Platon

Laches

 

 

 

Platon: Laches

 

Neuausgabe mit einer Biographie des Autors.

Herausgegeben von Karl-Maria Guth, Berlin 2017.

 

Umschlaggestaltung unter Verwendung des Bildes:

Raffael, Die Schule von Athen (Detail)

 

ISBN 978-3-7437-1244-7

 

Dieses Buch ist auch in gedruckter Form erhältlich:

ISBN 978-3-7437-1228-7 (Broschiert)

 

Die Sammlung Hofenberg erscheint im Verlag der Contumax GmbH & Co. KG, Berlin.

 

Entstanden etwa zwischen 399 und 393 v. Chr. Erstdruck (in lateinischer Übersetzung durch Marsilio Ficino) in: Opera, Florenz o. J. (ca. 1482/84). Erstdruck des griechischen Originals in: Hapanta ta tu Platônos, herausgegeben von M. Musoros, Venedig 1513. Erste deutsche Übersetzung durch J. S. Müller in: Tu Theiu Platônos Dialogoi Hex, Hamburg 1736. Der Text folgt der Übersetzung durch Ludwig von Georgii von 1860.

 

Der Text dieser Ausgabe folgt:

Platon: Sämtliche Werke. Berlin: Lambert Schneider, [1940].

 

Die Paginierung obiger Ausgabe wird in dieser Neuausgabe wortgenau mitgeführt und macht dieses E-Book auch in wissenschaftlichem Zusammenhang zitierfähig. Das Textende der Vorlagenseite wird hier durch die Seitennummer in eckigen Klammern mit grauer Schrift markiert.

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind über http://www.dnb.de abrufbar.

Laches

Lysimachos · Melesias · Nikias · Laches · Die Söhne des Lysimachos und des Melesias · Sokrates

Lysimachos: Ihr habt nun, mein Nikias und Laches, dem Waffenkampfe des Mannes zugesehen; weshalb wir aber, ich und Melesias hier, euch gebeten haben, ihn mit uns anzusehen, das haben wir euch noch nicht gesagt, wollen es aber jetzt erkären. Denn wir sind überzeugt, daß wir uns gegen euch ganz freimütig aussprechen dürfen. Es fehlt nämlich nicht an solchen, welche über diese Übungen lachen und, wenn sie jemand um ihre Ansicht fragt, nicht sagen, was sie denken, sondern, der Ansicht des Fragenden sich anbequemend, ihrer eigenen Meinung zuwider sich ganz anders aussprechen. Von euch aber sind wir überzeugt, daß ihr nicht nur Sachverständige seid, sondern auch als solche eure Meinung unumwunden aussprechen werdet, und darum haben wir euch zu der Beratung beigezogen, deren Gegenstand wir euch mitzuteilen im Begriffe sind. Die Sache nun, über welche ich zuvörderst so viele Worte mache, ist folgende:

Dies hier sind unsere beiden Söhne; dieser da gehört dem Melesias und führt den Namen seines Großvaters Thukydides; jener ist der meinige; auch er trägt den Namen seines Großvaters, meines Vaters: denn wir nennen ihn Aristeides. Wir haben nun beschlossen, diesen, soviel es uns möglich ist, besondere Fürsorge zuzuwenden und es nicht zu machen wie die meisten Väter, welche ihre Söhne, nachdem sie zu Jünglingen erwachsen, tun lassen, was ihnen beliebt, vielmehr nun erst recht damit anzufangen, ihnen, soviel wir imstande sind, unsere ganze Fürsorge zu widmen. Wir wissen nun, daß auch ihr Söhne habt, und sind der Überzeugung, daß ihr, so gut als nur irgend andere Väter, nichts versäumt habt, um ihnen eine möglichst gute Erziehung zu sichern. Solltet ihr aber etwa eure Aufmerksamkeit noch nicht ernstlich darauf gerichtet haben, so möchten wir euch erinnern, es nicht außer Acht zu lassen, und euch[173] auffordern, in der Fürsorge für unsere Söhne gemeinschaftliche Sache mit uns zu machen.

Weshalb wir aber das beschlossen haben, lieber Nikias und Laches, das sollt ihr vernehmen, wenn ich auch ein wenig umständlicher sein muß. Wir speisen nämlich, ich und Melesias hier, zusammen, und unsere Söhne speisen bei uns. Nun, wie ich gleich anfangs sagte, wir wollen uns ganz offen gegen euch aussprechen. Jeder von uns beiden weiß den Jünglingen zwar von seinem Vater viele rühmliche Taten zu erzählen, wie sie solche im Krieg und wie sie sie im Frieden vollbracht haben, als Lenker der Angelegenheiten der Bundesgenossen wie der unserer Stadt; eigene Taten aber weiß keiner von uns beiden namhaft zu machen. Darüber schämen wir uns nun ebenso vor ihnen, als wir es unseren Vätern zum Vorwurf machen, daß sie uns, nachdem wir Jünglinge geworden waren, in vornehmem Müßiggang hinleben ließen, während sie ihre Tätigkeit fremden Angelegenheiten widmeten. Auch stellen wir unseren jungen Leutchen eben dieses als Beispiel vor Augen, indem wir ihnen sagen, daß, wenn sie sich selbst vernachlässigen und uns nicht Folge leisten würden, sie auch unberühmt bleiben werden, während sie, wenn sie Sorge für sich trügen, gar wohl sich der Namen, welche sie führen, würdig machen könnten. Sie nun erklären sich bereit, uns Folge zu leisten; wir aber richten unser Auge nun darauf, was sie wohl lernen oder womit sie sich beschäftigen müssen, um recht tüchtige Männer zu werden. Da hat uns nun jemand auch auf diesen Unterrichtszweig hingewiesen, indem er meinte, daß es einem jungen Manne wohl anstehe, in Waffenrüstung fechten zu lernen. Auch hat er uns den Mann, dessen Kunstvorstellung ihr eben mit angesehen habt, sehr gerühmt und uns sodann aufgefordert, sie auch mitanzusehen. Wir hielten es demnach für zweckmäßig, nicht nur selbst als Zuschauer des Mannes herzukommen, sondern auch euch zunächst als Mitzuschauer mitzunehmen, zugleich aber auch, um eures Beirats und, wenn es euch genehm ist, eurer Teilnahme an der unseren Söhnen zu widmenden Fürsorge uns zu versichern. Dieses ist es, was wir euch mitteilen wollten. Nun also wäre es eure Sache, euren Beirat zu geben sowohl hinsichtlich dieses Unterrichtszweigs, ob ihr seine Erlernung für zweckmäßig haltet oder nicht, als auch hinsichtlich[174] anderer Lehrgegenstände oder Beschäftigungen, welche ihr etwa einem jungen Manne zu empfehlen wüßtet, sowie hinsichtlich eurer Beteiligung dabei euch auszusprechen, wie ihr es halten wollet.

Nikias: Ich meinerseits, Lysimachos und Melesias, kann eure Gesinnung nur billigen und bin bereit teilzunehmen, glaube auch das gleiche von unserem Laches.

Laches: Und ganz mit recht, Nikias. Denn was Lysimachos eben von seinem und des Melesias Vater gesagt hat, scheint mit sehr richtig bemerkt zu sein, sowohl in bezug auf jene als auf uns selbst und alle diejenigen, die ihre Tätigkeit den Staatsgeschäften widmen, daß es ihnen mit ihren Kindern wie mit ihren übrigen Angelegenheiten geradeso geht, wie er sagt, nämlich daß diese hintangesetzt und sorglos behandelt werden. Das also, Lysimachos, ist ganz gut von dir gesagt. Wundern aber muß ich mich, daß du hinsichtlich der Erziehung der jungen Leutchen unseren Beirat in Anspruch nimmst, den des Sokrates da aber nicht, während er doch fürs erste dem gleichen Gemeindebezirke mit dir angehört, sodann überall da zu finden ist, wo solche Gegenstände besprochen werden wie die von dir gestellte Frage nach einer den Jünglingen wohl anstehenden Übung und Beschäftigung.

Lysimachos: Wie sagst du, Laches? Hat denn dieser Sokrates je einmal solchen Fragen seine Aufmerksamkeit gewidmet?

Laches: Allerdings, Lysimachos.

Nikias: