Dr. Malte Rubach

Plädoyer

für die

Milch

HERBiG

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2016 F. A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, München.

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Umschlaggestaltung: Wolfgang Heinzel

Umschlagmotiv: shutterstock

Satz und eBook-Produktion: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

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ISBN 978-3-7766-8244-1

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Einleitung

Milch: Wie wurde die zu einem derartigen Massenprodukt?

Eine kurze Geschichte der Milch

Milk around the World

Milch jenseits des bekannten Tetra-Paks

Milch und religiöse Aspekte

Vom Bauernhof bis auf den Küchentisch – die Milchwirtschaft

Die landwirtschaftliche Erzeugung – eine anhaltende Entwicklung

Milchwirtschaft – ohne Milch keine Wirtschaft und vice versa

Ein Rohstoff, unendliche Möglichkeiten – die Milchverarbeitung

Ein kleines Käse-ABC

Konsum von Milch, Käse, Quark und Co

Die Milch hat ihren Preis – wir müssen ihn nur zahlen!

Regional, national, kontinental – Milch fließt um die Welt

Gesund! Ungesund! – Ja was denn nun?

Ein Glas Milch für starke Knochen – so einfach ist es nicht

Allergien

Der Bauernhof-Effekt – Geringeres Allergierisiko durch Rohmilch

Laktoseintoleranz und -unverträglichkeit

Bluthochdruck kommt zumeist von hohem Druck

Wenn das Herz schmerzt, ist nicht die Milch schuld

Diabetes mellitus Typ 2

Milch und Krebs – die Lage ist klar

Adipositas, eine Volkskrankheit

Milch als ideales Sportgetränk

A2-Milch – Auf dem Weg zum nächsten Mythos?

Ökologisch erzeugte Milch versus konventionell erzeugte Milch

Eigentlich eine saubere Sache: die Belastung der Milch mit Rückständen

Die ökologische Bedeutung eines Grundnahrungsmittels

Die Erzeugung von Milch und ihre direkten Folgen

Die Auswirkungen des menschlichen Konsums

Ein Plädoyer für die Milch

Warum wir weiter Milch trinken können!

Warum wir trotzdem bewusster genießen sollten!

Literatur: Quellen und zum Weiterlesen

Vorwort

Zu meinen weniger erfreulichen Kindheitserinnerungen gehört die lauwarme Milch, die es bei meinen Großeltern auf der Schwäbischen Alb direkt aus dem Stall gab. In so manchem von meinen Jugendbüchern wurde die Milch direkt von der Kuh als ein ganz großer Genuss beschrieben, vor allem für die Stadtkinder, die aufs Land verschickt wurden, damit sie sich erholten. Dass die warme, frische Milch mir auch noch von allen Seiten als besonders gesund angepriesen wurde, hat meine Abneigung eher noch gesteigert, die nicht zuletzt auch von den gelegentlich in der Milch gefundenen toten Fliegen befeuert wurde. Die viel beschworene gesunde Milch hat wenig zu meinem körperlichen Wachstum beigetragen, wohl aber dazu, dass ich auch heute noch gut im Kopfrechnen bin. Meine Mutter führte nämlich die Bücher der örtlichen Molkerei, und zwei Mal im Monat saß die ganze Familie um den Tisch und rechnete in den Milchbüchlein die angelieferte Milch zusammen – im Kopf natürlich, das ging schneller als mit den mechanischen Rechenmaschinen.

Damals, in den 50er-Jahren, war Milch ein einfaches Produkt. Milch war Milch, und wenn sie zu lange Milch gewesen war, dann wurde sie eben Sauermilch. Dazwischen und darüber hinaus gab es nichts mehr. Für uns jedenfalls.

Heute ist das anders. Malte Rubachs Buch fasziniert mit seiner Beschreibung, wie viele Facetten das Naturprodukt Milch hat. Und auch damit, dass es oft kein Naturprodukt mehr ist. Und so vielfältig wie das Produkt sind auch die Meinungen über die Milch. Diesen so oft mit absoluter Gewissheit vorgetragenen Meinungen setzt Malte Rubach eine wohltuend abwägende Beschreibung gegenüber. Wir haben heute viel, oft sogar zu viel Information, als dass wir uns eine ausgewogene Meinung bilden könnten. Zurückhaltung ist weder bei den Gesundheitsaposteln noch bei der Werbeindustrie eine gern gepflegte Tugend, Übertreibungen und schnelle Urteile gehören zum Geschäft. Malte Rubach malt ein umfassendes Bild der Milch, er schreibt dem Leser nichts vor, sondern ermuntert uns, dass wir uns selber eine Meinung bilden. Also mit anderen Worten, er möchte uns helfen, aufgeklärte Verbraucher zu sein.

