»Die heutige Novelle ist die
Schwester des Dramas und die
strengste Form der Prosadichtung.«
(Theodor Storm 1881)
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© 2019 Erk F. Hansen
Herstellung und Verlag:
BoD - Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 978-3-752-80770-7
O Mensch,
Bewein dein suende groß / hast unschuld umbgekehret
Dein eigen schuld niht siehst / an dem was boese sy
Was andern du getan / des wirstu niemals fry
Dieweil dein gravsam tun / diu niedertracht vermehret.
Die ehstens du geliebt / die sind zu schanden worden
Und gar nun sie, die lieb / gebracht sie hast in not
Durch falschen sinn beklagt / sie leidet bittern tod
Ihr leib der marter bloß / der hencker wird sie morden.
Nun ist es laengst zu spat / zu hülff und rettung eilen
Geschehen ist die tat / in trawren mußt du weilen:
Vernimbst du yhre klag / als eine innre stimm?
Ihr hoffen schrie nach dir / verzweiflung nur im hertzen
Kein troestung wurde ihr / zerschunden gar in schmertzen:
Verfluchet sey dein tag / der seelen ruh dir hin!
»Aua!« – Gundel hatte unvorsichtiger Weise das Stück Holzkohle, das beim Schüren des Herdfeuers auf den Boden gefallen war, aufnehmen und zurückwerfen wollen, dabei aber nicht bemerkt, dass es im Innern noch glühte, und so hatte sie sich jetzt die Spitzen von Daumen-, Mittel- und Zeigefinger der linken Hand verbrannt. »Schnell, tue deine Hand in den Wassereimer«, riet die Mutter, und Gundel tauchte die Finger in das kühle Wasser des Eimers, der stets am Herd stand - das tat gut. »Dummchen«, schimpfte die Mutter, lächelte aber dabei, »das kann auch nur dir passieren. Ist es schlimm?« Gundel, die auf dem Boden hockte und der Mutter beim Bereiten des Abendessens zusah, schüttelte den Kopf: »Ach nein, Mama, es geht schon.«
In Dunsum geboren, war Gundel das einzige Kind des Ehepaars Knutzen, jetzt in Nieblum wohnhaft, geblieben; zwei nachfolgende Geschwister waren kurz nach der Geburt gestorben, so dass sie, mittlerweile 9 Jahre alt, geschwisterlos aufwuchs. Sie liebte es, am warmen Herd zu sitzen, wenn ihre Mutter kochte - der Vater kam ja immer spät nach Hause von seiner Arbeit -, und mit ihr zu klönen. Zwar musste auch sie schon viel im Haushalt mithelfen, aber das Essenmachen hatte die Mutter sich vorbehalten, und Gundel war nicht böse darum, vor allem, weil sie immer Abschmecken durfte, manchmal so oft, bis sie schon halb satt war oder aber die Mutter ihre Absicht bemerkte. »Mein Mondkind« nannte ihre Mutter sie meist liebevoll, denn sie war in der Vollmondnacht des letzten Novembertages 1591 zur Welt gekommen und die Mutter hatte das stets als ein gutes Omen betrachtet, auch wenn – oder vielleicht gerade weil – Gundels Großmutter väterlicherseits am gleichen Tag im Nebenzimmer des Hauses an ihrer Altersschwäche gestorben war. »Ein Leben für das andere«, pflegte sie zu sagen.
Die Familie wohnte auf der königlich-dänischen Seite des Dorfes, Gundel brauchte kaum fünf Minuten zu Fuß, um den Strand zu erreichen, der ihr Lieblingsspielplatz war – neben dem Hof von Bauer Marcus Hansen natürlich, der eine Tochter im gleichen Alter wie sie hatte, so dass Gundel es kaum als Nachteil empfand, kein Geschwisterkind neben sich zu haben, denn Kreske – so hieß die Tochter von Bauer Hansen – war wie eine Schwester für sie, und deren kleiner Bruder Nickels war ihr wie ein eigener kleiner Bruder, zwar oft nervig, da er immer mit ihnen, den größeren Mädchen, spielen wollte, aber sonst ein freundlicher Junge, den sie gut leiden konnte.
Die Hansens hatten auf ihrem Hof, der in der Nachbarschaft lag, etliche Kühe, Schweine, Hühner und ganz viele Gänse. In der Marsch besaß Kreskes Vater viele Felder, die er als Gräsungsland für seine Kühe oder als Meedeland für das Einbringen von Heu für die Winterfütterung nutzte. Doch auch auf der Geest baute er auf dem Täglichland Gerste und Roggen an; das wenige Heideland, das noch dazukam, blieb weitgehend ungenutzt, hier waren für sie und Kreske oft die schönsten Blumen zu finden. – Reich waren sie, die Hansens, und manchmal wurde Gundel dies schmerzlich bewusst, wenn sie, was öfters vorkam, bei der Familie von Kreske mit zu Mittag aß – wie reichhaltig dort alles war! Ihre Familie besaß kein Land und war darauf angewiesen, als zusätzliche Nahrungsquelle den Fischfang zu nutzen, indem ihre Eltern, wie auch andere arme Leute, mit Geflechten aus Weidenruten den Garnelen und Schollen den Rückweg aus den Prielen ins Meer abschnitten, um sie sodann, knie- oder sogar hüfttief im kalten, salzigen Wasser stehend, zu stechen oder mit feinen Netzen einzufangen. - Gundels Vater arbeitete als Tagelöhner auf dem Hof mit, ihre Mutter verdiente als Näherin dazu, indem sie für andere Leute, vor allem von der herzoglichen Seite des Dorfes – der nördliche Teil Nieblums mit der großen St. Johannis-Kirche gehörte zur Osterharde Föhr, die den Herzögen von Schleswig-Gottorf unterstand, während sie der Westerharde zugerechnet waren -, aber auch für Leute aus dem Nachbardorf Goting deren Kleidung ausbesserte oder auch einmal den Auftrag bekam, eine neue Hose oder ein neues Kleid zu schneidern; hierin war ihre Mutter sehr geschickt und sie hielt auch ihre Tochter dazu an, das Nähen und Schneidern zu lernen, wenn Gundel sich dafür auch noch nicht recht begeistern konnte.
Nieblum war das einzige Dorf auf Föhr, das derart geteilt war, und dies brachte manchmal Unannehmlichkeiten mit sich, vor allem, wenn es zu Streitigkeiten zwischen den Bewohnern der verschiedenen Seiten kam: Für die »Herzoglichen« galt die »Carolina« Karls V. von 1532, für die »Königlichen« das »Jütske Lov« von 1241, und beide widersprachen sich zum Teil, was auch Gundels Mutter schon erfahren hatte, wenn es um säumige Zahler ihrer Arbeit ging. Außerdem musste man sagen, dass es die Menschen auf der »herzoglichen Seite« insgesamt besser hatten als die auf der »königlichen Seite«, was überhaupt für die Oster- und Westerharde galt, in die Föhr geteilt war, so dass auch hieraus manchmal Neid und Missgunst entsprang.
