Cover

Buch

Frisch aus dem wohlverdienten Irlandurlaub mit ihrem Mann Roarke zurückgekehrt, wird Lieutenant Eve Dallas gleich doppelt brutal von ihrer Arbeit eingeholt: Erst wird der Chauffeur einer Luxuslimousine auf dem Parkplatz vor dem Flughafen LaGuardia aufgefunden – durchbohrt von dem Bolzen einer Armbrust. Kurz darauf findet ein Edel-Callgirl in einem Gruselkabinett auf Coney Island den Tod – erstochen mit einem Bajonett.

Scheinbar wahllose, unschuldige Opfer, und ein Mörder mit einer Vorliebe für außergewöhnliche Waffen und Luxusgüter, machen Eve wütend. Und eine wütende Eve Dallas kann ebenso gefährlich sein wie ein Killer. Als die Zeit verstreicht und mit ihr ein weiteres unschuldiges Opfer in Gefahr gerät, taucht Eve mit ihren Ermittlungen in einen auserlesenen Kreis ein, zu dem auch ihre Mann Roarke gehört – und damit in das Zentrum eines perversen, wahnsinnigen Spiels …

Autorin

J. D. Robb ist das Pseudonym der international höchst erfolgreichen Autorin Nora Roberts, einer der meistgelesenen Autorinnen der Welt. Unter dem Namen J. D. Robb veröffentlicht sie seit Jahren erfolgreich Kriminalromane.

Liste lieferbarer Titel

Rendezvous mit einem Mörder · Tödliche Küsse · Eine mörderische Hochzeit · Bis in den Tod · Der Kuss des Killers · Mord ist ihre Leidenschaft · Liebesnacht mit einem Mörder · Der Tod ist mein · Ein feuriger Verehrer · Spiel mit dem Mörder · Sündige Rache · Symphonie des Todes · DEin gefährliches Geschenk as Lächeln des Killers · Einladung zum Mord · Tödliche Unschuld · Der Hauch des Bösen · Das Herz des Mörders · Im Tod vereint · Tanz mit dem Tod · In den Armen der Nacht · Stich ins Herz · Stirb, Schätzchen, stirb · In Liebe und Tod · Sanft kommt der Tod · Mörderische Sehnsucht · Ein sündiges Alibi · Im Namen des Todes · Tödliche Verehrung · Süßer Ruf des Todes ∙ Sündiges Spiel

Mörderspiele. Drei Fälle für Eve Dallas

Nora Roberts ist J. D. Robb

Ein gefährliches Geschenk

J.D. Robb

Mörderische

Hingabe

Roman

Deutsch von Uta Hege

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Die Originalausgabe erschien 2010 unter dem Titel
»Indulgence in Death« bei G. P. Putnam’s Sons,
a member of Penguin Group (USA) Inc., New York.
Copyright © der Originalausgabe 2010
by Nora Roberts
Published by Arrangement with Eleanor Wilder
Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarischen Agentur
Thomas Schlück GmbH, 30827 Garbsen.
Copyright © 2014 für die deutsche Ausgabe
by Blanvalet Verlag, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München
Redaktion: Regine Kirtschig
Umschlaggestaltung: www.buerosued.de
Umschlagmotiv: Trevillion Images/Susan O’Connor
Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling
LH ∙ Herstellung: kw
ISBN: 978-3-641-20007-7
V004
www.blanvalet.de

Du sollst nicht begehren; doch nach der Tradition

ist jede Form der Konkurrenz erlaubt.

– Arthur Hugh Clough

Das Elend, reich zu sein, besteht darin,

dass man mit reichen Menschen leben muss.

– Logan Pearsall Smith

1

Die Straße war mörderisch. Kaum breiter als ein ordentlicher Speichelfaden, schlängelte sie sich wie eine Kobra durch riesengroße Büsche voller fremdartiger Blüten, die aussahen wie leuchtend rote Blutstropfen.

Eve ermahnte sich, dass diese Reise ihre eigene Idee gewesen war – denn auch die Liebe war mörderisch. Woher hätte sie auch wissen sollen, dass jede Kurve, die man im Westen von Irland mit dem Auto nahm, eine Gefahr für Leib und Leben war?

Im ländlichen Irland, dachte sie und hielt den Atem an, als ihr Gefährt auf dieser Todesreise abermals um eine Kurve bog. Wo die Städte nur ein leiser Schluckauf in der Landschaft waren und es mehr Rindviecher als Menschen gab. Wo die Schafherden sogar noch größer als die Rinderherden waren.

Was allerdings nur sie zu stören schien. Hatten die Menschen hier etwa noch nie überlegt, was passieren könnte, wenn sich die Armeen der Nutztiere verbündeten?

