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Copyright © 2021 Anita Maria Noack
Herausgeber Anita Maria Noack
Covergestaltung: Nina Hirschlehner | NH Buchdesign
Lektorat: Nina Hirschlehner
Buchsatz: Nina Hirschlehner
ISBN: 9783753485126
Books on Demand GmbH
AUTORIN
Anita ist 1996 in einer Kleinstadt nahe Rostock (Mecklenburg-Vorpommern) geboren und aufgewachsen. Seit frühster Kindheit schreibt sie Geschichten und nun mit DrachenEis erblickte ihr erstes Werk das Licht der Welt.
2015 beendete sie an der Fachhochschule Greifswald ihre Ausbildung zur MTLA und arbeitet seitdem als Medizinisch-technische Laboratoriums Assistentin in einer Klinik in Rostock.
Und seit 2019 ist Anita glücklich mit ihrem Mann Marc verheiratet.
Der Himmel wird
rote Tränen weinen.
Ein Ereignis, das schon Ewigkeiten zurückliegt. Denn es gab eine Zeit, in der Feron ein Teil des Festlandes war. Alle Wesen, sei es Fae, Drachen oder Menschen lebten im Einklang zueinander. Bewacht von den Göttern Moé, der Sonne, und Lunar, des Mondes.
Bis es geschah, dass Wesen, die weit entfernt in den Bergen hausten, Machtansprüche stellten. Die schwarzen Wesen fegten durch das Land und metzelten alles nieder, was ihnen in die Quere kam.
Irgendwann hatten die beiden Götter genug und sammelten all ihre Energie, um ihren Geschöpfen zu helfen. Sie trennten das Land und die origani See trieb die neue Insel ab. Im gleichen Zuge teilten sie mit dem Fluss Amrei die neu entstandene Welt in zwei Hälften. Moé herrschte über die helle, in der die Menschen lebten, und Lunar über die dunkle Seite, in der Drachen und Fae ihren Platz fanden.
Es waren einmal zwei Schwestern, die wuchsen wohlbehütet in einem fernen Königreich auf, so weit entfernt, dass es auf nicht einer Karte verzeichnet war.
Die Ältere war gütig und vermochte keiner Kreatur ein Haar zu krümmen. Das Herz der Jüngeren hingegen war vor Hass und Gram schwarz gefärbt. In allem und jedem sah sie nur verabscheuungswürdige Geschöpfe.
Eines Tages geschah es dann, dass die Eltern der beiden Mädchen – der König und die Königin – starben. Das Land brauchte einen Nachfolger. Die Ältere übernahm laut Geburtsrecht das Zepter, um über ihr Volk, was sie liebte, zu regieren. So geschah es, dass diese Schwester die Krone auf ihrem Haupte trug. Sie regierte weise und gerecht und viele Jahre herrschte Frieden, doch die hasserfüllte Jüngere gönnte ihr die Liebe des Reiches nicht und säte langsam die Saat des Zweifelns unter den Reihen der Untertanen. Das Volk begehrte auf und stürzte die Königin.
So trug es sich zu, dass die Jüngere an die Macht kam, und Jahre der Verwüstung zogen in Form eines Teppichs aus Blut über den gesamten Kontinent Xandria.
Sanft strich Raylin über die Köpfe der Kinderschar, die sich zahlreich um sie tummelten. Alle Augen waren auf sie gerichtet.
Ein kleines Mädchen trat heran, gehüllt in einen Mantel aus unzähligen buntgemusterten Flicken, die Hände schützend in den Taschen vergraben und doch sah Raylin, dass es am ganzen Leib zitterte vor Kälte. Der Winter war hart, besonders zu den Schwächsten unter ihnen.
»Was hast du, kleiner Schmetterling?« Dabei kniete sie sich auf die halb gefrorene Erde und nahm die Hände des jungen Mädchens in die ihren.
»Was wurde aus der älteren Schwester, der wahren Königin?«
Kindliche Neugier war es, die Raylin so liebte, keines der Kinder hätte eine bessere Frage stellen können.
»Das, meine Kleine, kann dir nur das Flüstern des Nordwindes verraten. Niemand weiß, was mit ihr geschah.«
Doch das stimmte nicht. Das erzählte sie nur jedem.
Raylin erhob sich, klopfte sich den Frost aus den Kleidern und wandte sich ein letztes Mal an die Kinderschar, um dann stumm zwischen den Bäumen zu verschwinden.
Niemand würde je erfahren, was genau damals abgelaufen war. Nicht einmal die Götter ahnten es. Und so war es recht. Die Zeit würde ins Land ziehen und das Vergessen sich wie ein zartes Tuch über alles legen.
Soraya war tot ...
Die Königin des Unheils.
Die böse Hexe des Nordens war Vergangenheit.
All jene Gedanken flüsterten sich die Wesen von Alysandretta hinter vorgehaltener Hand zu.
Lilly saß in ihrem Turmzimmer, hoch über den Straßen, und starrte auf die beschatteten Gassen der Stadt hinab. Das Leben schritt weiter fort, ohne Königin.
Ihre Mutter war tot ...
Müsste sie nicht so eine Art Trauer verspüren?
Doch so oft Lilly in sich hineinhorchte, da herrschte nur gähnende Leere. Sie empfand nichts für ihre rachsüchtige Mutter, und wenn sie darüber nachdachte, hatte sie diese ihr ganzes Leben lang verabscheut. Daher traf sie die Botschaft wenig.
Eigentlich war sie sogar erleichtert. Selbst wenn dies bedeutete, dass Lilly die nächste in der Thronfolge war.
Der Gedanke allein verursachte ihr wahres Kopfzerbrechen. Sie glaubte nicht, dass sie fürs Regieren geschaffen war. Nur wenn nicht sie, wer sonst? Ihr langjähriger Berater Keydan?
Dieser Mann war die Anzucht ihrer Mutter und weitere Jahre des Mordens würden ins Land ziehen. Aber damit musste Schluss sein.
Die Vampyre gierten ständig nach Macht, weswegen es ihre Spezies kaum in dieser Welt aushielt.
Lilly nahm eine Strähne ihres silberweißen Haares zwischen die Fingerspitzen und sah auf das Spiegelbild, das sich in den Fenstergläsern spiegelte. Ihre Haare fielen lang und glatt bis hinunter zu ihrem Bauchnabel. Sie liebte es, wenn ihre Spitzen in der Sonne wie Edelsteine glänzten und dazu ihre Augen, die so blau waren wie das Meer, das sie nie gesehen hatte und nie sehen würde.
Alles Anzeichen ihrer Abstammung.
Der Amythas.
Wohingegen die Vampyre allesamt dunkle Haare und rote Augen charakterisierten und sich rein von Blut ernährten, doch zählten sie alle samt zu den umgangssprachlichen Schwarzen Wesen. Und über jene sollte sie bestimmen?
Sie?
Lilly war sanft und vermochte kaum eine hübsche Blume ihren Wurzeln zu entreißen, und dann eine ganze Horde Tyrannen befehligen?
Soraya war es gewesen, die mit ihren unzähligen Beutezügen über Xandria Eindruck im Volk hinterlassen hatte. Nicht eine Empathin wie Lilly.
Die Gabe der Amythas lag darin, die Gefühle zu orten, dessen Haut sie berührte. Wenn sie das tat, schossen Bilder in ihren Geist von der Gegenwart oder der Vergangenheit, die teils schwer zu unterscheiden waren.
