich ausgebreitet und dem Feuer unter der Tür durchgeholfen. »Danke, lieber Gott!«, rief er nach oben. Sicherheitshalber fügte er noch hinzu: »Das war ironisch gemeint!«

Panisch trippelte er auf der Stelle. Dabei trat er auf die Splitter der zerbrochenen Flakons. Mit schmerzverzerrtem Gesicht sprang er auf die Fensterbank und strampelte wie vom Pitbull angefallen, um seine lodernde Hose loszuwerden, die noch an seinen Füßen hing. Irgendwie schaffte er es, sie in Richtung Waschbecken zu schleudern, wo sie prompt den Haufen Schmutzwäsche in Brand setzte. Jetzt wäre ein passender Zeitpunkt, diese Party zu verlassen, dachte er. Im selben Moment packte ihn der Feuerwehrmann von hinten und zog ihn zu sich in den Korb.

»Hier drinnen brennt’s!«, rief Sebastian aufgeregt. Nach einem Moment der Einsicht fuhr er fort: »Aber das wussten Sie vermutlich schon. Deshalb sind Sie ja hier.« Wenn er weiter so dummes Zeug laberte, würde ihn der Mann gleich zurück ins Haus werfen. Er wollte irgendetwas Intelligentes sagen, um zu zeigen, dass er nicht komplett irre war. »Ich habe keine Hose an.« Mehr fiel ihm gerade nicht ein.

»Befinden sich noch andere Personen in der Wohnung?«, wollte der Feuerwehrmann wissen. Sehr gut, ein Profi.

»Nein«, antwortete Sebastian reflexartig. Er genoss die beruhigende Wirkung, die diese Antwort auf ihn und den Kollegen von der Feuerwehr ausübte. Nur um sicherzugehen, schob er noch hinterher: »Meine Freundin ist doch schon draußen, oder?«

»Wir haben niemanden rausgeholt, Sie sind der Einzige bis jetzt.« Sofort gab der Feuerwehrmann per Funk durch, dass sich »mutmaßlich noch eine weibliche Person mittleren Alters« im Gebäude befand.

O Mann, was war er nur für ein verdammter Idiot! Vor ein paar Minuten hatte er noch darüber nachgedacht, dass er nur die richtige Gelegenheit brauchte, um zum Helden zu mutieren. Dann kam diese Gelegenheit – und statt Miriam zu retten, war er voll und ganz mit sich selbst beschäftigt. Man konnte es ihr kaum verübeln, wenn sie nicht mit ihm alt werden wollte. »Aber es heißt doch immer, Frauen und Kinder zuerst!«, echauffierte er sich, während sie im Rettungskorb weiter abwärtsfuhren.

»Ein weitverbreiteter Irrtum. Wir retten, wen wir retten können«, belehrte ihn der Feuerwehrmann. »Aber jetzt sagen Sie nicht, da sind auch noch Kinder drin!«

»Nein, um Gottes willen!«

Zum Glück war Familie Lautenschläger aus der Wohnung drunter gerade ins Warme gereist, nach Fuerteventura. Wobei, da war es momentan bestimmt nicht so warm wie gerade in deren Wohnung. Die Ehrlichs, das Rentnerehepaar aus dem Erdgeschoss, standen schon vor dem Haus und beobachteten mit unverblümter Schaulust Sebastian, wie er langsam herabgesenkt wurde.

Kaum unten angekommen, wurde er von einem Sanitäter in Empfang genommen.

»Sind Sie verletzt?«

»Nur ein bisschen an den Füßen, glaube ich.« Wen interessierte das schon, seine Freundin war noch da oben!

»Soll ich mir das mal ansehen?«

»Nee, geht schon.«

»Ist Ihnen übel, oder schmerzen Ihre Lungen?«

»Nein. Haben Sie hier Funk? Gibt es Nachricht von meiner Freundin?«

»Nee, da müssen Sie die Feuerwehr fragen.«

Der Sanitäter reichte ihm ungefragt eine schmuddlige Decke. Sebastian legte sie sich um die Hüften – nicht zuletzt, damit Frau Ehrlich ihm nicht länger auf die Unterhose starren konnte.

Er humpelte ein paar Schritte weg und atmete tief durch. Dann drehte er sich um, guckte nach oben und sah, wie die Flammen aus den Fenstern schlugen, als wollten sie selbst fliehen. Sie hatten das ganze Dach erfasst.

Miriam.

James Bond hätte sie da rausgeholt.

Die Decke rutschte runter. Sollte Frau Ehrlich doch glotzen.

Kapitel 3,
in dem sich eine Banane krummlacht und fast alle Pullover kariert sind.

Sebastian brauchte einen Moment, um sich zu orientieren. Als er seinen einäugigen Stoffseehund auf dem Regal in der Zimmerecke sah, wusste er wieder, wo er war: zu Hause bei Mama und Papa. Und bei Ulf – so hieß der Seehund. Den hatte er zur Einschulung bekommen. Er lag in der Schultüte zusammen mit Gummibärchen und Karamellbonbons, von denen sich eins in seinem Fell verklebt hatte und nur durch eine Teilrasur zu entfernen war. Eins seiner Augen hatte sich über die Jahre hinweg immer mehr abgelöst, und irgendwann war es verschwunden. Wahrscheinlich auf den Boden gefallen und von seiner Mutter weggesaugt worden. Bestimmt machte es dabei Klickerdiklackerdisipp, und sie dachte, es sei ein gewöhnlicher Lego-Einer, bei dem sie sich längst die Mühe sparte, ihn zwischen Haaren, zerrissenen Spinnen und komprimiertem Staub aus dem Staubsaugerbeutel zu bergen.

In seinem Kinderzimmer war alles genau wie früher. An der Wand hing sogar noch sein Stéphanie-von-Monaco-Poster. In die war er unsterblich verliebt gewesen, als sie mit dünner Stimme Irresistible sang und ihr Gesicht noch nicht aussah wie eine alte Ledertasche. Daneben prangte die Fotocollage von der Klassenfahrt nach Paris, wo er sich einen Filmriss ersoffen und mitten in der Nacht einen dünnflüssigen Brei aus Rotwein, Flammkuchen, Bier und Pastis auf die Klassenschönste Julia Theiß erbrochen hatte, weil er statt in die Jugendherbergstoilette in den danebenliegenden Mädchenschlafraum gewankt war. Beinahe hätte ihn seine Klassenlehrerin Frau Dr. Koch vorzeitig nach Hause geschickt. Sie ließ sich aber erweichen, ihm stattdessen zur Strafe ein Referat über Victor Hugos Glöckner von Notre-Dame aufs Auge zu drücken. Als er dann während des Vortrags den Namen Hugo konsequent deutsch aussprach – also nicht »Ügoh«, sondern »Hugo« –, war er bei Frau Dr. Koch endgültig unten durch. Zumal sie nach der Fahrt riesigen Ärger von Julias Eltern bekam, er Kieferchirurg, sie selbsternannte Innenarchitektin, und sich beim Schuldirektor für die Milde gegenüber Sebastian rechtfertigen musste.

Er lag also in seinem alten Bett, das wie fast alle seine Kinderzimmermöbel aus Kiefernholz und mit Aufklebern übersät war. Das Kopfteil zierte die fast vollständige Hanuta-Serie Freche Früchtchen. Die Bilder zeigten Obst und Gemüse, dem vermeintlich kesse Sprüche in den streng genommen gar nicht vorhandenen Mund gelegt worden waren. Eine Banane sagte »Ich lach mich krumm!«, eine Kartoffel warnte »Bleib mir von der Pelle!«, und eine Himbeere säuselte »Ich find dich beerenstark!«. Dazwischen klebten noch Klassiker wie »Ich bin Energiesparer!«, »Ein Herz für Kinder« und Sammelbildchen von langhaarigen Fußballern, die mittlerweile längst irgendwo Sportdirektor, Jugendtrainer und/oder Alkoholiker waren. Während er in diesem Bett mit Anke Schreiber aus dem Tanzkurs für Anfänger seinen ersten Sex probierte, verlor er beim Anblick von Rudi Völler seine ohnehin schon instabile Erektion. Ein Alptraum, an den er seitdem immer erinnert wurde, wenn er Rudi Völler irgendwo sah. Anke Schreiber hatte ihm danach keine zweite Chance gegeben – das würde er Rudi Völler niemals verzeihen. Schon damals hatte er also nicht seinen Mann gestanden – und dass er jetzt wieder in seinem alten Kinderzimmer gelandet war, gab seinem Selbstbewusstsein den Rest.

Mitten im Raum stand ein Bügelbrett – ausnahmsweise kein Relikt seiner Jugend. Seit er ausgezogen war, nutzte seine Mutter das Zimmer als Bügelstube. Dabei hatte er es noch besser erwischt als seine Schwester Carola, in deren Zimmer sein Vater mit verstörendem Ernst eine immer weiter auswuchernde Spielzeugeisenbahn betrieb. Sebastian hegte den Verdacht, dass er sich, wenn er allein war, heimlich eine Lokführermütze aufsetzte und bei jeder Abfahrt eines Zuges in eine Trillerpfeife blies. Die Eisenbahn nahm Carolas gesamtes Zimmer in Beschlag. Sie konnte gerade noch so das Bett in der Ecke erreichen, indem sie auf Zehenspitzen über den Bahnhofsparkplatz auf den Badesee stieg und ihren Fuß dann mit einem großen Schritt mitten ins Fußballstadion setzte. Von dort aus hüpfte sie aus dem Stand ins Bett. Einmal hatte sie dabei einen Porsche-Oldtimer zertreten, den ihr Vater in eine bisher freie Parkbucht vor dem Bahnhof platziert hatte. Ein Totalschaden.

Normalerweise räumte seine Mutter das Bügelbrett weg, wenn er kam, aber letzte Nacht hatte sie natürlich nicht mit ihm gerechnet.