Die Verwandtschaft wohnte aber wie sie in der Westerharde, drüben in Dunsum und Utersum – ihre Mutter war eine gebürtige Utersumerin und hatte ein Jahr vor Gundels Geburt ihren aus Nieblum stammenden Vater geheiratet -, und Gundel liebte es, zusammen mit ihren Eltern zu Fuß zu den Großeltern nach Utersum zu gehen, wie es meistens am Sonntag nach der Kirche der Fall war, sofern das Wetter mitspielte, denn Gundel verstand sich mit ihren Großeltern gut und ließ sich gerne von ihnen verwöhnen.
*
An freien Nachmittagen, wenn es Sommer geworden, lief sie ins Feld hinaus, wo es ihr zunächst lag, nach Norden hinter der großen Kirche. War die Gegend auch öde, soweit die Äcker reichten, nur breite Wege von kahlem Sande eingefasst, in denen am Rande Ginster blühte oder ein Gagelstrauch seinen würzigen Duft verbreitete, so war es doch ein anderes als zu Hause. Wenn nur ein brauner oder goldgrüner Sandkäfer vor ihr herflog, oder gar ein Wiesel oder Igel vorüberlief, so war es ein Erlebnis, das sie abends zu Hause zu erzählen hatte. Am schönsten war es fast, wenn dort hinter den Knicks die kleinen, blassroten Immortellen blühten; dann pflückte und wand sie sie zu schönen Kränzen.
Sie mochte 10 Jahre oder ein halbes weniger zählen, da ging sie eines Nachmittags einmal nach Westen statt nach Norden. Auch hier lag vor ihr die weite Fläche der Marsch mit ihren schmalen Wegen und wassergefüllten Gräben. Von dem jetzt fast eine Meile entfernt liegenden Dorfe konnte sie jedes Haus erkennen, am Nordrande die Kirche mit dem hohen, roten Turm, sogar die Fenster in demselben. Kaum fünfzig Schritte hatte sie getan, da stand sie still und sah sich um. Sie strich mit ihren schmalen Händen die Fülle rotblonden Haars zusammen, die ihr tief unter dem Nacken herabfiel. Als sie das im Sommerhauch wehende Band darüber wieder in eine feste Schleife knüpfte, lief eine Amsel mit zierlichen Schritten über den Weg. Sie nickte nach ihr hinüber, dass sie aufflog. Ein Neuntöter flog krächzend neben ihr aus einem Hagedorn, und sie trat näher, um nach einem Nest zu sehen. Aber ihre Augen hefteten sich starr auf einen Dorn, an welchem eine aufgespießte Biene noch die Flügel regte. Gundel hob sich neugierig auf den Zehen, um das vergebliche Arbeiten des gespießten Insekts zu betrachten, und schon hatte sie es abgenommen und ihm mit dem Fuße einen raschen Tod gegeben. »Pfui, das ist grausam!« rief sie aus.
Die weite, flache Marsch lag offen vor ihr. Nur erst ein grüner Schimmer flog darüber her, es war Ende Mai. Aber fern am Horizonte zitterte die Luft in weißen Wellen. Ihr zur Linken lag ein kleines Wasser, an dessen Rande zwischen Mummeln eine gelbe Iris blühte. Neben ihr war eine völlig kahle Stelle, doch ringsumher blühte eine Flut von jenen kleinen Immortellen, die sie so oft gepflückt hatte. Das Mädchen strich mit seinen Händen darüber hin und wider, als wühle sie in einem Reichtum. Sie riss eine Handvoll roter Blüten ab und hielt sie an ihr langes blondrotes Haar: »Die lassen hübsch!« Und ihre weißen Zähne blitzten durch die roten Lippen. Ein Schwarm von Krähen zog lautlos über sie hinweg und weiter in die flimmernde Ferne. Sie machte sich eifrig daran, ihre Schürze mit den roten Blüten vollzupflücken und steckte einen Strauß der glühendsten sich in ihr schimmerndes Haar; ihre flinken Hände banden die Blumen zu Sträußen und Kränzen. Endlich war sie fertig. »Nun komm«, sagte sie sich, streifte die Kränze über ihre Hand und ging.
Zu Hause stand sie drinnen in der dämmerigen Küche vor ihrer Mutter. Dürres Reisig brannte im Feuerloch, und die Flammen lohten um den sausenden Kessel. »Sieh', Mutter«, sagte Gundel, »sind das nicht schöne Blumen? Die welken auch nicht! Die Sträuße behalte ich, die Kränze sollst du haben, die kannst du über deine kleinen Bilder hängen.« Die Mutter nahm die Kränze und hielt sie gegen die Herdflammen, um sie zu betrachten. »Blutblumen! Wo sind die her?«, fragte sie mit scharfer Stimme. Sie kniff ein paarmal mit den Lippen und sah mit ihren vom aufsteigenden Rauch geröteten Augen auf die Dirne. »Fort mit Schaden!«, sagte sie dann feierlich und warf die Kränze in die Flammen, die die trockenen Blumen wie mit Lust verzehrten. Gundel stieß einen Schrei aus: »O pfui, pfui Mutter!« Als die Mutter aus der Küche ging, sammelte Gundel ein Häufchen Sträuße von dem Boden der Küche auf. »Du musst nicht zu klug sein, alte Mutter!«, rief sie, lief nach dem Hausboden und verbarg dort die geretteten Blumen in einem finstern Winkel.
*
Gundel liebte es, in die Marsch oder an den Strand zu gehen; und öfters, wenn Nickels, der Nachbarsjunge, sah, dass sie das Haus verließ, rannte er auf sie zu und bat sie, mitgehen zu dürfen. Gundel lachte dann, rief: »Wer als erster da ist!«, und beide rannten los, wobei Gundel, die um wenige Jahre älter war und die längeren Beine hatte, absichtlich ein wenig langsamer lief, um ihm die Genugtuung zu geben, der Schnellere gewesen zu sein. – Sie mochte Nickels, den Bruder ihrer Freundin Kreske, auch wenn sie seine Anhänglichkeit manchmal als etwas aufdringlich empfand, doch sie konnte diesem fröhlichen kleinen Kerl nicht böse sein. – Einmal war sie zu Kreske hinübergegangen, beide hatten ein Stündchen in ihrer Kammer beieinander gesessen und sich unterhalten; als sie sich dann von Kreske verabschiedet hatte und eben nach Hause gehen wollte, da kam Nickels hinter ihr her: »Du, Gundel, soll ich dir etwas Interessantes zeigen?« »So, was denn?«, fragte sie ihn. »Den Kirchturm, und die Glocke oben drin?« Nickels sah sie grinsend an, denn er wusste, dass er sie damit überraschen konnte, und ihre Reaktion gab ihm recht. »Den Kirchturm und die Glocke? Ja, wie soll das denn gehen?«, wollte Gundel wissen. »Ich bin doch jetzt der Glockenjunge von Nieblum«, sagte er stolz – das hatte sie tatsächlich nicht gewusst, aber es musste damit zu tun haben, dass sein Vater der Kirchendiener von St. Johannis geworden war, denn das hatte Kreske ihr erzählt, und sie fragte ihn danach, was er bestätigte: »Ich darf jetzt jeden Sonntag die Glocke läuten, und mein Vater hat den Schlüssel zum Turm« – er zog ihn aus der Hosentasche und wies ihn Gundel vor, die gebührend beeindruckt war: »Mensch, Nickels, dann bist du ja jetzt eine ganz wichtige Person im Dorf«, schmeichelte sie ihm. »Das will ich meinen«, erwiderte er stolz, »willst du mal auf den Turm klettern? Man hat eine tolle Sicht von da oben.« »Ja, aber dürfen wir das denn«, fragte Gundel zweifelnd, »sollten wir da nicht erstmal deinen Vater fragen?« »Ach, der ist in Goting, und wir wollen doch nur schnell mal hochklettern… ich mach' das ja auch nur für dich«, fuhr er verblüffend offen fort, »und für Kreske natürlich, aber mit der war ich schon zusammen mit Vater oben.« »Ja… also, neugierig wäre ich schon…« – Gundel willigte ein, weil sie die Freude und den Stolz des Jungen spürte, und außerdem fühlte sie sich auch geschmeichelt durch seine Auszeichnung.
Und so liefen sie zusammen zur Kirche, dessen Turm sich in einiger Entfernung vor dem milchigen Himmel abzeichnete, nachdem Kreske ihnen noch zum Abschied zugewunken hatte – offensichtlich hatte Nickels ihr gesagt, was er mit Gundel vorhatte -, gingen den Kiesweg zum Eingang der St. Johannis-Kirche hinauf, bogen dann links ab und gingen um den Turm herum, dessen Eingang auf der der Marsch zugekehrten Nordseite lag, wo Nickels den Schlüssel in's Schloss steckte, ihn zweimal drehte und die Tür öffnete. Sie blieben einen Augenblick stehen, um ihre Augen an die Dunkelheit des Raumes zu gewöhnen; Gundel sah rechts an der Wand allerlei Holz gestapelt, links waren gefüllte Säcke bis auf die Höhe ihres Kopfes aufeinandergeschichtet, vor diesen hing ein Seil im Raum, das nach oben durch ein Loch in der Decke verschwand. »Das ist das Glockenseil«, erklärte Nickels, »ich klettere auf die Säcke, springe dann nach vorne und ziehe das Seil mit nach unten, dann läutet die Glocke.« »Und? Kannst du das mal machen?«, fragte Gundel. »Nee, lieber nicht, wenn der Pastor hört, dass die Glocke läutet… Lass' uns auf den Turm klettern, es sieht toll aus von da oben.« Gundel ließ Nickels den Vortritt, als sie die schmalen steilen Stufen der Holztreppe hinaufzuklettern begannen; überall hingen Spinnweben herum, Gundel mochte zwar Spinnen, aber jetzt war es ihr doch unangenehm, dass sie sich ständig die Spinnfäden aus dem Gesicht wischen musste. Kurz bevor sie ganz oben angekommen waren, tauchte die große Bronzeglocke vor ihnen auf: Gundel staunte über ihre Größe und wagte zaghaft, an das Metall zu klopfen – ein zarter Ton erklang in der Tonhöhe, die sie gewohnt war zu hören. Schließlich hatten sie es geschafft und standen im obersten Raum des Turmes, der nach jeder Seite ein kleines, mit Holzluken verschlossenes Fenster aufwies, durch deren Ritzen nur wenig Licht hereinkam; Nickels ging zum Südfenster und stieß es auf: »Schau, Gundel, ist das nicht schön?« Er trat zurück, um Gundel Platz zu machen, und sie beugte sich vor, um hinaussehen zu können: Der Anblick war überwältigend… Dort hinten, direkt vor dem Strand, lag das kleine Dorf, dahinter konnte sie die Nordsee glitzern sehen, in der Ferne sah sie die Halligen und Amrum, alles lag in hellem Sonnenlicht, sogar kleine Menschen konnte sie unten auf den Wegen gehen sehen. »Nickels, das ist wirklich, wirklich was Tolles! Wie schön alles von hier oben aussieht! Wie hoch sind wir denn eigentlich?« »Na, so knapp 15 Faden vielleicht«, antwortete er, und seiner Stimme war anzuhören, wie sehr er sich freute, Gundel diesen Ausblick zeigen zu können. Auch die Fenster der anderen drei Seiten öffneten sie, nach Westen hinaus konnte Gundel die Lembecksburg von Borgsum und die St. Laurentii-Kirche von Süderende sehen, nach Osten erkannte sie dann auch St. Nikolai, im Norden lag die weite Marsch vor ihnen, Sylt allerdings konnte sie nicht ausmachen, denn in der Ferne wurde die Sicht doch ein wenig diesig.
Nachdem sie sich sattgesehen hatten, kletterten sie wieder nach unten - Nickels hatte zuvor alle Fenster wieder sorgfältig verschlossen -, und als sie schließlich wieder im Freien standen, umarmte Gundel den Jungen innig und bedankte sich überschwänglich für den wunderbaren Eindruck. Nickels lächelte glücklich: Er mochte Gundel, die Freundin seiner Schwester, wirklich gern.
*
So gingen einige Jahre in's Land: Es waren wechselvolle Jahre, was das Wetter und die Ernte anging: mal hatten sie genug zu essen, mal war es knapp, wenn der Sommer wieder einmal zu feucht und zu kalt gewesen war, die Herbststürme allzu früh eingesetzt hatten oder Schädlinge die Ernte befallen hatten; aber die größte Not konnte durch die Güte des Bauern Marcus Hansen doch immer abgewendet werden, der ihr in solchen Zeiten oft etwas zusteckte, wenn sie nach einem Besuch bei Kreske wieder nach Hause ging. Gundel wuchs heran, schon begann sich ihr Körper vom Mädchen zur Frau zu formen, aber auch geistig veränderte sie sich: War sie als Kind stets wie selbstverständlich mit ihren Eltern am Sonntag oder zu den Feiertagen in die Kirche gegangen und hatte den Predigten von Pastor Jacob Boetius gelauscht, meist etwas gelangweilt und gedanklich abwesend, so fiel ihr selbst auf, dass sie jetzt begonnen hatte, ihm aufmerksamer zuzuhören, wenn er auf der Kanzel stand und seine Predigt hielt, und sie war überrascht, dass sie bisher nie bemerkt hatte, wie humorvoll und lebendig er reden konnte, wie interessant er vorlesen konnte, nicht nur aus der Bibel, sondern auch aus anderen Büchern, von denen sie selbstverständlich noch nie etwas gehört hatte, denn eine Schule hatten ihre Eltern und auch sie nie besucht. Sie spürte in seinen Predigten, dass ihm seine Worte ernst waren und er aufrichtig am Wohlergehen seiner Gemeinde interessiert war; sie verlor ihre anfängliche Scheu, die sie immer überkommen hatte, wenn sie ihm nach dem Gottesdienst am Ausgang der St. Johannis - Kirche die Hand gab, wo er jeden einzelnen verabschiedete, fühlte sich jetzt wohl, wenn er, sie beim Namen nennend, nach dem Gottesdienst beim Abschied offen und freundlich anblickte. Er war ein guter Mann.