Ein Schicksal, das nicht immer Annehmlichkeiten mit sich brachte. Nicht alles, was Amythas sahen, war es wert zu wissen.
Seufzend warf sie den Kopf in den Nacken, sodass ihre Haare den kalten Stein in ihrem Rücken berührten.
Sie wollte nicht morden und Kriege gegen andere Länder führen. Frieden war es, das Alysandretta nach all den Äonen brauchte, aber ob ihr Volk dafür bereit war?
Lilly selbst zählte einige Jahrhunderte, wenngleich sie unter ihresgleichen zu den Kindern gehörte.
Sollte Keydan doch herrschen. Oder ihr entfernter Verwandter Core … Bei diesem Gedanken regte sich etwas in ihr. Es benötigte eine Wende unter diesem störrischen Volk und wenn sie diese war, dann schaffte sie es, den Wesen von Alysandretta einen anderen Weg aufzuzeigen.
Ein Klopfen riss sie aus den Gedankengängen und sie blinzelte verblüfft Richtung Tür.
»Ja!«
Die schmiedeeiserne Tür schwang auf und ihre Kammerzofe trat herein.
Faith.
Den Blick hielt sie stets demütig gesenkt, obwohl Lilly alles andere als begeistert darüber war, denn sie war für sie keine Sklavin, sondern eine Freundin. Ihr Haar lag eng an ihrem Kopf an, es wurde jedem Bediensteten bis auf wenige Zentimeter gestutzt. Ein Symbol ihres niederen Standes, denn sie durften ihre Herren nicht überstrahlen.
Der größte Unsinn, den sie je gehört hatte.
»Was möchtest du?« Ihre Stimme besaß keinen Hauch Schärfe und doch begann Faith am ganzen Leib zu zittern.
Was war geschehen?
Faith war keine reine Amytha. Wenngleich sie die auffälligen weißen Haare trug, besaß sie doch Züge ihres leiblichen Vaters, einem Fae. Ihre Augen waren nicht rein blau, denn um die schwarze Pupille verliefen einige bernsteinfarbige Sprenkel und ihre Ohren liefen an den oberen Enden spitz zu.
»Faith!«
Weiterhin sagte sie nichts. Bis Lilly eine Gestalt halb im Schatten des Türrahmens verborgen erkannte.
Instinktiv verdrehte sie die Augen, sie wusste, wer sich dort aufhielt. »Keydan, kommt raus und zeigt Euch.«
Die Gestalt trat herein und sie hatte recht behalten, es war der Berater ihrer Mutter – und nun der ihre.
Als Vampyr besaß er Größe. Nur sein kahl geschorener Schädel passte nicht ins Bild. Was immer damals vorgefallen war und ihre Mutter ihm angetan hatte, wenn man genauer hinblickte, so ließ sich ein zartes Narbengeflecht erahnen.
Seine rubinroten Augen fixierten sie und um seinen Mund zog sich ein schmales spöttisches Grinsen. »Meine Liebe, wir vermissen Euch bei der Audienz. Der Mörder Eurer Mutter, der Königin, wurde gefasst und wartet auf Eure Strafe.«
Lilly ließ sich nichts anmerken, obgleich sie überrascht war. Warum sollte sie urteilen? Sie kannte den Mann doch gar nicht. Tod ihrer Mutter hin oder her.
»Nein, Keydan, ich werde nichts dergleichen entscheiden. Ich wurde noch nicht gekrönt. Soll er bis zu jenem Tag im Kerker verrotten.«
Etwas Geschickteres fiel ihr auf die Schnelle nicht ein. Eine dunkle Zelle war um Längen besser als der Tod.
»Aber Herrin, er verlangt es!«
Das brachte Lilly zum Stutzen. Der, der sich seinen Tod wünschte, hatte nichts mehr zu verlieren. Wahrscheinlich war ihre Mutter an irgendeinem Ereignis in seinem Leben schuld, sodass er sie erst umgebracht hatte und dann selbst den Tod wählte.
»Soll er es sich doch wünschen. Wer regiert das Land? Ein Wurm wie er?« Sie hasste diese Stimme, wenn sie sprach wie ihre Mutter, voller Hass und Herablassung. Jedoch würde sie hier sonst keiner ernst nehmen.
Keydan verbeugte sich, ohne ein Wort zu sagen, und verschwand in den Schatten des Flures. Lilly sah wieder zu Faith, die sich während des Gesprächs nicht einen Millimeter von der Stelle bewegt hatte.
»Schließ die Tür«, sagte sie in einem etwas sanfteren Ton.
Ihre Kammerzofe führte aus, was sie verlangte.
»Und nun ...«, begann Lilly zu sprechen und gleichzeitig von der Fensterbank zu rutschen. »Erzähle mir, was genau dort im Thronsaal abgelaufen ist. Zwischen Keydan und dem mutmaßlichen Mörder.«
Faith sah zum ersten Mal an diesem Tag zu ihr hoch. In ihren Augen blitzte etwas auf, der Schalk, wenn sie erkannte.
»Lilly, das war ein Schauspiel. Der Mörder wurde hereingeführt. Aber anstatt in schweren Ketten, trug er nur dünne Handschellen. Wäre er nicht hier, um sein Leben zu beenden, hätten die Schellen ihn nie halten können, aber er blieb still. Er ist ein Vampyr, ein wohl bekannter sogar, was Keydan dazu veranlasst, früher zu handeln und nicht bis zur Krönungszeremonie zu warten.«
Ihr erster Berater schien wahrlich Angst zu haben. Nur wovor?
»Wer ist es, Faith?«
Die Kammerzofe lachte, welch ein ungewohnter Kontrast in diesen dunklen Hallen. »Drakan, erster Offizier der Königin Soraya.«
Das konnte nicht möglich sein.
Drakan war Äonen von Jahren immer treu an der Seite ihrer Mutter gewesen und nun sollte er für ihren Tod verantwortlich sein? Es war absurd.
Sie kannte Drakan von früher. Nie hatte er ein Wort an sie gerichtet, war stattdessen nur um ihre liebe Mutter herumstolziert und hatte ihr zugeflüstert, welche Städte er dieses Mal für sie eingenommen hatte. Insgeheim hatte sie ihn damals Drakan, den Plünderer getauft, denn das war er für sie.
Faith stellte sich neben sie und stupste sie an. »Hängen wir wieder in den Gedanken fest, Lillith?«
Wie sie diesen Namen verabscheute.
Zähneknirschend stieß sie ihre Freundin beiseite. »Du sollst mich doch nicht so nennen. Es reicht, wenn der Rest des Hofstaates es tut.«
Ein Lachen ertönte und Lilly warf ihr einen bösen Blick zu.
»Ach komm schon, gönn mir den Spaß, nachdem ich den ganzen Tag bei Keydan verbracht habe, wegen deiner Krönung.«
Wieder dieses Wort.
Entnervt warf sie die Hände in die Luft. Warum sie?
Die Krönung fand zur Sonnenwende statt. In der längsten Nacht des Jahres, in welcher der Mond sich vor die Sonne schob. Ihr blieb eine Woche, ganze sieben Tage, bis es so weit war.
»Warum erinnert mich nur jeder daran?«
»Weil es nun mal essentiell für unser aller Leben ist, Lilly.«
Und wenn sie gar nicht wollte, was dann? Aber das hatten sie schon tausendfach durchgekaut. Das Ergebnis änderte sich nie. Die Königin würde sie werden, niemand anderes.
