THOMAS SCHÄFER

Was

unseren

Kindern

wirklich

hilft

Unterstützung

bei sozialen Problemen

und Krankheiten

Meinen Kindern

Lara und Lorenz

Inhalt

Dank

Vorwort

Über das Familienstellen

Die heilsame Haltung gegenüber Kindern

Die natürliche Haltung von Eltern zu Kindern

Die Sprache zwischen Eltern und Kindern

Jans und Marvins ausdauerndes »Training« für Mama

Kai bummelt morgens vor Schulbeginn

Die alltägliche Inkonsequenz von Mama und Papa

Die Folgen falscher Rollenbilder für Schule und Ausbildung

Kinder gehören sich selbst – Eltern auch

Der systemische Blick in der Kindertherapie

Was heißt hier »systemisch«? – Die kriminelle Energie von Peters Mutter

Soziale Probleme

Extreme Wut

Soziale Isolation

Kontaktabbruch

Wenn Kinder »klammern«

Scheidungskinder

Adoption 111

Verstorbene Zwillingsgeschwister

Schulprobleme

Krankheiten und Symptome

Bettnässen und Einkoten

Neurodermitis

Asthma bronchiale und Allergien

Stottern und andere Sprachstörungen

Tics, nervöses Zucken

Albträume

Alkohol- und Drogensucht

Magersucht und Bulimie

AD(H)S

Behinderte Kinder

Todessehnsucht und Suizidversuche

Halluzinationen und Stimmenhören

Depressionen und bipolare Störung (manisch-depressive Erkrankung)

Psychosen und Schizophrenie

Weitere Probleme von Kindern

Widerwillen gegen Hygiene

Infekte, Fieber

Viruslähmung

Häufiges Erröten

Angstzustände und ständig wechselnde Leiden

Wenn ein Nachbarkind zum »eigenen Kind« wird

Söhne, die ihre Väter verachten

Ausgeklammerte Heimat

Flüche und »Verteufelungen«

Ausblick

Literaturverzeichnis

Anmerkungen

Adressen & Kontakte

Dank

Meinen Dank spreche ich allen Müttern, Vätern, Kindern und Jugendlichen aus, die mit ihren sozialen Problemen und Krankheiten zu mir gekommen sind. Sie haben es mir ermöglicht, mich tiefer mit den seelischen Hintergründen der Leiden von Kindern auseinanderzusetzen. Zum Schutz all dieser Menschen wurden Namen, Orte und unwesentliche Details im Text verändert.

In der Kinder- und Jugendpsychiatrie Heidelberg weckte Professor Manfred Müller-Küppers als Erster mein Interesse für die Probleme von Kindern. Professor Helm Stierlin (Universität Heidelberg, Psychosomatik) verdanke ich die Neugier für familiensystemische Fragen. Unvergessen ist mir der tiefe Eindruck, den sowohl sein Scharfsinn als auch sein achtsamer, einfühlsamer Umgang mit Patienten auf mich als jungen Studenten ausgeübt haben. In seiner Haltung als Therapeut ist er mir bis heute Vorbild geblieben.

Anfang der Neunzigerjahre hat dann Dr. Gunthard Weber in Heidelberg für den damals nur in Insiderkreisen bekannten Bert Hellinger ein großes Seminar organisiert. Auch Helm Stierlin hat an diesem Seminar teilgenommen und damals Neugier an dieser Form der familiensystemischen Arbeit bekundet. Diese ganz neue und andere Art, auf Familiensysteme zu schauen, hat mich sogleich fasziniert und mich als Lernenden bis heute begleitet. Bei Angelika Glöckler habe ich Mitte der Neunzigerjahre eine mehrjährige Ausbildung im Familienstellen beendet.

Dr. Peter Levine, Dr. Laurence Heller, Jeff Zeig, Dan van Kampenhout und andere haben später dann dazu beigetragen, mein eigenes Verständnis von psychotherapeutischer Arbeit zu entwickeln.

Stockach-Wahlwies, im Frühjahr 2015

Vorwort

Kindliches Leiden berührt uns tief. Wenn Kinder leiden, fragen wir unweigerlich nach dem »Warum«. Wie kann es geschehen, dass schon ein kleines Kind lebensbedrohlich erkrankt? Eine der möglichen Antworten darauf finden wir in systemischen Aufstellungen, zeigen sie doch, dass Kinder sich durch ihr Leiden der Familie in besonderer Weise zugehörig fühlen. Im Leiden der Kinder wird ihre Liebe zur Familie, manchmal sogar zu zeitlich weit zurückliegenden Familienereignissen, deutlich.

