ISBN: 978-3-96415-079-0
1. Auflage 2019
Copyright © 2019 by Wild Books (Imprint des Latos Verlags), Wilhelm-Loewe-Str. 34, 39240 Calbe
Wild Books
Dein neues Label für aufregend erotische Lovestories
Titel Erstausgabe (2016): Moskitos küsst man nicht
Lektorat: N. Döhling, Plauen
Titelbild: © Depositphotos - smithore; Igor Vetushko; dani3315
Titelbilddesign: Grittany Design
Alle Rechte vorbehalten.
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Sidney
Mit beiden Händen reiße ich die Türen meines Kleiderschranks auf. Er nimmt eine komplette Wand des Schlafzimmers ein, trotzdem bietet er nicht genug Platz für meine Sachen, sodass ich einen weiteren Schrank im Flur aufstellen lassen musste.
Durch die Trennung von Ben hätte der Platz im Schlafzimmerschrank problemlos ausreichen müssen, tut er jedoch nicht. Denn nachdem seine Sachen, wie er selbst, aus meinem Leben verschwunden waren, habe ich über Monate hinweg die Lücken, die seine fehlenden Shirts, Hemden und Anzüge hinterlassen haben, mit neuen Kleidern gefüllt. Neben rauschenden Partys ist das für mich der einzige Weg gewesen, diesen vermaledeiten Liebeskummer in den Griff zu bekommen. Und es hat gewirkt.
Jetzt, sechs Monate später, denke ich nur noch selten an Ben, ohne den niederdrückenden Schmerz, von dem ich anfangs dachte, er würde niemals nachlassen. Ich bin über die Trennung hinweg und es geht mir besser. Auch wenn mein Kleiderschrank aussieht, als wäre darin ein Regenbogen explodiert.
Ich greife in den Schrank hinein und ziehe ein weißes Cocktailkleid heraus. Den Bügel auf Höhe meines Brustkorbs haltend, drücke ich das Kleid mit einer Hand an meinen Körper und drehe mich vor dem mannshohen Standspiegel von einer Seite zur anderen. Die schmale zweireihige Silberkette, die mehr Accessoire denn Gürtel ist, rutscht von dem Haken am Bügel und fällt auf den dicken Teppichboden unter meinen Füßen.
»Was meinst du, Pepe?« Ich wende mich vom Spiegel ab und sehe Beifall heischend zu dem Malteser, der es sich auf der gepolsterten Bank am Fußende des Bettes gemütlich gemacht hat. »Das kann ich doch sicherlich mitnehmen, oder?« Pepe hebt den Kopf, blinzelt mich unter dem akkurat geschnittenen Pony hervor an und wedelt mit seiner buschigen Rute. »Das nehme ich als ein eindeutiges Ja.«
Fünf Monate ist es her, dass ich Pepe adoptiert habe. Wie hätte ich ihm auch widerstehen sollen? Diesem fluffigen kleinen Fellknäuel, das mich aus riesigen Knopfaugen durch das Schaufenster der Tierhandlung angesehen hat. Und das wirkte, als wolle es sich genauso wenig einsam fühlen wie ich.
Ich sammle die Silberkette vom Boden auf, laufe um die Bank herum und lege das Kleid vorsichtig in einen der beiden limettengrünen Hartschalenkoffer, die offen auf meinem Bett liegen. Ein dritter Koffer liegt geöffnet auf dem Boden daneben, weil ich für ihn keinen Platz auf dem Bett gefunden habe. Denn es handelt sich nicht um ein Bett mit XXL-Maßen, sondern nur um ein Futon-Himmelbett, das jedoch aussieht, als hätte der Möbeldesigner es einem Mädchentraum entnommen. Verschnörkelte Blumenranken schlängeln sich an den vier Pfosten nach oben und verschwinden unter einem cremeweißen Baldachin, der fast die Zimmerdecke berührt.
Unschlüssig sehe ich von den Koffern zum Schrank. Ob drei ausreichen? Schließlich steht noch immer nicht fest, für wie lange ich die Stadt verlassen werde. Vielleicht wäre es eine gute Idee, auf Nummer Sicher zu gehen.