»Willst du mein Leben haben und ich werde Zofe?« Hoffnungsvoll sah sie zu Faith.
»Das lassen wir mal schön bleiben. Ich bin ein kleines Licht und werde nie heller leuchten als über einen schmalen Kerzendocht hinaus.«
Völliger Unsinn. Faith war alles für Lilly. Seit sie laufen konnte, war sie bei ihr. Erst Spielgefährtin und nun Zofe. Ohne ihre Freundin hätte sie es all die Jahre unter der harten Hand ihrer Mutter nie ertragen. Sie fühlte immer noch die Hiebe der Peitsche auf ihrem Rücken, auch wenn man die Striemen schon lange nicht mehr sah. Alles nur, weil sie einem kranken Amytha aufgeholfen und ihm ein paar Kupfermünzen in den Wams geschoben hatte.
Güte war eine Sünde und Schmerz die Vergeltung.
So war es viele Jahre gelaufen, bis Lilly niemanden mehr, der Hilfe benötigte, eines Blickes würdigte. Ihr Herz insgeheim jedoch blutete.
Das Leben in Alysandretta konnte leicht sein, folgte man der Philosophie, und unsäglich schwer, passte man nicht ins Schema.
Faith zum Beispiel. Ein Halbling würde immer Dienerin bleiben. In einem anständigen Handwerk würde sie nie jemand einstellen. Dafür hatte die Königin mit bestem Gewissen gesorgt. Lilly würde in ferner Zukunft nichts ändern können. Auch wenn es ihr schwerfiel, Jahrhunderte alte Verbohrtheit ließ sich nicht so leicht ausradieren.
»Was grübelst du bloß so viel? Jedes Mal zuckt die winzige Furche zwischen deinen Brauen.«
Verblüfft blickte sie hoch. Lilly war während ihrer Gedankengänge achtlos durch ihr Zimmer gegeistert und hatte Faith völlig vergessen.
»Entschuldige, du kennst mich doch.«
Die zugespitzte Ohrenmuschel ihres linken Ohres zuckte. »Das darf dir bei Keydan nicht passieren.«
Betrübt sah Lilly zu Boden. »Ich weiß ...«
Trotz des Todes der Königin war ihr Leben nicht leichter geworden. Wenn sie allein an diese Audienzen und andere wichtige Besprechungen dachte, wurde ihr flau in der Magengegend.
»Denk über Drakan nach, liebe Freundin. Es wird dein erstes Urteil sein, entscheide weise, nicht impulsiv, wie Soraya.«
Damit wandte Faith sich von ihr ab und verschwand hinaus in die Gänge des Schlosses. Und so war sie wieder vollkommen ihren Gedanken überlassen.
Sie solle weise entscheiden, nichts überstürzen und doch durfte sie mit dem Mörder ihrer Mutter nicht so glimpflich verfahren, wie sie wollte.
Am liebsten würde sie ihre Sachen schnappen und mit der Dämmerung aus dem Schloss verschwinden. Raus aus Alysandretta, irgendwohin, wo sie keiner kannte und ein beschauliches Leben führen.
Seufzend setzte sie sich auf ihr breites Himmelbett mit den wunderschönen cremefarbenen Samtbehängen an jedem der vier Eckpfeiler.
Drakan, der Plünderer.
Er war wieder hier.
Sie erinnerte sich nur vage an ihn. Das Einzige, was sie mit Gewissheit wusste, waren seine bordeauxfarbenen Augen, die selbst für Vampyre beinahe zu dunkel erschienen. Das Haar, wie das aller Soldaten im Lande, lang und mit einem Lederband im Nacken fixiert. Auf seltsame Art und Weise fand Lilly ihr Aufeinandertreffen faszinierend. Obwohl sie den Grund dafür am liebsten verdrängte.
Ihr Kopf fiel zur Seite und ihr Blick glitt aus dem Fenster. Der fallende Schnee war nur eine kurze Verschnaufpause. Eine Woche, in der die Vegetation im Lande langsam erwachen würde. Die Tage würden stetig länger werden, bis hin zur ewigen Nacht, in deren Stunden ihr Haupt eine Krone aus schwarz glänzenden Diamanten zieren würde.
Schaudernd sah sie vom Fenster weg.
Das Gefühl, dass die Zeit ihr aus den Händen glitt, nagte immer schwerer an ihr.
Nicht einmal Faith verstand diese Leere, die langsam in ihrem Innern gedieh wie ein Strauch Blutrosen. Mit dem Tod ihrer Mutter war sie nur tiefer geworden. Etwas fehlte in ihrem Leben, etwas, das von entscheidender Bedeutung für ihre Zukunft sein könnte. Es war beinahe so, als hätte Soraya einen Teil von ihr gestohlen, den sie nicht glaubte zu besitzen.
Niemand sprach je über ihren Vater.
Nicht einmal einen Namen kannte sie.
Lilly war eine Amytha und Soraya ein Vampyr, wie hing das zusammen? In diesem Fall musste ihr Vater doch von ihrer Spezies stammen, oder etwa nicht?
Nicht einmal in den alten Familienchroniken fand sich etwas über jenen Mann. Dabei wollte Lilly einfach nur verstehen. Ändern konnte man den Lauf der Dinge ohnehin nicht.
Ob Drakan mehr wusste?
Schließlich hatte er nichts zu verlieren. Warum sollte er also die alten Geheimnisse mit ins Grab nehmen?
Lilly beschloss, später, wenn das Schlosstreiben zur Ruhe kam, in den Kerker hinabzusteigen und von Angesicht zu Angesicht mit dem Königinnenmörder zu sprechen. Ohne dass Hunderte von Ohren lauschten.
Es störte sie ohnehin, dass sich viele Ereignisse so schnell wie ein Lauffeuer verbreiteten. Aber dieses eine Mal nicht, denn sie würde nicht einmal Faith etwas davon berichten, die sie nur als töricht abstempeln würde.
Nichts und niemand würde Lilly von ihrem Ziel abhalten. Sie wollte mehr über ihre Vergangenheit wissen.
Sein Kopf lastete schwer auf seiner Brust. Überall um ihn herum herrschte tiefschwarze Dunkelheit.
Als er vorhin in den Saal getragen worden war, hatte er endlich gedacht, sein Ziel erreicht zu haben. Doch die Prinzessin würde erst zur Sonnenwendfeier gekrönt werden und vorher scheinbar kein Urteil erteilen, so hatten es die hochwohlgeborenen Berater berichtet. Nein, eigentlich nur der eine. Der Speichellecker der Königin, Keydan.
Er hatte ihn schon immer verabscheut, doch damals, zu einer anderen Zeit, war es ihm ferngelegen, auch nur ein Wort gegen ihn zu sprechen, denn Soraya hatte ihr Haustier geliebt. An ihre Tochter erinnerte er sich kaum. Zu diesen Tagen hatte sie gerade mal ein paar hundert Jahre gezählt, was für jemanden seiner Art als Kind galt, auch wenn sie nicht mehr aussah wie eines.
Dieses Kind hätte heute die Entscheidung treffen sollen, aber es war nicht mal vor sein Antlitz getreten, um ihm die Worte persönlich ins Gesicht zu sagen. Nein, lieber schickte die Prinzessin Keydan, um diese unvorteilhaften Dinge zu erledigen. Sie würde nie besser sein als Soraya, die dunkle Königin von Alysandretta, denn sie war im weit entferntesten Sinne ihr Abkömmling.
