Lexikon zentraler Begriffe und Themen
Herausgegeben von
Prof. Dr. Burkhard Schöbener
Bearbeitet von
Prof. Dr. Marten Breuer, Peter Dreist, Prof. Dr. Andreas Funke,
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Gilbert H. Gornig, Jun.-Prof. Dr. Jörn Griebel,
Dr. Jochen Herbst, Prof. Dr. Stephan Hobe, Dr. Tobias Irmscher,
Prof. Dr. Kirk Junker, Prof. Dr. Bernhard Kempen, Prof. Dr. Matthias Knauff,
Dr. Lars Markert, Prof. Dr. Dr. h.c. Angelika Nußberger, Dr. Markus Perkams,
Dr. Christian Raap, Dr. Michael Rafii, Prof. Dr. Burkhard Schöbener,
Priv.-Doz. Dr. Ulrich Vosgerau, Prof. Dr. Dr. Martin Will, Dr. Martin Winkler
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Zitiervorschlag: Begriff (Bearbeiter) in: Schöbener, Völkerrecht
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Wörterbücher bzw. Lexika haben in der deutschen Völkerrechtswissenschaft eine lange Tradition, die bis in die 1920er Jahre zurückgeht. Leider ist aber aktuell kein Wörterbuch greifbar, das insbesondere die Interessen der Studenten an einer kompakten, gleichwohl aber hinreichend ausführlichen Erläuterung der wesentlichen Grundbegriffe des Völkerrechts berücksichtigt. Diese Lücke zu schließen ist das Anliegen des vorliegenden Buches. Insgesamt 121 zentrale Begriffe des Völkerrechts werden von zwanzig Autoren erläutert, die fast alle in der universitären Lehre tätig sind und sich beruflich mit dem Völkerrecht in seinen unterschiedlichsten praktischen Ausprägungen befassen: als Hochschullehrer und Institutsmitarbeiter, Richter, Rechtsanwälte, Ministerialbeamte und Mitarbeiter von Internationalen Organisationen.
Das Nachschlagewerk stellt die ideale Ergänzung zu den verfügbaren Lehrbüchern des Völkerrechts dar, indem es die wichtigsten völkerrechtlichen Grundbegriffe herausgreift und systematisch erläutert. Durch eine jeder Erläuterung vorangestellte Gliederungsübersicht und durch die mit einem Pfeil → markierten Hinweise auf andere Grundbegriffe wird dem Leser die Orientierung erleichtert. Die für ihn bedeutsamen Informationen kann er sich zudem gezielt über das den Grundbegriffen vorangestellte, alphabetisch geordnete Inhaltsverzeichnis sowie das Sachverzeichnis am Ende des Buches erschließen, das solche völkerrechtlich bedeutsamen Begriffe aufführt, die nicht selbst als Grundbegriffe aufgenommen wurden.
Über den Kreis der Jura-Studenten hinaus werden auch Studenten der Politikwissenschaft und alle, die sich für den Bereich der internationalen Beziehungen beruflich wie privat interessieren, durch dieses Buch angesprochen. Das Völkerrecht hat heute einen Grad an Komplexität erreicht, der kaum noch einen innerstaatlichen Lebensbereich unberührt lässt. Deshalb ist es besonders wichtig, seine zentralen Begriffe und Themen dem Leser in anschaulicher und übersichtlicher, gleichwohl aber auch in einer rechtswissenschaftlich anspruchsvollen Art und Weise zu vermitteln.
Am Zustandekommen dieses Buches haben neben den Autoren im Verlaufe der beiden letzten Jahre auch etliche Mitarbeiter meines Lehrstuhls mitgewirkt. Für inhaltliche Vorarbeiten zeichneten Herr Dr. Michael Rafii, Frau Dr. Anna Müller und Herr Markus Jobst in bewährter Weise verantwortlich. Mit der redaktionellen Überarbeitung sowie der begrifflichen Vereinheitlichung der Texte waren meine studentischen Hilfskräfte Julia Schroeder und Maximilian Oehl betraut, die ihre Aufgaben höchst zuverlässig und eigenständig erfüllten. Herr Dr. Martin Winkler erstellte mit großer Sorgfalt das Stichwortverzeichnis. Allen Mitarbeitern gilt mein besonderer Dank für ihre tatkräftige Unterstützung. Herr Junker bedankt sich ganz herzlich bei seinen Mitarbeitern John Manyitabot Takang (Nachhaltige Entwicklung), Peter Kern (Schädigungsverbot) und Anja Meutsch (UNEP) für ihr bemerkenswertes Engagement bei der Erstellung der Texte.
Wie jedes Lehrbuch so ist auch ein Wörterbuch niemals fertig; jede Auflage ist die Grundlage für Verbesserungen und Neuerungen in der folgenden Auflage. So wird es sich auch mit diesem Buch verhalten. Anregungen der Leser sind uns deshalb ebenso willkommen wie kritische Bemerkungen und werden an folgende Anschrift erbeten: Prof. Dr. Burkhard Schöbener, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Völkerrecht und Europarecht, Universität zu Köln, Gottfried-Keller-Str. 2, 50931 Köln, E-Mail: burkhard.schoebener@uni-koeln.de.
Köln, im Oktober 2013
Burkhard Schöbener
Vorwort
Autorenverzeichnis
Abkürzungen
A
Afrikanische Menschenrechtscharta (Banjul-Charta)
Aggression (Straftatbestand)
Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR)
Allgemeine Rechtsgrundsätze
Amerikanische Menschenrechtskonvention (AMRK)
Anerkennung
Auslandswirkung von Hoheitsakten
Auswärtige Gewalt (Bundesrepublik Deutschland)
B
Bewaffneter Angriff
Bundesstaat (im Völkerrecht)
D
De facto-Regime, stabilisiertes
Diplomatenrecht
Diplomatischer Schutz
E
Effektivitätsprinzip
Eigentumsschutz
Enteignungsrecht, internationales
Erga omnes-Pflichten
Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK)
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR)
F
Freihandelszone
Fremdenrecht, völkergewohnheitsrechtliches
Friendly Relations-Deklaration (1970)
G
Gebietserwerb, staatlicher
Gebietshoheit
Gegenmaßnahmen (Repressalien)
Generalversammlung
Gewaltverbot, universelles
Gleichheitsprinzip
Globale Staatengemeinschaftsräume
H
Heiliger Stuhl
Hohe See
Humanitäre Intervention
Humanitäres Völkerrecht für den internationalen bewaffneten Konflikt – Grundsätze, Kampfführungs- und Schutzregeln des ius in bello
Humanitäres Völkerrecht für den internationalen bewaffneten Konflikt – Zweck, Begriff, Geltungsbereich und Verbindlichkeit des ius in bello
Humanitäres Völkerrecht für den nicht-internationalen bewaffneten Konflikt
I
Ideengeschichte des ius ad bellum
Individuum (Rechtsstellung)
Inländergleichbehandlung (national treatment)
International Centre for Settlement of Investment Disputes (ICSID)
Internationale Organisationen, allg.