Und Gundel fing an, nach den Kirchbesuchen weiter über das nachzudenken, was Pastor Boetius gesagt hatte, sich die Geschichten, die er erzählt hatte, ins Gedächtnis zurückzurufen, wenn sie abends in ihrem Bett lag; war enttäuscht, wenn sie sich an manche Einzelheit doch nicht mehr erinnern konnte oder so gerne gewusst hätte, wie eine Geschichte weiterging, die er erzählt hatte – aber Bücher, das war ja nur etwas für den Pastor, diesen so gelehrten Herren, und nichts für ein einfaches Tagelöhnerkind, ein Mädchen zudem nur.
*
Gundel war jetzt 15 Jahre alt, und seit Tagen konnte sie nicht mit sich in's Reine kommen: Durfte sie es wagen, Pastor Jacob Boetius anzusprechen? Gewiss, er war ein seelenguter Mann, aber sie war ja doch nur die Tochter eines armen Tagelöhners, und wäre ihre Bitte also nicht furchtbar vermessen? Noch dazu sollten ihre Eltern, wenn es irgend möglich war, nichts davon erfahren. Gundel seufzte tief, wusste aber auch, dass dieser Gedanke, den sie seit längerer Zeit in sich trug, sie nicht mehr loslassen würde, bis sie ihn irgendwie verwirklicht hätte, und einen anderen Weg als den über Pastor Boetius sah sie einfach nicht. Pastor Boetius kannte sie, wie er alle seine Gemeindemitglieder kannte, er hatte ihr schon oft, wenn sie sich im Dorf trafen, freundlich zugenickt und sie auch schon bei ihrem Namen genannt; sie ging jetzt auch oft in die Kirche, fast jeden Sonntag – sie liebte inzwischen diesen gewaltigen, hellen, lichtvollen Raum, dessen schiere Größe ihr ein Gefühl von Freiheit und Ehrfurcht einflößte, welches sie genoss; auch die Predigten von Pastor Boetius liebte sie, er konnte so lebendig, so einprägsam Geschichten erzählen, nie war es langweilig, genau das hatte sie ja auf ihre Idee gebracht. Aber sie war wohl doch nur ein kleines unbedeutendes Mädchen in seinen Augen, es konnte ja nicht anders sein – und trotzdem musste sie es versuchen, sie fände sonst keine Ruhe.
Als am übernächsten Tag ihre Mutter aus dem Haus war und ihr keine besonderen Aufgaben übertragen hatte, so dass sie also Zeit für sich hatte, beschloss sie, ihren Plan in Angriff zu nehmen und einen ersten Versuch zu wagen. Zögerlich ging sie den kleinen Weg hinab, der zum Pastorat führte, voller Zweifel, ob sie nicht doch lieber umkehren sollte. »Er kann nur nein sagen«, dachte sie dann, »und wenn er meinem Vater etwas erzählt?« Doch das würde er nicht tun, wenn sie ihn darum bäte, soweit glaubte sie den Pastor zu kennen, und es war ja auch nichts Verwerfliches, um das sie ihn bitten wollte – oder doch? Schließlich kam sie an den kleinen Erdwall, der den Pastoratsgarten umschloss, und tatsächlich sah sie Pastor Boetius, wie er in seinem Garten die Rosen beschnitt; er war allein, das war gut. »Guten Tag, Pastor Boetius«, sagte sie mit einem Kloß im Hals. »Ach, Gundel, guten Tag!« Er drehte sich zu ihr um und lächelte. »Na, machst du einen Spaziergang?« »Nein, nicht wirklich - ich wollte zu Ihnen.« Damit gab es kein Zurück mehr, und Gundel fühlte, wie ihre Zuversicht stieg. »Zu mir?« Pastor Boetius sah sie neugierig an: »Was kann ich für dich tun, Kind?« »Herr Pastor, Sie haben doch so viel Arbeit mit Ihrem Garten, und man sagt, dass Ihre Hauswirtschafterin nicht so gerne Gartenarbeit macht.« »So, sagt man das«, antwortete der Pastor gedehnt, »aber leider stimmt es, die Gartenarbeit muss ich wohl machen, aber es ist auch ein schöner Ausgleich zwischendurch. Manchmal wird es allerdings tatsächlich ein bisschen viel.« Er stand da und schien darauf zu warten, was Gundel weiter sagen würde. »Ich möchte Ihnen gerne im Garten helfen, wenn ich darf« - sie sah ihm jetzt offen in sein freundliches Gesicht und wartete auf seine Reaktion. »Das ist lieb von dir, Gundel, aber als Pastor verdiene ich leider nicht...« »Ich möchte nicht für Geld bei Ihnen arbeiten«, unterbrach sie ihn und erschrak kurz über ihre Unhöflichkeit, aber es musste jetzt heraus: »Ich möchte Lesen lernen – und Schreiben«, fügte sie eilig hinzu, nun war es ausgesprochen. »Ich möchte Ihnen im Garten helfen, und ich möchte gerne für zwei Stunden Gartenarbeit eine Stunde Unterricht bei Ihnen haben, dass Sie mir das Lesen von Büchern beibringen - und auch ein bisschen Schreiben, wenn das geht...« - ihre Stimmt stockte, und sie sah den Pastor bittend an, der überrascht schien von ihrem Wunsch: »Lesen willst du lernen... Wie kommst du darauf?« Und da erzählte Gundel ihm von seinen eigenen Predigten und von den Geschichten, die er immer von der Kanzel erzählte und die ihr so gut gefielen, und dass er oft gesagt hatte, dass er sie in Büchern gefunden hätte; nicht nur in der Bibel, sondern auch in anderen Büchern, er habe zum Beispiel mal etwas aus einem Narrenschiff vorgelesen, sie habe sich den Namen gemerkt, und sie wolle gern selbst Bücher lesen können, und auf die Schule könnten ihre Eltern sie nicht schicken, sie seinen ja arme Leute und sie sei ja auch nur ein Mädchen und... »Ist gut, Gundel, ist gut« - der Pastor unterbrach sie, aber nicht böse, wie ihr schien, und sie begann zu ahnen, dass ihre Bitte vielleicht doch nicht vergeblich sei.