Ich hole den vierten Koffer aus der Abstellkammer im Flur und stelle ihn neben der Bank ab, auf der Pepe leise schnarchend vor sich hin schlummert. Dann wende ich mich wieder meinem Schrank zu und wühle mich durch das bunte Sammelsurium an Kleidern, Röcken, Blusen und Tuniken. Das ozeanblaue Seidenkleid, das exakt die gleiche Farbe hat wie meine Augen, und der rosafarbene Traum aus Crêpe Georgette müssen auf jeden Fall mit. Denn jedes Hotel bietet seinen Gästen irgendwelche Events: Musicals, Konzerte, Galas – darauf will ich vorbereitet sein. Selbst wenn mein Hotel keine Events bieten sollte - was eher unwahrscheinlich ist - dann lassen sich sicherlich irgendwelche Veranstaltungen im näheren Umkreis finden, die für Abwechslung sorgen werden.
Nachdem ich meine Lieblingsstücke in den Koffern verstaut habe, greife ich wahllos in den Schrank hinein. Eine halbe Stunde später ragen drei Kleidertürme aus den Halbschalen heraus und ich wechsle vom Schrank im Schlafzimmer zu dem im Flur. Ich ziehe einen wadenlangen Mantel vom Kleiderbügel und halte ihn mit ausgestreckten Armen vor mich hin.
»Denken Sie dran, es wird warm«, hatte Warren Hershey am Abend zuvor am Telefon gesagt. Und das kann nur bedeuten, dass ich die nächsten Wochen, vielleicht sogar ein oder zwei Monate, in einem traumhaften Urlaubsparadies verbringen werde.
Hawaii vielleicht?
Oder Kuba?
Beide Inseln besitzen herrliche Sandstrände, und ein wenig mehr Sonne tut mir ohnehin gut, nachdem ich die letzten drei Wochen fast ausschließlich in meinem Apartment verbringen musste. Eingeschränkt auf nichts anderes als kurze Spaziergänge mit Pepe, dem Surfen im Internet, gelegentlichen Telefonaten mit meinen Eltern und dem Homeshopping-Kanal als Ablenkung. Und natürlich der Arbeit an meinem neuen Buch.
Alles nur, weil irgendein Spinner sich vor acht Wochen dazu entschlossen hat, mir Drohmails schreiben zu müssen. Sie zu ignorieren, funktionierte nur so lange, bis mein Verleger Frederick Crown die gleichen Mails bekam. Weder er noch meine Eltern ließen sich von mir davon abbringen, die Polizei einzuschalten. Sie sahen in den Nachrichten eine echte Bedrohung und nicht nur das, was sie in meinen Augen die ganze Zeit waren: Hingeworfene und bedeutungslose Sätze einer Person, die aus Langeweile jemanden verärgern oder ängstigen will, der im Interesse der Öffentlichkeit steht: mich.
Und es ärgert mich tatsächlich. Denn nur diesen schwachsinnigen E-Mails habe ich es zu verdanken, dass ich inzwischen eine Gefangene in meinen eigenen vier Wänden bin. Gefangen, weil mich die ständigen Ermahnungen durch meine Eltern, meinen Verleger und Inspector Hershey, mich besonders vorsichtig zu verhalten und auf jede Kleinigkeit zu achten, in den Wahnsinn treiben.
Ich versuche, mein Leben so zu führen wie vor dem Tag, an dem ich die erste Mail erhalten habe. Aber es funktioniert nicht. Ich bin nicht mehr so unbeschwert wie früher, auch wenn ich daran festzuhalten versuche. Zwar schaffe ich es immer wieder, die Bedrohung für kurze Zeit aus meinen Gedanken zu verbannen, aber niemals lange genug, um tatsächlich zur Ruhe zu kommen. Inzwischen muss ich mich sogar schon dazu ermahnen, nicht hinter jedem Busch oder Baum diesen Verrückten zu vermuten, sobald ich nur zum Einkaufen oder mit Pepe Gassi gehe.
Ja, ich bin verärgert, stinksauer sogar, weil dieser Mann es schafft, mir Angst einzujagen, die ich mittlerweile nicht mehr abschütteln kann und die mich beinahe erdrückt.
Da das nicht ewig so weitergehen kann, hat mir Inspector Hershey eine Auszeit angeboten. Raus aus der bedrückenden Situation und raus aus Dunedin. Irgendwohin, wo niemand mich vermutet und auch nicht so schnell finden kann. Alles ist besser, als weiter eingesperrt zu sein.