Als die mörderische Straße endlich aus den blutstropfenbesetzten Büschen führte, dehnten sich vor ihren Augen endlos weite Felder und gespenstisch grüne Hügel unter einem trüben, grau verhangenen Himmel aus. Die Wolken machten den Anschein, als könnten sie sich nicht entscheiden, ob sie einfach nur bedrohlich dicht über der Erde hängen oder all die Schafe und die Rindviecher ersäufen sollten, die die ausgedehnten Grünflächen besetzt hielten und offenbar besprachen, welche Strategie im Krieg gegen die Menschen am verheißungsvollsten war.

Einige von den Biestern trieben sich sogar inmitten dieser seltsamen – und, ja okay, auch ziemlich interessanten – steinernen Ruinen, die man auf den Hügeln sah, herum. Halb verfallene, aber trotzdem imposante Bauten, die vielleicht einmal Burgen oder Festungen gewesen waren. Orte, wie geschaffen für die Planung eines Aufstands, dachte Eve.

Als Motiv für ein Gemälde, das man sich über das Sofa hängen könnte, wäre die Umgebung sicher hübsch, aber als natürlich konnte man sie nicht bezeichnen. Das hieß, sie war übertrieben natürlich. Ja, genau. Es gab hier viel zu viel Natur. Es war alles viel zu offen, dachte Eve. Selbst die in der unendlichen Landschaft willkürlich verstreuten Häuser waren mit Blumen getarnt. Überall sah man nur Grün und unzählige Blüten, deren Farb- und Formenvielfalt geradezu unglaublich war.

Sie hatte sogar Wäschestücke wie exekutierte Kriegsgefangene an irgendwelchen Leinen baumeln sehen. Sollte es tatsächlich möglich sein, dass es im Jahr 2060 Häuser ohne Wäschetrockner gab?

Und wenn sie gerade dabei war, wo war eigentlich der ganze Luftverkehr? Bisher hatte sie nur eine Handvoll Flugzeuge gesehen, und nicht einen Werbeflieger, der die Sonderangebote in den Läden, die es schließlich sicher auch in Irland gab, anpries.

Keine U-Bahn, keine Schwebegrills, keine Touristen und auch keine Taschendiebe, die sie ausnehmen wollten, keine vor sich hin schimpfenden Taxifahrer und nicht einen laut furzenden Maxibus.

Himmel, sie vermisste ihre Heimatstadt New York.

Sie konnte nicht einmal riskieren, sich von ihrem Heimweh abzulenken, indem sie sich selbst hinter das Steuer setzte, weil man hier aus Gründen, die sie sicher nie verstehen würde, auf der falschen Straßenseite fuhr.

Warum zum Teufel taten diese Menschen das?

Sie war ein Cop und hatte einen Eid darauf geschworen, die Menschen zu beschützen, deshalb konnte sie sich kaum auf einer dieser todbringenden Straßen selbst hinter das Lenkrad eines Wagens schwingen, denn wahrscheinlich hätte sie dann spätestens nach drei Minuten irgendeinen unschuldigen Zivilisten umgemäht. Und nähme, wenn sie schon einmal dabei wäre, bestimmt noch eine Handvoll dieser Tiere mit.

Sie fragte sich, ob sie wohl je ihr Ziel erreichen würden, und wie groß die Chance war, in einem Stück dort anzukommen.

Vielleicht sollte sie ein paar Wahrscheinlichkeitsberechnungen anstellen. Denn dadurch würde sie vorübergehend von ihrem Elend abgelenkt.

Abermals verengte sich die Straße, und als ihre Seite des Gefährts die Hecke links der Straße küsste, unterdrückte Lieutenant Dallas, erfahrene Mordermittlerin, Verfolgerin von Psychopathen, Serienkillern und perversen Mördern, nur mit Mühe einen Schrei.

Der Mann, mit dem sie gerade ihren zweiten Hochzeitstag beging – weshalb sie überhaupt auf die Idee zu diesem Trip gekommen war –, nahm seine Hand vom Lenkrad und tätschelte aufmunternd ihr Bein. »Entspann dich, Lieutenant.«

»Guck nach vorne! Guck nicht mich, sondern die Straße an. Weil das im Grunde keine Straße, sondern eher ein Feldweg ist. Was sind das überhaupt für Büsche und warum zum Teufel stehen sie ausgerechnet hier?«

»Das sind Fuchsien. Wunderschön, nicht wahr?«

Für Eve sahen die Blüten aus wie Blutspritzer. Als hätte die Armee der Nutztiere ein grausiges Massaker an den wenigen Bewohnern dieses Landstriches verübt.

»Sie sollten sie ein Stück zurücksetzen, damit sie nicht mehr direkt an der blöden Straße stehen.«

»Ich nehme an, die Büsche waren als Erste hier.«

Anders als die feindseligen Büsche, die sich hinterlistig an die Straße angeschlichen hatten, liebte Eve den melodiösen, irischen Akzent, der sich selbst in New York gelegentlich in seine Sprache schlich.

