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Cover: Schlangeninsel © Wolfgang Leinweber, Berlin
© 2004 Christian M. Schoppe, Siegfried G. Schoppe
Herstellung und Verlag: Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN 978-3-8482-6965-5
www.atlantis-schoppe.de
Die Verfasser dieser Abhandlung scheinen als Wirtschaftswissenschaftler auf den ersten Blick nicht prädestiniert, sich zu Fragen des Altertums und der "grauen Vorzeit" zu äußern, da ihnen die Kompetenz der spezialisierten Fachwissenschaften fehlt. Andererseits geht die ganzheitliche Fragestellung der Autoren nach Atlantis und der Großen Flut mehrere Wissenschaftsbereiche zugleich an. Ressortdenken ist für die Beantwortung der damit verbundenen Fragen hingegen hinderlich. Als Fachfremde können wir bei der Hypothesenbildung größere Risiken eingehen als die Autoritäten des jeweiligen Faches.
Ein bekannter deutscher Archäologe formulierte dies nach Sichtung unseres vorläufigen Manuskriptes so: "Die Summe der Hypothesen und insbesondere die Haupthypothese zur Lage und Bedeutung von Atlantis ist nicht zu vermeiden." Vorteilhaft ist eben gerade die typische Vorgehensweise der Gesellschaftswissenschaften, Einzelbeobachtungen auf dem Wege der Induktion zu verdichten, Hypothesen in Form von "Wenn ... dann" Sätzen zu formulieren und auf diese Weise Forschungsergebnisse vorherzusagen, die praktisch getestet und damit bestätigt oder widerlegt werden können.
So möchten wir unsere Leser aufrufen, sich unvoreingenommen auf dieses Abenteuer einzulassen, das gezeichnete Bild wirken zu lassen und erst dann zu entscheiden, ob der Gesamtkomplex schlüssig oder phantastisch erscheint.
Atlantis ist nach unserer Überzeugung einem mehrfachen Tabu zum Opfer gefallen. Schon in der Antike wurde Atlantis teilweise als reine Utopie angesehen. Die wahrlich phantastischen Auslegungen der Neuzeit führten dazu, dass sich die Fachwissenschaften zunehmend von diesem Thema distanzierten. Für sie hat es Atlantis nie gegeben, so dass eine Suche nach diesem Phänomen müßig wäre.
Aber auch in grauer Vorzeit war Atlantis schon ein Tabu: Die Umdeutung der Sintflut war das geeignete Mittel, das sicherstellen sollte, dass die neue und fragile Errungenschaft des Monotheismus nicht wieder in Frage gestellt werden konnte. Gleichzeitig war die Sintflut auch ein "Schnitt", der die Überlebenden und äußeren Provinzen vom verfallenen Imperium lossagte. So erfanden sich die Überlebenden neue Stammväter wie Utnapischtim, Noah oder Hellen, den Vater der Hellenen.
Wir sprechen lieber von der "Großen Flut" als von der "Sintflut", weil schon dieser Begriff das moralische Tabu über Atlantis enthält: Sin(t)flut (das "t" ist als Gleitlaut eingefügt) wird in späterer Leseweise mit "Sünde", ursprünglich aber mit "allumfassender endgültiger" (lat. semper, althochdeutsch sin, in sin-temal enthalten) Flut gleichgesetzt. Atlantis sollte "totgeschwiegen" werden, konnte aber durch schriftliche Überlieferung in dem "neutralen" Ägypten lebendig gehalten werden. Die Sintflut sollte als göttliches Strafgericht und Menschenopfer in der Erinnerung verankert werden, muss aber jetzt der wissenschaftlichen Erkenntnis eines grandiosen Naturereignisses und seiner Folgen am Bosporus weichen.
Wir beantworten die Vorfrage, ob es ein Atlantis überhaupt gegeben hat, aus einer Vielzahl von Gründen mit einem klaren "Ja" und wir fügen diese erste Hochkultur als Vorläuferin der frühen überlieferten Hochkulturen in den Geschichtskanon ein. Unser Beweisangebot an die empirische Wissenschaft: Bohren oder Graben in geringer Tiefe bei der ukrainischen Schlangeninsel 40 Kilometer vor der Donaumündung in Richtung alter Süßwassersee.
Hamburg/Frankfurt am Main, 25. April 2004
Prof. Dr. Siegfried G. Schoppe (Universität Hamburg)
Christian M. Schoppe, M.B.A. (Southern Illinois University)
P.S.: Der besseren Lesbarkeit halber wurden alle Daten vor Christus mit einem Tausenderpunkt versehen, Beispiel: "5.500 vor Christus". Wenn Sie mit den Autoren in Kontakt treten wollen, schreiben Sie bitte eine kurze Mail an "siegfried.schoppe@uni-hamburg.de". Aktuelle Informationen, Bilder und Textquellen sowie informative Links finden Sie unter "www.atlantis-schoppe.de."