Internationaler Gerichtshof (IGH)
Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR)
Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPwskR)
Internationaler Strafgerichtshof (IStGH)
Internationaler Währungsfonds (IWF)
Internationales Komitee vom Roten Kreuz (IKRK)
Interventionsverbot
Investitionsrecht, Internationales
Ius cogens-Normen
K
Konstitutionalisierung
Konsularrecht
Kriegsrecht (ius ad bellum)
Kriegsverbrechen (Straftatbestand)
L
Luftrecht, internationales öffentliches
M
Malteserorden
Meistbegünstigung (most favoured nation treatment)
Menschenrechte der dritten Generation
Menschenrechte, allg.
Menschenrechtlicher Mindeststandard
Minderheiten und Volksgruppen
N
Nichtregierungsorganisationen (NGOs)
Normenhierarchie im Völkerrecht
North Atlantic Treaty Organization (NATO)
O
Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE)
P
Prinzip der gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortlichkeit
Prinzip der nachhaltigen Entwicklung
R
Rechtscharakter, Geltungsgrund und Legitimität des Völkerrechts
Rechtserkenntnisquellen
Rechtsgeschäfte, einseitige
Rechtsquellen des Völkerrechts
Regionale Friedenssicherungssysteme
Reziprozität
S
Schädigungsverbot (no harm rule)
Schiedsgerichtsbarkeit, internationale
Seerecht, internationales
Selbstbestimmungsrecht der Völker
Selbstverteidigungsrecht, völkerrechtliches
Self-Contained Régime
Sicherheitsrat
Soft law
Souveränität
Staat
Staatengemeinschaft (internationale Gemeinschaft)
Staatenimmunität
Staatennachfolge
Staatenverbindungen
Staatsangehörigkeit/-zugehörigkeit
Staatsgebiet
Staatsgewalt
Staatskontrakte, internationale (state contracts)
Staatsvolk
Streitbeilegung, diplomatische Verfahren
Streitbeilegung, friedliche (allg.)
Streitbeilegung, Internationales Investitionsrecht
Streitbeilegung, Seerecht
Streitbeilegung, WTO
System kollektiver Sicherheit
T
Transnationale Unternehmen
Truppenstationierungsrecht
U
Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP)
Uniting for Peace-Resolution (1950)
V
Verantwortlichkeit, völkerrechtliche
Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Straftatbestand)
Vereinte Nationen (UNO)
Verhaltenskodizes (codes of conduct)
Völkerbund
Völkergewohnheitsrecht
Völkermord (Straftatbestand)
Völkerrecht und nationales Recht (allg. und Bundesrepublik Deutschland)
Völkerrechtsgeschichte
Völkerrechtssubjekte
Völkerstrafrecht
Völkervertragsrecht
Vorbehalt
Vorsorgeprinzip (Precautionary Principle)
W
Weltbank
Welthandelsorganisation (WTO)
Weltraumrecht
Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC)
Wirtschaftssanktionen
Z
Zollunion
Prof. Dr. Marten Breuer, Lehrstuhl für Öffentliches Recht mit internationaler Ausrichtung, Universität Konstanz
Peter Dreist, Ministerialrat im Bundesministerium der Verteidigung, Bonn
Prof. Dr. Andreas Funke, Institut für Staats- und Verwaltungsrecht, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Gilbert H. Gornig, Institut für Öffentliches Recht, Abteilung Völkerrecht, Philipps-Universität Marburg
Jun.-Prof. Dr. Jörn Griebel, D.E.S. (IUHEI, Genf), International Investment Law Center Cologne (IILCC), Universität zu Köln
Dr. Jochen Herbst, Rechtsanwalt, Düsseldorf
Prof. Dr. Stephan Hobe, LL.M. (McGill), Institut für Luft- und Weltraumrecht, Lehrstuhl für Völkerrecht, Europarecht, Europäisches und Internationales Wirtschaftsrecht, Universität zu Köln
Dr. Tobias Irmscher, LL.M. (LSE), Europäisches Patentamt, München
Prof. Dr. Kirk W. Junker, Lehrstuhl für US-amerikanisches Recht, Universität zu Köln
Prof. Dr. Bernhard Kempen, Institut für Völkerrecht und ausländisches öffentliches Recht, Universität zu Köln
Prof. Dr. Matthias Knauff, LL.M. Eur., Lehrstuhl für Öffentliches Recht, insbesondere Öffentliches Wirtschaftsrecht, Friedrich-Schiller-Universität Jena
Dr. Lars Markert, LL.M. (Georgetown), Rechtsanwalt, Attorney-at-law (New York), Tokio
Prof. Dr. Dr. h.c. Angelika Nußberger, M.A., Institut für Ostrecht, Universität zu Köln, Richterin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, Straßburg
Dr. Markus Perkams, Rechtsanwalt, Solicitor in England und Wales, London
Dr. Christian Raap, Ministerialrat im Bundesministerium der Verteidigung, Bonn
Dr. Michael Rafii, Mitarbeiter am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Völkerrecht und Europarecht, Universität zu Köln
Prof. Dr. Burkhard Schöbener, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Völkerrecht und Europarecht, Universität zu Köln
Priv.-Doz. Dr. Ulrich Vosgerau, Seminar für Staatsphilosophie und Rechtspolitik, Universität zu Köln
Prof. Dr. Dr. Martin Will, M.A., LL.M. (Cambridge), Lehrstuhl für Staatsrecht, Verwaltungsrecht, Europarecht, Recht der neuen Technologien sowie Rechtsgeschichte, EBS Universität für Wirtschaft und Recht, Wiesbaden
Dr. Martin Winkler, M.Jur. (Oxford), LL.M. (Köln/Paris I), Mitarbeiter am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Völkerrecht und Europarecht, Universität zu Köln
Grundsätzlich nach H. Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 7. Auflage, 2012.