Wie konnte es nur so schwer sein, seinen Tod zu befehligen? Er hatte ihre Mutter zwar nicht getötet, aber wer war an dem Tag schon dabei gewesen von diesen Wesen?
Niemand!
Er wollte seit diesem Tag sterben, doch das Leben hasste ihn so sehr, dass es ihm diesen Wunsch nicht gewährte.
Und selbst hier, wo er zum Mörder deklariert worden war, tötete man ihn nicht. Stattdessen saß er in einem Verlies unter der Festung. Arme und Beine mit schweren Ketten fixiert, die er, wenn er wollte, ohne Mühe von den Wänden reißen könnte.
Schwieriger waren die dolchartigen Streben, welche ihn wie ein Löwenmaul an die Zelle banden. Sie verliefen versetzt zu einander und schlossen ihn so ein. Aber er hegte kein großes Verlangen, zu entkommen.
Wenn es still um ihn herum wurde und seine Gedanken sich aufzubäumen vermochten, sah er sie vor sich. Ihr langes blondes Haar, die smaragdgrünen Augen und das schönste Lächeln, das er je gesehen hatte.
Wut ballte sich in ihm zusammen. Er war ein Versager. Er wollte sterben, hier und jetzt, damit er diese Schmach endlich hinter sich bringen konnte, die ihn von innen heraus zerfraß.
Sein Glück war mit ihrem Lachen gestorben. Manchmal, wenn er kurz davor stand einzuschlafen, dachte er, ihre Haut auf seiner zu spüren, doch es war nur eine Täuschung.
Mit geballten Fäusten schlug er auf die feuchten Steine seiner Zelle. Ein Tropfen landete in seinem Gesicht und mit einem Mal war er wieder bei Sinnen.
Er blinzelte einmal, zweimal.
Es brachte nichts, sich wie ein wildes Tier aufzuführen. Dann saß er eben eine Woche hier unten in der Finsternis, sein Tod stand unvermeidbar bevor. Der Tag würde kommen und er damit ihr wieder ein Stück näher sein.
Drakans Körper schrie förmlich nach ihr. Selbst in seinen Venen, aus welchen ihr gespendetes Blut schon lange hinaus gespült worden war, fühlte er ihr Dasein durch ihn hindurchpulsieren.
Dabei hatte er zu Beginn ihres Kennenlernens nur Abscheu empfunden, die ihn immer überkam, wenn er auf Raubzügen fremden Spezies begegnete, doch sie war von vorneherein anders gewesen. Ihr Wesen, so wild wie er es nur von seiner Art kannte, und dann, als er geglaubt hatte, sie für immer bei sich zu haben …
Peng.
Dann ein Bild von weit aufgerissenen Augen, die über den Rand des Abhangs gespült wurden, vom reißenden Amrei, der die Insel Feron in zwei Teile spaltete.
Ein Fauchen drang über seine Lippen. Wie hatte er diese verfluchte Hexe so unterschätzen können? Dabei kannte er doch die Tricks der Königin, aber diesen einen hatte er nicht kommen sehen.
Drakan hatte zusehen müssen, wie die sterblichen Schwestern gegen jemanden ankämpften, der Äonen von Jahren auf den Schultern trug, so alt wie die Götter selbst.
»Auf! Du bekommst Besuch.«
Verwirrt warf er den Kopf in den Nacken. Vor ihm stand ein Soldat der Wache, die diesen Kerker tagtäglich bewachten. Seine Rüstung schimmerte im fahlen Licht einer weit entfernten Fackel stumpf wie Felsengestein.
Wer sollte ihn hier schon aufsuchen?
Er glaubte nicht, dass jemand so töricht sein könnte, daher ließ er den Kopf wieder sinken. Doch sein Gegenüber meinte es scheinbar ernst.
Finger packten sein verfilztes Haar und rissen es brutal nach oben.
»Habe ich dir befohlen, dich abzuwenden?«
Er sah die elfenbeinfarbenen Fänge aufblitzen, aber es ließ ihn kalt. Sollte er doch versuchen, Ordnung in ihn hineinzuprügeln, dieses Schiff war seit langem aus dem Hafen abgefahren.
»Zwing mich doch!«
Eine Reaktion aus alten Zeiten, denn sein eigener Rang war um einiges höher als alles, was diese Wache je erreichen würde. Diese knurrte abfällig und drückte einen Fuß gegen seine Schulter, ehe er ihn anfuhr.
»Vor einer Dame reißt man sich gefälligst zusammen.«
Erst da bemerkte er den schmalen Schatten, der am hinteren Ende der Zelle an der Wand zu erkennen war. Wieder fragte er sich, wer ihn hier aufsuchte. Der Soldat trat beiseite und bedeutete der Gestalt, näherzutreten. Eine tiefhängende Kapuze verbarg ihr Gesicht, doch nicht die silberweißen Haare.
Eine Amytha.
Was nur mehr Fragen aufwarf.
Dieser Teil des Landes lebte friedvoll, soweit die Königin es erlaubte. Aber in Alysandretta kannte er keine Amytha, die über den Dienerstand hinaus geboren wurde und deren Haare lang waren. Alle anderen hatten schon seit vielen Monden das Weite gesucht.
Er schüttelte den Kopf über sich selbst.
Seine Gedanken übertönten oft alles um ihn herum, denn in diesem Loch gab es kaum etwas anderes.
»Du kannst dich entfernen«, bedeutete die maskierte Gestalt. Die weiche, weibliche Stimme klang streng, aber in ihrem Unterton schwang etwas mit. Widerwille. Entweder aus dem Grund, hier sein zu müssen, oder so den Befehlshaber herauszukehren.
Die Wache bleckte die Zähne, in Anbetracht, die Dame hier unten mit ihm allein zu lassen.
Er konnte es ja verstehen.
»Aber –«
»Keine Widerrede!«
Und damit verschwand ihr kleiner Zuschauer von der Bildfläche.
Seine volle Aufmerksamkeit war auf sie gerichtet. Nun wollte er wissen, mit wem er es zu tun bekam. »Nimm die verflixte Kapuze ab und zeig dich mir von Angesicht zu Angesicht!«
Ansonsten garantierte er für nichts. Er musste wissen, wer darunter steckte, und wenn er ihr diesen Fetzen höchstpersönlich vom Kopf riss.
Ihre schlanken Finger umfassten den Saum der Kapuze und schoben diesen in quälend langsamer Geschwindigkeit herunter.
Sein Herz pochte vor Anspannung wild gegen sein Brustbein. Zarte Gesichtszüge kamen zum Vorschein und dichte schwarze Wimpern, die mit dem nächsten Atemzug aufsprangen und ein Augenpaar entblößten, dessen Farbe ihn an den tobenden Ozean erinnerte. Diese Frau war die reinste Sünde.
Er kramte in seinem Gedächtnis, um sich die Erinnerung wachzurufen, wer genau sie war. Nach einem kurzen Augenblick weiteten sich seine Augen. Er wusste, wer dort vor ihm stand.
»Das hochwohlgeborene Fräulein höchstpersönlich also. Was verschafft mir die Ehre? Ich würde mich ja auf die Knie werfen, aber es liegt gerade nicht in meiner Macht, mich vor euch im Dreck herum zu wälzen.« Seine Stimme triefte nur so vor Abscheu.