Tief in ihrer Seele fühlen sich Kinder ihren Vorfahren verbunden und leiden, wenn diese ein schweres Schicksal hatten. Mit seiner Krankheit oder seiner sogenannten »Störung« will das Kind nicht selten auf Tabuisiertes in der Familie hinweisen. Aus der innigen Liebe zu ausgeschlossenen Personen – zum Beispiel einer ersten Frau des Vaters, die im Kindbett starb, oder einem verschwiegenen Halbbruder, der ohne Unterstützung des Vaters ärmlich aufwuchs – fühlen jene Kinder mit, die aus einer späteren Ehe stammen. In diesem Fall ist es bei einer therapeutischen Arbeit für das betroffene Kind bedeutsam, den Blick auf die Ausgeklammerten zu richten und das ganze Familiensystem zu berücksichtigen. Mithilfe von Aufstellungen lässt sich die »blinde« Liebe der Kinder zuweilen in eine befreiende Liebe für alle Beteiligten wandeln.

In meiner Praxis und in meinen Gruppen arbeite ich oft mit Eltern, die sich um auffällige oder kranke Kinder sorgen und ihnen helfen wollen. Eltern haben das Recht, für ihre Kinder nach Lösungen zu suchen, solange diese noch nicht erwachsen sind.

Zuweilen arbeite ich aber auch direkt mit Kindern in meiner Praxis, und nicht selten kommen sie als junge Erwachsene mit ihren Eltern zu Aufstellungsseminaren. So können dann in der Aufstellung sowohl Eltern als auch Kinder ein heilendes Bild der Familie erleben. Von alldem berichtet dieses Buch.

Auf den folgenden Seiten finden sich jedoch nicht nur Familienaufstellungen. Auch andere kurzzeittherapeutische Ansätze kommen in meiner Arbeit zur Anwendung. Bei meinem eigenen Hintergrund als Hypnotherapeut liegt es nahe, vor allem die wichtige Arbeit Milton Ericksons miteinzubeziehen. Zum Beispiel lässt sich bei bettnässenden Kindern oft eine Geschichte oder ein Märchen erzählen, das unerwartet schnell den Prozess der Lösung in Gang bringen kann.

Schon einmal, im Jahr 2002, habe ich ein Buch über die Probleme von Kindern geschrieben.1 Seitdem sind dreizehn Jahre vergangen. Die Art und Weise meines Arbeitens hat sich deutlich verändert, und auch inhaltlich ist viel Neues sichtbar geworden. Zwischen den Buchdeckeln dieser Darstellung finden sich Beispielgeschichten aus zwanzig Jahren therapeutischer Tätigkeit. Somit darf es nicht erstaunen, wenn der Leser sehr unterschiedliche methodische Vorgehensweisen entdeckt.

Ausführlich gehen meine Kolleginnen Barbara Innecken, Ingrid Dykstra, Sylvia Gómez-Pedra und Marianne Franke-Griksch in ihren Büchern auf die Themen »Probleme von Kindern« und »Schule und Familie« ein (im Literaturverzeichnis finden Sie Veröffentlichungen von ihnen). Marianne Franke-Griksch zeigt zudem anschaulich, wie Lehrer die ihnen anvertrauten Kinder wirksam unterstützen können, indem sie das familiäre Umfeld achtend mit einbeziehen.

Zur Wiedergabe der Familienaufstellungen in Gruppen ist noch ein methodischer Hinweis wichtig. Wenn nicht ausdrücklich anders erwähnt, ist mit Bezeichnungen wie »Schwester«, »Bruder«, »Vater«, »Conny«, »Jens« immer der betreffende Stellvertreter in der Aufstellung gemeint. Wenn ein Klient selbst an seine Stelle in der Aufstellung tritt und damit seinen eigenen Platz im Familiensystem einnimmt, wird darauf immer hingewiesen.

Da ich in Seminaren nur mit älteren Jugendlichen und jungen Erwachsenen arbeite, bevorzuge ich in meiner Praxis mit den Jüngeren eine imaginative Arbeit oder das Arbeiten mit Holzfiguren und Papierscheiben. Wie dies genau vor sich geht, wird im nächsten Kapitel dargestellt.