Abweichungen:
ACHR | Arab Charter on Human Rights |
AEMR | Allgemeine Erklärung der Menschenrechte |
AEUV | Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union |
AFTA | ASEAN Free Trade Area |
AGMR | Afrikanischer Gerichtshof für Menschenrechte und Rechte der Völker |
AHRD | ASEAN Human Rights Declaration |
AKMR | Afrikanischen Kommission für Menschenrechte und Rechte der Völker |
AMR | Annual Ministerial Review |
AMRK | Amerikanische Menschenrechtskonvention |
AU | Afrikanische Union |
AV | Antarktis-Vertrag |
AVR | Archiv des Völkerrechts |
AWZ | Ausschließliche Wirtschaftszone |
BDGVR | Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht |
BIT | Bilateral Investment Treaty |
BR | Bundesrepublik |
bspw. | beispielsweise |
Bsw. Nr. | Beschwerdenummer |
ca. | circa |
CEB | UN System Chief Executives Board for Coordination |
ChAbk | Chicagoer Abkommen über die internationale Zivilluftfahrt |
CIJ | Cour internationale de justice |
COMESA | Common Market for Eastern and Southern Africa |
CRW | Commission for the Rights of Women |
CSR | Corporate Social Responsibility |
DARIO | Draft Articles on the Responsibility of International Organizations |
D.C. | District of Columbia |
DCF | Development Cooperation Forum |
ders. | derselbe |
DFÜ | Durchführungsübereinkommens zu Teil XI des SRÜ von 1994 |
DR-CAFTA | Dominican Republic-Central America Free Trade Agreement |
DSB | Dispute Settlement Body |
DSU | Dispute Settlement Understanding |
EAC | East African Community |
EASA | European Aviation Safety Agency |
ECA | Economic Commission for Africa |
ECF | Extended Credit Facility |
ECLAC | Economic Commission for Latin America and the Caribbean |
ECT | Energy Charter Treaty |
EEZ | Exclusive Economic Zone |
EFF | Extended Fund Facility |
EGMR | Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte |
EJIL | European Journal of International Law |
EPIL | Max Planck Encyclopedia of Public International Law |
ESCAP | Economic and Social Commission for Asia and the Pacific |
ESCWA | Economic and Social Commission for Western Asia |
FCL | Flexible Credit Line |
FIFA | Fédération Internationale de Football Association |
FP | Fakultativprotokoll |
FPLC | Force patriotique pour la libération du Congo |
GA | Genfer Abkommen oder General Assembly (Generalversammlung der Vereinten Nationen) |
GATS | General Agreement on Trade in Services |
ggf. | gegebenenfalls |
GMDSS | Global Maritime Distress Safety System |
GMEF | Global Ministerial Environment Forum |
GPA | Agreement on Government Procurement |
GUS | Gemeinschaft unabhängiger Staaten |
Hl. | Heiliger |
HS | Harmonisiertes System |
HStR | Handbuch des Staatsrechts |
IAEA | International Atomic Energy Agency |
IAGMR | Interamerikanischer Gerichtshof für Menschenrechte |
IAMRK | Interamerikanische Menschenrechtskommission |
ICC | International Criminal Court |
ICC-Statut | Rome Statute of the International Criminal Court |
ICISS | International Commission on Intervention and State Sovereignty |
ICSID | International Centre for Settlement of Investment Disputes |
ICTR | International Criminal Tribunal for Rwanda |
ICTY | International Criminal Tribunal for the former Yugoslavia |
ICU | International Clearing Union |
i.E. | im Einzelnen |
IGH-St | Internationaler Gerichtshof-Statut |
i. H. v. | in Höhe von |
ILM | International Legal Materials |
ILR | International Law Reports |
IMF | International Monetary Fund |
IMG | Internationaler Militärgerichtshof von Nürnberg |
IMGFO | Internationales Militärgericht für den Fernen Osten |
IMSO | International Mobile Satellite Organization |
IPbpR | Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte |
IPBES | Intergovernmental Science Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services |
IPCC | Intergovernmental Panel on Climate Change |
IPwskR | Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte |
ISA | International Seabed Authority |
i. S. d. | im Sinne des/der |
ISGH | Internationaler Seegerichtshof |
IStGH | Internationaler Strafgerichtshof |
IStGH-Statut | Römisches Statut des Internationalen Strafgerichtshofs |
ITO | International Trade Organization |
ITU | International Telecommunication Union |
IUCN | International Union for Conservation of Nature |
JAA | Joint Aviation Authorities |
Jh. | Jahrhundert |
JStGH | Jugoslawienstrafgerichtshof (= ICTY) |
KSZE | Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa |
LCIA | London Court of International Arbitration |
MIT | Multilateral Investment Treaty |
MPYUNL | Max Planck Yearbook of United Nations Law |
NAFTA | North American Free Trade Agreement |
NASA | National Aeronautics and Space Administration |
n. | Chr. nach Christus |
No. | Number |
NorJIL | Nordic Journal of International Law |
OAS | Organisation Amerikanischer Staaten oder Organisation de lʼarmée secrète |
OAU | Organisation für Afrikanische Einheit |
o.g. | oben genannt |
OGH | Oberster Gerichtshof für die Britische Zone |
OPCD | Office of Public Counsel for the Defense |
OPCV | Office of Public Counsel for Victims |
OSZE | Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa |
PIN | Public Information Notices |
PLO | Palestine Liberation Organization |
Preuß. GS | Preußische Gesetzessammlung |
PSD | Private Sector Development |
R2P | Responsibility to Protect |
RCF | Rapid Credit Facility |
RdC | Recueil des cours |
Res. | Resolution |
RFI | Rapid Financing Instrument |
RGBl. | Reichsgesetzblatt |
RGDIP | Revue général de droit international public |
RIAA | Reports of International Arbitral Awards |
RStGH | Ruandastrafgerichtshof (= ICTR) |
S. | Seite |
SACEUR | Supreme Allied Commander Europe |
SACU | Southern African Customs Union |
SARP | Standard And Recommended Practice |
Sart. | Sartorius Textsammlung |
SBA | Stand-By Arrangement |
SCF | Standby Credit Facility |
Slg. | Sammlung |
s. o. | siehe oben |
SRÜ | Seerechtsübereinkommen |
sog. | sogenannt |
St. | Sankt |
StAG | Staatsangehörigkeitsgesetz |
SUA-Convention | Convention for the Suppression of Unlawful Acts of Violence against the Safety of Maritime Navigation |
SZIER | Schweizerische Zeitschrift für internationales und europäisches Recht |
SZR | Sonderziehungsrecht |
TNC | Transnational Corporation |
TNU | Transnationales Unternehmen |
u. a. | unter anderem |
UdSSR | Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken |
UN-Ch. | UN-Charta |
