THE NAUTI BOYS SERIE 4
Aus dem Amerikanischen
von Sylvia Pranga
Nauti Intentions
The Nauti Boy Series 4
Lora Leigh
Deutsche Übersetzung © Sieben Verlag 2017, 64823 Groß-Umstadt
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Sylvia Pranga
Original englische Ausgabe © 2009 Lora Leigh
Covergestaltung © Andrea Gunschera
German translation © 2017 by Sieben Verlag
Original English language edition © Copyright 2009 by Lora Leigh
All rights reserved including the right of reproduction in whole or in part in any
form. This edition published by arrangement with The Berkley Publishing
Group, an imprint of Penguin Publishing Group, a division of Penguin Random
House LLC.
ISBN Taschenbuch: 9783864437199
ISBN eBook-mobi: 9783864437205
ISBN eBook-epub: 9783864437212
www.sieben-verlag.de
PROLOG
EINS
ZWEI
DREI
VIER
FÜNF
SECHS
SIEBEN
ACHT
NEUN
ZEHN
ELF
ZWÖLF
DREIZEHN
VIERZEHN
FÜNFZEHN
SECHZEHN
SIEBZEHN
ACHTZEHN
NEUNZEHN
ZWANZIG
EINUNDZWANZIG
ZWEIUNDZWANZIG
DREIUNDZWANZIG
VIERUNDZWANZIG
FÜNFUNDZWANZIG
EPILOG
DIE AUTORIN
Janey Mackay hätte wissen müssen, dass etwas nicht stimmte, als Dayle Mackay, der Mann, der den Samen für ihre Zeugung geliefert hatte, auf ihrem Handy die Nachricht hinterließ, dass ihr Bruder Natches verletzt sei und sie nach Hause kommen solle. Sie hätte jemand anderen anrufen sollen, nur gab es niemanden. Schließlich hatte Dayle dafür gesorgt, dass Janey so isoliert wie nur möglich vom Rest der Familie war. Private Mädchenschulen bis zum College, und selbst dann wusste sie, dass sie beobachtet wurde. Sie wurde immer beobachtet.
Sie hätte misstrauisch sein sollen, denn Dayle hasste Natches, seinen einzigen Sohn. Er hasste und fürchtete ihn so sehr, dass Janey wusste, dass das der einzige Grund dafür war, dass sie auf dem College war, statt mit einem seiner fanatischen Freunde verheiratet worden zu sein. Oder tot war, denn eher hätte sie sich selbst umgebracht.
Aber sie war nicht misstrauisch gewesen. Ihre Gedanken hatten sich nur um Natches gedreht, den Bruder, den sie nie richtig kennenlernen durfte, von dem sie aber wusste, dass er sie beschützte. Das war ihr bewusst, weil er es immer geschafft hatte, ihr über die Jahre hinweg kleine Nachrichten zukommen zu lassen. Er hatte immer einen Weg gefunden, Kontakt mit ihr aufzunehmen, sie wissen zu lassen, dass er da war, wenn sie ihn brauchte.
Sie hatte ihn gebraucht. Aber es ging nicht um Leben und Tod, und sie wusste, wenn sie Dayle Mackay herausforderte und ihm Natches ganz offen vorzog, dann würde das blutig enden. Wahrscheinlich mit dem Blut ihres Bruders.
Ihr Vater hatte für sie einen Flug nach Lexington gebucht. Sie flog von ihrem College in Kalifornien aus, das sie besuchen musste. Sie kam nach Mitternacht an. Ihr Vater und ihre Tante Nadine warteten auf sie.
Danach war alles etwas verschwommen. Aber das hatte bestimmt etwas mit dem widerlich riechenden Tuch zu tun, das Nadine ihr auf Mund und Nase gedrückt hatte, als sie auf dem Weg nach Somerset waren. Oder an den Pillen, die Dayle sie zu schlucken gezwungen hatte, bevor sie sich dagegen wehren konnte, als sie später die Augen öffnete.