Pastor Boetius dachte einen Augenblick nach, dann sagte er: »Also, wenn ich dich richtig verstanden habe, dann bietest du mir zwei Stunden Gartenarbeit für eine Stunde Unterricht an, ja?« Gundel nickte. »Und sind deine Eltern einverstanden damit?«, wollte er wissen. »Denen habe ich nichts gesagt – noch nicht... Herr Pastor, sie würden es mir verbieten, glaube ich, aber ich will doch so gern...« - in Gundels Augen stiegen Tränen auf, diese Frage hatte sie befürchtet, er konnte ja nicht ohne die Einwilligung ihrer Eltern zustimmen, wie hatte sie so dumm sein können, das zu glauben... »Tja, wie ich deinen Vater kenne, könnte das durchaus sein« - der Pastor blickte nachdenklich auf das Mädchen, das noch immer jenseits des Erdwalls vor ihm stand - »aber ich habe den Eindruck, du meinst es wirklich ernst, oder?« Wieder nickte Gundel nur. »Gut, ich will darüber nachdenken. Du bist ein heller Kopf, Gundel Knutzen, das weiß ich, aber ganz so einfach, wie du denkst, ist es nicht, weder das Lesenlernen noch das Nichtwissen deiner Eltern. Vielleicht können wir Folgendes machen: Du gehst jetzt nach Hause und sagst deinen Eltern, dass du mich im Garten gesehen hättest – was ja stimmt – und dass ich dich gebeten hätte, mir nächste Woche einige Stunden im Garten zu helfen - darum bitte ich dich jetzt tatsächlich -, dafür würde ich euch einen großen Korb voll mit Kartoffeln, Äpfeln, Birnen usw., was eben so in meinem Garten wächst, für den Herbst versprechen. Wenn sie damit einverstanden sind, kommst du nächste Woche wieder und wirst mir helfen, die Beete zu hacken, Unkraut zu zupfen und was sonst noch so anliegt. Und dann können wir ja auch noch ein Stündchen in's Haus gehen und ich will prüfen, wie geschickt du dich anstellst, wenn es um Buchstaben und nicht um Unkraut geht – ich setze voraus, dass du im Garten tüchtig bist?« Gundel strahlte: »Herr Pastor Boetius, Sie werden mit meiner Arbeit ganz bestimmt zufrieden sein – und mit der Buchstabenprüfung hoffentlich auch« - sie wusste zwar nicht recht, was da auf sie zukam, aber ihre Zuversicht war für den Augenblick grenzenlos. Der Pastor lächelte: »Nun denn, Gundel, dann lauf' jetzt nach Hause, deine Eltern dürfen mich gerne am Sonntag nach dem Gottesdienst ansprechen, wenn sie noch Fragen haben.« Ein jubelndes »Danke!« erklang, und schon rannte das Mädchen nach Hause zurück, voller Freude, ihr Ziel erreicht zu haben, vorläufig jedenfalls. Der Anfang war gemacht und über alle Erwartung gelungen!
Als sie am Abend ihren Eltern alles so erzählte, wie sie es mit Pastor Boetius besprochen hatte, waren diese überraschend schnell einverstanden; zwar wollten sie am Sonntag den Pastor doch noch einmal fragen, ob das so auch seine Richtigkeit habe, aber ansonsten hätten sie nichts dagegen einzuwenden – der zweite Schritt! Und als am kommenden Sonntag – Gundel stand neben ihren Eltern, als diese den Pastor ansprachen - dieser die Richtigkeit des Gesagten bestätigte und Gundel dabei einen schelmischen Blick zuwarf, war auch der dritte Schritt geschafft, nachdem sich ihre Eltern und der Pastor auf den nächsten Freitag als Termin für Gundels Einsatz geeinigt hatten. Nun würde es an ihr liegen, sich zu bewähren, und dabei dachte sie nicht an das Jäten von Unkraut.
Der Freitag kam, und Gundel verabschiedete sich nach dem Mittagessen von ihrer Mutter, sie ginge jetzt zu Pastor Boetius, sei aber zum Abendessen wieder da. Die Mutter nickte und ermahnte sie, ihre Arbeit ordentlich zu machen – oh, das würde sie, ganz gewiss! Als sie zum Pastorat kam, war keiner im Garten zu sehen, also musste sie an die Tür klopfen, die alsbald von der Haushälterin des Herrn Pastors geöffnet wurde: »Gundel Knutzen?«, fragte diese missmutig, Gundel nickte. »Warte einen Augenblick, der Herr Pastor wird gleich kommen und dir sagen, was du zu tun hast.« Sie verschwand im Haus, Gundel brauchte nur einige Augenblicke zu warten, als Pastor Boetius erschien: »Ah, da bist du ja; nun denn, gehen wir an die Arbeit!«
Über zwei Stunden schufteten sie im Garten, der Pastor sprach in dieser Zeit wenig mit ihr, brachte ihr nur einmal etwas zu trinken, sie befürchtete schon, er könne sein Angebot bereuen, aber sie bemühte sich, ihre Arbeit so gut wie möglich zu tun – und als sie fertig waren und der Pastor ihr Werk begutachtete, war er sehr zufrieden: »Das hast du gut gemacht, Gundel, so sauber waren die Beete schon lange nicht mehr! Im Garten hast du dich bewährt – dann wollen wir jetzt mal sehen, ob du dich auch mit den Buchstaben anfreunden kannst. Komm mit«, und er ging voran ins Haus, wohin Gundel ihm klopfenden Herzens folgte.
Sie betraten das Büro des Pastors, wo ein Buch, ein Tintenfass, einige Papiere sowie Schreibfedern auf dem Tisch lagen, er bat Gundel, sich zu setzen und stellte sich neben sie.
Der Pastor erklärte ihr zunächst, dass alle Schrift aus unterschiedlichen großen und kleinen Zeichen bestehe, die sie hier in diesem Buch vor sich sehe; er erläuterte ihr den Unterschied zwischen Mit- und Selbstlauten und bat sie dann, nachdem er ihr gezeigt hatte, wie sie die Feder zu führen hätte, diese Zeichen auf das vor ihr liegenden Blatt Papier abzuschreiben. Gundel schob zunächst das Tintenfass auf die andere Seite des Tisches, tunkte dann mit der linken Hand die Feder in das Tintenfass, strich sie ab und begann, die Zeichen, die sie vor sich sah, auf das Papier zu malen, nach kurzer Zeit war sie fertig. »Gut«, sagte der Pastor, der sich ein wenig darüber wunderte, dass sie die Buchstaben nicht mit der eigenen Hand verwischt hatte, da sie mit links schrieb, »die sind alle lesbar, fein gemacht. Jeder einzelne dieser Buchstaben, die du geschrieben hast, steht nun für einen bestimmten Laut« - auch dies verdeutlichte ihr der Pastor an verschiedenen Beispielen und ging dann zu den Buchstaben über, die sie zum Schreiben ihres Namens brauchte, wobei er aber eine willkürliche Reihenfolge wählte. »Hast du das gefasst, Gundel?«, wollte er wissen, sie nickte. »Nun, dann solltest du jetzt in der Lage sein, deinen Namen zu schreiben: mit welchem Laut beginnst du, und welcher Buchstabe gehört dazu?« - Gundel sprach ihren Namen mehrfach langsam aus, überlegte einen Moment, tauchte dann wieder die Feder ein und setzte langsam eine Reihe von Buchstaben auf das Papier: gundel. Daraufhin sah sie den Pastor an, der befriedigt nickte, ihr die Feder aus der Hand nahm und unter ihre Buchstabenreihe nochmals den Namen »Gundel« schrieb: »Du siehst eine Abweichung: Der erste Buchstabe muss groß geschrieben werden, weil es ein Name ist, aber das konntest du jetzt noch nicht wissen – also sehr gut.« Gundel war glücklich und fasziniert zugleich: Sie hatte zum ersten Mal ihren Namen geschrieben, und von nun an würde sie ihn sogar richtig schreiben können!
Pastor Boetius nahm wieder das Buch, schlug eine andere Seite auf, legte sie ihr vor und forderte sie auf, sich die einzelnen Wörter auf dieser Seite anzusehen – sie solle versuchen, ein Wort zu lesen, dessen Laute sie schon zu kennen glaube. Gundel blickte auf die Seite, zunächst verwirrt von den vielen Buchstaben, die ihr in verschiedensten Reihungen entgegenschlugen, doch dann konzentrierte sie sich und achtete auf die Buchstaben, die er ihr vorhin erklärt hatte – und tatsächlich, hier kannte sie alle Laute: »B-i-b-e-l«, las sie und wiederholte: »Hier steht das Wort 'Bibel', richtig?« Pastor Boetius schmunzelte: »Richtig – aber das hast du nicht absichtlich ausgewählt, bloß weil ich dein Pastor bin, oder?« Beide lachten, und Gundel fühlte, dass sie gewonnen hatte, spätestens nachdem es ihr gelungen war, zwei weitere Wörter richtig zu erkennen und vorzulesen. Sie war stolz, als der Pastor sie wiederum lobte, dann aber mit ernster Miene zu ihr sagte: »Gundel Knutzen, ich bin beeindruckt von dir – du hast wirklich eine rasche Auffassungsgabe, und, wie ich glaube, auch das Talent, Lesen und Schreiben zu lernen. Ich denke, ich werde dich weiter unterrichten, aber das geht nicht ohne die Einwilligung deiner Eltern. Ich werde mit ihnen sprechen müssen.« Gundel wollte etwas erwidern, doch Pastor Boetius schnitt ihr das Wort ab: »Nein, keine Einwände jetzt, eine heimliche Unterrichtsstunde« - er betonte das Wort »eine« - »muss genügen, aber mache dir keine allzu großen Sorgen, ich werde mich für dich einsetzen, und im Übrigen ist die Stunde auch noch nicht zuende, dir steht noch eine Viertelstunde zu«, und diese Zeit wurde genutzt, um das Mädchen mit weiteren Laut-Buchstaben-Zuordnungen vertraut zu machen und wiederum einige Probewörter zu schreiben. - Als die Zeit um war, sagte der Pastor: »So, Gundel, dieses Blatt nimmst du jetzt mit nach Hause und übst damit ein bisschen; hier hast du auch noch einen kleinen Kohlestift, mit dem du schreiben kannst – es ist vielleicht besser, wenn du es deinen Eltern nicht zeigst, bevor ich mit ihnen gesprochen habe.« Gundel versprach es, und mit einem herzlichen Händedruck wurde sie aus dem Hause des Pastors verabschiedet.
*
Und tatsächlich beobachtete Gundel am darauffolgenden Sonntag, als sie mit Kreske und ihrem Bruder noch auf die Eltern wartete, die sich nach dem Gottesdienst mit anderen Besuchern unterhielten, wie Pastor Boetius auf ihre Eltern zuging und sie ansprach. Gundel konnte zwar nicht verstehen, was er zu ihnen sagte, bemerkte aber den irritierten Blick ihres Vaters herüber zu ihr: hoffentlich war das kein böses Vorzeichen? – Als sie sich schließlich auf den Weg nach Utersum machten, fragten ihre Eltern sie, ob sie wüsste, was der Pastor wohl von ihnen wollte; Gundel tat, als habe sie keine Ahnung, sie wollte ihm nicht vorgreifen, wenn er morgen Abend zu ihnen nach Hause kommen würde.
Den ganzen Montag war Gundel aufgeregt und konnte sich nur schlecht auf ihre Hausarbeit konzentrieren: Von dem Gespräch heute Abend würde alles abhängen – und wenn ihre Eltern nun ablehnten? Damit würde ihr größter Wunsch zerstört werden… nein, sie wollte nicht daran denken, es musste klappen! Sie hatte schon jetzt das Gefühl, nicht mehr zurück zu können, auch wenn sie selbst ihrer besten Freundin Kreske nichts von ihren Plänen erzählt hatte; sie hatte das unbestimmte Gefühl, dass ihr das Unglück gebracht hätte: sie musste schweigen.
Nach dem Abendessen kam Pastor Boetius, Gundel wurde hinausgeschickt. Sie ging auf ihre Stube, sie wollte nicht lauschen, was die drei Erwachsenen besprachen, sie legte sich auf ihr Bett und wartete; sie würde die Tür gehen hören, wenn er das Haus wieder verließ. Es kam ihr allerdings wie eine Ewigkeit vor, bis sie die Stimmen ihrer Eltern hörte, die ruhige Stimme des Pastors, das Geräusch der Tür, als er das Haus verließ. »Gundel!?«, hörte sie sich unmittelbar danach rufen, sie sprang auf und lief nach unten in die Küche, wo ihr Eltern auf sie warteten und ihr finster entgegensahen – oh nein, sie hatten sich gegen sie entschieden… »Gundel, du hast uns angeschwindelt gestern«, bemerkte ihr Vater. »Angeschwindelt? Wieso?« Sie war sich allerdings sofort im Klaren darüber, was er meinte, als er es auch schon aussprach: »Du sagtest, du wüßtest nicht, warum Pastor Boetius uns sprechen wollte, dabei hast du selbst dafür gesorgt, dass er zu uns gekommen ist und uns von deiner Absicht erzählt hat.« »Ich wollte ihm doch nur nicht vorgreifen, er ist der Pastor«, verteidigte sich Gundel leise – es war ihr unmöglich, aus den Gesichtern ihrer Eltern abzulesen, wie sie sich zu ihrer Absicht stellen würden oder was sie dem Pastor geantwortet hatten. »Naja, das kann man wohl als Entschuldigung gelten lassen« – das Gesicht ihres Vaters entspannte sich etwas, und Gundel schöpfte neuen Mut, als er fortfuhr: »Du willst Unterricht bei ihm nehmen und Lesen und Schreiben lernen.« Gundel spürte, dass sie jetzt etwas sagen musste: »Ja, Papa, Mama, das möchte ich, das möchte ich so gerne…«, und dann erzählte sie ihren Eltern, was sie auf diese Idee gebracht und was sie dem Pastor als Gegenleistung dafür angeboten hatte. Die Eltern hörten schweigend zu, und als Gundel geendet hatte, nickte der Vater: »So hat es Pastor Boetius auch gesagt, und er hat sich sehr für deine Bitte eingesetzt, so ungewöhnlich sie ist…« Gundel schwieg und wartete, was ihr Vater weiter sagen würde. »Natürlich haben wir Bedenken; es ist nicht gerade üblich für das Kind eines Arbeiters und einer Näherin, Lesen und Schreiben zu lernen, aber er hat auch von deiner offensichtlichen Begabung gesprochen und sich beeindruckt von deinen Fähigkeiten gezeigt. Außerdem ist er der Pastor, und wenn er bereit ist, dich zu unterrichten… Wir haben allerdings eine Bedingung gestellt.« Gundel sah ihren Vater erwartungsvoll an und unterdrückte noch das in ihr aufsteigende heiße Triumphgefühl; sie war zu jeder Bedingung bereit. »Deine häusliche Arbeit darf darunter nicht leiden, du wirst deine Arbeit hier im Hause weiterhin sorgfältig und gewissenhaft verrichten – wenn sich hier der Schlendrian einschleicht, weil du über Büchern hockst, ist sofort Schluss, verstanden?« »Verstanden – und versprochen!« Gundel stürzte auf ihre Eltern zu und umarmte sie stürmisch: »Danke, Papa, danke, Mama!« »Schon gut, Kind«, meinte die Mutter und schüttelte den Kopf: »Lesen… na, vielleicht kannst du uns dann ja mal an langen Winterabenden etwas vorlesen.«
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Pastor Boetius kam aus dem Staunen nicht heraus: In welchem Tempo eignete sich Gundel bloß das Lesen und Schreiben an? Es war ja kaum ein halbes Jahr seit der ersten Unterrichtsstunde vergangen, auch konnte er nur etwa alle zwei Wochen ihr eine Stunde Unterricht gewähren, doch dieses Mädchen, das da jetzt an seinem Tisch saß, die langen rotblonden Haare nach hinten zu einem Pferdeschwanz gebunden und über das Blatt gebeugt, das vor ihr lag, die Feder in der linken Hand, mit der sie das Papier beschrieb, besaß die Gabe, nicht nur fast zwei Stunden lang hoch konzentriert zu sein, ohne jedes Anzeichen von Ermüdung; sie verstand es auch, nach bloß einmaliger Unterweisung die Dinge, die er ihr beibrachte, sich zu merken und fast schlafwandlerisch sicher dann auch anzuwenden, jedenfalls kam es nur äußerst selten vor, dass er ihr noch einmal etwas erklären musste, was sie bereits durchgenommen hatten – wie machte sie das? Sie war das ungebildete Kind eines Tagelöhners, mit Sicherheit hatten ihre Eltern sie nie gefördert, und doch bewies sie ein Gespür für die Sprache, für die Schrift, wie er es selten erlebt hatte, und wenn, dann nur bei einzelnen seiner Studienkommilitonen, damals, in Wittenberg… Es war bewundernswert, und Pastor Boetius war fast auch ein wenig neidisch: wenn ihm das Lateinische doch auch so zugeflogen wäre, damals, im Studium! Für einen Augenblick dachte er sogar daran, ob er ihr nicht auch noch Latein beibringen sollte, verwarf diesen Gedanken aber sofort wieder, denn was hätte sie damit anfangen sollen? Auch so schon würde sie, wenn ihre Fähigkeiten des Lesens und Schreibens bekannt würden, mit Misstrauen und Anfeindungen zu tun haben, er würde auch in Zukunft ein Auge auf ihr Wohl haben müssen, hatte er sie doch diese Fähigkeiten gelehrt, die ihr so gar nicht zukamen nach Ansicht der einfachen Leute, unter denen sie verkehrte.
»Ich bin fertig«, sagte Gundel und richtete sich auf, »ist das richtig so, Herr Pastor?« – und sie hielt ihm das von ihr vollgeschriebene Blatt hin, das mit ihren regelmäßigen und klar lesbaren Schriftzügen bedeckt war – er brauchte das Blatt bloß zu überfliegen, um zu wissen, dass sie ihre Aufgabe perfekt gelöst hatte, tat aber doch, als lese er es genau durch. »Ja, Gundel, es ist alles richtig«, sagte er und legte das Blatt beiseite – dann schoss ihm ein Gedanke durch den Kopf und er ging an eines der Regale, die die Wände seines Arbeitszimmers bedeckten, suchte kurz und zog dann ein Buch heraus, das er vor ihr auf den Tisch legte: Es war eine Ausgabe des »Reynke de vos« in der Lübecker Ausgabe von 1498, mit zahlreichen Holzschnitten schön ausgestattet; ein teures, ein schönes Buch, schön wie dieses Mädchen... »Hier, Gundel, das nimmst du mit, ich glaube, du bist jetzt soweit, dass du dich an der Lektüre eines ganzen Buches üben kannst. Ich möchte mit dir in der nächsten Stunde über die ersten drei Kapitel sprechen, ja?« Gundel nahm das Buch ehrfürchtig entgegen, schlug es auf und betrachtet die ersten Seiten: »Ja, ich glaube, das schaffe ich. Danke, Pastor Boetius«, und sie sah ihn mit einem Blick an, der seinem Herzen wohltat.
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Nach einem knappen Jahr hatte Gundel so große Fortschritte gemacht, dass es ihr keine große Mühe mehr machte, den »Reyke de vos« flüssig zu lesen und zu verstehen – sie liebte dieses Buch und hatte es jetzt bereits mehrfach gelesen, auch ihren Eltern daraus Einzelnes vorgetragen. Als sie es dem Pastor zurückgeben wollte, hatte dieser abgewehrt und gesagt, dass es ab jetzt ihr gehöre – und wenn sie noch andere Bücher kennenlernen wolle, so dürfe sie jederzeit bei ihm welche ausleihen. Sie hatte sich über dieses Angebot gefreut, denn selbst Bücher zu kaufen konnte sie sich natürlich beim besten Willen nicht leisten.
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Der Abend war so schön, dass Gundel beschloss, noch ein Stündchen am Strand spazieren zu gehen, sie sagte ihrer Mutter Bescheid und verließ das Haus. Nach kaum zehn Minuten hatte sie den Strand erreicht: Die Sicht war phantastisch, im Osten konnte man überdeutlich die Warften von Langeness und Oland sehen, dahinter war auch Hooge klar zu erkennen, im Süden lag Amrum so nah vor ihren Augen, dass sie meinte, man bräuchte bloß ein paar Schritte zu gehen und wäre da, auch wenn sie natürlich wusste, dass das nicht ging, wegen des großen Priels dazwischen. - Sie entschied sich, Richtung Westen zu gehen, der untergehenden Sonne entgegen, bis Goting Kliff vielleicht, das wäre ein schöner Weg am Wasser entlang, das eben auflief, so dass sie barfuß ein Stück ins Watt hinausgehen konnte, um dort entlangzulaufen und nach Krebsen oder Muscheln Ausschau zu halten, vielleicht würde sie sogar einen Seestern entdecken.