UNCED | United Nations Conference on Environment and Development |
UNCOPOUS | United Nations Committee on the Peaceful Uses of Outer Space |
UN-Dok. | UN-Dokument |
UNDP | United Nations Development Program |
UN Doc. | United Nations Document |
UNFCCC | United Nations Framework Convention on Climate Change |
UN-Habitat | United Nations Human Settlements Program |
UNMIK | United Nations Interum Administration Mission in Kosovo |
UNTAET | United Nations Transitional Administration in East Timor |
UPC | Union des patriotes congolais |
USA | United States of America |
v.a. | vor allem |
v. Chr. | vor Christus |
VISC | Voluntary Indicative Scale of Contributions to the Environment Fund |
VStGB | Völkerstrafgesetzbuch |
WCED | World Commission on Environment and Development |
WRÜ | Übereinkommen über die Registrierung von in den Weltraum gestarteten Gegenständen |
WRV | Internationaler Weltraumvertrag |
WÜD | Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen |
WWF | World Wide Fund for Nature |
YILC | Yearbook of the International Law Comission |
YUNL | Yearbook of United States Law |
ZA-NTS | Zusatzabkommen zu dem NATO-Truppenstatut |
Ziff. | Ziffer |
ZÖR | Zeitschrift für öffentliches Recht |
ZP | Zusatzprotokoll |
z. T. | zum Teil |
Afrikanische Menschenrechtscharta (Banjul-Charta)
Aggression (Straftatbestand)
Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR)
Allgemeine Rechtsgrundsätze
Amerikanische Menschenrechtskonvention (AMRK)
Anerkennung
Auslandswirkung von Hoheitsakten
Auswärtige Gewalt (Bundesrepublik Deutschland)
A › Afrikanische Menschenrechtscharta (Banjul-Charta) (Tobias H. Irmscher)
I.Entstehung und Mitgliedschaft
II.Schutzumfang
1.Anwendungsbereich
2.Die einzelnen Menschenrechte
3.Schranken und Außerkraftsetzung
4.Sonstige Übereinkommen
III.Durchsetzungsmechanismen
1.Die Zuständigkeit der Kommission
2.Verfahren vor dem Gerichtshof
3.Die Reform des Gerichtssystems
IV.Bewertung
M. Bortfeld, Der Afrikanische Gerichtshof für Menschenrechte: eine Untersuchung des Zusatzprotokolls zur Afrikanischen Charta für die Menschenrechte und die Rechte der Völker, 2005; M. Graf, Die Afrikanische Menschenrechtscharta und ihre Bedeutung für einschlägiges innerstaatliches Recht am Beispiel Tanzanias, 1997; A. Zimmermann/J. Bäumler, Der Afrikanische Gerichtshof für Menschen- und Völkerrechte, KAS Auslandsinformationen 7/2010, http://www.kas.de/wf/doc/kas_20018-544-1-30.pdf (31.1.2013).
Die Afrikanische Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker vom 27.6.1981, auch Banjul-Charta genannt, ist Grundlage und Kern des regionalen Menschenrechtsschutzsystems in Afrika im Rahmen der Afrikanischen Union (AU). Sie enthält neben dem Katalog individueller und kollektiver Menschenrechte und -pflichten Bestimmungen über die Errichtung der Afrikanischen Kommission für Menschenrechte und Rechte der Völker (AKMR); seit Inkrafttreten eines Zusatzprotokolls 2004 besteht auch ein Afrikanischer Gerichtshof für Menschenrechte und Rechte der Völker (AGMR).
Erste Ideen zur Schaffung eines eigenen afrikanischen Menschenrechtssystems wurden in den 1960er Jahren geäußert – beeinflusst von den internationalen Menschenrechtspakten und -verfahren wie auch von den regionalen Schutzsystemen in Europa und Amerika. Es waren aber erst die systematischen und schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen unter den diktatorischen Regimen in Zentralafrika, Äquatorialguinea und Uganda (Idi Amin), die neben den Entwicklungen in anderen Regionen und der UNO letztlich den Anstoß zu konkreten Vorarbeiten ab 1979 gaben. Zwei Jahre später verabschiedete die Versammlung der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) den Text der Charta, die nach Ratifikation von mehr als der Hälfte der OAU-Mitglieder am 21.10.1986 in Kraft trat. Mit Ausnahme des Südsudans haben alle Mitgliedstaaten der Afrikanischen Union, die 2001 an die Stelle der OAU trat, die Banjul-Charta ratifiziert, d. h. insgesamt 53 Staaten. Marokko ist als einziger afrikanischer Staat nicht Mitglied der AU und auch nicht Vertragspartei der Banjul-Charta.
Der Text der Charta enthält keine Einschränkung hinsichtlich der Anwendbarkeit in personeller oder territorialer Hinsicht. Die → Staaten erkennen allgemein die Rechte, Pflichten und Freiheiten der Charta an und verpflichten sich, sie zu verwirklichen. Dabei enthält die Charta sowohl Rechte des Einzelnen als auch kollektive Menschenrechte (→ Menschenrechte der dritten Generation).
Kapitel I des I. Teils der Charta enthält zunächst die individuellen Rechte; und zwar einerseits bürgerliche und politische und andererseits wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Zur ersten Gruppe zählen das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 4), auf Achtung der Menschenwürde und Anerkennung der Rechtspersönlichkeit einschließlich des Verbots von Folter und grausamer und unmenschlicher Behandlung (Art. 5), das Recht auf Freiheit und persönliche Sicherheit (Art. 6) und der Anspruch auf rechtliches Gehör und ein faires Verfahren sowie die Grundsätze ne bis in idem und nulla poena sine lege (Art. 7); außerdem ist die Unabhängigkeit der Gerichte zu gewährleisten (Art. 26). Hinzu kommen Gewissens-, Berufs- und Religionsausübungsfreiheit (Art. 8), das Recht auf Information und freie Meinungsäußerung (Art. 9), die Koalitions- und die Versammlungsfreiheit (Art. 10 und 11) sowie Freizügigkeit einschließlich des Rechts, das eigene Land zu verlassen und in anderen Ländern vor Verfolgungen Asyl zu suchen, soweit mit deren Recht vereinbar; Massenausweisungen von Ausländern sind verboten (Art. 12). Politische Rechte, namentlich hinsichtlich der Beteiligung an der Staatsführung, auf Zulassung zu öffentlichen Ämtern, Einrichtungen und Dienstleistungen werden ebenso garantiert (Art. 13) wie das Recht auf Eigentum (Art. 14). Abgerundet werden die Rechte der ersten Generation durch den Gleichheitssatz, der sowohl allgemein postuliert wird (Art. 3, 19) als auch in allgemeinen und besonderen Diskriminierungsverboten unterstrichen wird (s. Art. 2 und Art. 18 Abs. 3 einerseits und Art. 12 Abs. 5, Art. 13 Abs. 3 andererseits). Zu den Rechten der zweiten Generation zählen insbesondere das Recht auf Arbeit (Art. 15), auf Gesundheit (Art. 16), auf Bildung und Teilhabe am kulturellen Leben (Art. 17) und der Schutz der Familie, der Frauen, Kinder, Alten und Behinderten (Art. 18).