Ja, sie war sich ziemlich sicher, dass das der Grund war. Und sie konnte den Kopf nicht klar bekommen, um nachzudenken. Sie musste aber nachdenken. Dayle war ein Monster, durchgedreht und böse, und Nadine passte perfekt zu ihm. Dayle nannte seine Schwester seine Seelenverwandte.
Janey starrte an die Decke über dem Bett, auf dem sie lag. Sie war nicht festgebunden, und das war auch nicht nötig. Was immer sie ihr gegeben hatten, machte sie träge. Ihr Körper fühlte sich so schwer an, dass sie sich nicht bewegen konnte. Sie konnte spüren, wie ihr Tränen aus den Augen liefen, obwohl sie nicht weinen wollte.
Scham wühlte in ihr, erstarrte zu einem übelkeitserregenden Ball in ihrer Magengrube. Beim Gedanken an die Schrecken der vergangenen Stunden bekam sie eine Gänsehaut. Sie hatte nicht gebettelt. Mehr als ein Mal hatte sie sich vorgestellt, wie es sein würde, wenn ihr Vater ihr etwas so Bösartiges antäte – und ja, es hatte Zeiten gegeben, als sie damit gerechnet hatte –, und sie hatte sich vorgestellt, dass sie betteln würde. Ihn Daddy nennen und ihn anflehen würde, damit aufzuhören.
Aber die Worte waren ihr in der Kehle stecken geblieben. Sie hatte an die Decke gestarrt, ihn gehasst, ihre Tante gehasst. Die Hände dieses Miststücks gehasst, als sie sie berührten. Sie stieß ein leises Schluchzen aus. Er hatte zugelassen, dass die alte Schlampe sie anfasste. Er hatte mit erheiterter Nachsicht gelacht, als Nadine wie ein kleines Mädchen gebettelt hatte, ein bisschen Spaß haben zu dürfen. Als ob Janey ein Spielzeug wäre. Ein Spielzeug, das man benutzen konnte.
Nadine hatte nicht genug Zeit gehabt, um viel zu tun, aber selbst das Wenige verursachte Janey Übelkeit. Sie hätte sich fast auf das Miststück übergeben.
Sie drückte ihr Gesicht ins Kissen, um ihre Tränen zu trocknen. Sie wollte nicht, dass Dayle oder Nadine sie weinen sahen. Dann wüssten sie, dass sie sie verletzt hatten. Das würde es nur noch schlimmer machen. Sie blühten beim Schmerz anderer auf. Es amüsierte sie und gab ihnen Macht.
Und sie musste mit dem Weinen aufhören. Sie musste gegen den dichten Schleier ankämpfen, der ihre Gedanken vernebelte. Sie musste aufstehen. Wenn sie es nur schaffte aufzustehen, dann könnte sie hier rauskommen. Sie könnte Hilfe finden. Wenn sie hier rauskäme. Alex’ Haus war nicht weit entfernt. Alex würde ihr helfen. Er würde sie zu Natches bringen, und Natches würde all das verschwinden lassen.
Sie schluchzte bei diesem Gedanken. Alex würde sich um sie kümmern. Vielleicht nähme er sie sogar in die Arme. Das würde ihr gefallen. Nur für eine Minute. Nur lange genug, damit sie sich wieder sicher fühlte. Da war etwas an ihm, das sie in tiefster Nacht wärmte, wenn sie allein war und fror.
Ein weiteres Schluchzen entrang sich ihr. Sie hätte schwören können, dass sie jetzt Natches’ Stimme hörte. Sie halluzinierte. So musste es sein. Oh Gott, sie musste hier raus, bevor sie ihr noch mehr von diesen verdammten Drogen gaben. Ihre Glieder zu bewegen, ihren Kopf so klar zu bekommen, dass sie ihre Beine und Arme zur Bewegung zwingen konnte, ließ ihr kalten Schweiß ausbrechen.