Natürlich habe ich seinem Vorschlag zugestimmt. Denn die zweite Option wäre eine Rund-um-die-Uhr-Bewachung durch einen Personenschützer gewesen, der die ganze Zeit über an mir kleben würde wie ein alter Kaugummi an einer Schuhsohle. Was ich genauso verlockend finde wie eine 3-stündige Wurzelbehandlung beim Zahnarzt. Dann doch lieber den Urlaub auf Staatskosten.
Ich hänge den Mantel zurück in den Schrank und sammle drei Strickjäckchen zusammen, die ich abends bei Spaziergängen am Strand tragen kann. Ausgedehnte Spaziergänge, die Pepe ebenso genießen wird wie ich. Sich wieder frei und nicht mehr eingesperrt fühlen. Allein der Gedanke daran zaubert mir ein glückliches Lächeln auf die Lippen.
Ich lege die Jacken auf einen der Kleiderhaufen und hole Bikinis, Badeanzüge und Unterwäsche aus der hellen Eichenholzkommode und stopfe damit die Löcher zwischen den Kleidungsstücken. Dann klappe ich die Deckel zu, schließe die Reißverschlüsse und schleppe die ersten drei Koffer in den Flur, bevor ich mich meiner größten Herausforderung vor der Abreise stelle. Der Auswahl der richtigen Schuhe.
Mein Blick gleitet über das gut gefüllte Schuhregal und ich ziehe ein Paar Riemchen High Heels heraus. »Schwarz passt zu allem«, murmle ich vor mich hin und suche nach den Pumps in Lacklederoptik und auch nach denen in Wildleder und denen mit den mit Strasssteinchen verzierten Absätzen. Die ersten vier Paar landen im Koffer und mir fällt die Entscheidung für weitere Schuhe nicht mehr ganz so schwer.
Ich gehe vor dem Schuhregal etwas in die Hocke, fahre in einem weiten Bogen mit beiden Armen in das mittlere Fach und drücke meine »Auswahl« fest an mich. Den Vorgang wiederhole ich noch zweimal, bis der Schuhkoffer gut gefüllt ist.
Ich sehe auf meine Uhr und schnalze zufrieden mit der Zunge. Soll mal noch irgendein Mann behaupten, Frauen würden es nicht schaffen, ihre Koffer innerhalb einer Stunde zu packen. Ich habe noch fast dreißig Minuten Zeit, bis ich von einem Polizisten in Zivil abgeholt werde, und nur noch meinen Kosmetikkoffer und Pepes Reisetasche zu packen.
Nachdem ich den Trolley in Rekordzeit mit meiner Kosmetik und Körperpflege vollgestopft habe, fange ich an, Pepes Sachen zusammenzusuchen. Kuschelteddy und -decke, Wasser- und Futterschüssel, Fellbürste, Shampoo, Trockenfutter, Hundekekse … Hundekekse?
»Verdammter Mist!« Ich habe vergessen, Pepes Hundekekse zu kaufen. Und ob meine Begleitung auf unserem Weg zum Flughafen an einem Geschäft anhalten wird, ist fraglich. Männer warten grundsätzlich ungern und Umwege fahren … Ich bezweifle, dass der Zivilcop dafür Zeit aufwenden wird.
Wenn es nach mir ginge, würde ich mich ohnehin allein auf den Weg machen. Ich brauche keinen Wachhund, um zum Ziel zu finden. Schließlich hat mein Smartphone GPS, damit finde ich mich überall zurecht. Aber Inspector Hershey hat darauf bestanden, dass Matthew MacKendrick, einer seiner Männer, mich persönlich abliefert.
Ich sehe auf meine Uhr und schlüpfe eilig in die rostroten Pumps, die hervorragend zu dem gleichfarbigen Zweiteiler passen, den ich anhabe. Dann greife ich nach meiner Handtasche, nehme die Leine von der schmalen Kommode neben der Wohnungstür und rufe nach Pepe. Besser, ich besorge die Hundekekse in dem kleinen Laden am Ende der Durham Street selbst. Damit gehe ich später unleidigen Diskussionen mit dem Zivilcop aus dem Weg.
* * *
Nach einem Blick auf meine Uhr steige ich mit einer Papiertüte in der Hand hastig die drei Stufen des kleinen Eckladens zum Gehweg hinab. In zehn Minuten kommt unser »Taxi« und ich bin noch nicht zu Hause. Hoffentlich ruft Matthew MacKendrick nicht gleich die Kavallerie, weil er mich nicht antrifft.