Als sie einen kurzen Blick in seine Richtung wagte, sah sie, dass er glücklich wirkte. Glücklich und entspannt in seiner dünnen Lederjacke, einem T-Shirt, den aus dem unglaublichen Gesicht gestrichenen, rabenschwarzen Haaren und den Augen, deren Blau so leuchtete, dass sich ihr Herz zusammenzog.

Ein paar Wochen zuvor wären sie fast gestorben, und sie dachte voller Grauen an den atemlosen Augenblick zurück, in dem sie gedacht hatte, sie würde ihn verlieren. Weil er schwer verletzt gewesen war.

Doch jetzt saß er kerngesund und quicklebendig neben ihr. Vielleicht würde sie ihm noch einmal verzeihen, dass er sich auf ihre Kosten amüsierte.

Ja, vielleicht.

Außerdem war es ihre eigene Schuld, denn sie verbrachten auf ihren Vorschlag hin einen Teil des Urlaubs und die Feier ihres Hochzeitstages hier in Irland. Auch wenn sie nicht damit gerechnet hatte, dass er anders als beim ersten Mal, als sie mit ihm bei seiner neu entdeckten Sippschaft zu Besuch gewesen war, statt eines Jet-Copters ein Auto nehmen würde, weil er fand, dass man dann mehr von der Umgebung sah.

Sie näherten sich einer kleinen Ansammlung von Häusern, die mit etwas gutem Willen vielleicht als Ortschaft zu bezeichnen war, und sie atmete erleichtert auf.

»Jetzt haben wir es fast geschafft«, erklärte er. »Dies ist Tulla, und der Hof von meiner Tante liegt nur ein paar Kilometer von dem Dorf entfernt.«

Erleichtert fuhr sich Eve mit beiden Händen durch das kurze, braune Haar.

»Sieh nur. Jetzt kommt sogar die Sonne durch.«

Sie betrachtete den wässrig gelben Strahl, der sich durch eine winzig kleine Öffnung in der Wolkendecke zwängte, und kniff ihre Augen zu. »Wow, bei diesem grellen Licht kann ich kaum noch was sehen.«

Lachend strich er ihre zerzausten Haare wieder glatt. »Wir sind hier einfach nicht in unserem Element, Lieutenant. Aber vielleicht tut es uns ja gut, dem Alltag hin und wieder zu entfliehen.«

Einem Alltag, der für sie aus Mordfällen, Ermittlungen, dem Irrsinn einer Stadt, die immer rannte und nie ging, den Gerüchen des Reviers und der Hektik und Verantwortung bestand, die mit der Leitung eines Polizeidezernats verbunden waren.

Ein Teil von diesen Dingen machte seit zwei Jahren auch den Alltag ihres Mannes aus. Er jonglierte mit dem Leben, das sie führte, und mit seiner eigenen Welt, die aus dem Kauf und Verkauf, dem Besitz sowie der Herstellung fast aller Dinge, die es im bekannten Universum gab, bestand.

Genau wie ihre eigenen ersten Lebensjahre waren auch die von Roarke von schrecklichen Gefahren und Dunkelheit geprägt gewesen. Er hatte sich als Taschendieb und Trickbetrüger in den Gossen Dublins durchgeschlagen, doch im Gegensatz zu seiner armen Mutter hatte er seinen brutalen, mörderischen Vater überlebt.

Auf dieser Grundlage hatte er später ein Imperium errichtet – und sich dabei weiter häufig in den Grauzonen des Rechts bewegt.

Aber trotz oder vielleicht auch wegen dieser Schatten hatte sie, der Cop aus Überzeugung, sich in ihn verliebt. Später hatten sie herausgefunden, dass sein Leben auch noch eine völlig andere Seite hatte, die im County Clare unweit des Dörfchens Tulla auf einem erschreckend altmodischen Bauernhof zu finden war.

»Wir hätten auch mit einem Hubschrauber von unserem Hotel aus zu ihnen fliegen können«, sagte Eve.

»Mir hat die Autofahrt echt Spaß gemacht.«

»Ich frage mich, was für ein Mensch du bist. Denn das meinst du anscheinend wirklich ernst.«

»Aber nach Italien fliegen wir.«

»Das will ich doch wohl hoffen.«

»Wenn wir dort ankommen, dinieren wir bei Kerzenschein in unserer Suite.« Mit einem durch und durch entspannten, gut gelaunten Lächeln fügte er hinzu: »Und zwar mit der besten Pizza, die man in Florenz bekommt.«

»Au ja.«

»Es bedeutet ihnen viel, dass wir beide zusammen ein paar Tage hier verbringen.«

»Ich mag sie«, äußerte sich Eve über die Familie seiner Mutter. »Sinead und die anderen. Und auch Ferien sind gut. Ich muss nur noch etwas an mir arbeiten, damit ich in Urlaubsstimmung komme und mich nicht mehr ständig frage, was wohl gerade in New York passiert. Was machen die Leute hier in dieser Einöde den ganzen Tag?«