Wenn sie hierblieb, würde Natches etwas passieren. Sie hatte gehört, wie sie darüber redeten. Sie erinnerte sich nicht, was ihm passieren würde, doch sie durfte nicht zulassen, dass sie ihn verletzten. Er hatte sie beschützt. Er war ihr älterer Bruder. Und er liebte sie.
Ihr Atem ging schwer, Schweiß lief über ihr Gesicht. Doch sie schaffte es, sich an die Kante des Bettes zu rollen. Der Boden sah aus, als wäre er Meilen unter ihr. Zur Hölle.
Sie schluckte hart und blinzelte den Schweiß aus ihren Augen. Sie konnte das schaffen. Das konnte sie. Wenn sie sich an die Bettkante rollen konnte, würde sie auch auf ihre verdammten Füße kommen. Sie konnte es schaffen.
Sie zwang sich selbst, daran zu glauben, dass sie es schaffte. Es fühlte sich an, als würde es Jahre dauern, aber es gelang ihr, sich aufzusetzen. Sie schwankte und schluckte gegen die Galle in ihrem Magen an. Das Zimmer drehte sich um sie.
Zur Hölle, ja. Sie konnte das schaffen. Sie konnte ihre Füße auf dem Boden spüren. Dann zerrte sie ihr T-Shirt hinunter, über ihre Brüste, und schauderte bei dem Gedanken daran, warum es hochgezogen gewesen war. Oh Mann, sie würde sich übergeben, wenn sie daran dachte.
Janey schüttelte langsam den Kopf. Der Nebel lichtete sich etwas. Sie riss sich zusammen, zwang sich zum Aufstehen und landete auf den Knien. Mist, das tat weh. Sie unterdrückte ein Stöhnen, keuchte und zog sich an der Bettkante hoch. Sie stolperte, ihre Fußknöchel gaben fast nach. Die Tür sah so weit entfernt aus. Doch sie wusste, dass es nicht so war. Sie musste einfach dahin kommen.
Natches. Sie musste an Natches denken. Die Nacht, in der Dayle ihn fast bewusstlos geprügelt hatte. Er war blutüberströmt und fast ohnmächtig gewesen, weil er versucht hatte, sie zu beschützen. Er hatte sie beschützt. Jetzt musste sie Natches beschützen.
Sie erreichte die Kommode, stützte sich schwer darauf ab und zwang sich zum Weitergehen. Ihre Hand umspannte die Kante des Möbelstücks, als sich die Tür öffnete und Nadine vor ihr stand. Überrascht. Überrascht und amüsiert. „Aber hallo, kleines Mädchen.“ Ihre Stimme klang wie ein böses Zischen. Mit einer Hand glättete sie ihr Kleid.
Janey beobachtete sie und merkte, wie ihr wieder die Galle hochkam. Nadine würde es so sehr hassen, wenn sich Janey auf ihren perfekt weißen Teppich übergab.
Nadine ging zu dem Schrank neben der Tür und zog eine Schublade heraus. Janey unterdrückte ein Schluchzen. Nicht weinen. Nicht weinen. Wenn sie sie töten wollten, hätte es keinen Sinn zu weinen.
„Komm schon, Süße.“ Nadine kam auf sie zu, und sie konnte nicht wegrennen. Sie stolperte bei dem Versuch, von der alten Hexe wegzukommen. Nadine war überraschend stark. Ihr Arm schlang sich um Janeys Hals und erstickte sie fast, als sie sie an sich zog. „Du fühlst dich so gut an, Janey.“ Nadines Atem war direkt neben ihrem Ohr. „Komm mit. Lass uns sehen, ob Natches ein artiger Junge ist. Wenn er das ist, bist du in Sicherheit. Sonst …“ Sie legte den Lauf der Waffe an Janeys Hals und zwang sie, aus dem Zimmer zu gehen. „Sonst werde ich dir deinen kleinen Kopf wegschießen, so wie dieser Bastard es mit Johnny gemacht hat. Ich habe das Gefühl, dass ich dir deinen kleinen Kopf wegschießen werde, Baby.“
Janey stolperte und wurde grob in die Seite gekniffen. Als Nadine sie zum Anhalten brachte, war der Nebel wieder dick und mischte sich mit Übelkeit und Schwindel.