»Wir müssen uns beeilen, mein Süßer«, sage ich zu Pepe und gehe neben ihm in die Hocke, um die Leine vom Gestänge des Metallkorbs zu lösen, an dem ich ihn angebunden habe. Ich stelle die Papiertüte auf den Boden und versuche, den Knoten in der Leine auseinanderzuziehen. Aber er hat sich festgezogen und weigert sich hartnäckig, sich von mir auflösen zu lassen. Ich zerre ungeduldig an dem dünnen Band und damit an dem Metallgestänge, sodass die im Korb aufgestapelte Apfelpyramide ins Wanken gerät.
Tief atme ich durch und versuche es noch einmal. Mit Daumen und Zeigefingern greife ich nach dem verknoteten Nylonband, grabe meine Fingernägel hinein und ziehe vorsichtig. Einen Augenblick später ist Pepe frei, und wir müssen uns noch mehr beeilen.
Ich schnappe mir die Papiertüte vom Boden und laufe mit schnellen Schritten den Gehweg entlang, als ich jemanden nach mir rufen höre.
»Miss Field, bitte warten Sie!« Ich sehe mich suchend um und entdecke einen untersetzten Mann Mitte vierzig, der mit rudernden Armen hinter mir herläuft. Oder ist es eher ein Winken? Seine blonden Haare sind verstrubbelt und ein Drei-Tage-Bart bedeckt Kinn und Wangen. Das weiße T-Shirt und die Jeans sind zerknittert, als hätte er mehrere Nächte darin geschlafen. Insgesamt wirkt er eher ungepflegt. Und ich habe keine Ahnung, was er von mir wollen könnte.
Außer Puste kommt er bei mir an und stemmt eine Hand in die Seite, als hätte er Schmerzen. »Meine Güte. Ich hätte ja nicht gedacht, dass Frauen in High Heels ein solches Tempo draufhaben können.«
»Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein, Mr. …?«
»Sprout«, stößt er hervor und holt tief Luft. »Eugene Sprout.« Dann zieht er ein Band unter dem zerknitterten T-Shirt hervor, an dem ein Presseausweis hängt.
Das hat mir gerade noch gefehlt. Wo ich sowieso schon unter Zeitdruck stehe. Aber wie sagt Frederick immer? Stell dich mit der Presse gut. Sei immer freundlich zu ihnen, selbst wenn sie es in ihren Artikeln nicht zu dir sind und du ihnen dafür am liebsten die Augen auskratzen möchtest.
»Haben Sie einen Augenblick Zeit, Miss Field? Ich würde Ihnen gerne ein paar Fragen stellen.«
»Eigentlich habe ich keine Zeit für ein Interview.«
Stell dich mit der Presse gut.
Verdammt, Frederick! Ich setze mein bis zur Perfektion einstudiertes Lächeln auf und weise den Gehweg hinauf, wo sich das zweistöckige Haus befindet, in dem ich mein Appartement habe. »Sie können mich aber bis zur Haustür begleiten, Eugene. Die Zeit sollte reichen, Ihnen vier oder fünf Fragen zu beantworten. Reicht Ihnen das?«
»Natürlich«, beeilt er sich, mir zu versichern, und kramt in der schwarzen Bauchtasche herum, die seitlich an seiner Hüfte sitzt. Er holt ein Aufnahmegerät heraus, schaltet es ein und hält es sich vor den Mund, während ich meinen Nachhauseweg langsamer als gewollt fortsetze. »Vielen Dank, dass Sie sich für mich Zeit nehmen, Miss Field. Oder auch Terry Carson, wie Sie sich ja als Autorin nennen.«
»Sehr gern, Mr. Sprout.«
»Vor Kurzem wurde darüber berichtet, dass Sie ein Problem mit einem Stalker hätten. Konnte die Polizei den Mann endlich dingfest machen?«
»Ich würde ihn nicht unbedingt einen Stalker nennen.« Er ist vielmehr ein Drohmail schreibender Erpresser als ein Stalker, aber das will ich dem Journalisten nicht sagen, um nicht irgendwelche Gerüchte zu schüren. »Bisher – und dabei bleibt es hoffentlich auch – hat er mir nur E-Mails geschickt.«
»Macht Ihnen das keine Angst? Und was stand in diesen E-Mails? Können Sie dazu etwas sagen?«
»Nein, das kann ich nicht.«
»Weil die Polizei Ihnen davon abrät?«
»Ja, sie werden als Beweismittel für die polizeiliche Untersuchung benötigt. Und da wäre es nicht ratsam, irgendwelche Informationen über den Inhalt an die Öffentlichkeit dringen zu lassen.«
Bis die Polizei die Überwachung meines E-Mail Accounts übernommen hat, habe ich die Nachrichten immer sofort nach dem Lesen gelöscht. Das ist leichter gewesen, als mich dem Gedanken zu stellen, dass vom Absender tatsächlich eine Gefahr ausgeht. Auf diese Weise konnte ich mir einreden, dass er nichts weiter ist, als jemand, dem schlichtweg mein Buch nicht gefällt. Jetzt kann ich es nicht mehr.