Als sie das Kliff von Goting erreichte, das im Lichte der jetzt blutrot hinter Amrum untergehenden Sonne aufglühte, sah sie einen Menschen am Kliff hantieren, er schien allerlei angestrandetes Gehölz zusammenzutragen. Neugierig verließ sie das Watt und ging hin. Es war ein Junge, der ungefähr in ihrem Alter sein musste, den sie aber, wie sie beim Näherkommen feststellte, nicht kannte. Tatsächlich hatte er Holz und anderes Strandgut auf einen Haufen zusammengeschleppt, den er jetzt ordnete; sie grüßte ihn. Er hatte ihr Näherkommen zunächst nicht bemerkt und zuckte zusammen, als sie ihn ansprach, drehte sich zu ihr um und lächelte sie an. »Hallo«, sagte er. »Was machst du denn da?«, fragte Gundel neugierig. »Ich sammle Sachen, um mir daraus eine Hütte zu bauen«, antwortete er. Der Junge musste wirklich in ihrem Alter sein, wie sie jetzt feststellte: er war ein kleines bisschen größer als sie, hatte dunkle strubbelige Haare und einen schlacksigen Körper, musste aber recht kräftig sein, denn sie sah auch zwei ziemlich große Balken im Haufen liegen, die er herangeschleppt haben musste. »Allein?«, fragte sie weiter. »Jaa…«, erwiderte er gedehnt, »ich mag auch einfach mal etwas für mich allein machen.« Das konnte Gundel gut verstehen, auch sie war ja gerne allein am Strand unterwegs – der Junge gefiel ihr. »Ich kenne dich gar nicht«, sagte sie, »wie heißt du denn, und aus welchem Dorf kommst du?« »Töcke«, antwortete er ihr, »Töcke Ketels, aus Borgsum. Und du?« »Ich heiße Gundel, Gundel Knutzen, aus Nieblum. Aber wenn du aus Borgsum bist, wieso habe ich dich noch nie gesehen, in der Kirche oder so?« »Wir wohnen erst seit ein paar Tagen hier, meine Mutter ist mit mir aus Oldsum weggegangen.« »Weggegangen? Wieso denn das?« Gundel wollte mehr über diesen Jungen erfahren, doch er wehrte ab: »Ist 'ne lange Geschichte.« Gundel fragte nicht weiter nach, da sie spürte, dass er ihr das jetzt nicht erzählen wollte. »So, und du willst eine Hütte bauen, Töcke Ketels? Aus all dem Zeug da?«, und sie deutete auf den Haufen. »Ja, hab' ich mir so vorgenommen«, sagte er und sah sie an. »Braune Augen«, dachte sie, »er hat braune Augen.«
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Eine Hütte im eigentlichen Sinne wurde es dann zwar nicht, das wäre denn doch ein zu aufwändiges Unterfangen gewesen, aber einen Unterstand, der sie vor fremden Blicken barg und nach außen kaum auffiel, da sie ihn mit Tang und losem Treibgut so tarnten, dass es von außen wie zufällig angeschwemmt aussah, hatten sie innerhalb von zwei Tagen hinbekommen. Gundel und Töcke trafen sich nun öfter, so wie sie eben Zeit hatten, schlüpften durch den schmalen Eingang in ihr selbst geschaffenes Bauwerk, setzten sich drinnen gemütlich mit dem Rücken an das Kliff gelehnt hin und erzählten sich was. So erfuhr Gundel auch, dass Töcke mit seiner Mutter nach Borgsum gezogen war, weil sein Vater sie in seiner dauernden Trunkenheit geschlagen hatte und sie wieder zu ihren Eltern – seinen Großeltern also – zurückgegangen war, was ihm nicht immer recht war, da er sich, anders als Gundel, mit seinen Großeltern nicht so gut verstand; daher war er auch, so oft es ging, hier draußen am Strand. Und Gundel genoss es, mit Töcke zusammen zu sein, er war ein so lieber Kerl, auch wenn er zunächst verschlossen und abweisend wirkte, man konnte viel Spaß mit ihm haben. Nur in einem Punkt blieb er für Gundel irritierend: Er weigerte sich beharrlich, doch einmal mit zu ihr nach Hause, nach Nieblum, zu kommen, oder sie zu seinen Großeltern nach Borgsum mitzunehmen.
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Töcke war ein scheuer Junge, und es dauerte eine Weile, bis Gundel wirklich sein Vertrauen gewonnen hatte und er ihr gegenüber zutraulicher wurde, wenn er auch nach wie vor nicht gern über sich selbst redete. Sie hätte ihn gerne mehr über seine Familie ausgefragt, aber seine Antworten waren einsilbig und sie spürte seine Unlust, über sich persönlich zu sprechen. Wenn Nickels bei ihnen war, war es einfacher, dann wirkte auch Töcke jungenhafter, entspannter, aber auch so hatte sie das Gefühl, dass es ihr zunehmend gelang, ihn 'aufzutauen' gewissermaßen, ihn zum Lachen zu bringen – von ihren Gefühlen für ihn, die sich allmählich in ihr entwickelten, ahnte sie zunächst nichts, ebenso wenig von dem, was zugleich in Nickels zu keimen begann.
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Es war ein schöner Frühlingstag, und sie trafen sich auf halbem Wege zwischen Nieblum und Borgsum, hinter Goting. - Nickels trottete lustlos hinter Gundel und Töcke her, die ein paar Schritte vor ihm her gingen, Hand in Hand. Dieser Anblick tat ihm weh, denn seine Augen konnten sich nicht vom Anblick Gundels lösen, ihrem rotblonden, offen getragenen Haar, das der Wind wie im Spiel in immer neuen Wirbelungen verwehte, nicht von ihrem Nacken, ihrem Rücken, ihrer Taille, vor allem aber von ihrem Po und den schönen Beinen… Er spürte Neid in sich aufkommen, Neid auf Töcke, dass der an ihrer Hand gehen durfte, dass sie ihm, dem Älteren, den Vorzug gab vor ihm, dem Jüngeren, der nicht zum ersten Mal fühlte, dass er sich - ja, dass er sich in Gudel verliebt hatte, der schönen Freundin seiner Schwester Kreske.
»Nickels, was ist?« Gundel hatte sich zu ihm umgedreht und lachte ihn an, was ihm erneut einen Stich ins Herz gab. »Warum bist du heute so muffig? Hast du keine Lust auf das Kliff?« »Ach, ich weiß nicht«, antwortete er ausweichend, »ich bin heute einfach nicht in Stimmung. Ich glaube, ich gehe zurück.« »Wie du willst«, antwortete Gundel, wandte sich von ihm ab und schloss wieder zu Töcke auf, der bereits ein paar Schritte weitergegangen war. – Nickels murmelte einen Abschiedsgruß, kehrte um und ging Richtung Nieblum zurück, traurig und erbost: Es war ihr völlig gleichgültig gewesen, dass er zurückgehen wollte, sie hatte ihn nicht mit einem Wort gebeten, doch bei ihnen zu bleiben, offenbar wollte sie mit Töcke allein sein, und wer weiß, was sie, allein am Strand… Nickels begann zu rennen, immer schneller mahlten seine Füße durch den losen Sand, bis er schließlich stolperte, hinfiel und einfach liegenblieb, Tränen in den Augen: Verdammt, sie interessierte sich nur für Töcke!
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Was war das für eine hässliche Stimmung zwischen ihnen gewesen! Er musste unbedingt mit Gundel allein sprechen, um ihr zu erklären, um ihr zu sagen, warum… aber das würde schwer werden, fürchtete er, denn was, wenn er abgewiesen, gar ausgelacht würde? Vor allem musste er aber vorher herausbekommen, wie ernst es zwischen Gundel und Töcke war, in welcher Beziehung sie tatsächlich zueinander standen, denn wenn er dabei war, schien es ihm oft nur ein rein freundschaftliches Verhältnis zu sein, aber das konnte täuschen. Wie waren sie zueinander, wenn sie unter sich waren? Dann - aber Nickels wollte sich das nicht vorstellen, es tat ihm weh, denn er war eifersüchtig, jawohl, einfach nur eifersüchtig auf Töcke, denn er liebte Gundel, und das musste sie auch erfahren, wenn er wieder zur Ruhe kommen wollte, wenn diese Sehnsucht nach ihr ein Ende finden sollte, so oder so. Er musste nur eine Gelegenheit finden, mit ihr allein zusammen zu kommen, er musste beobachten, wann sie das Haus verließ, um spazierenzugehen – nein, das war nicht gut: Er musste sie zu einem Spaziergang einladen, den Anfang machen, endlich den notwendigen Schritt tun.