»Sie arbeiten, bestellen ihre Felder, führen ihren Haushalt, kümmern sich um die Familie und gehen abends auf ein Bier und ein bisschen Gesellschaft in den Pub. Ein Leben braucht nicht unerfüllt zu sein, nur weil es einfach ist.«

Sie stieß ein leises Schnauben aus. »Du würdest hier verrückt.«

»Und zwar spätestens nach einer Woche«, stimmte er ihr unumwunden zu. »Wir beide sind urbane Wesen, aber trotzdem kann ich anerkennen, dass es Menschen gibt, die es zu schätzen wissen, wenn sie in einer Gemeinschaft leben, in der man sich gegenseitig unterstützt. Die Iren nennen das comhar. Hier in den westlichen Countys ist der Sinn für die Gemeinschaft ganz besonders ausgeprägt.«

Inzwischen ragten links und rechts der Straße dunkle Wälder auf, die wenig später in den Augen vieler Menschen sicher hübschen Feldern wichen, die von kleinen Steinmauern geteilt wurden, deren Bestandteile wahrscheinlich aus dem schwarzen Boden ausgegraben worden waren.

Als Roarke um eine Kurve fuhr, entdeckte sie das Haus. Es wirkte großzügig und aufgeräumt, der hübsch bepflanzte Vorgarten sah wie ein Meer aus bunten Blumen aus. Falls Gebäude eine Aura hatten, hatte dieses eine Aura der Zufriedenheit.

Roarkes Mutter hatte hier gelebt, doch irgendwann hatten die hellen Lichter Dublins sie gelockt. Dort hatte das junge, hoffnungslos naive und vertrauensselige Mädchen sich in Patrick Roarke verliebt, sein Kind auf die Welt gebracht und ihr Leben hingegeben, damit diesem Kind kein Leid geschah.

Ihre Zwillingsschwester führte jetzt den Haushalt und half ihrem Ehemann, den Kindern, den Geschwistern und den Eltern bei der Arbeit auf dem Hof. Weil offenbar die ganze Sippe hier im Grünen fest verwurzelt war.

Noch bevor sie aus dem Wagen steigen konnten, erschien Sinead bereits in der Tür. Sie war eine hübsche Frau mit rötlich goldenem Haar und grünen Augen, denen ihre Freude über die Besucher überdeutlich anzusehen war.

Doch sie streckte nicht aufgrund der Blutsverwandtschaft strahlend ihre Arme nach Roarke aus. Denn Blutsverwandtschaft hieß nicht automatisch, dass man echte Zuneigung zu jemandem empfand.

Sinead nahm den Neffen innig in den Arm, weil er ein Teil ihrer Familie war und sie ihn liebte, dann murmelte sie etwas auf Gälisch, was für Eve zwar unverständlich, aber trotzdem herzlich klang.

Weil es von Herzen kam.

Plötzlich lag auch Eve an Sineads Brust und riss erschreckt die Augen auf.

»Fáilte abhaile. Willkommen daheim.«

»Danke. Ah …«

»Kommt rein, kommt rein. Alle sind in der Küche oder irgendwo hinter dem Haus. Wir haben genügend Essen da, um die gesamte Horde satt zu kriegen, und wollen gleich ein Picknick machen, denn ihr zwei habt schließlich wunderbares Wetter mitgebracht.«

Eve blickte zum Himmel auf und sagte sich, dass die Bezeichnung wunderbares Wetter offenbar von Land zu Land etwas Anderes bedeutete.

»Ich sage einem von den Jungen, dass er eure Sachen aus dem Auto holen und auf euer Zimmer bringen soll. Es ist uns allen eine Freude, euch zu sehen. Weil wir jetzt endlich wieder einmal alle zusammen hier zu Hause sind.«

Sie wurden beköstigt und gefeiert, neugierig umrundet und mit Fragen bombardiert. Eve schaffte es, sich all die Namen und Gesichter einzuprägen, indem sie sich vorstellte, sie alle wären Verdächtige in einem ihrer Fälle – selbst die Allerjüngsten, die noch gar nicht laufen konnten, oder die, die noch ein wenig wacklig auf den Beinchen waren.

Wie der kleine Kerl, der ein ums andere Mal versuchte, sich an einem ihrer Beine hochzuziehen.

»Unser Devin ist ein echter Schwerenöter.« Seine Mutter – Maggie – nahm ihn lachend in den Arm und setzte ihn anmutig auf ihrer Hüfte ab. »Aidan hat erzählt, dass ihr von hier aus weiter nach Italien wollt. Connor und ich haben auf unserer Hochzeitsreise richtig auf den Putz gehauen und uns Venedig angesehen. Eine wunderschöne Stadt.«

Das Kind auf ihrer Hüfte hüpfte plappernd auf und ab.