Dass es nicht immer einfache Antworten gibt, wenn man verantwortungsvoll konsumieren möchte, macht dieses Buch klar. Was ist wichtiger: möglichst günstig erzeugte Lebensmittel oder eine anständige Behandlung von Tieren? Ist Milch gesundheitsfördernd oder sind Menschen gar nicht darauf angelegt, Milch zu konsumieren? Ist es zu vertreten, dass für die Futtermittel von Kühen Wälder abgeholzt werden, um Soja anzupflanzen? Bewirkt der Antibiotikaeinsatz in den Ställen mehr und mehr Resistenzen? Macht der Milchmarkt die Kleinbauern kaputt? Ist es sinnvoll, Milch über Tausende von Kilometern zu transportieren? Malte Rubach informiert gründlich und gut. Wer dieses Buch liest, wird anders und tiefer über diese Fragen nachdenken.

Wer meint, dass früher in der Landwirtschaft alles besser gewesen wäre, der macht es sich zu einfach. Die Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft waren weit weg von der Idylle, die in manchen Volksliedern besungen wurde. Die Hygiene war unzureichend und oft genug Grund für Erkrankungen oder sogar Todesfälle. Und die Produktion reichte manchmal nicht aus, um die Familie, das Dorf oder das ganze Land zu ernähren. Und die Auswahl war so gering, dass der Speisezettel allenfalls am Sonntag eine Abwechslung kannte.

Trotzdem, manchmal ist es gut, wenn wir uns daran erinnerten, was Naturprodukte sind. Dass sie nämlich als Voraussetzung eine gesunde Natur brauchen, dass sie einen sorgsamen Umgang mit der Natur, den Tieren und Pflanzen verlangen. Regionales Wirtschaften ist solchen Naturprodukten angemessen, saisonaler Verbrauch entspricht dem Verlauf der Jahreszeiten. Vermeidung von Überdüngung, Pestizideinsatz oder Antibiotikaanwendung kommt nicht nur der menschlichen Gesundheit zugute, sie tut auch unserer heimische Pflanzen- und Tierwelt gut.

Vor Kurzem habe ich eine hochmoderne Milchtankstelle bei einem Bauern in meiner Umgebung entdeckt. Dort kaufe ich jetzt meine Milch ein. Es gefällt mir, dass ich mir genau so viel kaufen kann, wie ich möchte, und nicht auf das Litermaß des Supermarkts angewiesen bin. Und das noch zum halben Preis wie im Laden. Dabei weiß ich, dass für den Bauern immer noch mehr bleibt, als wenn er die Milch an eine Molkerei abliefert. Ich lese schmunzelnd den Hinweis, dass die Milch vor Genuss abzukochen sei – unser fürsorglicher Staat schreibt wahrscheinlich die Warnung vor –, und ignoriere sie dann, denn ein paar Tage hält die Milch immer. Und länger eben nicht.

Und endlich verstehe ich auch, dass frische Milch aus dem Stall wirklich ein Hochgenuss ist – gut gekühlt!

Dr. Gerd Leipold, von 2001 bis 2009 Vorsitzender von Greenpeace International

Einleitung

Milch ist in aller Munde. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn es wird nicht nur so viel Milch verzehrt wie noch nie zuvor, es tauchen auch immer wieder Schlagzeilen auf, die auf eine gesundheitsschädigende Wirkung der Milch aufmerksam machen wollen. Solche Nachrichten verbreiten sich beim Ernährungs-Small-Talk auf der Arbeit, beim Sport und über die allseits präsenten sozialen Medien immer schneller. Hinzu kommen die in letzter Zeit immer häufiger werdenden Klagen über tierische Lebensmittel im Allgemeinen. Viele Menschen glauben, dass diese Lebensmittel eine der Hauptursachen für ökologische Probleme sind, wie beispielsweise den Klimawandel oder die Verschmutzung des Grundwassers. Und noch ein weiterer Aspekt macht sich vor allem in den westlichen Industrienationen bemerkbar: Der Konsument toleriert nicht mehr die negativen Auswüchse einer industrialisierten Massenproduktion von Lebensmitteln. Besonders Diskussionen um das Wohl der Tiere und um Qualitätsaspekte rücken dabei in den Mittelpunkt.

Doch eines ist offensichtlich: Berichte über Lebensmittel werden oft einseitig in den Medien dargestellt, denn wo über einen Skandal berichtet werden kann, da ist auch mit Quote zu rechnen. Längst ist aus den Negativschlagzeilen über unsere alltägliche Ernährung und über bestimmte Lebensmittel ein einträgliches Geschäft für Journalisten, Autoren und Redaktionen geworden. Zu Wort kommt, wer Quote verspricht: Schauspieler mit Ernährungsticks, praktizierende Ärzte mit Hang zum Schamanentum, Politiker, die es nicht besser wissen können, oder Fernsehköche und Journalisten, die einen Vertriebskanal für ihr gerade erschienenes Buch brauchen.