Weiterhin garantiert die Charta – und dies ist eine Besonderheit des afrikanischen Systems – kollektive Menschenrechte: das → Selbstbestimmungsrecht (Art. 20), das Recht, über Naturreichtümer und Bodenschätze zu verfügen (Art. 21), das Recht auf eigene wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung (Art. 22), auf nationalen und internationalen Frieden (Art. 23) und auf eine zufriedenstellende Umwelt (Art. 24). Die AKMR hat insoweit die Auffassung vertreten, dass sowohl die Rechte der zweiten als auch die der dritten Generation verbindlich seien und angewendet werden könnten (AKMR, Social and Economic Rights Action Center and Center for Economic and Social Rights ./. Nigeria, Oktober 2001, Beschwerde Nr. 155/96).
Im zweiten Kapitel des I. Teils sind sodann Pflichten des Einzelnen gegenüber der Familie, der Gesellschaft, dem Staat und sonstiger Gemeinschaften festgehalten (Art. 27), ebenso zur Achtung seiner Mitmenschen (Art. 28); weitere Pflichten v.a. gegenüber dem Staat finden sich in Art. 29.
Die Schranken der Rechte sind in den einzelnen Vorschriften selbst geregelt. In allgemeiner Weise bestimmt lediglich Art. 27 Abs. 2, dass die Ausübung der Rechte unter Berücksichtigung der Rechte anderer, der kollektiven Sicherheit, der Sittlichkeit und der gemeinsamen Interessen erfolgen müsse. Eine allgemeine Möglichkeit zur Außerkraftsetzung der Rechte im Kriegs- oder sonstigen Notfall sieht die Banjul-Charta, anders als die → Amerikanische Menschenrechtskonvention und die → EMRK, nicht vor.
Die Mitgliedstaaten haben im Einklang mit Art. 66 der Charta weitere Protokolle und Vereinbarungen zur Ergänzung der Rechte abgeschlossen. Hierzu zählen die Afrikanische Charta über die Rechte und das Wohlergehen des Kindes vom 11.7.1990, in Kraft seit dem 29.11.1999, das am 25.11.2005 in Kraft getretene und mittlerweile von 35 Staaten ratifizierte Protokoll über die Rechte der Frauen in Afrika vom 11.7.2003, eine umfassende Kodifizierung der Frauenrechte entsprechend den Garantien in der Banjul-Charta; weiterhin die Afrikanische Charta über Demokratie, Wahlen und Regierungsführung vom 30.1.2007, in Kraft seit dem 15.2.2012, sowie das Übereinkommen der AU betreffend den Schutz und die Unterstützung von Binnenvertriebenen in Afrika vom 23.10.2009, das am 6.12.2012 in Kraft trat. Hinzu tritt das zeitlich noch vor der Banjul-Charta verabschiedete Übereinkommen der OAU zu besonderen Aspekten des Flüchtlingsproblems in Afrika vom 10.9.1969, in Kraft seit dem 20.6.1976.
Ursprünglich sah die Banjul-Charta nur die Errichtung der Afrikanischen Kommission für Menschenrechte und Rechte der Völker (AKMR) vor. Die Kommission ist ein Expertengremium aus elf von der AU-Versammlung für sechs Jahre gewählten unabhängigen Persönlichkeiten (Art. 30 ff. Banjul-Charta). Sie tritt für zwei bis drei Sitzungen jährlich zusammen und hat ihr Sekretariat in Banjul, Gambia. Neben der AKMR besteht der Afrikanische Expertenausschuss für die Rechte und das Wohlergehen des Kindes, der vergleichbare Aufgaben für die erwähnte Afrikanische Kinderrechtecharta von 1990 hat. Seit 2004 besteht zudem der Gerichtshof für Menschenrechte und Rechte der Völker.
Die Banjul-Charta überträgt der Afrikanischen Kommission einerseits Aufgaben zur Förderung und Verbreitung der Menschenrechte in Afrika mit beratendem, politischem bzw. diplomatischem Charakter. Diese umfassen insbesondere Vor-Ort-Besuche, Trainingsveranstaltungen und sonstige Verbreitungsmaßnahmen sowie die Arbeit von themenspezifischen Sonderberichterstattern und Arbeitsgruppen. Außerdem besteht ein Staatenberichtsverfahren (vgl. Art. 62 Banjul-Charta). Andererseits bestehen rechtsförmige Verfahren, namentlich für Staatenbeschwerden (Art. 47, Art. 49) und sonstige Beschwerden, die sowohl von → Individuen, → Nichtregierungsorganisationen (NGOs) oder sonstigen Dritten eingereicht werden können (Art. 55 ff.). Eine besondere Unterwerfungserklärung des betroffenen Staates ist hier nicht erforderlich. Von praktischer Relevanz war bislang lediglich das jedermann offene Individualbeschwerdeverfahren.
Nach Eingang einer „Mitteilung“ entscheidet die Kommission zunächst, ob sie sich mit der Beschwerde befasst (Art. 55 Abs. 2). Ist diese Entscheidung getroffen worden, beginnt die Prüfung der Zulässigkeit anhand der in Art. 56 aufgelisteten Kriterien, zu denen das Verbot anonymer Beschwerden und die Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtswegs zählen. Zudem muss die Beschwerde innerhalb eines vertretbaren Zeitraums nach Erschöpfung des Rechtswegs eingelegt worden sein und darf nicht ausschließlich auf Informationen aus Massenmedien beruhen. Eine besondere Beschwerdebefugnis ist nicht erforderlich, Beschwerden können auch von Dritten eingereicht werden, die nicht Opfer der behaupteten Verletzung waren. In der Praxis werden Beschwerden regelmäßig durch NGOs eingereicht. Nach der Zulässigkeitsentscheidung strebt die Kommission grundsätzlich eine einvernehmliche Beilegung an. Ist dies nicht erfolgreich, tritt sie in die Begründetheitsprüfung ein. Wie bereits in der Zulässigkeitsphase kann auch hier eine Anhörung der Parteien erfolgen. Nach Art. 46 darf sich die Kommission zudem aller angemessener Untersuchungsmethoden bedienen. Art. 98 ihrer Verfahrensordnung ermächtigt die AKMR, in Fällen besonderer Dringlichkeit einstweilige Anordnungen zu treffen.