Dort stand niemand anderes als Prinzessin Lillith, die Tochter der Königin. Die Frau, die ihn vor Stunden hätte verurteilen sollen.
Anstatt ihn für seine Worte zu bestrafen, stand sie nur da. Ohne etwas zu erwidern.
»Verschlägt es der Prinzessin etwa die Sprache?«
Amythas waren sensibel, was Worte anging, aber er schätzte, eine Tochter der Soraya war Schlimmeres gewohnt.
Er bleckte die Fänge, aber auch das beeindruckte die Prinzessin wenig.
»Bist du fertig mit deiner Gaukelei?« Eine schüchtern geflüsterte Frage, die ihn abrupt verstummen ließ. Dabei war es alles andere als ein strikter Befehl. »Du hast also meine Mutter getötet?«
Warum fragen, wenn das Offensichtliche auf der Hand lag?
»Sonst säße ich kaum hier drin.«
Lillith trat an ihn heran. Ihre Augen schweiften über seinen Körper hinweg und blieben an seinen Handgelenken hängen. Ohne zu zögern, streckte sie die Hand aus und ehe er reagieren konnte, lag ihre Haut auf seiner.
»Du lügst!«
Stocksteif drückte er sein Rückgrat durch. Die verfluchte Gabe der Amytha.
»Und wenn schon, es glauben sowieso alle.«
Und so sollte es bleiben.
»Aber es stimmt nicht. Du stirbst für eine Sache, die du nie getan hast.«
Gerechtigkeit hin oder her, er würde der Mörder bleiben und fertig. Ganz bestimmt würde er nicht die verraten, die sicher vor all dem Bösen auf Feron lebten. Er wollte sterben und er versuchte alles, um sein Ziel zu verwirklichen.
»Ich bewundere dein Stehvermögen, doch vor der Hellebarde wirst auch du die wahren Namen schreien. Niemand unserer Spezies ist davor gefeit.«
Dass er nicht lachte. Sollte sie das nur glauben.
»Aber was geht mich schon deine Todessucht an. Ich will etwas von dir wissen, da du schon weit länger in diesen Mauern lebst als ich.«
Nun wurde es doch glatt interessant. Die zukünftige Königin befragte einen Schwerverbrecher nach der Vergangenheit.
»Woher willst du wissen, dass ich die Wahrheit sage?«
»Du hast nichts mehr zu verlieren.«
Wo sie recht hatte.
»Was wünscht die Hochwohlgeborene denn zu wissen?«
Die tiefblauen Augen verdunkelten sich und sie trat dichter an ihn heran. Flüsternde Worte drangen an seine Ohren. »Wer ist mein Vater?«
Das Blut gefror in seinen Adern, beinahe glaubte er sich dem Herzstillstand nahe. Seine Augen fixierten die ihren. »Niemand Wichtiges.«
Die Wahrheit würde sie nie verstehen. Denn es war eine Wahrheit, die dieses Land ins Chaos stürzen würde.
Was auch kommen sollte, die Worte zu jener Geschichte verbarg er so tief in seinem Herzen, dass er sie nie wieder auszusprechen brauchte.
Bis heute spürte er die Spuren des Schwures auf seiner blassen Haut.
»Du lügst mich schon wieder an.«
Erst da bemerkte Drakan, dass ihre Hand immer noch auf der seinen ruhte. Wie er diese Manipulation doch hasste, sein Willen war etwas Unantastbares.
Zähnefletschend drückte er sich hoch, die Ketten spannten über seine Haut, aber das war ihm gleich.
Ihre Gesichter nur knapp eine handbreit voneinander entfernt. Seine Lippen streiften ihr Haar.
»Wage es noch einmal, in mir zu lesen, und ich vergesse mich und reiße dir dein hübsches Köpfchen ab.«
Die Drohung meinte er vollkommen ernst. Lange genug hatte er als Marionette Sorayas gedient. Damit war ein für alle Mal Schluss.
»Verschwinde aus dieser Zelle. Aus mir bekommst du rein gar nichts heraus«, zischte er ihr entgegen.
Lillith taumelte zurück, geschockt über seine barsche Art. Ihre Augen waren aufgerissen und sie starrte irritiert auf ihre Hände.
»Ich … Ich…wollte nicht…Wusste nicht …«
Die Lügen konnte sie ihrem Berater auftischen, sie war nicht besser als Soraya.
»Raus!«
Wie vom Donner gerührt, ruckte ihr Körper hoch und sie verließ fluchtartig seine Zelle. Stille empfing ihn und er fiel seufzend zurück auf den Boden. Nur der Gedanke an Lillith ließ ihn alles andere als kalt, ihr kleines Theater hatte beinahe echt gewirkt. Aber er würde sich von keinem der Königsfamilie mehr täuschen lassen.
Lilith folgte einem entscheidenden Ziel, da war er sich sicher, und was auch kam, er würde keine Schachfigur darin sein. Er schloss die Augen und spürte, wie ihm die langen verdreckten Strähnen seines einst schwarzen Haares ins Gesicht fielen.
Bald, schwor er sich, werde ich wieder bei ihr sein.
Und wenn er das königliche Balg noch ein wenig mehr reizen musste.
Ihre Schritte hallten laut über den unebenen Steinboden, während sie die Treppe hinauf wankte, um so schnell wie möglich in ihre Gemächer zu gelangen.
Das war eine bescheuerte Idee gewesen. Warum sollte ein Verbrecher wie er ihr die Wahrheit sagen? Aber dass er dermaßen ausrastete, hatte sie nicht erwartet.
Seine Worte gingen ihr nicht aus dem Kopf. Dieser Vorwurf, ihn unbefugt zu lesen, in seine Privatsphäre eingedrungen zu sein, machte sie fertig. Das hatte sie nicht gewollt. Nicht einmal daran gedacht.
Ihre Gabe war für sie schon immer selbstverständlich gewesen. Sie wollte doch nie jemanden verletzen. Wie er sie angesehen hatte. Sein Blick, so wild wie der eines in die Enge getriebenen Tieres.
Tränen schossen ihr in die Augen, die sie schleunigst wegwischte. Niemand durfte sie in diesen Hallen so sehen.
Nur noch eine Biegung und ein paar Schritte, dann wäre sie sicher in ihrem Zimmer. Ihre Finger umschlossen den Knauf und sie hörte, wie das Schloss aufschnappte. Hier konnte Lilly sie selbst sein. Nicht die brave Prinzessin, welche alle von ihr erwarteten.
Drakan, der Plünderer, war furchteinflößender, als sie ihn in Erinnerung hatte. Seine seltsam weinroten Augen, die je nach Stimmung dunkler oder heller wirkten. Dieser Mann war ihr ein einziges Mysterium.
Warum sollte er die Sache mit ihrem leiblichen Vater für sich behalten? Etwas steckte dahinter. Diese Geschichte, die niemand erzählte, musste weitläufiger sein, als sie zunächst erfasst hatte, und doch wollte sie es wissen. Gerade wegen dieser Geheimniskrämerei, denn schließlich ging es um sie.
Gleich morgen würde sie wieder zu ihm in den Kerker gehen und herausfinden, was hinter ihrer Geburt steckte.
Ein sachtes Klopfen drang an ihre Ohren. Entnervt richtete sie sich auf. Für Besuch hatte sie keine Nerven mehr.
»Herein!«
Die Tür sprang auf und Faith kam wie der tosende Sturm herangebraust. »Du wirst es nicht glauben, wer gerade durch das Haupttor marschiert!«
»Wer ist es denn?«
Faith gestikulierte wild mit den Armen, als sie die Worte aussprach, die sie insgeheim schon befürchtet hatte. »Core, mit seinem Haustier Larona.«
Das konnte heiter werden. Ihr entfernter Verwandter wollte die Herrschaft, und wenn er hier auftauchte, bedeutete dies, dass er etwas ausheckte. Der Thron war bereits sein Ziel gewesen, da hatte Soraya noch fest auf dem kalten Stein gesessen.
Wenn sie so darüber nachdachte, sollte er doch, dann bliebe ihr das ganze Prozedere erspart. Aber sie konnte es nach reiflicher Überlegung nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren. Die Amytha würden leiden und das ertrüge sie nicht.
»Erde an Lilly. Was sagst du nun dazu?«
Ja? Was nur?
»Dass es nicht anders zu erwarten war. Core will Macht und nun sieht er die Chance dazu.«
Und so würde ihr Treffen auch ablaufen, befürchtete sie. Keydan befürwortete ihn, vielleicht hatte er Core sogar eingeladen.
Bei den Göttern, dabei hatte sie doch momentan andere Sachen im Kopf. Core vermasselte ihr gehörig die Tour, obwohl er bald sehen würde, dass sie seinen Besuch hier nicht duldete.
Spielte sie halt ein paar Tage die herrschsüchtige Prinzessin, die alle sehen wollten. Das bekam sie schon irgendwie hin.
Ihre Schritte knallten fest wie Peitschenhiebe auf den steinernen Boden. Faith immer an ihrer Seite, wie ein Schatten, lautlos und unsichtbar.
Das Schauspiel würde perfekt werden. Ihrer Etikette zu wider, trug sie anstatt eines luftigen Kleides einen schwarzen Lederanzug. Genau wie ihre Mutter ihn oft getragen hatte. Die Corsage lag eng an, sodass sie kaum an Atmen denken konnte. Aber wenn diese Kleidung dazu beitrug, Core in das Loch zu verbannen, aus dem er gekrochen war …
Der Gang war lang und sie hatten das große Tor zur Eingangshalle beinahe erreicht, als Keydan ihr den Weg abschnitt.
»Eure Hoheit, welch ein erfreulicher Anblick.«
Seine Verbeugung war so tief, dass sie direkten Blick auf seine blanke Kopfhaut besaß. Das Narbengeflecht verzweigte sich in viele kleine Adern und wirkte letzten Endes wie ein feines Spinnennetz.
»Erhebt Euch!«
Der Vampyr richtete sich auf und seine rubinroten Augen fixierten sie. Irgendetwas heckte er aus.
»Prinzessin Lillith, Euer werter Verwandter wartet bereits im Thronsaal.«
Was er nicht sagte.
Kopfschüttelnd trat sie an ihm vorbei und wandte sich an die Soldaten, die zu beiden Seiten am gusseisernen Tor positioniert standen.
»Öffnet!« Ihre Stimme war die reinste Perfektion an Strenge. Sie schritt durch den Saal, direkt auf die Gestalt zu, die im Schatten mit dem Rücken zu ihr stand. »Core.«
Lieber war sie es, die das Wort an ihn richtete. Bevor er die Gelegenheit dazu ergriff.
Der Schatten drehte sich zu ihr um. Core hatte sich deutlich verändert, seine Schultern waren breiter und sein Kopf ragte mehrere Zentimeter über dem ihren auf. Seine orangeroten Augen funkelten und sie wusste beim besten Willen nicht, was sie sagen sollte. Wann war er zu so einem Hünen herangereift?
So eindrucksvoll wie Soraya einst, böswillig und bestimmend. Der perfekte Herrscher über die Vampyre, schoss es ihr durch den Kopf.
»Lillith, wir haben uns ewig nicht mehr gesehen.«
»Was verschafft mir die Ehre?«, fragte sie kühl.
Core legte die Hände zusammengefaltet in seinen Schoß, als er sich auf die Stufen vor dem Thron niederließ.
»Das, meine Liebe, ist etwas kompliziert und vielleicht ahnst du bereits, wovon ich rede.«
Eine leise Ahnung beschlich sie. Lilly bemerkte seinen gierigen Blick in Richtung Thron. Es würde sich nie ändern.
»Lillith, ich will, dass du auf die Herrschaft verzichtest.«
Wie sie erwartet hatte.
»Das, mein Lieber, würde mir nicht mal im Traum einfallen. Du wirst dich mit deinem Platz abfinden müssen.«
Erhobenen Kopfes schritt sie auf den Thron zu und blieb kurz davor stehen. Darauf setzen würde sie sich erst, wenn die Krone ihr Haupt zierte.
Lieber regierte sie, als diesen Bastard über das Land herrschen zu lassen.
»Das werden wir noch sehen.«
Auch wenn es leise Worte waren, vernahm sie diese dennoch deutlich. Sollte er es nur versuchen. Er würde sich an ihr die Zähne ausbeißen.
»Core, du redest mit der zukünftigen Königin!« Das Wort riss Keydan an sich.
Es war ihr nur recht. Sollte er sich mit diesem Widerling auseinandersetzen.
»Berater.« Core nickte ihm zu.
Mit vor der Brust verschränkten Armen beobachtete sie das Schauspiel der beiden, das wie ein Hahnenkampf wirkte. Dabei hatte Lilly gedacht, Keydan wäre strikt auf seiner Seite, aber sie wurde eines Besseren belehrt. Der Speichellecker ihrer Mutter stand ihr bei.
Stumm sah sie den beiden bei ihrer Auseinandersetzung zu. Den Faden hatte sie schon längst verloren, stattdessen flogen ihre Gedanken zurück in die feuchte Zelle.
Drakan wusste etwas und sie wäre verdammt, bekäme sie es nicht heraus. Und wenn sie jeden verfluchten Tag hinab in den Kerker steigen musste.
»Lillith!«
Eine strenge Stimme riss sie aus den Gedanken. Keydan stand vor ihr, von Core keine Spur mehr.
»Verzeihung!« Sie spürte, wie die Schamesröte ihre Wange hinaufkroch.
Ihr Berater schüttelte nur verständnislos den Kopf. »Was soll ich nur mit Euch machen? Eure Mutter würde sich im Grabe umdrehen.«
»Soll sie doch«, giftete sie ihm entgegen.
»Lillith, ich weiß, Ihr seid nicht bereit, auf den Thron zu steigen. Nur wenn Ihr weiter zögert, wird Core bald dort oben sitzen. Wollt Ihr das?«
Er hatte ja recht und das wusste sie, aber das Herrschen interessierte sie nun mal einen feuchten Kehricht.
Seufzend ließ sie die Hände von dem dunklen Stein gleiten und schaute zu Boden. Finger umfassten ihre in Leder gehüllten Arme und sie sah verwundert in Keydans rubinrote Augen.
»Ich weiß, dass es viel gefordert ist, doch Ihr müsst Königin werden, um eurer Mutter willen.«
Komisch. Sie vernahm seine Worte, seltsamerweise glaubte sie, dass er dieses Mal nicht von Soraya sprach. Gerne hätte sie ihre Hände in seine gelegt, um die Wahrheit herauszufinden, doch nach der harten Abfuhr von Drakan hielt sie sich bewusst zurück.