»Meinetwegen, kleiner Mann, wir haben heute schließlich allen Grund zu feiern. Also hole ich dir noch ein Plätzchen. Willst du auch eins?«

»Danke, nein. Ich bin bereits pappsatt.«

Einen Moment später spürte Eve ein Jucken zwischen ihren Schulterblättern, drehte vorsichtig den Kopf und sah, dass hinter ihr ein Junge stand und sie mit neugierigen Blicken maß. Er hatte die grünen Augen und die unzähligen Sommersprossen, die das Markenzeichen aller Brodys waren, und wenn sie sich nicht irrte, hatte sie ihn an Thanksgiving in New York gesehen, als die Familie bei ihnen zu Besuch gewesen war.

»Was guckst du so?«, fragte sie etwas barsch.

»Hast du deinen Stunner mitgebracht?«

Zwar hatte sie ihr Schulterhalfter nicht dabei, das Knöchelhalfter aber hatte sie vor ihrer Abreise zuhause aus Gewohnheit angelegt. Doch Sinead und die anderen Frauen würden es wahrscheinlich nicht zu schätzen wissen, fuchtelte sie bei einem Familienpicknick mit der Waffe vor dem Kind herum.

»Warum? Willst du jemanden abknallen?«

Er verzog den Mund zu einem breiten Grinsen. »Meine Schwester.«

»Und warum?«

»Weil sie ’ne blöde Sumpfkuh ist. Das ist doch Grund genug.«

Sie kannte dieses Wort, weil Roarke selbst in New York gelegentlich in seinen Heimatslang verfiel. »In New York ganz sicher nicht. Denn dort gibt’s blöde Sumpfkühe wie Sand am Meer.«

»Wenn ich groß bin, werde ich ein Cop und niete die Verbrecher reihenweise um. Auf wie viele hast du schon geschossen, seit du Polizistin bist?«

Blutrünstiger kleiner Bastard, dachte Eve. Was ihr durchaus nicht unsympathisch war. Trotzdem erklärte sie: »Nicht mehr als nötig. Denn es ist viel befriedigender, wenn man die Verbrecher hinter Gitter bringen kann.«

»Warum denn das?«

»Sie haben deutlich länger was davon, als wenn man einmal auf sie schießt.«

Er dachte kurz darüber nach. »Tja, dann schieße ich sie erst über den Haufen und loche sie dann noch ein.«

Als sie lachte, grinste er erneut. »Hier bei uns gibt es keine Verbrecher, was echt schade ist. Vielleicht komme ich noch einmal nach New York, damit du mir ein paar von deinen zeigen kannst.«

»Vielleicht.«

»Das wäre cool«, erklärte er und hüpfte gut gelaunt davon.

Kaum war er verschwunden, warf sich jemand auf den freien Stuhl an ihrer Seite und versorgte sie mit einem frischen Bier. Der älteste Sohn von Sinead, Seamus. Nahm sie an.

»Also, wie findest du Irland?«

»Indem ich von New York aus Richtung Osten fliege.« Als er leise lachte und ihr freundschaftlich den Ellenbogen in die Rippen rammte, fügte sie hinzu: »Unglaublich grün. Mit jeder Menge Schafe und echt leckerem Bier.«

»Schließlich hat sich ein Schäfer abends nach getaner Arbeit ein, zwei Gläser Bier verdient. Ihr beide habt meine Mutter sehr glücklich gemacht, weil ihr euch Zeit für die Familie genommen habt. Sie hat in Bezug auf Roarke die Stelle ihrer Schwester eingenommen, deshalb möchte ich dir danken, weil du ihr und ihm zuliebe hergekommen bist.«

»Es ist kein echtes Opfer, rumzusitzen und so gutes Bier zu trinken«, gab sie knapp zurück.

Er tätschelte ihr sanft das Bein. »Trotzdem war es eine ganz schön weite Reise für ein Bier. Und außerdem ist auch mein Junge total hin und weg von dir.«

»Wie bitte?«

»Mein Sean. Der kleine Kerl, der sich eben so eifrig mit dir unterhalten hat.«

»Oh. Ich weiß noch immer nicht genau, wer wer ist«, gab sie zu.

»Das kann ich mir vorstellen. Aber seit wir an Thanksgiving bei euch waren, will er kein Weltraumpirat mehr werden, sondern als Cop die bösen Buben abknallen, wenn er mit der Schule fertig ist.«

»Das hat er beiläufig erwähnt.«

»Ehrlich gesagt, hofft er verzweifelt, dass vor eurer Abreise in dieser Gegend noch ein möglichst blutiger, mysteriöser Mord geschieht.«

»Kommt so was hier öfter vor?«

Seamus lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und nippte nachdenklich an seinem Bier. »Der letzte Mord, an den ich mich erinnern kann, ist ungefähr zwölf Jahre her. Da hat die betagte Mrs O’Riley ihrem Alten eine Bratpfanne übergezogen, als er wieder mal sternhagelvoll und mit dem Parfüm von einer anderen Frau in den Klamotten heimgekommen ist. Das war zwar ziemlich blutig, aber nicht gerade mysteriös.«

»Dann gibt’s für eine Mordermittlerin in dieser Gegend also kaum etwas zu tun.«

»Was für Sean natürlich traurig ist. Deshalb verfolgt er übers Internet die Fälle, die du drüben in den Staaten löst. Vor allem von dem letzten Fall – den Morden im Zusammenhang mit diesen Holo-Spielen – war er hin und weg.«

»Oh.« Sie blickte zu Roarke, der Arm in Arm mit Sinead stand. Und dachte an das Messer, das in seinen Körper eingedrungen war.