Über das Familienstellen

Das Familienstellen ist vermutlich über tausend Jahre alt. Der französische Philosoph Idris Lahore hat in seinen in Frankreich erschienenen Veröffentlichungen eindrucksvoll dargestellt, wie damals bei den Sufis Aufstellungen in einem religiösen Umfeld praktiziert worden sind.2

In Deutschland hat vor ungefähr 25 Jahren Bert Hellinger den Impuls zur Verbreitung des Familienstellens gegeben. In der Zwischenzeit haben viele Therapeuten weltweit Familienaufstellungen als Methode aufgegriffen. Sowohl Hellinger selbst als auch viele Kollegen der ersten Jahre sind jedoch methodisch nicht stehen geblieben. Seitdem haben sich unterschiedlichste Konzepte von Aufstellungen entwickelt. Mittlerweile existieren sogar Aufstellungen, die der Klient selbst »leitet« (»Aufstellungen ohne Therapeut«). Mit den ursprünglichen Aufstellungen hat dies nichts mehr zu tun. Was also mit dem Wort »Aufstellung« gemeint ist, hängt in der heutigen Zeit mehr denn je vom einzelnen Leiter ab, der sie anbietet. Hellinger selbst praktiziert mittlerweile das sogenannte »Geistige Familienstellen«, das jedoch zu Recht stark umstritten ist. Da ich nicht nach dieser Methode arbeite, verzichte ich hier auf ihre Darstellung.

Auch ich habe die Aufstellungsarbeit, so wie viele andere Kollegen, selbstverantwortlich in meinen therapeutischen Hintergrund integriert (Hypnotherapie nach Milton Erickson, Somatic-Experiencing-Traumatherapie nach Dr. Peter Levine, Neuro-Linguistisches Programmieren und andere). Naturgemäß stelle ich in diesem Buch die von mir angewandte Form der systemischen Aufstellungen vor, wie ich sie im Laufe der Jahre entwickelt habe. In jenen Anfangsjahren sah die Arbeit durchaus anders aus als heute. Mit jedem Aufstellungskurs lernt man als Therapeut dazu.

Weil das Familienstellen in den zurückliegenden Jahren sehr bekannt geworden ist, wird es nicht mehr notwendig sein, jeder Buchveröffentlichung zu diesem Thema eine ausführliche Einführung der Methode voranzustellen. Dennoch wäre mancher Leser, der noch nie zuvor etwas über Aufstellungen gehört hat, mit diesem Buch vielleicht überfordert. Um dem vorzubeugen, soll nun zumindest eine kurze Einführung ins Familienstellen erfolgen. Wer sich intensiver vorbereiten möchte, der sei als einführende Lektüre auf meine beiden Bücher Wie die Seele uns durchs Leben führt und Was die Seele krank macht und was sie heilt verwiesen. An dieser Stelle sollen nur die wesentlichen Dinge zur Vorgehensweise aufgezeigt werden.

Wie schon im Vorwort angedeutet, arbeite ich in meiner Praxis mithilfe von Raumankern: Papierscheiben und Holzfiguren. Selbstverständlich ist das Arbeiten mit Menschen in der Gruppe wesentlich intensiver. Kindern jedoch kann man eine Gruppe von Erwachsenen nicht zumuten. Und auch im Erstgespräch mit Eltern helfen Holzfigurenaufstellungen bestens, um sich erst einmal zu orientieren, worum es in der jeweiligen Familie geht.

Die von mir verwendeten Figuren (»Strukties«) wurden von Frau Helga Mack-Hamprecht für therapeutische Zwecke entworfen. Sie sind für die Geschlechter unterschiedlich geschnitzt (rund: weiblich, eckig: männlich) und mit Auskerbungen für die Blickrichtung versehen. Auf dieselbe Weise arbeite ich auch mit Papierscheiben. Sowohl der Ratsuchende als auch der therapeutische Begleiter stellen sich nacheinander über jene Figuren. Auf diese Weise lässt sich körperlich wahrnehmen, wie sich das Familienmitglied auf einer tieferen psychischen Ebene fühlt. Wie gesagt, hat diese Form des Familienstellens nicht dieselbe Intensität wie die in einer Gruppe, doch auch auf solche Weise lässt sich Heilsames erfahren. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass man sämtliche Vorannahmen aufgibt und sich innerlich sammelt. Mit innerer Aufmerksamkeit kann man dann sehr schnell eine körperliche Wahrnehmung erleben, die wichtige Hinweise für den weiteren therapeutischen Weg zu geben vermag. Glücklicherweise tun sich Kinder mit dem Einfühlen auf diesen Figuren meist nicht so schwer wie Erwachsene. Da sie noch nicht so »kopfgesteuert« sind, kann man mit ihnen oft wesentlich einfacher arbeiten.