Sie hörte Natches, konnte ihn aber nicht finden. Sie blinzelte und sah ein Fenster ihr gegenüber. Sie blinzelte noch mal und versuchte, sich zu fokussieren. Da war eine winzige Lücke in Nadines Jalousien. Eine ganz kleine zwischen den Lamellen.
Darauf konzentrierte sie sich. Jetzt konnte sie Natches sprechen hören. Seine Stimme klang so schwer und resigniert. Es war ihre Schuld. Sie blinzelte. Alles ihre Schuld. Wenn sie nur nachgedacht hätte.
Sie blinzelte wieder, weil sich etwas bewegte. Sie konzentrierte sich weiter auf die Jalousie und lächelte fast über ihr Hirngespinst. Die Drogen, die ihr Vater sie vergangene Nacht nach ihrer Ankunft zu schlucken gezwungen hatte, waren verdammt gut. Denn jetzt hatte sie Halluzinationen.
Alex.
Alex war auf dem Dach des Hauses, das sie sehen konnte. Und Alex kletterte nicht auf Dächer. Er legte sich nicht auf sie hin. Sie beobachtete ihn, erkannte ihn. Er war zu weit entfernt, als dass sie seine Gesichtszüge erkennen konnte, aber das war ihre Halluzination. Sie wusste, wer er war.
Er neigte den Kopf, und sie stellte sich vor, dass sich ihre Augen trafen, als er ihn an seinen Arm lehnte. So wie sie sich das manchmal erträumt hatte. Dass er neben ihr lag und sie mit seinen dunkelgrauen Augen ansah.
Popp!
Sie hörte das Geräusch, fühlte etwas auf ihre Haut spritzen, und dann fiel sie. Fiel. Sackte auf dem Boden zusammen, als ein wütender Schrei um sie herum widerhallte.
Ihre Nägel gruben sich in den Teppich, und sie roch Blut. War es ihr Blut? Gott, sie würde es nicht einmal merken, wenn man ihr jetzt den Kopf abhackte. Nimm keine Drogen. Jetzt wusste sie, warum. Etwas lief gewaltig schief. Und sie musste herausfinden, was zur Hölle hier geschah.
Sie versuchte, den Kopf zu schütteln, konnte ihn aber nicht bewegen. Sie lag da und fühlte Nadine hinter sich wie ein Übelkeit erregendes Gewicht. Miststück. Jemand sollte ihr den kleinen Kopf wegschießen. Sie war wie ein tollwütiger Köter, immer bereit, in etwas zu beißen. Oder jemanden.
Ein Schluchzen bildete sich in Janeys Kehle bei der Erinnerung an Nadines Bisse. Wenn sie sich übergab, würde sie diesem Miststück bei der nächsten Gelegenheit einen Tritt verpassen. Janey hasste es, sich übergeben zu müssen. Sie hasste es so sehr. Sie vergrub die Nägel im Teppich und versuchte, sich wegzuziehen.
Glas splitterte, wütende Schreie, Keuchen, Stöhnen – alles stürmte auf sie ein. Sie konnte Sirenen hören und Schatten sehen. Wenn sie vielleicht nur für eine Minute die Augen schloss. Nur für eine Minute …
Major Alexander Jansen ging durch den Flur auf die beiden zu Boden gestürzten Frauen zu. Nadine Grace war tot. Die Hinterseite ihres Schädels war überall verspritzt. Ihr Arm war immer noch um Janey Mackays Hals geschlungen. Das Gewehr lag neben ihr.
Er trat die Waffe weg und nahm sich einen Moment, um zu sehen, welche Fortschritte Natches im Kampf gegen Dayle Mackay machte. Der jüngere Mann gewann. Das Haus war umstellt und Vollzugsbeamte drängten sich am Eingang des Zimmers. Alles war gesichert.
Dayle Mackay hatte seine Familie und seine Nation betrogen. Er war ein einheimischer Terrorist, der bei dem Diebstahl von vier Raketen und dem Tod des Soldaten, der sie transportierte, seine Finger im Spiel gehabt hatte. Er war Teil des Komplotts gewesen, diese Raketen an Terroristen zu verkaufen und hatte sich mit der Gruppe, deren Mitglied er war, gegen seine eigene Regierung verschworen und einen Anschlag auf die Hauptstadt der Nation geplant.
Und Dayle bedauerte nichts. Das hatte er nie getan. Ihn zur Strecke zu bringen und die Organisation zu zerschlagen, von der er ein Teil gewesen war, würde der Höhepunkt von Alex’ Karriere sein, ganz einfach weil er den Bastard hasste. Doch was Alex für die Tochter empfand, hatte mit Hass nicht das Geringste zu tun. Janey.
Verdammt, seine Hände zitterten. Er kniete sich neben sie und überprüfte schnell, ob sie gebrochene Knochen oder andere Verletzungen hatte. Dann hob er sie auf. Scharfer Schmerz nagte an seinen Eingeweiden und durchflutete ihn. Sie war so winzig. Kaum eins achtundfünfzig groß, und ihr langes schwarzes Haar, das mit Blut verklebt war, wallte um sie herum. Ihr Gesicht war weiß, ihre Augen zeigten Benommenheit, aber sie waren offen.
„Alex.“
Sie flüsterte seinen Namen. Versuchte sie, sich enger an ihn zu schmiegen? Er hatte mehr vom Tod gesehen, als irgendein Mensch es in seinem Leben sollte, aber nichts hatte zu irgendeiner Zeit seine Seele so durchbohrt, wie Janeys Anblick es jetzt tat.
Sein Blick wanderte rasch durch das Zimmer und traf den einer Agentin. Chaya Dane, Natches Geliebte. Sie forderte telefonisch einen Rettungswagen für den sofortigen Transport ins Krankenhaus an.
Alex drehte sich um und eilte durch den hinteren Teil des Hauses. Er hielt Janey fest an sich gepresst und hatte dabei Gefühle, die er nicht haben wollte. Verärgerung, Trauer, Verlust und, verdammt noch mal, Einsamkeit. Weil er das hier hatte geschehen lassen. Er hätte sich vergewissern müssen, dass sie auf dem College war. Er hätte Janey überprüfen müssen.
Ein Auto stoppte mit quietschenden Reifen vor dem Haus, während Alex über den Hof ging, das Scharfschützengewehr über den Rücken geschlungen und Janey auf den Armen.
„Major. Hier.“ Einer der Männer sprang aus der Fahrerkabine des Wagens und rannte zur Hecktür. Er riss die Tür auf, während der andere Mann ihm das Gewehr abnahm und dann zurück zum Fahrersitz rannte. Alex schob sich in den hinteren Bereich des Wagens, Janey immer noch auf den Armen. Mit einer Hand drückte er ihren Kopf an seine Brust. Sie war schwach und kaum in der Lage, ihren Kopf selbst zu halten.
„Ich habe dich, Janey.“ Er strich ihr das Haar aus dem blutverschmierten Gesicht und sah in ihre Augen. Ihre Pupillen waren geweitet, ihr Blick benommen.
„Meine Halluzination“, lallte sie.
„Okay. Sie gehört allein dir“, murmelte er und überprüfte ihren Puls und die Schwäche in ihren Gliedern.
„Du hast mich geküsst.“
Alex erstarrte. Sein Blick sank in die benebelten Tiefen ihrer Augen. „Was?“
„Meine Halluzination.“ Sie stolperte über das Wort und lallte es. „Du küsst mich. Das ist meine Halluzination. Hast du gerade gesagt.“
Der Sergeant raste durch die Stadt, die Sirene auf dem Auto heulte, während sie Richtung Krankenhaus schossen.
„Janey.“
„Meine.“ Ihre Augen füllten sich mit Tränen. „Es muss nicht alles hässlich sein, oder?“
Oh Gott. Das brach ihm das Herz. Er war furchtlos. Hart. Doch diese winzige, fast gebrochene junge Frau stahl seine Seele mit dieser einfachen Bitte.
„Es ist alles deins, Janey.“ Er ignorierte den Sergeanten, umfasste ihr Gesicht und starrte auf diese perfekten rosigen Lippen. Hellrosa, die Unterlippe voll und verführerisch. Er berührte sie mit seinem Daumen. Dann senkte er den Kopf, um ihr etwas zu geben, was nicht hässlich war. Etwas, das sie nicht verletzen würde.
Seine Lippen strichen sacht über ihre und er begriff, dass das nie genug sein würde. Die Erinnerung daran würde nie ausreichen. Er wollte in diesen schönen, warmen Lippen versinken und spüren, wie sie sich unter seinen und gegen seine bewegten, ihn genauso begehrten, wie er sie begehrte.
Sie seufzte bei der sanften Zärtlichkeit. Ihre Wimpern hoben sich flatternd. Sie sah ihn an, schläfrig und betäubt. Das helle Grün ihrer Augen war wegen der Weitung ihrer Pupillen fast verschwunden. Was immer sie in sie hineingepumpt hatten, war zu stark, zu viel. Sie war so verdammt winzig.
„Sergeant, Sie fahren zu langsam“, rief er und zog Janey wieder an seine Brust. Er hörte, wie rau seine Stimme war, ganz anders als der kalte, harte Ton, der sonst üblich bei ihm war. „Geben Sie verdammt noch mal mehr Gas.“
„Es herrscht dichter Verkehr, Major“, warnte ihn der Sergeant. Doch er drückte den Fuß aufs Gaspedal und schoss um die Autos vor ihnen herum.
„Beeilen Sie sich, Sergeant.“ Er starrte auf Janey hinunter. Ihre Augen waren geschlossener, ihr Atem wurde flacher, der Puls schwächer. „Oh Gott“, flüsterte er mehr zu sich selbst als an den Sergeanten gewandt, von dem er wusste, dass er bereits sein Bestes gab. „Beeilung.“
Er hatte zu lange gewartet. Er hatte sie aus der Ferne beobachtet. Er hatte Natches geholfen, sie zu beschützen. Nicht weil Natches sein Freund war, auch nicht weil seine Schwester Crista mit Natches’ Cousin Dawg verheiratet war. Er hatte über sie gewacht, weil das etwas war, das er sowieso nicht lassen konnte. Weil er verkommen war. Ein Bastard. Offensichtlich war er verschrobener, als er es je für möglich gehalten hätte.
Denn er hatte sie beobachtet, seit sie siebzehn war, hatte sich nach ihr verzehrt, und er wusste, Gott möge ihm helfen, wenn sie das hier überlebte, war er vielleicht nicht mehr in der Lage, sich von ihr fernzuhalten, wenn sich eine Gelegenheit ergab, sie zu berühren.
Sie war dreiundzwanzig Jahre alt. Er war siebenunddreißig. Älter als ihr Bruder und fast alt genug, um ihr Vater zu sein. Und er war krank. Denn da war nichts Väterliches, Brüderliches, Freundschaftliches oder sonstiges Platonisches in den Gefühlen, die er für sie hegte. Und das erschreckte ihn.
Janey konnte ihn berühren. Und das war etwas, das er seit zu vielen Jahren, abgesehen von seiner Schwester, niemandem erlaubt hatte. Niemand durfte das Herz von Alex Jansen berühren.
Bis Janey Mackay vor sechs Jahren diese grünen Augen auf ihn gerichtet und ihm aus der Entfernung einen Kuss zugeworfen hatte. Ihre normalerweise ernsten Gesichtszüge waren neckisch geworden, sie zeigten Lachen, Leben und Spaß. Und da hatte Alex es gewusst, genau, wie er es jetzt wusste. Er war ein toter Mann. Denn Natches würde ihn umbringen.