Der abschließende Bericht enthält Feststellungen über die Verletzung der Rechte, und kann Empfehlungen für Maßnahmen zur Folgenbeseitigung und Wiedergutmachung umfassen. Er ist als solcher nicht bindend, wird aber verbindlich, wenn er von der Versammlung der Staats- und Regierungschefs der AU bestätigt wird; diese entscheidet auch über die Veröffentlichung der grundsätzlich vertraulichen Verfahrensunterlagen (Art. 59 Abs. 2). Kommt der betroffene Staat den in dem Bericht enthaltenen Empfehlungen oder einer einstweiligen Anordnung nicht nach, so kann die Kommission die Angelegenheit dem Gerichtshof vorlegen (Regel 118 Verfahrensordnung der Kommission).
Maßstab für die Entscheidungen der Kommission ist in erster Linie die Banjul-Charta, aber auch die afrikanischen und internationalen Menschenrechtsverträge und sonstige Dokumente (Art. 60). Dabei bezieht sie sich in ihren Entscheidungen regelmäßig auf die Praxis der internationalen Menschenrechtsorgane, insbesondere des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte (→ AMRK) und des → Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (→ EMRK).
1998 verabschiedete die OAU ein Protokoll zur Errichtung des Afrikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte und Rechte der Völker. Das Protokoll trat 2004 in Kraft und hat mittlerweile 26 Vertragsparteien; der Gerichtshof hat 2007 seine Arbeit in Arusha, Tansania, aufgenommen und 2009 sein erstes Urteil erlassen. Ihm gehören elf Richter an, die die verschiedenen in Afrika vorherrschenden Rechtssysteme und die Regionen angemessen repräsentieren müssen.
Der Gerichtshof ist für streitige Verfahren zuständig, die von der Kommission, von einem Vertragsstaat des Statuts, der an einem Beschwerdeverfahren vor der Kommission beteiligt war oder Heimatstaat eines Opfers ist oder einer afrikanischen zwischenstaatlichen Organisation eingeleitet werden können (Art. 5 Abs. 1 des Statuts). In diesen Fällen ist keine gesonderte Unterwerfungserklärung erforderlich. Darüber hinaus können auch Einzelpersonen und NGOs eine Klage einreichen (Art. 5 Abs. 3 des Statuts). Eine solche ist jedoch nur zulässig, wenn der betreffende Staat eine entsprechende Erklärung abgegeben hat (Art. 36 Abs. 4 des Statuts) – derzeit haben dies lediglich 5 Staaten getan. Unter Verweis auf diese Vorschriften und deren separate Rechtspersönlichkeit wies der Gerichtshof auch eine gegen die AU selbst gerichtete Klage als unzulässig zurück (AGMR, Femi Falana ./. African Union, Urteil vom 26.6.2012, Beschwerde 001/2011).
Auch der Gerichtshof beschränkt sich bei der Prüfung der Begründetheit einer Beschwerde nicht auf die Banjul-Charta, sondern zieht daneben sonstige regionale (s. III. 1.) und internationale Menschenrechtsverträge heran, soweit diese für den betroffenen Staat verbindlich sind (Art. 7 des Statuts). Zu Beginn des Verfahrens, das grundsätzlich eine mündliche Verhandlung vorsieht, wirkt der Gerichtshof auf eine einvernehmliche Beilegung hin. Urteile sind verbindlich und können die Zahlung von Schadensersatz oder Folgenbeseitigung anordnen. Die Überwachung der Urteilsumsetzung obliegt dem Exekutivrat der AU. Im Rahmen eines streitigen Verfahrens hat der AGMR zudem die Möglichkeit, vorläufige Maßnahmen anzuordnen (Art. 27 Abs. 2 des Protokolls).
Außer für streitige Verfahren ist der Gerichtshof auch zuständig für die Erstellung von Gutachten über die Auslegung der Banjul-Charta oder eines anderen einschlägigen Menschenrechtsinstruments. Nur die AU, eines ihrer Organe, ein Mitgliedstaat oder eine von der AU anerkannte afrikanische zwischenstaatliche Organisation können ein Gutachtenverfahren einleiten (Art. 4 des Statuts).
Bemerkenswert ist, trotz der Zweistufigkeit des Beschwerdesystems, der in Regel 114 der Verfahrensordnung der Kommission und in Art. 2, 6 und 8 des Statuts des Gerichtshofs verankerte Grundsatz der Komplementarität, der eine echte Kooperation ermöglicht, aber auch voraussetzt. Tatsächlich findet in der Praxis eine enge Abstimmung zwischen beiden Organen statt – und zwar sowohl in formeller als auch in informeller Hinsicht.
Die 2000 verabschiedete Gründungsakte der AU sah die Errichtung eines Afrikanischen Gerichtshofs der AU nach Maßgabe eines besonderen Protokolls vor, das am 11.7.2003 unterzeichnet und am 11.2.2009 in Kraft getreten, aber nie faktisch umgesetzt wurde. Zur Vermeidung der Koexistenz zweier Gerichtshöfe unter dem Dach der AU wurde daher am 1.7.2008 ein Protokoll über die Fusion der beiden Gerichtshöfe zum Afrikanischen Gerichts- und Menschenrechtsgerichtshof (African Court of Justice and Human Rights) als Hauptrechtsprechungsorgan der AU beschlossen. Der einheitliche Gerichtshof umfasst zwei Sektionen mit jeweils acht Richtern – eine allgemeine und eine für → Menschenrechte. Dieses Protokoll ist noch nicht in Kraft getreten; von den hierfür erforderlichen 15 Staaten haben bislang lediglich 5 das Protokoll ratifiziert.
Das Stocken des Ratifizierungsprozesses ist möglicherweise mit Überlegungen innerhalb der AU zu erklären, die Zuständigkeit des geplanten einheitlichen Gerichts zu erweitern und eine weitere Sektion für → Völkerstrafrecht zu errichten. Der Entwurf eines entsprechenden Protokolls wurde 2012 vorgelegt, die Staats- und Regierungschefs der AU haben eine Entscheidung jedoch vertagt und die Kommission beauftragt, die finanziellen und organisatorischen Implikationen einer solchen Erweiterung zu prüfen.