Beim Familienstellen im Seminar schildern die ratsuchenden Eltern der Gruppe kurz ihr Anliegen. Der Seminarleiter bespricht mit den Klienten, auf welche Weise die Aufstellung durchgeführt werden kann. Nicht immer wird die ganze Familie aufgestellt. Wenn jemand beispielsweise vor der Frage steht, wie es angesichts einer lebensbedrohlichen Erkrankung eines Kindes weitergehen soll, wird aus der Gruppe möglicherweise nur jemand ausgewählt, der für die Krankheit steht, und zwei andere Teilnehmer für die Eltern.

Falls die ganze Familie aufgestellt wird, wählt der Ratsuchende sowohl für die einzelnen Familienmitglieder als auch für sich Stellvertreter aus der Gruppe aus und stellt sie nach seinem inneren Bild auf.

Anschließend setzt er sich wieder auf seinen Stuhl. Immer wieder zeigt sich daraufhin, dass völlig Fremde genau darstellen können, wie sich das jeweilige Familienmitglied in der Tiefe fühlt. Was nun häufig sichtbar wird, ist die bislang verborgene seelische Dynamik hinter einer Krankheit, einem Schulproblem oder einem psychischen Leiden.

Nachdem der Seminarleiter durch verschiedene Schritte eine Lösung gefunden hat, kann der Ratsuchende sich oft auch selbst auf die Position seines Stellvertreters begeben. Am Schluss ist es für ihn zuweilen notwendig, bestimmten Personen noch etwas Wichtiges mitzuteilen. Besonders bewegend ist es dabei, wenn junge Erwachsene zusammen mit ihren Eltern direkt im Lösungsbild stehen.

Bei vielen der zahlreichen Fallgeschichten dieses Buches findet sich am Ende ein Hinweis, wie es nach der Aufstellungsarbeit für das Kind im Leben weitergegangen ist, nicht jedoch immer. Das Feedback hat sich durch die Umstände ergeben: Häufig sehe ich Eltern oder Kinder nach einer gewissen Zeit erneut in meiner Praxis oder in einer therapeutischen Gruppe. Bei solchen Gelegenheiten erfahre ich dann oft, wie es den Kindern heute geht. Nicht selten melden sich Eltern auch nach Wochen, Monaten oder sogar Jahren per E-Mail, um mir eine kurze Rückmeldung zu geben. In einer der hier dargestellten Geschichten erhielt ich erst neun Jahre nach der Aufstellung von der Mutter einen langen Brief, in dem sie mir mitteilte, was zwischenzeitlich alles in der Familie passiert war.

Später in den Familien nachzufragen habe ich absichtlich unterlassen. Um den seelischen Prozess nicht zu unterbrechen – Aufstellungen wirken nämlich oft über Jahre hinweg –, würde ich nie aus Neugier oder »wissenschaftlichem Überprüfungsdrang« nachforschen.

Es sei hier auch noch ein Hinweis zum Umgang mit Aufstellungsbildern gegeben. Allen, die zu mir kommen, rate ich, das Aufstellungsbild in der Zeit nach dem Seminar nicht mit dem Kopf verstehen zu wollen. Es handelt sich ja ohnehin nicht um eine »Eins-zu-eins-Wirklichkeit«, sondern um ein »Bild der Seele«. Dieses Seelenbild benötigt Ruhe, damit es sich in der Stille entfalten kann. In keiner Weise stellt es eine konkrete Handlungsanweisung dar, nach der man beispielsweise etwas Konkretes tun soll, auch wenn die Aufstellung das scheinbar nahelegt. Erst wenn man nach einer längeren Zeit im Herzen eine Übereinstimmung mit dem Aufstellungsbild spürt, darf man sich in seinen Lebensentscheidungen davon leiten lassen.

Es erübrigt sich wohl der Hinweis, dass es nie gut sein kann, wider besseren Wissens, gutgläubig und ohne eigene Prüfung dem Wort oder dem Rat eines anderen zu folgen, unabhängig davon, welche Methode er auch angewandt haben mag.