Die Feuerwehr hatte Miriam ein paar Minuten nach ihm aus dem Haus geholt. Sebastian konnte nur einen Blick auf ihre Füße erhaschen, am Kopf waren gleich mehrere Sanitäter zugange. Sie verfrachteten Miriam direkt in den Krankenwagen. Auf seine Frage, ob er mitfahren könne, bekam Sebastian nur zu hören: »Wir sind ein Krankenwagen und kein Taxi!« Und komisch, auch seine Erwiderung, das sei gut, denn er habe auch gar kein Geld dabei, bewegte den Sanitäter nicht zum Umdenken. Jedenfalls fuhr der Krankenwagen ohne Sebastian ab. Zum Glück erbarmte sich ein Polizist, ihn in der Streife hinterherzufahren. Als sie im Krankenhaus ankamen, war Miriam allerdings schon sonst wo. Sebastian blieb nichts anderes übrig, als zu warten.

Er nutzte die Zeit, um sich von einer Assistenzärztin Splitter aus den Füßen ziehen und einen Verband anlegen zu lassen. Bei der Gelegenheit ließ er auch noch den kleinen Zeh untersuchen. Gott sei Dank war er nicht gebrochen. Sicherheitshalber impfte ihn die Ärztin noch gegen Tetanus, weil Sebastian keine Ahnung hatte, wann das zum letzten Mal gemacht worden war – wenn überhaupt. Ob es wohl irgendjemanden gab, der über seinen aktuellen Impfstatus Bescheid wusste? Sebastian jedenfalls nicht. Außerdem gab man ihm eine dünne weiße Hose aus der Personalgarderobe des Krankenhauses und OP-grüne Clogs. »Können Sie dann einfach irgendwann wiederbringen«, sagte die Assistenzärztin. Sein Anblick musste ziemlich mitleiderregend sein.

Ihm fiel ein, dass er ja noch etwas zu erledigen hatte. Auf der Kliniktoilette gab es zum Glück reichlich Klopapier, und ebenso reichlich machte er Gebrauch davon.

Dann kehrte Sebastian zur Anmeldung der Notaufnahme zurück, wo er die Nachtschwester alle fünf Minuten fragte, ob sie nicht mal reingehen und sich nach dem Stand der Dinge erkundigen könne. Sie blickte jedes Mal aufs Neue genervt von ihrem Groschenroman auf und erklärte, der Arzt komme schon heraus, wenn es etwas zu berichten gebe.

Zu allem Überfluss irrte inzwischen auch noch Miriams Mutter durch die Gänge. Seit er vor zwei Jahren im Spaß gesagt hatte, ihr frisch frisierter Pudel Romeo sehe ein bisschen schwul aus, hatte er bei ihr verschissen. Romeo war ihr heilig, und Witze über ihn kamen ungefähr so gut an wie die Titanic in New York. Dabei war »ein bisschen schwul« gar kein Ausdruck. Sebastian glaubte sogar, eine zarte Rosafärbung des weißen Fells zu erkennen, was Miriams Mutter allerdings vehement bestritt. Seitdem sprachen sie nur noch das Nötigste miteinander. Anstatt ihn nach Miriams Befinden zu fragen, wendete sie sich direkt an die maulfaule Groschenroman-Schwester.

Irgendwann kam endlich der diensthabende Arzt zu ihnen. »Sind Sie die Angehörigen von Miriam Ahlmann?«

Sie nickten.

»Dr. Heinze mein Name.«

Scheiße, jetzt kommt’s, dachte er. Sein Puls raste, und ihm war auf einmal kotzübel. So mussten sich die Kandidaten bei DSDS fühlen, wenn das Voting-Ergebnis verkündet wurde. Was würde der Arzt sagen?

›Sie hat gekämpft. Sie hat es allen gezeigt. Aber hat es gereicht? Hat sie genug gegeben, um eine Runde weiterzukommen? Die Feuerwehr sagt, diesmal könnte es knapp werden. Ihre Familie drückt ihr ganz fest die Daumen: Mama, Papa, Bruder, Oma und ihre Ur-Oma, die sie tragischerweise nie persönlich kennengelernt hat. Doch wo immer sie uns zuschaut, sie wünscht sich bestimmt nichts sehnlicher, als dass Miriam noch eine Chance bekommt. Jetzt ist der Moment der Entscheidung gekommen, auf den alle so lange gewartet haben. Ist Miriam tot? Sie ist es … vielleicht.‹

»Die Patientin ist stabil und wird intensivmedizinisch betreut. Sie hat eine schwere Rauchvergiftung und Verbrennungen erlitten, deren Grad wir momentan noch nicht definitiv abschätzen können.«

»Ui!«, sagte er, als hätte Dr. Heinze erzählt, dass es in der Krankenhaus-Cafeteria heute zwei Stück Kuchen zum Preis von einem gab.

Der Arzt sprach mit gedämpfter Stimme, aber sehr akzentuiert. So ließen sich bestimmt selbst schlimmste Nachrichten rüberbringen, dass sie beruhigend klangen.

›Sie haben Krebs im Endstadium, Frau Schlotzenbach.‹

›Ach, dann ist ja gut, Herr Doktor. Ich dachte schon, es ist was Ernstes.‹

»Kann ich zu ihr?«, fragte Miriams Mutter.

Mist, das hätte ich fragen sollen, dachte Sebastian.