»Wir haben sein Gerät mit einer Kindersicherung versehen. Die grausigen Details kriegt er deshalb nicht mit.«

»Was bestimmt auch besser ist.«

»Wie schlimm war mein Cousin verletzt? In den Medien wurde die Verletzung kaum erwähnt – sicher wollte er das nicht.«

Das Gefühl von seinem warmen Blut, das dickflüssig durch ihre wild zitternden Finger rann, vergäße sie wahrscheinlich nie. »Es war ziemlich knapp«, räumte sie widerstrebend ein.

Seamus nickte und warf einen Blick auf Roarke. »Er hat von seinem Vater nicht viel mitbekommen, stimmt’s?«

»Nichts, was von Bedeutung wäre, nein.«

Irische Picknicks, merkte Eve, zogen sich wie die Sommertage auf der Insel endlos hin. Denn am Himmel funkelten bereits die Sterne, als das Essen und das Trinken, die Musik, der Tanz und all die fröhlichen Gespräche endeten und die Gesellschaft wieder nach Hause zog.

»Wir haben euch sehr lange wach gehalten.« Sinead brachte sie nach oben und umarmte dieses Mal nicht ihren Neffen, sondern Eve.

Die keine Ahnung hatte, was sie machen sollte, wenn ein anderer Mensch als Roarke in friedlicher Absicht seine Arme um sie schlang.

»Ihr habt eine anstrengende Reise hinter euch, und wir haben euch kaum Zeit gelassen, eure Sachen auszupacken oder euch zumindest euer Zimmer anzusehen.«

»Es war ein nettes Fest.«

»Oh ja, das war’s. Und zum Abschluss hat mein Seamus Roarke noch überredet, morgen früh mit ihm aufs Feld zu gehen.« Sie drückte Eve den Arm, und Eve sah über ihre Schulter auf den Mann, von dem die Rede war.

»Echt? Du willst mit ihm aufs Feld? Auf ein Feld, auf dem etwas zu essen wächst?«

»Das wird sicher lustig. Weil ich schließlich bisher noch nie Trecker gefahren bin.«

»Ich hoffe nur, dass du das auch noch sagst, wenn wir dich im Morgengrauen aus dem Bett zerren.«

»Er braucht sowieso kaum Schlaf. In der Hinsicht ist er wie ein Droide«, meinte Eve.

Lachend öffnete Roarkes Tante eine Tür. »Dies ist euer Schlafzimmer. Ich hoffe, bis Roarke sich wieder aus den Federn quälen muss, habt ihr es darin bequem.«

Eve sah sich in dem Zimmer mit den schrägen Wänden, schlichten Möbeln, weichen Farben und den weißen Spitzen vor dem Fenster um. In einem gedrungenen Krug auf der Kommode stand ein bunter Blumenstrauß.

»Falls ihr irgendetwas braucht – ich bin am anderen Flurende.«

»Uns fehlt nicht das Geringste.« Roarke gab seiner Tante einen Kuss auf die Wange.

»Dann sehen wir uns beim Frühstück. Gute Nacht.« Damit glitt sie wieder in den Flur hinaus und zog die Tür hinter sich zu.

»Warum in aller Welt willst du morgen Trecker fahren?«, wandte sich Eve an Roarke.

»Ich habe keine Ahnung, irgendwie fand ich, dass es einfach dazugehört.« Fröhlich zog er sich die Schuhe aus. »Aber ich mache einen Rückzieher, falls du den Morgen nicht allein verbringen willst.«

»Das wird sicher kein Problem. Weil ich erst mal die Jahresration Bier ausschlafen muss, die man mir heute aufgezwungen hat.«

Lächelnd trat er vor sie und strich mit der Hand über ihr Haar. »Das waren heute ganz schön viele Leute.«

»Aber sie sind alle wirklich nett. Wenn man erst mal herausgefunden hat, worüber man mit ihnen reden kann. Am liebsten sprechen sie von dir.«

»Weil ich neu in der Familie bin.« Er küsste ihre Stirn. »Weil wir beide neu in der Familie sind und sie vollkommen fasziniert von meiner Polizistin sind.« Er zog sie sanft an seine Brust und eng umschlungen standen sie in einem hübschen Schlafzimmer in einem alten Bauernhaus und atmeten den süßen Duft der Blumen ein, den die abendliche Brise durch das offene Fenster wehen ließ. »Das hier ist ein völlig anderes Leben. Eine völlig andere Welt.«