In diesen Runden ist meist kein Wissenschaftler zu finden, der mit fachlicher Nüchternheit und nützlichem Wissen die Sachlage auf den Boden der Tatsachen zurückbringt, frei von persönlichen Interessen, Meinungen und Gewinnabsichten. Schade eigentlich. Schließlich waren der Gesundheitszustand der Gesellschaft, die Qualität der Lebensmittel und die Lebenserwartung in der westlichen Welt noch nie so hoch wie heute. Die Angst davor, dass dieser hohe Standard bedroht sein oder gar zu Ende gehen könnte, scheint weit verbreitet. Und mit der Angst lässt sich Geld machen. Genau zu beleuchten, was eigentlich Sache ist, wäre für die Aufmerksamkeit der Zielgruppe ziemlich abträglich. Es wäre langweilig und würde zu lange dauern. So dreht sich das Skandalkarussell beständig weiter und beschert Quoten, Auflagenzahlen und Honorare.

Warum Sie dieses Buch dann lesen sollten? Nun, es gibt einige Gründe. Milch ist aktuell so häufig in der Diskussion wie kaum ein anderes Lebensmittel. Zu Recht, denn sie ist ein wertvolles Konsumgut, das unter Einsatz zahlreicher natürlicher Ressourcen produziert wird. Erzeuger, Molkereien und Verarbeiter wie auch der Handel leben von diesem Konsumgut, zahlen Steuern und Mitarbeitergehälter und investieren in Forschung und Entwicklung. Zugleich ist Milch in der westlichen Welt ein Grundnahrungsmittel und beinahe schon ein Kulturgut, wenn man alleine an die Vielfalt der Käsesorten denkt.

Doch auch in anderen Regionen der Welt war und ist Milch in all ihren Varianten ein wichtiges Lebensmittel. Beispielsweise ist die Nachfrage nach Milchprodukten im asiatischen Raum in den letzten Jahren stark angestiegen, obwohl dort traditionell und kulturell bedingt Eutersekrete nicht unbedingt als Lebensmittel geschätzt werden.

Zuletzt führt der Konsum von Milch auch zu Veränderungen im Ökosystem, wenn die Nachfrage steigt, aber die biologischen Grenzen sich nicht beliebig verschieben lassen. So wurde besonders in den wirtschaftlich weit entwickelten Gesellschaften der westlichen Welt deutlich, dass das Streben nach immer größerem Wachstum auch eine Kehrseite hat. Die Ressourcen, auf denen die Triebkraft der freien Marktwirtschaft bislang beruht, sind begrenzt, und das Erwachen der neuen Wirtschaftsgiganten im Fernen Osten macht deutlich, dass ein Kampf um diese Ressourcen absehbar ist. Doch keine Macht der Welt kann den Menschen in den aufstrebenden Regionen verbieten, einen Lebensstandard anzustreben, wie er ihnen von den westlichen Industrienationen vorgelebt wird.

Nun beginnt in den westlichen Industrienationen ein Umdenken, das auch in den Schwellenländern erste Nachahmer findet. Neben den wirtschaftlichen Faktoren werden Umweltaspekte und gesellschaftliche Auswirkungen zunehmend berücksichtigt. Der Versuch, wirtschaftlichen Erfolg möglichst im Einklang mit Umwelt und Gesellschaft zu erzielen, macht die Suche nach Lösungen nicht immer einfacher, aber es gibt ihn, auch im Bereich der Milch. Wenn da nicht die üble Nachrede zu diesem Produkt wäre.

Die meisten Forderungen, Milch aufgrund gesundheitsschädigender Wirkungen aus der Ernährung zu streichen, basieren auf Studien oder Beobachtungen, bei denen lediglich zwei gleichzeitig auftretende Ereignisse in Zusammenhang gebracht wurden, oder statistisch gesprochen: Es tritt eine Korrelation auf. Ob hier wirklich ein Zusammenhang mit Ursache und Wirkung besteht, ist damit längst nicht gesagt. Trotzdem werden diese wissenschaftlich äußerst fraglichen Argumente verwendet, um ein ganz anderes Problem zu adressieren. Solche Studien werden beispielsweise in Kampagnen zum Tierschutz genutzt, um mit Gesundheitswarnungen den Verzehr von Milch madig zu machen. Tierschutz ist ein legitimes und erstrebenswertes Ziel, doch ändert es nichts daran, dass der Gesundheitsnutzen der Milch für die meisten Menschen nach wie vor vorhanden ist.

In diesem Buch wird Milch aus ökonomischer, ökologischer und gesundheitlicher Perspektive betrachtet, um genau zu hinterfragen, in welchen Bereichen es positive und negative Auswirkungen des Milchkonsums gibt. Allerdings führen die meisten Fragen nicht zu einfachen Antworten, wenn man sie genauer und fundiert betrachtet. Einfache Antworten bringen eben auch selten nachhaltige Lösungen. Die Mühe sollte es uns dennoch wert sein.

Ob Milchliebhaber oder Milchgegner – machen Sie sich ein eigenes Bild!

Ich wünsche Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre.