Gottfried Wilhelm Leibniz

Monadologie

Die erste deutsche Übersetzung

von Heinrich Köhler von 1720

 

 

 

Gottfried Wilhelm Leibniz: Monadologie. Die erste deutsche Übersetzung von Heinrich Köhler von 1720

 

Neuausgabe mit einer Biographie des Autors.

Herausgegeben von Karl-Maria Guth, Berlin 2017.

 

Umschlaggestaltung unter Verwendung des Bildes:

Christoph Bernhard Francke, Bildnis des Philosophen Gottfried Wilhelm Freiherr von Leibniz, um 1695

 

ISBN 978-3-7437-0877-8

 

Dieses Buch ist auch in gedruckter Form erhältlich:

ISBN 978-3-7437-0802-0 (Broschiert)

 

Die Sammlung Hofenberg erscheint im Verlag der Contumax GmbH & Co. KG, Berlin.

 

»Eclaircissement sur les Monades«, 1714. Hier in der deutschen Übersetzung von Heinrich Köhler, 1720.

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind über http://www.dnb.de abrufbar.

 

Des Herrn

 

 

Baron von Leibnitz

 

 

Lehr-Sätze von den Monaden

von der Seele des Menschen,

von seinem Systemate harmoniae praestabilitae

zwischen der Seele und dem Körper,

von GOtt, seiner Existenz,

seinen andern Vollkommenheiten

und von der Harmonie zwischen dem Reiche,

der Natur und dem Reiche der Gnade.

§ 1

Die Monaden /1 wovon wir allhier reden werden / sind nichts anders als einfache Substanzen / woraus die zusammen gesetzten Dinge oder composita bestehen. Unter dem Wort / einfach / verstehet man dasjenige / welches keine Teile hat.

 
§ 2

Es müssen dergleichen einfache Substanzen sein, weil composita vorhanden sind; denn das Zusammengesetzte ist nichts anders als eine Menge oder ein Aggregat von einfachen Substanzen.

 
§ 3

Wo nun keine Teile vorhanden sind / daselbst kann auch weder eine Ausdehnung in die Länge / Breite und Tiefe / noch eine Figur / noch eine Zerteilung möglich sein. Und diese Monaden sind die wahrhaften Atomi der Natur und mit einem Worte / die Elemente derer Dinge.

 
§ 4

Gleichergestalt ist auch bei denenselben keine dissolution zu befürchten; noch weniger kann man sich eine Manier gedenken / nach welcher eine einfache Substanz natürlicher Weise untergehen könnte.

 
§ 5

Um eben dieser Ursache willen kann man keine Art und Weise begreifen / wie eine einfache Substanz natürlicher Weise einen Anfang nehmen könne; weil sie durch die Zusammensetzung oder Composition nicht kann hervorgebracht werden.

 
§ 6

Man kann also sagen / daß die Monaden nicht anders anfangen oder aufhören können zu sein was sie sind / als auf einmal oder in einem Augenblick / das ist / sie können nicht entstehen als durch die Schöpfung / und nicht untergehen als durch die völlige Zernichtung / da hingegen dasjenige / welches aus andern Dingen zusammen gesetzet ist / vermöge der Teile einen Anfang oder Ende nimmt / wornach dieselben entweder zusammen gesetzet oder von einander getrennet worden.

 
§ 7

Es ist auch kein Mittel vorhanden / wodurch man zuerklären vermögend wäre / wie eine Monade in ihrem innerlichen Wesen durch eine andere Kreatur könnte alterieret oder verändert werden; weil man in derselben nichts versetzen / noch einige innerliche Bewegung begreifen kann / welche darinnen erreget / dirigieret / vermehret oder vermindert werden könnte; gleichwie sich dieses in denen zusammengesetzten Dingen gedenken läßt / allwo unter denen Teilen eine Veränderung vorgehet. Die Monaden haben keine Öffnungen / wodurch etwas in dieselben hineintreten oder aus ihnen herausgehen könnte. Die Accidentia können sich von denen Substanzen nicht absondern / noch aus denenselben heraus weichen / dergleichen in vorigen Zeiten die Species sensibiles nach der Meinung der Scholastiker tun konnten. Dahero ist weder eine Substanz / noch ein Accidens vermögend / von außen in eine Monade hinein zutreten.

 
§ 8

Unterdessen müssen die Monaden gewisse Eigenschaften haben / denn sie sonst keine Entia oder würklichen Dinge wären. Und wenn die einfachen Substanzen in Ansehung ihrer Eigenschaften nicht von einander unterschieden wären, so würde kein Mittel vorhanden sein / wodurch man in denen Dingen einige Veränderung wahrnehmen könnte; weil dasjenige / welches in einem composito ist und vorgehet / nirgends anders als von denen in ihnen befindlichen simplicibus herkommen kann; und wenn die Monaden keine Eigenschaften hätten / so würde eine von der andern nicht unterschieden sein / zumal da man auch der Größe oder Quantität nach keinen Unterscheid unter ihnen antrifft; und folglich / wenn man den mit andern Dingen angefülleten Raum supponieret / würde ein jeder Ort bei entstehender Bewegung allezeit nur ein aequivalent vor dasjenige / was er bereits gehabt und in sich gefasset hat / bekommen; und solchergestalt würde man keinen Zustand der Dinge von einem andern Zustande derselben unterscheiden können.

 
§ 9

Es muß aber auch ein Unterscheid sein / den eine jedwede Monade von einer andern hat. Denn es gibt niemals in der Natur zwei Dinge / deren eines vollkommen so beschaffen wäre / wie das andere / und allwo es nicht möglich wäre / einen innerlichen Unterscheid / oder einen solchen / welcher sich auf einen innerlichen Vorzug oder Herrschaft (dominatio) gründet / zufinden.

 
§ 10

Ich nehme auch / als etwas unstreitiges an / daß ein jedwedes erschaffenes Wesen und folglich auch die erschaffene Monade der Veränderung unterwürfig sei; ja daß sotane Veränderung in einer jeden auf eine unverrückte und ununterbrochene Weise fort daure.

 
§ 11

Es folget aus dem bereits beigebrachten Satze / daß die natürlichen Veränderungen derer Monaden von einem innerlichen Principio herrühren; weil eine äußerliche Causa in ihr Innerliches keinen Einfluß haben kann. Und man kann überhaupt sagen / daß die Kraft (vis) nichts anders sei / als eben das Principium der Veränderungen.

 
§ 12