Dieses Buch basiert auf den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen von PITMAN und RYAN, die in ihrer Veröffentlichung "Sintflut - ein Rätsel wird entschlüsselt" 1999 (bzw. 1998 in der englischen Ausgabe und 1997 in einer wissenschaftlichen Veröffentlichung) zu dem Ergebnis kamen, dass bis etwa 5.500 vor Christus das Schwarze Meer ein Süßwassersee war, der seinerseits schon sehr viel früher zum Marmarameer hin übergelaufen war, dann aber nach teilweiser Austrocknung schlagartig vom Mittelmeer durch die Dardanellen (Hellespont) und das Marmarameer (Propontis, Vormeer) geflutet wurde, weil die Landbrücke am Bosporus nachgab.
Die Folge war ein Anstieg des Wasserspiegels um etwa 100 Meter, der plötzliche Tod der gesamten Süßwasserflora und -fauna sowie die Ausdehnung der Wasserfläche in der Schwarzmeersenke bis hin zur späteren Entstehung des Asowschen Meeres über die Kertsch-Meerenge, durch die früher der Don in das Schwarze Meer floss. Dies führte zu einer Wanderungsbewegung der ursprünglichen Siedler. Gleichzeitig trennte der neu entstandene Bosporus-Kanal Europa von Asien.
Entscheidend hierbei ist, dass es sich bei der von PITMAN und RYAN nachgewiesenen Flut um eine großflächige Überschwemmung handelt, die nicht wieder zurückgeht und die ausgerechnet die erste Hochkultur unter sich begräbt, was später den Mythos von Atlantis begründet.
Wir nahmen uns vor, die Erkenntnisse der Archäologie sowie die verschiedenen Flutmythologien darauf hin zu untersuchen, ob vor diesem Hintergrund eine neue Interpretation möglich ist. Als wiederkehrendes Muster stellten wir fest, dass die klassischen Mythologien in der Regel aus einer mediterranen Sicht interpretiert werden. Dies liegt daran, dass die letzten frühen Hochkulturen (Griechenland, Rom) im Mittelmeer ansässig waren; aus der Sicht der Römer war es das "mare nostrum" - das Meer der Römer eben. Aus antiker griechischer Sicht liegen folgerichtig die Karpaten (wie wir zeigen werden das Atlasgebirge = Himmelssäule) hoch im Norden und der Bosporus (nach unserer Meinung die Säulen des Herakles) liegt im Osten.
Wir sind jedoch inzwischen davon überzeugt, dass der Schwerpunkt der menschlichen Entwicklung im betrachteten Zeitraum um 5.500 vor Christus am und im Schwarzen Meer (griechisch: Pontos) zu suchen ist. Wir postulieren also ein pontozentrisches Weltbild der jungsteinzeitlichen Zivilisation. Im Mittelpunkt der ältesten Karten aus Griechenland, Ägypten und Vorderindien liegt eben nicht das Mittelmeer, sondern das Schwarze Meer. Aus Sicht von Atlantis liegen dann die Provinz Gadeiros und der Bosporus im Westen und die Karpaten je nach Standpunkt im Norden oder Nordwesten. Wir gelangten zu den folgenden Schlussfolgerungen:
Die wissenschaftlichen Fachdisziplinen haben offensichtlich sehr sorgfältig gearbeitet und in Unkenntnis der Schwarzmeerflutung und der damit verbundenen Zivilisationsunterbrechung in der frühen Jungsteinzeit unter Beobachtung der verfügbaren Funde - die eben wegen der Überflutung extrem lückenhaft sind - bereits erste richtige Schlüsse gezogen. Jedoch ist es ihnen ergangen wie jemandem, der mehrere Stofffetzen aus dem Boden ragen sieht und diese zu vorsichtig begutachtet; er müsste erst daran ziehen, um ein ganzes zusammenhängendes Tuch zum Vorschein zu bringen. Die folgenden Stofffetzen ragen rund um das Schwarze Meer aus dem Boden:
Um zu verstehen, wie es zu der Großen Flut kommen konnte, ist es erforderlich, zunächst den groben Zeitrahmen darzustellen, innerhalb dessen sich die Salzwasser-Flutung des Schwarzmeerbeckens ereignet hat. Grundlage für die Flut bildeten die vorangegangene Eiszeit und die damit zusammenhängenden Klimaveränderungen.
| v. Chr. | Klima | 
| 120.000-20.000 | Letzte große Eiszeit, extreme Wasserbindung in Polkappen, Eisbergen und Gletschern, Wasserspiegel des Weltmeeres 120 Meter unter dem heutigen Stand | 
| 20.000-12.500 | Polkappen- und Gletscherschmelze, Höhepunkt um 15.000 v. Chr., Entstehung der großen Süßwasserreservoire: Aralsee, Kaspisches und Schwarzes Meer; Überlauf zum Mittelmeer | 
| 12.500-10.500 | Warmzeit | 
| 10.500-9.400 | Kleine Eiszeit (jüngere Dryaszeit) | 
| 9.400-6.200 | Kleine Warmzeit; teilweise Austrocknung des Schwarzen Meeres | 
| 6.200-5.800 | Kleine Zwischeneiszeit, kurze Übergangszeit: ca. 50 Jahre, Wasserspiegel des Weltmeeres 20 m unter dem heutigen Stand | 
| 5.800-5.510 | Warmzeit (sog. Atlantikum), Wasserspiegel des Weltmeeres 15 m unter dem heutigen Stand Durchbruch am Bosporus - Große Flut in der Schwarzmeersenke | 
| 5.510-3.000 | Fortsetzung der Warmzeit | 
| 3.000-heute | Myazeit/Subatlantikum: kühlere Periode | 
Vor etwa 6-4 Millionen Jahren entwickeln sich in Ostafrika die ersten Hominiden. Der Homo erectus entsteht vor etwa 1,5 Millionen Jahren in Afrika. Aus ihm entwickeln sich etwa 150.000 vor Christus die Neandertaler. Der moderne Mensch Homo sapiens sapiens folgt etwa 120.000 vor Christus in Afrika. Von dort aus besiedelt er den Rest der Welt (unilineare Hypothese). Diese "Out-of-Africa"-Theorie wird allerdings teilweise angezweifelt; demnach könnte sich der Homo sapiens sapiens zeitgleich (auch) in Asien und an anderen Orten entwickelt haben (multilineare Hypothese). Wie auch immer - 40.000 vor Christus tritt der weiter entwickelte heutige Mensch Homo sapiens sapiens das erste Mal in Europa auf und koexistiert mit dem Neandertaler bis etwa 35.000 vor Christus. Ab 35.000 vor Christus verschwindet der Neandertaler von der Weltbühne.
Der moderne Mensch breitet sich offensichtlich unbeeindruckt von der auf der Nordhalbkugel anhaltenden Eiszeit aus. Als Jäger und Sammler ist er in der Lage, in die eisfreien Zonen Nordeuropas einzudringen. So bildete die Donau zu allen Zeiten einen eisfreien Kanal, der das Vordringen der Menschen bis nach Westeuropa förderte. Der moderne Mensch ist seinen Vorgängern und dem Neandertaler körperlich unterlegen, dafür ist er jedoch anpassungsfähiger. Dies belegen zusammengesetzte Werkzeuge und die Verarbeitung von Knochen und Elfenbein, das Entstehen von Schmuck, die Jagd in Gruppen, erste dauerhaftere Lagerplätze sowie das Entstehen der Kunst in Form von Höhlenmalerei sowie künstlerisch gestalteten Figuren.
Insgesamt geht man davon aus, dass der moderne Mensch der jungen Altsteinzeit bereits über die kognitiven Fähigkeiten der heutigen Menschen verfügte. Würde man einen damaligen Säugling "zeitversetzt" in der heutigen Gesellschaft großziehen, würde er kaum auffallen. Daraus ergibt sich die Frage, warum der moderne Mensch über 100.000 Jahre gebraucht hat, bevor er in einem explosiven Wachstum in den letzten 10.000 Jahren - vor allem in der Neuzeit - die Welt als Pflanzer und Viehzüchter erobern konnte.
Zu der langen Anlaufphase dürfte eine Vielzahl von Faktoren beigetragen haben. Die Lebensbedingungen waren allgemein härter. Es war kälter und die Niederschläge fielen geringer aus. Der afrikanische Kontinent zeigte sich verschiebende Klimazonen bei insgesamt fortgeschrittener Austrocknung. Der ständige Kampf um das Überleben behinderte zunächst den Aufbau von Infrastrukturen und die Arbeitsteilung. Die durchschnittliche Lebenserwartung lag unter 30 Jahren, auch wenn einzelne Individuen durchaus ein Alter von 60 oder mehr Jahren erreichen konnten. Dies - wie auch das Fehlen der Schrift - hat die Ansammlung von Wissen und Erfahrungen nicht zugelassen. Andererseits könnten gerade die Herausforderungen der bis 20.000 vor Christus zunehmenden Vereisung und Verödung der notwendige intellektuelle Anreiz für die menschliche Entwicklung gewesen sein.