»Ich verspreche mein Bestes zu geben.« Mehr wollte sie nicht unternehmen, denn ob sie es bewerkstelligen konnte, wusste sie nicht zu sagen. Damit entschuldigte sie sich und eilte nach draußen. Sie musste hinaus aus dem großen Raum, dieser lebendigen Todesfalle.
Ihre Schritte hallten durch die Gänge, stetig gefolgt von einem hohlen Echo, das von den Wänden widerhallte. Sollten sie Lilly doch bis zur Sonnenwendfeier zufriedenlassen, danach würde sie früh genug in das Kreuzfeuer der Gesellschaft geraten. In diesem speziellen Fall wünschte sie sich Soraya zurück, damit sie über ihr verfluchtes Vampyrvolk selber herrschte. Wer setzte schon eine Amytha wie sie auf einen vergifteten Thron?
Zu sehr in ihre Gedanken vertieft, erschrak Lilly, als die schwarzen Wände des Verlieses in Sicht kamen. Ihr Weg hatte sie hierhergeführt.
Langsam schritt sie an den Zellen vorbei, bis sie vor einer stoppte. Keine Wache kreuzte ihren Weg. Ihre Finger berührten die drachenmaulartigen Gitterstäbe, die sich prompt ächzend aufschoben.
»Drakan?«
Der dunkle Schemen bewegte sich und sie sah, wie er sich an der Wand hochschob. Ein Knurren hallte von den feuchten Steinen wider.
»Ich möchte von dir wissen, was sich hinter meiner Geburt verbirgt.«
Ihre Hände zitterten, als sie aussprach, was sich Stunden zuvor in ihren Kopf zusammengesammelt hatte. Das Adrenalin verschwand allmählich aus ihrem Kreislauf und es beschlich sie das Gefühl, dass dies hier eine miese Idee war. Er würde ihr nichts erzählen.
Als sie erneut zu ihm aufblickte, stellte sie erschrocken fest, dass bordeauxfarbene Augen sie von der gegenüberliegenden Seite fixierten. Intuitiv streckte sie ihr Rückgrat durch, um etwas Stärke zu repräsentieren.
»Was ist falsch an mir, dass keiner hier je über meinen Vater spricht?« Fast panisch schrie Lilly ihm ihre Worte entgegen. Tränen drückten in ihren Augen, aber sie gestattete sich nicht, hier vor ihm zu weinen.
»Das, Prinzessin, ist die Frage der Fragen. Nichts ist falsch an Euch. Nur wurde in den alten Schriften etwas Bedeutendes ausradiert.«
Eine Aussage und zahlreichere Fragen, die damit einhergingen. Anstatt dass er eine beantwortete, warf er immer mehr verworrene Aspekte in den Raum.
»Was soll das nun wieder bedeuten?«
Der große Plünderer lachte, dass seine Ketten klirrend gegeneinander schlugen. »Das, meine Liebe, müsst Ihr schon selbst herausfinden.«
Und wie? Genau wie er sagte, war alles an ihrer Vergangenheit aus den Geschichtsbüchern gestrichen worden.
Kraftlos sank sie zu Boden, völlig nebensächlich, dass ihre lederne Kleidung braune Stellen davontragen würde. Ihr Blick glitt zu ihren Händen, die ruhig in ihrem Schoss ruhten. »Warum bist du nur so zu mir?«
»Deine Mutter ist an allem schuld. Soraya nahm mir etwas. Warum solltest du besser sein? Unter der Knechtschaft der Hexe wird jeder boshaft.«
Nein, Lilly war nicht so. Seine bissigen Worte verletzten sie und sie wusste nicht, was sie erwidern sollte. Dennoch verspürte sie das Bedürfnis, sich zu rechtfertigen.
»Was kann ich tun, damit du siehst, dass ich nicht Soraya nacheifern möchte?« Leise sprach sie ihre Gedanken aus, wusste genau, dass er sie verstand.
»Nichts bringt sie zurück!«
Sie …
Drakan trauerte, das wurde ihr in diesem Moment bewusst. Es war keine Berührung von Nöten, um einen gebrochenen Mann zu erkennen. Daran konnte sie nichts ändern, also erhob sie sich, um sich stillschweigend aus dem Raum zurückzuziehen. Sollte er sich in seinem Elend suhlen, wenn es ihm dadurch besser ging.
Ihre Fingerspitzen bohrten sich in die Handinnenflächen. Wie konnte man nur so festgefahren sein?
»Warte!«
Abrupt blieb sie stehen und wandte sich verdutzt der Dunkelheit in ihrem Rücken zu. Sollte er seine Meinung doch geändert haben?
Neugierig stapfte sie zurück, aber nicht Drakan war es, der sie gerufen hatte, sondern die Zelle direkt daneben. Durch das fehlende Licht erkannte sie nichts.
»Wer spricht da?«
Eine Bewegung in der Finsternis. Ein Schemen, welcher sich aus dem Schatten schälte und an die Gitter trat. Ein Körper umhüllt von Lumpen. Das Gesicht von verfilzten Zotteln verhangen.
Angewidert rümpfte Lilly die Nase. Sie wusste nicht, dass hier andere Gefangene hockten, denn Soraya hatte nie welche genommen, und wenn, nur ein paar Tage behalten.
»Ja, Eure Mutter hat mich vergessen. Ihren Mann, Euren Vater.«
Erschrocken taumelte sie einige Schritte rückwärts. Dieses Wesen sollte ihr Erzeuger sein? Ungläubig schüttelte sie Kopf. Das war nicht möglich. Der Mann dort vor ihr war kein Amythas, sondern ebenfalls ein Vampyr.
»Ihr lügt!«
Ihr Puls beschleunigte sich. Das Ganze war nur das Spiel eines Verrückten. Wollte Drakan sie brechen?
Vorsichtig schielte sie zu seiner Zelle hinüber, aber nichts regte sich. In ihrem Kopf dröhnte es und ihre Umgebung begann sich zu drehen.
»Komm zu deinem lieben Vater.« Arme streckten sich ihr entgegen und packten sie. Lilly wurde ein Stück dichter zu den Gitterstäben gezogen. Gerade als sie schreien wollte, legte sich von vorne eine nach trockenem Schweiß riechende Hand über ihren Mund. Die andere fixierte ihren Nacken. Mit geweiteten Augen sah sie direkt in das Gesicht des Vampyrs, das dem Wahnsinn verfallen war.
Ihr wurde schlagartig speiübel, jedoch fehlte ihr die Kraft, sich zu wehren. Vampyre waren um das zehnfache stärker als Amythas. Angst erklomm ihre Glieder, aber ihre Lage änderte sich nicht. Ihr Gesicht wurde noch fester ans Metall gedrückt und sie konnte seinen ekelerregenden Atem auf ihrer Haut spüren. Lippen drückten sich seitlich an die Mulde zwischen Hals und Schulter.
»Gar köstlich. So sauber und rein.« Die Worte jagten ihr Schauer über den Rücken. Sie saß fest. »Dein Vater will von dir kosten.«
Ihr ganzer Leib versteifte sich und ihre Augen sprangen bis an ihre Grenzen auf. Nie war sie auf solch eine Weise angegriffen worden. Ihr Körper ließ sich nach mehreren geistigen Befehlen keinen Millimeter von der Stelle bewegen. Sollte er es nur schnell hinter sich bringen, war ihr einziger Gedanke.
»Lass die Finger von der Frau.«
Die Worte rissen sie aus der Starre.
Drakans Stimme klang ganz nah in ihrem Rücken. Wie war er aus seiner Zelle gelangt? Scheinbar konnten nicht mal Gitter ihn halten.
Intuitiv streckte sie die Hände blind nach hinten aus, die er, ohne zu zögern, ergriff. Seine Haut fühlte sich warm an, doch die kampferprobten Jahre hatten Furchen an seinen Händen hinterlassen.
In dem Moment, als er sie zu sich zog, weg von dem Vampyr, trafen sie auch schon seine Gefühle. Wilde, ungezügelte Wut strömte auf sie ein, vermischt mit brennendem Schmerz, der ihr Herz durchstach. Er hatte jemanden verloren und er musste diejenige wahrhaft geliebt haben.
Lilly schwankte und fiel erneut gegen ihn. Er drückte sie zurück in den sicheren Stand und aus den Augenwinkeln sah sie, dass er wieder in seine Zelle trat und die Gitter sich hinter ihm schlossen.
Diese Eindrücke reichten, um zu erkennen, dass sie es mit einem im tiefsten Innern verletzten Mann zu tun hatte. Mitgefühl hätte sich in ihr breitgemacht, schlüge ihr Herz nicht so entsetzlich schnell in ihrer Brust. Sie konnte es fast schon hören, wie es durch den Kerker echote.
Bawumm …
Bawumm …
Bawumm …
Noch immer spürte sie die dreckverkrusteten Lippen an ihrer Haut. Der Schock saß tief.
Nicht Lilly war an seiner Situation schuld, diese Last trugen die Vampyre allein. Komisch nur, dass sie vor Drakan keinerlei Ambitionen zur Flucht verspürte. Irgendetwas sagte ihr, dass er keine Gefahr für sie darstellte.
Als ihr Herz endlich einen langsameren Rhythmus einschlug, wandte sie sich zu ihrem Retter. Sie wurde nicht schlau aus ihm. »Warum hast du mich gerettet?«
»Vielleicht habe ich mich ja in dir getäuscht.«
Nun verwirrte er sie komplett. Seine Stimme kaum lauter als ein Raunen, doch vernahm sie jede einzelne Silbe.
»Du bist ganz und gar nicht wie Soraya.«
»Danke.« Mehr war sie nicht in der Lage zu äußern, ihre Stimmbänder versagten den Dienst.
Seine bordeauxfarbenen Augen fixierten sie. Er wich keinen Millimeter von den Stäben zurück, sodass sein warmer Atem ihre kühle Haut streifte.
»Komm morgen wieder und ich erzähle dir, was du wissen möchtest.« Damit verschmolz er mit der Dunkelheit und ließ sie mit dem Gesagten zurück.
Er wollte es ihr anvertrauen!
Ihre Neugier wuchs, doch sie musste sich wohl oder übel in Geduld üben. Auch wenn es sie um den Verstand brachte.
Wie in Trance stapfte sie den Weg zurück in ihr Zimmer. Schweratmend warf sie sich auf ihr weiches Bett.
Morgen würde sie es erfahren.
Warum nur dieser plötzliche Wandel? Endlich kam Licht ins Dunkel ihrer Vergangenheit. Je näher die Sonnenwendfeier rückte, desto weniger konnte sie sich vorstellen, Drakan hinzurichten. Schließlich wusste er, was hinter diesen Mauern ablief, von Sorayas Freunden bis hin zu ihren Feinden. Keydan würde nie ein Wort über solche Dinge verlieren. Vielleicht sollte sie dem Plünderer eine Chance geben und ihm im gleichen Zuge zeigen, wie er mit seinen Qualen umzugehen hatte.
Lilly war klar, dass sie nicht wollte, dass er starb. Der Nachklang seines Schmerzes hallte noch immer durch sie hindurch. Sie musste eine bedeutende Frau gewesen sein.
Müde vom vielen Nachdenken schloss sie die Augen und schlief auf ihrer Bettdecke ein.
Seine Faust schlug hart auf das Holz des kleinen Tisches. War das denn die Möglichkeit? Lilith vermasselte all seine Pläne.
»Diese verzogene Göre.« Sein Blick glitt zu seiner stetigen Begleiterin, die wie ein Schatten an seiner Seite lebte. »Was meinst du dazu, Larona?«
Halb verborgen lehnte sie an der Wand neben der Tür. Katzenartige Augen fixierten ihn, welche in unterschiedlichen Lichteinstrahlungen entweder grün oder gelb schimmerten. Wer glaubte, dieses Wesen stamme aus diesen Breitengraden, der lag völlig daneben. Larona hatte vor nicht allzu geraumer Zeit auf der Insel Feron gelebt, als Cousine von Amrei, die dort unter ihres gleichen eine Prinzessin war. Da konnte er verstehen, dass sie sich beizeiten entschlossen hatte, in die Ferne zu ziehen. Als er sie gefunden hatte, war sie in einem erbärmlichen Zustand gewesen. Mit weniger als einem dünnen Hemd bekleidet, hatte Core sie in einer Schlucht außerhalb von Alysandretta angetroffen. Seither gehörten sie praktisch zusammen und er war froh, nicht mehr allein zu sein.
Core sah erneut zu ihr hinüber, ihr Blick glitt an ihm vorbei. Hatte sie ihn überhaupt verstanden?
»Larona?«
Sofort huschten ihre schwarzen Pupillen zu ihm. »Die Prinzessin ist nicht anders als andere. Verzogen und hochnäsig.«
Er nickte. »Hast du Lillith im Auge behalten?«
Ein Lächeln zuckte um ihre Mundwinkel. »Aber natürlich.« In aufrechter Position faltete sie die Hände in ihrem Schoß zusammen. »Die Kleine geht jeden Tag in den Kerker und besucht eine bestimmte Zelle, in dem ein Vampyr hockt.«
Das war höchst interessant. Was die Prinzessin wohl ausheckte? Im Verlies saßen laut dem Berater nur zwei Insassen. Einmal ein Verrückter, der zum Vergnügen Sorayas verrotten sollte, und der Zweite war der Mörder der ehemaligen Königin.
»Behalte sie weiter im Auge. Wir müssen ihre Schwachstelle finden. Der Thron wartet und er ruft nicht Lilliths Namen.«
Es war seine Bestimmung, über das Land zu herrschen. Seit dem Tod seiner schwachen Eltern war er an den Rand der Stadt gezogen, und da er als weitentfernter Blutsverwandter der Königsfamilie galt, ebnete dies Core viele verschiedene Wege. Einer davon führte ihn auf direktem Pfad auf den finsteren Thron. Lillith würde ihm dabei nicht in die Quere kommen und ihr dämlicher Berater Keydan sollte spüren, auf wessen Seite er zu stehen hatte.
»Was willst du unternehmen?«
Eine Bewegung ihres Kinns und Laronas lange bronzefarbene Mähne, die in der Dunkelheit wie Schokolade glänzte, offenbarte ihr Gesicht.
Larona war die Einzige, die seine Pläne nie hinterfragte. Ganz im Gegensatz zu all den anderen am Rande der Schlossmauern, welche sich über ihn lustig gemacht hatten.
Das würden sie bitter bereuen.