Die Banjul-Charta und das auf ihr gründende afrikanische Menschenrechtssystem waren erkennbar von den Vorbildern in Europa und Amerika inspiriert. In mancher Hinsicht bedeutete sie eine Weiterentwicklung, v.a. hinsichtlich der gleichberechtigten Kodifizierung von Menschenrechten der zweiten und vor allem der dritten Generation, des uneingeschränkten Klagerechts von NGOs, der Inbezugnahme sonstiger menschenrechtlicher Verträge und der besonderen Hervorhebung von Gesamtsituationen schwerer oder systematischer Menschenrechtsverletzungen (Art. 58 Banjul-Charta). In Fällen solcher Gesamtsituationen kann die Kommission diese entweder der Versammlung der Staats- und Regierungschefs und dem Friedens- und Sicherheitsrat der AU vorlegen oder die Situation direkt an den Gerichtshof überweisen (Regel 84 der Verfahrensordnung der Kommission). In anderer Hinsicht blieb das afrikanische System jedoch weit hinter seinen Inspirationsquellen zurück, insbesondere in Bezug auf das Durchsetzungssystem: Der Gerichtshof wurde erst mit deutlicher Verspätung überhaupt eingesetzt, ersetzt jedoch nicht die Kommission, sondern ergänzt sie, so dass der Zugang Einzelner zum Gericht in Ermangelung entsprechender Unterwerfungserklärungen nur in wenigen Fällen gewährleistet ist.
Überhaupt zeigt der Blick auf die Praxis der mit der Durchsetzung der Charta beauftragten Organe, dass die Rechtsprechung noch keine den interamerikanischen oder europäischen Organen vergleichbare Entwicklung nehmen konnte. Die Kommission hat bislang (2012) etwa 200 abschließende Entscheidungen veröffentlicht, der Gerichtshof hingegen erst 13 Fälle abgeschlossen. Von diesen ist die ganz überwiegende Zahl für unzulässig erklärt worden, zehn weitere sind noch anhängig. Und die überwiegende Zahl der von der Kommission behandelten Fälle wurde nicht von Einzelpersonen, sondern von afrikanischen oder internationalen NGOs eingereicht. Ganz offensichtlich steigt aber die Zahl der Entscheidungen, so dass eine weitere Zunahme der Rechtsprechung und damit ein steigender Einfluss erwartet werden kann. Von mindestens ebenso großer Bedeutung wie die Rechtsprechung ist die sonstige Arbeit der Kommission zur Förderung und Verbreitung der Menschenrechte in Afrika. Der gegenwärtige Entwicklungsstand des Menschenrechtsschutzsystems in Afrika ist in jedem Fall Ausdruck der besonderen wirtschaftlichen und politischen Situation des Kontinents. Es gilt, den erreichten Standard zu wahren und zu verteidigen, um die wichtige Ausstrahlungswirkung der Banjul-Charta und ihrer Schutzmechanismen auf die politische Entwicklung zu garantieren.
A › Aggression (Straftatbestand) (Peter Dreist)
I.Einleitung
II.Die Entwicklung zum Aggressionstatbestand
1.Vorgaben zur friedlichen Streitbeilegung
2.Verbrechen gegen den Frieden im IMG- und IMGFO-Statut
3.Vorgaben der UN-Charta
4.GA-Res 3314 (XXIX) vom 14.12.1974
5.Römisches Statut vom 17.7.1998
6.Kampala-Überprüfungskonferenz
III.Äußere Tatseite
1.Der staatliche Aggressionsakt
2.Das Aggressionsverbrechen
a)Völkergewohnheitsrecht
b)IStGH-Statut
3.Die de minimis-Schwelle (Offenkundigkeit)
4.Beschränkung auf Führungspersonal
5.Versuch und Vorbereitungshandlungen
6.Beteiligung
IV.Innere Tatseite
V.Ausübung der Gerichtsbarkeit
VI.Der doppelte In-Kraft-Setzungs-Mechanismus
VII.Ausblick
K. Ambos, Das Verbrechen der Aggression nach Kampala, ZIS 2010, 649; St. Barriga, Der Kompromiss von Kampala zum Verbrechen der Aggression – Ein Blick aus der Verhandlungsperspektive, ZIS 2010, 644; D. Blumenwitz, Das universelle Gewaltanwendungsverbot und die Bekämpfung des grenzüberschreitenden Terrorismus, BayVBl. 1986, 737; Y. Dinstein, Aggression, EPIL, 2009; K. Schmalenbach, Das Verbrechen der Aggression vor dem Internationalen Strafgerichtshof: Ein politischer Erfolg mit rechtlichen Untiefen, JZ 2010, 745; St. Haumer/L. Marschner, Der Internationale Strafgerichtshof und das Verbrechen der Aggression nach Kampala – Zu den neuesten Ergänzungen im IStGH-Statut und ihren Auswirkungen auf das deutsche Strafrecht, HuV-I 2010, 188; H.-P. Kaul, International Criminal Court (ICC), EPIL, 2008; ders., Von Nürnberg nach Kampala – Reflexionen zum Verbrechen der Aggression, ZIS 2010, 638; Ch. Schaller, Der Internationale Strafgerichtshof und das Verbrechen der Aggression – Durchbruch auf der Überprüfungskonferenz im Kampala?, SWP-Aktuell 45 (2010), 1; A. Verdross/B. Simma, Universelles Völkerrecht, Theorie und Praxis, 1984, 289; Resolutionen 5 und 6 der Überprüfungskonferenz von Kampala abrufbar auf der Homepage des IStGH/ICC unter http://www.icc-cpi.int/iccdocs/asp_docs/Resolutions/RC-Res.6-ENG.pdf.
Das Römische Statut für den → Internationalen Strafgerichtshof (IStGH/ICC) vom 17.7.1998 (IStGH-Statut, Sart. II, Nr. 35) dient nach seinem Präambelsatz 3 dazu, „den Frieden, die Sicherheit und das Wohl der Welt“ zu schützen. Hierzu wurde nach Artikel 5 Abs. 1 des Statuts (Artikel ohne besondere Bezeichnung sind in diesem Beitrag solche des IStGH-Statuts) die Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs auf die vier schwersten Verbrechen beschränkt, die die internationale Gemeinschaft als Ganzes berühren, nämlich → Völkermord, → Verbrechen gegen die Menschlichkeit, → Kriegsverbrechen und das hier behandelte Verbrechen der Aggression. Es ist seit Langem anerkannt, dass das Verbrechen der Aggression ein sog. „Führungsverbrechen“ darstellt. Anders als im Falle der drei anderen Völkerrechtsverbrechen soll nach dem Aggressionstatbestand nur derjenige bestraft werden, der an einem Verstoß gegen das ius ad bellum beteiligt ist, und dies auch nur dann, wenn er zu den Kräften gehört, die eine effektive Kontrolle oder die Leitung über die politischen oder militärischen Handlungen eines Staates ausüben.