Zum Ende der letzten großen Eiszeit um 20.000 vor Christus lag der Spiegel des Weltmeeres etwa 120 Meter unter dem heutigen Stand. Riesige Wassermassen waren in den drei Kilometer dicken Eispanzern auf den Landflächen der Nordhalbkugel, in den Gletschern der Alpen sowie in den Eismassen an den Polen eingefroren, die einen gewaltigen Druck auf die Kontinentalplatten ausübten, so dass diese erheblich abgesenkt wurden. Dies ist auch heute noch bei der Antarktis der Fall, deren Kontinentalplatte aufgrund des Drucks der Eismassen um bis zu 2.500 Meter unter den Spiegel des Weltmeeres gedrückt wird.
Der Anstieg des Wasserspiegels lässt sich mit Hilfe von Korallenriffen datieren: Da der Wasserstand selten um mehr als einen Meter pro Jahrhundert gestiegen ist, konnten die Korallen mit dem ansteigenden Wasserspiegel wachsen. Durch die Datierung der Korallen einer jeweiligen Tiefenschicht lässt sich feststellen, wie hoch der Wasserpegel während der Lebenszeit der jeweiligen Koralle bzw. Korallenschicht war. Daran lässt sich auch nachvollziehen, dass ab circa 20.000 vor Christus eine allgemeine Gletscherschmelze einsetzte. Hierbei handelte es sich zwar nicht um eine ausgesprochene Warmzeit, doch das Nachlassen der Kälte führte dazu, dass die Eispanzer langsam an Masse verloren. Der Höhepunkt dieser Gletscherschmelze wurde um 15.000 vor Christus erreicht. Die Flüsse führten zur damaligen Zeit sehr viel mehr Wasser als heute, was zur Bildung von riesigen - zwischenzeitlich zum Teil wieder ausgetrockneten - Binnenseen führte.
Damals gab es noch einen Wasserüberlauf vom Aralsee über das Kaspische bis zum Schwarzen Meer. Der Kaspisee lag seinerzeit 80 Meter über dem Spiegel des Weltmeeres, während er heute 28 Meter darunter liegt. Der Gesamtzufluss zum Pontos - auch durch die Flüsse Donau, Dnjestr, Bug, Dnjepr und Don war damals so gewaltig, dass das Schwarzmeerbecken die Wassermassen nicht mehr fassen konnte, so dass in der Gegend des Bosporus vorübergehend ein Süßwasserüberlauf zum Mittelmeer entstand. Infolgedessen sank zeitweilig der Salzgehalt des Marmarameeres ab.
Mit dem Einsetzen der Warmzeit um ca. 12.500 vor Christus folgte der nächste einschneidende Wandel. Die Gletscher hatten große Mengen Geröll vor sich hergeschoben. Hieraus bildeten sich in Ost-West-Richtung verlaufende natürliche Dämme, so genannte Endmoränen. Vor dieser Barriere sammelten sich die Wassermassen. Die Wolga, die heute in das Kaspische Meer fließt, leitete das meiste Schmelzwasser der nordeuropäischen Gletscher in die Nordsee. Der Frischwasserzufluss zu den südlichen Binnenseen, darunter dem Schwarzen Meer, wurde gedrosselt.
Fehlender Frischwassernachschub und Warmzeit führten dazu, dass das Schwarze Meer (bzw. der dortige Süßwassersee) an den Rändern trockenfiel und insbesondere im Nordwesten erhebliche Landflächen freigab. Während also der Wasserspiegel des Weltmeeres weiter stieg, sank der Wasserspiegel des Schwarzen Meeres durch Verdunstung und geringeren Zufluss ab. Ähnlich erging es dem Vansee in der Osttürkei, dessen Wasserspiegel in der Zwischeneiszeit ab 6.200 vor Christus um ca. 250 Meter sank. Die Folge war ein Anstieg des Salzgehaltes. Das ehemalige Frischwasser wurde hier - wie auch in anderen Teilen des Nahen Ostens, im Aralsee und im Kaspischen Meer - ungenießbar. Das Schwarze Meer teilte dieses Schicksal nicht. Die Ausdehnung und die Tiefe von über 2.000 Metern reichten aus, den Salzgehalt auch in dieser Periode niedrig zu halten, so dass das Wasser zu jener Zeit trinkbar war und Süßwasserflora und -fauna vorherrschten.