Zieh das Buch zurück, oder du wirst es bereuen, hat in der ersten Mail gestanden und auch in jeder der anderen, die danach kamen. Zwar nicht immer im gleichen Wortlaut, aber es war immer ein und dieselbe Forderung, die er gestellt hat. Dabei bin ich nicht einmal dazu in der Lage, Her Velvet Dreams vom Markt zu nehmen. Das ist Fredericks Entscheidung, und mein Verleger wird sich einer Drohung ebenso wenig beugen wie ich.
»Zum Stalker und den Ermittlungen dürfen Sie mir nichts sagen. Wie sieht es aber mit den sich mehrenden Vorwürfen aus, dass aufgrund Ihres Romans die Scheidungsrate in Neuseeland angestiegen sein soll?«, will er wissen und ich muss an mich halten, nicht zu lachen. Gehen der Klatschpresse etwa die Themen aus, dass sie solchen Unsinn verbreiten?
»Wo haben Sie denn dieses Gerücht aufgeschnappt? Ich bezweifle, dass irgendjemand meinem Buch oder mir als Autorin eine Schuld zuweist, eine erhöhte Scheidungsrate zu verursachen.«
»Und wenn es doch an dem wäre? Würden Sie sich dann nicht schuldig fühlen?«
»Ein Roman kann keine Ehen zerstören. Und ich glaube nicht, dass Ehen, die vor dem Scheidungsgericht landen, tatsächlich noch funktionieren, Mr. Sprout.«
»Warum wird dann immer wieder von betroffenen Männern ausgerechnet Ihr Buch als Grund angeführt, dass ihre Ehefrauen das Weite suchen? Können Sie mir das erklären, Miss Field?«
Langsam aber sicher wird das Gespräch unangenehm, weil er von diesem absurden Thema nicht abweichen will. Aber das darf und werde ich ihm keinesfalls zeigen. Ich habe mich noch nie von einem Journalisten mit unangenehmen Fragen verunsichern lassen. Ausgerechnet heute werde ich damit auch nicht anfangen.
Ich ziehe Pepe, der neugierig an einem Feuerhydranten schnüffelt und damit das ungeplante Interview in die Länge zieht, hinter mir her und schenke dem Reporter ein strahlendes Lächeln. »Weil es immer leichter ist, jemand anderem die Schuld zuzuweisen, als sie bei sich selbst zu suchen.«
Der weiße Holzzaun meines Zuhauses kommt in Sichtweite und ich beschleunige meine Schritte. Nur noch ein paar Meter, dann bin ich Eugene Sprout los.
»Also sind Ihrer Meinung nach grundsätzlich die Männer schuld?«, will er wissen und hält mir das Aufnahmegerät so dicht vor das Gesicht, dass es beinahe meine Nase berührt.
Energisch schiebe ich seine Hand ein Stück zurück und schüttle den Kopf. »Das habe ich nicht gesagt, und das wissen Sie auch. Aber wenn diese Männer, von denen Sie sprechen, vielleicht etwas mehr Mühe in ihre Beziehungen investiert hätten, dann wären ihre Ehen eventuell auch nicht gescheitert.«
»Eine gewagte Aussage von einer Frau, deren mehrjährige Beziehung erst vor ein paar Monaten gescheitert ist. Und das auch erst, nachdem Ihr Buch veröffentlicht wurde.«
Ich beiße die Zähne zusammen, um eine schnippische Bemerkung zurückzuhalten. Denn jetzt wird er persönlich. Ich hasse es, wenn es persönlich wird. Es geht niemanden etwas an, warum wir uns getrennt haben. Dass Ben es nicht ausgehalten hat, noch länger von seinen Kollegen verspottet und aufgezogen zu werden, weil ich einen erotischen Roman veröffentlicht habe und damit sogar mehr verdiene als er in der Anwaltskanzlei seines Vaters.