Die Normierung des Aggressionstatbestandes erweist sich als eine rund hundert Jahre dauernde und von langen Pausen und scheinbar unüberwindlichen Hindernissen geprägte völkerrechtliche Entwicklung. Solange das Völkerrecht davon ausging, dass souveränen Staaten das Mittel eines Krieges als selbstverständliches Attribut zukam (ius ad bellum) und das Völkerrecht die Frage der Zulässigkeit des grenzüberschreitenden Einsatzes militärischer Mittel gar nicht zu regeln beabsichtigte, bestand weder für ein völkerrechtliches Verbot des Krieges als ultimatives Mittel der Politik noch gar für die Strafbarkeit des Einsatzes bewaffneter Gewalt in den zwischenstaatlichen Beziehungen überhaupt Raum. Wie kein anderer Straftatbestand des Völkerrechts berührt das Aggressionsverbrechen die staatliche → Souveränität und liegt damit an der Schnittstelle zwischen Politik und Recht. Anders als die anderen drei Völkerrechtsstraftatbestände ist das Verbrechen der Aggression (künftig Art. 8 bis) zudem als reines Führungsverbrechen ratione personae auf solche Täter beschränkt, die aufgrund ihrer faktischen oder rechtlichen Stellung in einem Staat in der Lage sind, die effektive Kontrolle über die politischen oder militärischen Staatshandlungen auszuüben oder entsprechende Anordnungen zu treffen (Art. 8 bis Abs. 1).
Die ersten Versuche, Krieg als Mittel der Politik im Völkerrecht zu untersagen, betrafen nur die Rechtsfragen eines völkerrechtlichen Verbots und hatten durchgreifende Mängel (→ Kriegsrecht, ius ad bellum); die Strafbarkeit eines solchen Verstoßes wurde hingegen nicht normiert.
Das wegen des Verstoßes gegen das strafrechtliche Rückwirkungsverbot und als einseitiges Siegerdiktat kritisierte IMG-Statut vom 8.8.1945 normierte erstmals in der Geschichte des Völkerrechts die Strafbarkeit eines „Verbrechens gegen den Frieden“. Nach Art. 6a IMG-Statut wurde das Planen bzw. die Vorbereitung und Einleitung oder Durchführung eines Angriffskrieges oder eines Krieges unter Verletzung internationaler Verträge, Abkommen oder Zusicherungen oder die Beteiligungen an einem gemeinsamen Plan oder an einer Verschwörung zur Ausführung einer der vorgenannten Handlungen unter Strafe gestellt. Zur völkerrechtlichen Zielvorstellung, Kriege zu verhüten, führte Robert H. Jackson, Richter am US Supreme Court und Chefankläger von Nürnberg, am 21.11.1945 in seinem Eröffnungsplädoyer aus: „Aber der letzte Schritt, periodisch wiederkehrende Kriege zu verhüten, die bei internationaler Gesetzlosigkeit unvermeidlich sind, ist, die Staatsmänner vor dem Gesetz verantwortlich zu machen. (…) Dieses Gesetz wird zwar hier zunächst nur auf deutsche Angreifer angewandt, es schließt aber ein und muss, wenn es von Nutzen sein soll, den Angriff jeder anderen Nation verdammen, nicht ausgenommen die, die jetzt hier zu Gericht sitzen.“ Mit dem IMG-Statut und ebenso mit Art. 5a des IMGFO-Statuts und dem KRG 10 (→ Völkerstrafrecht) wurde der Angriffskrieg als völkerrechtswidriger Krieg verboten.
Heute gilt völkerrechtlich auf der Ge- und Verbotsebene das sog. „universelle“ → Gewaltverbot gem. Art. 2 Ziff. 4 der Charta der → Vereinten Nationen (UN-Charta, Sart. II, Nr. 1), das militärische Gewaltanwendung oder ihre Androhung in den zwischenstaatlichen Beziehungen verbietet. Zur Strafbarkeit eines Verstoßes gegen das universelle Gewaltverbot äußert sich die UN-Charta nicht. Sie unterscheidet begrifflich allerdings zwischen einem „Aggressionsakt“ (act of aggression), der in Art. 39 UN-Ch. einer Bedrohung (threat to the peace) oder einem Bruch des Friedens (breach of the peace) gleichgestellt wird, und ermöglicht, dass der UN-Sicherheitsrat Kapitel VII-Maßnahmen nach Art. 41 ff. UN-Ch. ergreift (→ System kollektiver Sicherheit), und dem grundsätzlich unabhängig vom Sicherheitsrat bestehenden naturgegebenen Recht der Staaten zur individuellen und kollektiven → Selbstverteidigung, das in Art. 51 UN-Ch. anerkannt, aber nur durch einen „bewaffneten Angriff“ (armed attack) ausgelöst wird.
Nach langen Diskussionen und Verhandlungen bezüglich einer Definition des Begriffs „bewaffneter Angriff“ konnte sich die → Generalversammlung der Vereinten Nationen am 14.12.1974 in ihrer Aggressions-Resolution (Sart. II, Nr. 5) lediglich auf eine Bestimmung des Begriffs der „Angriffshandlung“ (act of aggression), nicht jedoch auf eine Definition des Begriffs „bewaffneter Angriff“ (armed attack) einigen, wobei diese Resolution der Generalversammlung ohnehin nur eine Empfehlung, aber kein bindendes Recht und außerdem ein politisches Statement darstellt, das den Sicherheitsrat bei seinen Entscheidungen nach Kapitel VII der UN-Charta unterstützen sollte, aber nicht als materielle strafrechtliche Regelung konzipiert war oder dienen sollte. Die Begriffe „bewaffneter Angriff“ einerseits sowie „Angriffshandlung“ andererseits werden in der Charta in unterschiedlichen Zusammenhängen benutzt, werden nicht als identisch angesehen und entsprechen sich mithin inhaltlich definitionsgemäß nicht. So gelten bei einem „bewaffneten Angriff“ strengere Voraussetzungen als bei einer „Angriffshandlung“. Demnach ist eine verbotene Gewaltanwendung eines Staates, die noch unterhalb der Schwelle des bewaffneten Angriffs im Sinne des Art. 51 UN-Ch. bleibt, eine solche, die den bedrohten Staat noch nicht ermächtigt, von seinem Recht auf bewaffnete Selbstverteidigung Gebrauch zu machen, gleichwohl aber nach Art. 8 bis ein Aggressionsverbrechen darstellen kann. Inkonsequent ist auch der Inhalt des Art. 3 der GA-Resolution 3314: Die Tatbestände des Art. 3 lit. a – d können tatsächlich als Beispiele für eine „armed attack“ angesehen werden. Demgegenüber stellten die Tatbestände des Art. 3 lit. e – g eher Beispiele für einen „act of aggression“ dar.
bisbister