Erdgeschichtlich betrachtet gehörte der tiefe Schwarzmeergraben zusammen mit dem Mittelmeer und dem Kaspischen Meer zum Urozean Thetys (benannt nach der Gattin des Okeanos), dem "Ur-Mittelmeer", das sich zwischen den beiden Großkontinenten Laurasia im Norden und Gondwana im Süden erstreckte (270-100 Mio. Jahre vor unserer Zeit). Der Urozean Thetys wurde dann in einen nördlichen und einen südlichen Teil getrennt. Der südliche Teil, in etwa das heutige Mittelmeer, hielt mit Unterbrechungen Anschluss an das Weltmeer. Dagegen war das nördliche "Sarmatische Meer" ein Binnenmeer, das vom Wiener Becken über Ungarn und Südrussland bis zum Aralsee reichte. Es süßte wegen der Zuflüsse im Pliozän (ab 7 Mio. Jahren vor unserer Zeit) aus. Reste sind der Neusiedler See (unter dem heute noch ein riesiges Bitterwasser-Reservoir liegt), das Schwarze Meer, das Kaspische Meer und der Aralsee. Der Donaulauf betrug nur ein Drittel der heutigen Stromlänge, denn die Mündung lag zeitweilig beim heutigen Wien.
Um ca. 5.600 vor Christus erreichte der Wasserspiegel des Weltmeeres und damit auch der des Marmarameeres die Schwelle des Bosporus. Zwischen dem Wasserspiegel des Marmarameeres und dem Wasserspiegel des Schwarzmeeres klaffte zu der Zeit eine Differenz von über 100 Metern. Mit dem weiteren Anstieg des Weltmeeres und dem Bruch des Bosporus ergossen sich in der Folgezeit riesige Wassermassen in das Schwarze Meer - ca. 50 Kubikkilometer am Tag. Der Wasserspiegel des Schwarzen Meeres stieg um durchschnittlich 15 Zentimeter täglich. Dies ermöglichte der Mehrheit der dort lebenden Bevölkerung zwar die Flucht. Jedoch dürften viele ertrunken sein, als sie vom Wasser eingekreist wurden und versuchten, sich auf "Inseln" zu retten, als die Ströme überraschend „rückwärts“ flossen. Das Wasser stieg aber entgegen aller Erfahrung weiter an, statt wieder zurückzugehen wie nach einer "normalen" durch Schneeschmelze entstandenen Flut. Insgesamt dürfte der Niveauausgleich etwa ein Jahr beansprucht haben.
Es gab aber keine riesigen Flutwellen, wie man im ersten Augenblick glauben könnte, denn die Energie von Wasserfällen wird beim Aufprall auf Boden oder Wasser aufgezehrt und nicht in Wellen umgesetzt. Das einschießende Wasser am Bosporus musste zunächst bis zum vorhandenen Wasserreservoir gut 50 Kilometer mit einem Gefälle von 100 Metern zurücklegen, so dass der "Wasseransturm" relativ gedämpft erfolgte. Das kühlere und salzhaltigere und damit schwerere Wasser aus dem Marmarameer und dem Mittelmeer sank in die Tiefe, so dass sich der Strom unter Wasser fortsetzte. Mit der Zeit entwickelte sich an der Oberfläche eine Gegenströmung aus wärmerem Wasser mit einem geringeren Salzgehalt. Beide Strömungen existieren bis heute noch gleichzeitig im Bosporus-Durchbruch.
Das einströmende Wasser aus dem Mittelmeer war als sauerstoffarmes Salzwasser für die Flora und Fauna im Schwarzen Meer tödlich. Dies führte dazu, dass in dem ursprünglichen Süßwassersee das gesamte Leben schlagartig erlosch! Es kam zu einer biologischen Katastrophe. Das Absterben aller Organismen sowie der damit einhergehende Abbau durch Bakterien führten dazu, dass der Sauerstoffgehalt des Schwarzen Meeres drastisch abfiel. Noch heute lassen sich im Schwarzen Meer eine sauerstofflose Todeszone ab einer Tiefe von ca. 130 Metern sowie aufsteigendes Methan- und Schwefelwasserstoffgas nachweisen. Über den Sedimenten des ursprünglichen Süßwassersees liegt eine meterdicke Schicht, die von abgestorbener Biomasse herrührt.
PITMAN/RYAN waren in der Lage, für diese Flut ein vorläufiges Datum anzubieten. Ebenso wie ROSS/DEGENS während ihrer Expedition im Jahre 1969 entnahmen sie Bodenproben aus dem Schwarzen Meer. Hierbei stellte sich heraus, dass die ursprünglichen Süßwassermuscheln von Salzwassermuscheln überlagert sind. Aufgrund der Datierung mit der C14-Methode waren sie in der Lage, die jüngsten Daten gefundener Süßwassermuscheln sowie die ältesten Daten geborgener Salzwassermuscheln zu fixieren. Bei der C14-Methode wird anhand der Verfallsrate des C14-Isotops, einer Sonderform des Kohlenstoffatoms mit einer Halbwertzeit von 5.760 Jahren, auf das Datum des Absterbens eines Organismus geschlossen; der lebende Organismus nimmt diese Isotope regelmäßig auf, so dass der Anteil dieses Isotops mit dem seiner Umwelt übereinstimmt; nach dem Absterben erfolgt nur noch ein Zerfall, so dass diese Isotope "unterrepräsentiert" sind. Auch wenn diese Methode einen Spielraum lässt, zeigten die Daten, dass
Nach unserer Auffassung handelt es sich hierbei um eine revolutionäre Erkenntnis, die bisher von den einzelnen Fachwissenschaften noch nicht hinreichend gewürdigt werden konnte. Durch die klare Aussage, dass es eine Flutung der Schwarzmeersenke gegeben hat und deren zeitliche Fixierung ist es möglich, anhand der vorhandenen Daten die Feststellungen von PITMAN/RYAN zu verifizieren und gleichzeitig existierende Daten und Fakten von anderer Stelle unter diesen Gesichtspunkten neu zu interpretieren.
PITMAN/RYAN haben weiterhin ansatzweise dargestellt, dass die Sintflut der Auslöser für einen unübersehbaren gesellschaftlichen Umbruch war: Ab ca. 5.500 vor Christus sind vom Schwarzen Meer aus in alle Richtungen heftige Wanderungsbewegungen sowie der Transfer von Kultur und Wissen zu beobachten. Die Tatsache, dass die ermittelte C14-Datierung mit dem Aufblühen früher Hochkulturen zeitlich zusammenfällt, bestätigt die Richtigkeit dieser naturwissenschaftlichen Feststellungen und ist aus heutiger Sicht auch kein Zufall, sondern eine zwingende Folge der endgültigen Vertreibung einer relativ weit entwickelten Zivilisation aus ihrem angestammten Lebensraum.
Daneben sprechen noch weitere Indizien für die Fluttheorie. Ein Kennzeichen ist das Vorliegen von Flusstälern am heutigen Meeresboden, da sich seinerzeit mit der teilweisen Austrocknung des Schwarzen Meeres die Flüsse einen Weg zur neuen Küstenlinie gegraben hatten. Ein solches Flusstal wurde am Beispiel des Don identifiziert. Im Rahmen einer geplanten Eisenbahntrasse wurde festgestellt, dass das Flussbett des Don auch außerhalb der Schwarzmeersenke ursprünglich deutlich tiefer war und heute mit Sedimenten gefüllt ist. Aber auch die früheren Flussläufe von Donau und Dnjepr, vereinigt mit Dnjestr und Bug vor dem versunkenen Delta, konnten nachvollzogen werden.
Das sehr flache Asowsche Meer entstand erst später nach der Flutung des Pontos und bedeckt die Fläche des ehemaligen Mündungsgebietes des Don. Die Meerenge von Kertsch ist der alte Don-Durchbruch zum Schwarzen Meer. Im flachen Wasser des Asowschen Meeres ist das alte Don-Delta gut auszumachen. Der Einflusswinkel des Don sorgt in dem seichten Gewässer für eine permanente Strömung entgegen dem Uhrzeigersinn, die inzwischen vor der Krim eine durchgehende Landzunge (Arbat) aus den Sedimenten des Donzuflusses gebildet hat.
Insgesamt bestand vor der Flutung des Schwarzen Meeres im Norden eine durchgängige Siedlungsfläche vom Nordwesten des Pontos über die Halbinsel Krim bis zum Asowschen Meer. Eine Tauchfahrt des Entdeckers BALLARD vor der flachen Küste Bulgariens konnte allerdings nicht wie im Süden an der türkischen Steilküste von Erfolg gekrönt sein. In diesem flachen Gewässer wurden in den letzten 7.500 Jahren große Massen von Sedimenten hauptsächlich durch die Donau eingetragen, so dass eine reine Tauchfahrt ohne Bohrungen und Georadar in diesem Gebiet unseres Erachtens jedenfalls für die angepeilte Epoche keine Funde zutage fördern kann.
Die Überflutungsflächen im Süden und im Osten sind dagegen wegen der Steilküste vergleichsweise klein; aber hier wurden unter Wasser bereits alte Siedlungsspuren nachgewiesen. Der Amerikaner BALLARD, der bereits die Wracks der "Titanic" sowie der "Bismarck" lokalisiert hat, fand bei einer Expedition im Sommer 2000 vor der türkischen Stadt Sinop an der südlichen Schwarzmeerküste in 100 Metern Tiefe die Reste einer Siedlung. Hierbei handelt es sich um ein Rechteck von etwa 12 mal 4 Metern. Es wurden geschnitzte Holzbänke, hölzerne Verstrebungen und Werkzeuge, darunter eine Steinaxt, entdeckt. Die Entdecker vermuten, dass dies ein Holzhaus in Pfahlbauweise war. Durch die Verankerung im Boden konnte das Haus der Flut standhalten. Wahrscheinlich hat die sauerstofffreie Todeszone des Schwarzen Meeres zur Konservierung beigetragen.