»Sind Ihre Vorstellungen vom perfekten Mann so utopisch, dass keiner sie erfüllen kann, Sidney? Ist das der Grund gewesen?«, bohrt er nach und ich bereue, dass ich mich an Fredericks Devise halten und mich ihm gegenüber freundlich zeigen muss. In diesem Moment will ich ihm tatsächlich die Augen auskratzen. »Sind Ihre Ansprüche an die Männerwelt tatsächlich so überzogen?«
Ganz sicher nicht, würde ich ihm am liebsten an den Kopf werfen, behalte mein aufgesetztes Lächeln jedoch bei und schiebe die Pforte auf.
Meine Wünsche unterscheiden sich nicht von denen anderer Frauen. Nur hat sich mein Prinz leider in einen Frosch verwandelt. Ben war schlicht und ergreifend nicht der richtige Mann für mich, auch wenn ich das eine Zeit lang geglaubt habe. Ich habe sogar schon die Hochzeitsglocken läuten hören und mich mit einem traumhaften Hochzeitskleid am Altar stehen sehen. Aber leider haben es Träume hin und wieder an sich, wie Seifenblasen zu platzen. Der mit Ben war so ein Traum.
Ich stecke den Schlüssel ins Türschloss, drehe mich zu dem Journalisten um und heuchle Bedauern, das er mir hoffentlich als echt abnimmt. »Tut mir leid, dass ich Ihnen keine weiteren Fragen beantworten kann, Mr. Sprout. Aber ich habe wirklich keine Zeit mehr.«
Eugene folgt mir trotzdem, sodass ich mich mit dem Rücken gegen die Tür pressen muss, um weiterhin genügend Abstand zwischen ihm und mir zu halten. Er kommt mir so nah, dass ich den schalen Geruch nach Zigarette gemischt mit Kaffee in der Nase habe. Flavored Coffee, Amaretto und Minze. Eine widerliche Mischung, die mir einen Schauer über den Rücken jagt.
Er scheint etwas sagen zu wollen, zuckt aber zurück, als hinter ihm am Straßenrand ein Wagen mit quietschenden Reifen zum Stehen kommt.
»Miss Field?« Eine Autotür wird zugeschlagen. »Ist alles in Ordnung mit Ihnen?«
»Alles bestens.« Mein Blick wandert von dem lästigen Reporter vor mir zu dem Mann, der über den schmalen Plattenweg auf mich zugelaufen kommt. Bei ihm kann es sich nur um Matthew MacKendrick handeln, den Mann, den Inspector Hershey als meine Begleitung für die Reise angekündigt hat. Das dunkelbraune Haar locker nach hinten gekämmt, wirkt er mit seinem lässigen Lederjacke- und Jeans-Look ganz und gar nicht wie der steife Polizist, den ich erwartet habe. »Mr. Sprout ist Journalist und hat mir nur ein paar Fragen gestellt.«
»Für Interviews ist jetzt keine Zeit.« Er drängt Eugene mit einem unverbindlichen Lächeln beiseite, öffnet die Tür und lässt mir den Vortritt ins Haus. Erleichtert atme ich aus. Nicht nur wegen des unangenehmen Geruchs, den Mr. Sprout verströmt hat, sondern auch, weil er mich körperlich bedrängt hat.
Nachdem die Haustür hinter uns zugefallen ist, hebt Matthew Pepe vom Boden auf und klemmt ihn sich kurzerhand unter den Arm. Dann weist er mit dem Kinn die Treppe zu meinem Apartment hinauf.
»Ich hoffe, Sie haben Ihre Koffer schon fertig gepackt, Sidney. Es gibt keine Zeit zu vertrödeln und ich habe keine Lust, den Flug zu verpassen.«
Und ich bin froh, dass ich noch schnell Pepes Hundekekse besorgt habe. Nie im Leben hätte er dafür irgendwo einen Zwischenstopp eingelegt.