»Der letzte Mord fand hier vor ungefähr zwölf Jahren statt.«

Er schüttelte den Kopf und stellte lachend fest: »Ich hätte mir denken sollen, dass du das bereits herausgefunden hast.«

»Ich habe mit dem Thema nicht angefangen. Hörst du das?«

»Was?«

»Nichts. Es ist total ruhig und total dunkel. Totenstill und finster wie in einem Grab. Man sollte meinen, dass hier nicht nur alle Jubeljahre mal ein Mord geschieht.«

»Hast du vielleicht Lust auf Arbeit in den Ferien?«

»Nicht wirklich. Und die Stille ist für mich okay. Wenn auch vielleicht ein bisschen ungewohnt.« Sie glitt mit einer Hand bis zu der Stelle, wo das Messer in ihn eingedrungen war. »Und wie geht’s dir?«

»Auf alle Fälle gut genug, um …« Er presste seine Lippen fest auf ihren Mund und wanderte mit seiner Hand an ihrem Leib herab.

»Warte. Irgendwie fühlt sich das seltsam an.«

»Für mich fühlt sich das vollkommen natürlich an.«

»Deine Tante hat gesagt, ihr Zimmer ist am Ende dieses Flurs. Und du weißt genauso gut wie ich, dass man in diesem Haus sogar die Flöhe husten hören kann.«

»Dann musst du eben einfach leise sein.« Er kitzelte sie, bis sie quietschte. »Auch wenn das aus meiner Sicht nicht nötig ist.«

»Hast du mich nicht heute früh schon zweimal flachgelegt?«

»Meine geliebte Eve, was Romantik angeht, bist du eindeutig ein hoffnungsloser Fall.« Er schob sie rückwärts zu dem Bett, das höchstens halb so breit war wie ihr Bett daheim.

»Mach wenigstens die Glotze an. Damit man nicht uns beide, sondern die Geräusche aus dem Fernseher im Zimmer deiner Tante hört.«

Er strich mit seinen Lippen über ihre Wange und mit seiner Hand über ihr straffes Hinterteil. »Es gibt hier keinen Fernseher.«

»Keinen Fernseher?« Sie schob ihn von sich fort und sah sich suchend um. »Ist das dein Ernst? Was ist dies für ein Raum?«

»Ein Raum, den man zum Schlafen und zum Sex benutzt. Und genau das habe ich auch vor.« Um es zu beweisen, stieß er sie aufs Bett.

Das hörbar quietschte.

»Gott, was war das? Hast du das gehört? Ist in diesem Zimmer irgendwo ein Tier versteckt?«

»Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Tiere alle draußen sind. Das war das Bett.« Entschlossen zog er ihr das Hemd über den Kopf.

Sie hob die Hüften an und ließ sie wieder fallen. »Oh, um Himmels willen. Wir tun es doch wohl nicht auf einem Bett, das spricht. Denn dann erfährt das ganze Haus, was hier gerade passiert.«

Er knabberte an ihrem Hals. »Ich glaube, sie vermuten sowieso bereits, dass wir was miteinander haben.«

»Ja, vielleicht, aber das ist was anderes, als wenn das Bett dabei laut Jippie schreit.«

Es war kein Wunder, dass er hoffnungslos in sie verschossen war, ging es ihm durch den Kopf.

Er sah ihr ins Gesicht, während er einen Finger über eine ihrer Brüste wandern ließ. »Dann haben wir am besten ruhigen, würdevollen Sex.«

»Bei würdevollem Sex macht man auf alle Fälle irgendwas verkehrt.«

»Da hast du sicher recht.« Er umfasste lächelnd ihren Busen und küsste sie zärtlich auf den Mund. »Wie schön du bist. Und während der gesamten, beinah dreiwöchigen Ferien gehörst du mir allein.«

»Du versuchst doch nur, mich weichzuklopfen«, meinte sie, bevor sie mit ihren Fingern durch die rabenschwarzen Haare ihres Liebsten fuhr. Denn ebenso gehörte er in der Zeit ihr allein.

»Es ist schön, dass wir hierhergekommen sind.« Jetzt zog sie ihm das Hemd über den Kopf und legte die Hand auf die inzwischen fast verheilte Wunde. »Auch wenn ich lieber nicht mehr daran denke, wie es zum Urlaub kam, freue ich mich, hier zu sein.«

»Ich finde, dass es bisher eine durchaus interessante Reise war.«

»Von der ich nicht eine Meile missen möchte. Auch wenn sie mitunter etwas holprig war.« Sie rahmte sein Gesicht mit ihren Händen, reckte ihren Kopf, bis ihre Lippen sich berührten, zog ihn über sich und seufzte leise auf.

Mit geschlossenen Augen ließ sie ihre Hände über die gesunden, starken Muskeln seines Rückens gleiten und sog seinen Duft begierig in sich auf. Während sie sich öffnete und ihn wie stets willkommen hieß.

Sie drehte ihren Kopf, suchte erneut nach seinem Mund und verspürte eine Leichtigkeit, die süß war wie die milde, abendliche Luft.

Wieder stieß das Bett ein lautes Quietschen aus, und lachend meinte sie: »Vielleicht legen wir uns besser auf den Fußboden.«

»Beim nächsten Mal«, schlug er ihr vor, wieder stieß sie ein leises Lachen und danach einen zufriedenen Seufzer aus. Denn wie jedes Mal, wenn sie in seinen Armen lag, wurde ihr wohlig warm ums Herz.

Und als sie sich schließlich rundherum befriedigt schläfrig an ihn schmiegte, murmelte sie gut gelaunt: »Jippie.«

Noch bevor es richtig hell war, fuhr sie aus dem Schlaf und richtete sich kerzengerade auf.

»Was war das? Hast du das gehört?« Eilig sprang sie aus dem Bett, stürzte nackt durchs Zimmer und riss den Reservestunner aus dem Knöchelhalfter, das auf der Kommode lag.

»Da! Da war es schon wieder! Was ist das für ein Geräusch?«

Roarke drehte sich gemütlich noch einmal um. »Das ist das Krähen eines Hahns.«

»Willst du mich verarschen?« Mit gezückter Waffe stand sie da und starrte ihn mit großen Augen an.

»Oh nein. Es wird allmählich hell, und der Hahn gibt das Signal zum Aufstehen.«

»Ein Hahn?«

»Genau. Und obwohl der Anblick, den du bietest, durchaus faszinierend ist, glaube ich nicht, dass Sinead und ihr Mann sich freuen würden, wenn du ihren Hahn über den Haufen schießen würdest, Schatz.«

Seufzend legte sie den Stunner wieder fort. »Mein Gott, es kommt mir vor, als wären wir auf einem anderen Planeten und nicht nur auf einem anderen Kontinent.« Sie glitt wieder ins Bett. »Falls dein ganz privater Piepmatz vielleicht auch noch das Signal zum Aufstehen geben will, denkst du am besten daran, dass ich bewaffnet bin.«

»Auch wenn der Gedanke durchaus reizvoll ist, muss ich jetzt leider aufstehen. Denn obwohl ich lieber noch ein bisschen Frühsport mit dir treiben würde, habe ich versprochen, dass ich mit Seamus Trecker fahren will.«

»Viel Spaß«, wünschte ihm Eve und zog ein Kissen über ihren Kopf.

Krähende Hähne, dachte sie und kniff die Augen zu. Großer Gott, kam dieses andere Geräusch vielleicht von einer Kuh? Muhten diese Tiere wirklich? Und vor allem, wie nah kamen diese Ungeheuer an das Haus heran?

Sie lüftete vorsichtig das Kissen und sah nach, ob ihre Waffe griffbereit auf dem Nachttisch lag.

Wie zum Teufel sollte man bei all dem Muhen, Krähen und den anderen Dingen, die dort draußen vielleicht vor sich gingen, schlafen? Das war alles total unheimlich. Was sagten diese Biester zueinander? Und weshalb sprachen sie überhaupt?

Stand das Fenster nicht noch offen? Vielleicht stünde sie am besten auf und …

Als sie abermals die Augen aufschlug, fielen helle Sonnenstrahlen auf ihr Gesicht.

Dann war sie also wirklich noch einmal eingeschlafen, hatte allerdings einen beunruhigenden Traum gehabt, in dem die Tiere dieses Bauernhofs in Tarnklamotten herumgelaufen waren.

Sie brauchte dringend einen Kaffee, doch im selben Augenblick wurde ihr klar, dass sie in Irland war, und sie unterdrückte einen Fluch. Denn hier trank man Tee, und sie hatte keine Ahnung, wie sie einen Tag im Kreis all dieser Menschen überstehen sollte, ohne dass sie vorher eine möglichst große Dosis ordentliches Koffein bekam.

Sie richtete sich mühsam auf, sah sich immer noch etwas verschlafen um und merkte, dass ein Memowürfel auf dem Morgenrock am Fußende des Bettes lag. Eilig griff sie sich den Würfel und rief die dort hinterlassene Nachricht ab.

»Guten Morgen, Lieutenant. Falls du noch nicht richtig ausgeschlafen bist: Die Dusche findest du hinter der letzten Tür auf der linken Seite des Flurs. Sinead sagt, dass du zum Frühstück einfach in die Küche kommen sollst. Wie es aussieht, treffen wir uns gegen zwölf. Sinead bringt dich dann zu uns aufs Feld oder dorthin, wo wir gerade sind. Pass gut auf meine Polizistin auf.«

»Hier gibt’s keine Verbrecher, falls du das vergessen hast.«

Sie zog ihren Morgenmantel an und steckte nach kurzem Überlegen ihren Stunner ein. Weil man eine Waffe besser nicht einfach im Zimmer liegen ließ.

Hoffentlich würde die Dusche ihre Lebensgeister wecken, wenn es hier schon keinen Kaffee gab.