In den Jahren 1999 und 2002 wurde die durch naturwissenschaftliche Datierungen gestützte Schwarzmeer-Fluttheorie (PITMAN/ RYAN 1997) von einer Forschergruppe um AKSU angegriffen - und zwar auf Basis von Salzkonzentrations-Schwankungen im Marmarameer, gemessen an den Schlammablagerungen "Sapropel S 1". Demnach soll ein ständiger Süßwasserabfluss vom Schwarzen Meer durch den Bosporus stattgefunden haben, dem dann ca. 8.000-7.000 vor Christus die Flutung mit Salzwasser aus der Ägäis in umgekehrter Richtung folgte.
Leider haben sich die vom 3.-7. Juni 2002 im ligurischen Forschungszentrum von Bogliasco bei Genua tagenden Geologen, Archäologen, Anthropologen, Mythologieforscher und Sprachwissenschaftler einschließlich der Marinegeologen PITMAN und RYAN derart überrumpeln lassen, dass sie seitdem bereit sind, alle ihre Theorien von 5.500 auf 6.700 vor Christus umzuschreiben bzw. "umzubauen" (HAARMANN 2003). Das vorgelegte Ergebnis ist ein Kompromiss zwischen Geologen, die vor wenigen Jahren noch behaupteten, es habe gar keine Flutung gegeben - und wenn, dann nicht in den letzten 14.000 Jahren - und PITMAN/RYAN, die eine solche Überflutung für 5.500 vor Christus feststellten. BROSE widerrief auf Basis der ersten Anfeindungen seine verfolgte Idee, wonach Atlantis im Schwarzen Meer zu suchen sei. HAARMANN hat die Daten des Kompromisses übernommen und damit einen ganz offensichtlichen zeitlichen Bruch von 1.200 Jahren zwischen der Flut und ihren Folgen - die er als weltweit anerkannter Wissenschaftler wunderbar herausgearbeitet hat - offenbar werden lassen.
Dabei hätte jeder Tagungsteilnehmer sofort feststellen können, dass die von der Forschungsgruppe um AKSU aufgestellte einfache Beziehung zwischen dem gemessenen Salzgehalt im Marmarameer und der Bosporus-Flutrichtung (die übrigens heute in beide Richtungen gleichzeitig erfolgt) überhaupt gar nichts beweisen kann. Denn dieses kleine Vormeer unterliegt vielerlei Faktoren gleichzeitig, die den Salzgehalt beeinflussen: Stürme, Verdunstungsraten, Niederschläge und schwankende Frischwasserzuflüsse, Veränderungen des Dardanellen-Durchsatzes sowie Veränderungen der Salzkonzentration im Mittelmeer. Schließlich wirkt sich natürlich auch der Bosporus-Durchfluss aus.
Was die Feststellung unter Umständen nahe legt ist, dass der Frischwasser-Überlauf aus dem Schwarzen Meer erst relativ spät zum Erliegen kam; das Team von AKSU geht von einem Anstieg des Salzgehaltes im Marmarameer ab 8.000-7.000 vor Christus aus, PITMAN/RYAN hatten 12.500 vor Christus geschätzt. Aber wie lange braucht ein Meer zum Austrocknen? Der Stand des Vansees in Anatolien fiel innerhalb weniger Jahrhunderte um 250 Meter. Der Aralsee verlor in den dreißig Jahren von 1960-1990 dreißig Meter. Nun verfügte das Schwarze Meer noch über nennenswerte Zuflüsse. Dennoch halten wir - richtige Datierung durch die AKSU-Forschungsgruppe mit Bedenken voraussetzend - ein Absinken des Wasserspiegels um ca. 100 Meter in 1.000 bis 2.000 Jahren für denkbar.
Die ukrainische Schlangeninsel, für die wir vermuten, dass es sich hierbei um einen Teil der alten "Insel" Atlantis handelt, liegt 40 Kilometer vor der heutigen Küste Rumäniens und damit weit von der früheren Küste des Süßwassersees entfernt. Die Insel Atlantis soll nach der Überlieferung jedoch nur zehn Kilometer von der Küste entfernt gewesen sein. Dies ist der einzige Punkt, der uns an der Lage zweifeln lässt – demnach müsste die Insel Atlantis tiefer im Meer liegen. Möglicherweise gibt es noch eine weitere ähnliche Erhebung tiefer im Schwarzen Meer. Andererseits könnte der Niveauunterschied zwischen Marmarameer und Schwarzem Meer tatsächlich etwas kleiner gewesen sein. Dann würde die Lage der Insel eine kürzere Austrocknungsperiode und damit eine kleinere Flut nahe legen.
PITMAN/RYAN haben das Team um AKSU mit eigenen Nachmessungen von organischen Rückständen aus dem Schwarzen Meer auf 6.700 vor Christus "heruntergehandelt" und die Akzeptanz einer Flut unbestimmter Größe durchgesetzt. Aber welchen Wert haben diese ausdrücklich "exakten" Nachmessungen? Der ursprünglichen Datierung lagen Süß- und Salzwassermuscheln zugrunde. Diese Lebewesen wurden einzeln datiert, wobei die jüngsten Süßwassermuscheln in etwa auf 5.500 vor Christus, die ältesten Salzwassermuscheln auf 5.000 vor Christus kamen. Sollten diese ursprünglichen Datierungen (+/- 50 Jahre!) so ungenau gewesen sein? Sollte die Untersuchung organischer Rückstände, die im Zweifel mit anderen Stoffen kontaminiert sind, bessere Ergebnisse liefern? Dies ist nur ein Feigenblatt, um den faulen Kompromiss zu verdecken - Wissenschaft geht wohl doch "nach Brot". Die Datierung einzelner Muscheln führt zu eindeutigen Ergebnissen - wozu soll die Datierung weiterer unspezifischer organischer Rückstände auf dem Boden des Schwarzen Meeres und des Marmarameeres dienen? Sie kann nur dann ein Indiz sein, wenn man unterstellt, dass der Durchbruch von 50 Kubikkilometern Wasser pro Tag weder im Marmarameer noch im Schwarzen Meer ältere Sedimente aufwirbelt; wenn nach der Flut keine ältere Biomasse aus der sich zur Wüste wandelnden Sahara und aus den von Gletschern freigelegten Gebieten in das Schwarze Meer eingetragen wird; wenn das aufsteigende Methan- und Schwefelwasserstoffgas und die bakterielle Aktivität in diesen Schichten keine älteren Schichten nach oben trägt. Statistisch betrachtet: Unseres Erachtens hat auch der auf 6.800 vor Christus datierte Schlamm ein Alter von maximal 5.500 Jahren. Der Eintrag älterer Biomasse und die Durchmischung mit älterem Material hat das Alter verfälscht. Bereits geringe Einträge aus freigelegten Gletschergebieten mit organischem Material, das 20.000-100.000 Jahre alt sein kann, lässt die Proben im Durchschnitt älter erscheinen.
Die gewählte Strontium 87-Methode unterstellt genauso wie die C14-Methode, dass die Probe zum Zeitpunkt des Absterbens einen bestimmten Anteil dieser radioaktiven Isotope in sich trug; wie aber kann man dies unterstellen, wo doch die weltweite Verteilung dieser Isotope Schwankungen unterliegt? In der Luft sind die Isotope aufgrund von Verwirbelungen gleichmäßig verteilt. Daher sind Folgerungen aufgrund der Daten von Muscheln, die im flachen Wasser nahezu an der Oberfläche leben, grundsätzlich zulässig. Wie aber verhält es sich mit Organismen, die sich nach der Flut in einer Tiefe von 100 Metern ablagern? Wenn man die beschriebene Flut unterstellt, ist die Datierungsmethode für nach der Flut entstandene Organismen unzulässig, da viel ältere Wasserschichten aus großen Tiefen nach oben getrieben wurden (einströmendes Salzwasser ist schwerer als Frischwasser). Der Gehalt radioaktiver Isotope in diesen Schichten steht in keinem direkten Zusammenhang zum Gehalt in der Luft.
Es wäre isoliert betrachtet sicherlich kein Problem, dem faulen Kompromiss der Fachtagung folgend, Atlantis in diesem Buch 1.200 Jahre früher im Schwarzen Meer versinken zu lassen. Damit können wir uns aber nicht zufrieden geben. Nach unseren Recherchen zeigen alle Faktoren außerhalb der oben erwähnten Angriffe so deutlich auf die ursprüngliche Datierung um 5.500 vor Christus, dass wir davon nicht abrücken werden. Atlantis ist nach unserer Meinung eben keine phantastische Geschichte, sondern kann mit den bis heute gewonnen Erkenntnissen über die Steinzeit und die Mythologie exakt in die Menschheitsgeschichte eingepasst werden. Dabei macht aber selbst bei so langen Zeitläufen eine Differenz von 1.200 Jahren einen großen Unterschied: Die jungsteinzeitliche Diaspora findet eben um 5.500 vor Christus statt!