Sechs Monate später
Janey stand vor dem Empfangstresen, behielt eine ausdruckslose Miene bei und ihren Körper unter Kontrolle. Während der vergangenen fünf Monate hatte sie eine Menge über Kontrolle gelernt. Und das hatte sie auf diesen Abend vorbereitet, da war sie sicher.
Alex Jansen. Es kostete sie mehr Kraft, als sie sich jemals hätte vorstellen können, ihm in die Augen zu sehen und zu lächeln.
„Alex, dein Tisch ist für euch bereit.“ Sie schenkte ihm ihr ausdrucksloses Lächeln, sah ihm absichtlich in die Augen und nickte dann seiner Begleiterin zu. Sie war ein aufreizendes blondes Ding und gekleidet, als wäre sie in New York City statt in Kentucky. Ein schwarzer, wadenlanger Seidenmantel? Mach mal halblang. Wo hatte er denn die aufgegabelt?
Es war Wut. Das wusste sie. Alex nach den Vorkommnissen vor sechs Monaten wiederzusehen, war nicht einfach. Es war verdammt schwierig.
„Du siehst gut aus, Janey.“ Seine sinnlichen, vollen Lippen verzogen sich zu einem Lächeln.
So volle Lippen. Erinnerte er sich überhaupt daran, mit diesen Lippen ihre berührt zu haben, als sie fast darum gebettelt hatte?
„Und du siehst aus, als ob du dich gut erholst.“ Sie holte zwei Speisekarten.
„Ich kümmere mich sehr gut um ihn“, gurrte der Marylin-Monroe-Verschnitt an seiner Seite mit Schmollmund.
„Gut.“ Sie schenkte ihnen ein weiteres kühles, höfliches Lächeln. „Wenn ihr mir bitte folgen wollt, ich zeige euch euren Tisch.“
„Du hast doch einen der privaten Tische für uns reserviert, oder, Alex, mein Süßer?“ Wenn das Schnurren der Blondine noch besser wurde, würde sie bald Sahne auflecken.
„Die waren bereits reserviert, Catherine“, murmelte Alex. „Ich dachte, ich hätte das erwähnt.“
Beim Klang seiner Stimme lief ein Schauder Janeys Rückgrat hinunter. Und das sollte nicht so sein. Sie sollte überhaupt nicht auf einen Mann reagieren, den sie nicht haben konnte.
„Dafür braucht man nur das richtige Trinkgeld.“ Catherine lachte, ein seidiger, selbstgefälliger Laut.
Janey wandte sich zu ihnen um, da sie den kleinen Tisch erreicht hatten, der für Alex und seine Verabredung vorgesehen war. „Der Name eurer Kellnerin ist Tina. Ich wünsche euch guten Appetit.“ Sie lächelte die beiden eingefroren an und spannte sich an, als Catherines Finger ihr Handgelenk berührten.
„Dieser Tisch ist nicht akzeptabel“, murmelte Catherine und drückte eine Fünfzigdollarnote in Janeys Hand. „Könntest du das für uns in Ordnung bringen?“
Janey sah auf den Schein hinunter, dann die Frau an und schließlich Alex, der die Szene schweigend, aber mit finsterer Miene beobachtete.
„Es tut mir leid.“ Sie wich vor der Berührung der anderen Frau zurück und unterdrückte einen Schauder. „Das ist der beste Tisch, den wir haben. Ich wünsche guten Appetit.“
„Vielleicht sollten wir zum Essen in ein anderes Restaurant gehen, Alex.“ Catherines Lächeln war kalt.
„Das könnt ihr gern tun.“ Janey nickte Alex zu. „Ich erlasse euch sogar die Stornierungsgebühr, Alex.“
„Catherine kann machen, was sie will.“ Er zuckte mit seinen breiten Schultern. „Ich bleibe.“
Catherine schmollte, aber als er ihren Stuhl hervorzog, schnaubte sie und setzte sich. Dann funkelte sie Janey unter ihren Wimpern hervor an. Ihre blauen Augen blitzten vor Wut.
„Ich schicke Tina zu euch.“ Janey nickte. „Genießt euer Abendessen.“
„Für die Tochter eines Verräters ist sie ganz schön hochnäsig“, hörte Janey Catherine murmeln.
Janey ging weiter. Sie bebte innerlich und fühlte, wie etwas in ihre Brust kroch und mit scharfen Klauen daran riss.
„Tina, gehst du bitte …
„Wir bleiben nicht.“
Janey wirbelte herum, als Alex’ Hand sie am Arm berührte. Er sah zornig aus. Seine grauen Augen waren dunkler als sonst, die Brauen heruntergezogen, die Nasenflügel geweitet. Janeys Blick wanderte hinter ihn. Catherines Gesicht war vor Wut gerötet.
„Wenn sie dir so viel bedeutet, dann solltest du vielleicht bleiben, Alex“, höhnte die Blondine. „Allerdings hätte ich einem Mann mit deinem Rang einen besseren Geschmack zugetraut. Patriotismus sollte man begrüßen.“
Alex’ Kiefer spannte sich an. Seine Hand schoss vor und umspannte Catherines Handgelenk mit festen Fingern.
„Es tut mir leid, Janey“, sagte er sanft. „Es wird nicht wieder Vorkommen.“
„Natürlich wird es das.“ Janey lächelte steif. „Es passiert jeden Abend mehrere Male, Alex. Aber ich bin sicher, dass sich andere Gäste für den Tisch finden.“ Sie nickte Catherine zu. „Ich wünsche Ihnen einen guten Abend.“
Sie wandte sich von ihnen ab, strich ihre Namen von der Liste und hielt den Blick gesenkt, während Alex Catherine zur Tür zog.
Sie hob die Wimpern allerdings hoch genug, um einen Blick auf diesen tollen Männerhintern zu erhaschen. Sie war kühl und kontrolliert und tat auch sonst alles, was das Restaurant am Laufen hielt. Aber manche Anblicke durfte sich eine Frau nicht entgehen lassen. Ganz egal, wie unbehaglich sie sich auch fühlte, wenn sie diesen Mann mit einer anderen Frau sah.
Nun, vielleicht etwas mehr als nur unbehaglich. Sie war verdammt wütend und hatte kein Recht dazu. Sie war verletzt und hatte auch dazu kein Recht. Es war ein Kuss gewesen, und den hatte sie sich erbettelt. Sie hatte ihm leidgetan. Und das Letzte, was sie wollte, war Alex Jansens Mitleid.
„Miss Mackay, im Empfangsbereich wartet ein Paar, das gerade nach einem Tisch gefragt hat.“ Der Manager, Hoyt Napier, kam von der Kasse zu ihr.
Hoyt war nur ein paar Zentimeter größer als Janey mit ihren hohen Absätzen. Er war ungefähr eins achtzig, schlank und dunkelhaarig. Er war vierundzwanzig Jahre alt und manchmal, das hätte sie schwören können, ihr Lebensretter, trotz seiner zeitweise melancholischen Intensität. Seine tiefbraunen Augen waren von dicken braunen Wimpern umgeben, das dunkelbraune Haar war ordentlich aus seiner hohen Stirn gekämmt. Wegen ihm und dem Adoptivsohn ihres Bruders, Faisal, gelang es ihr, nicht den Verstand zu verlieren.
Alles an Hoyt war ordentlich. Sein Haar, die Kleidung, die Art, wie er ihr half, das Restaurant zu führen, und wie er versuchte, sie vor den abfälligen Kommentaren zu schützen, die an sie gerichtet wurden. Sogar Hoyts Mutter, Augusta, schien nicht erfreut zu sein, dass Janey nach Hause gekommen war.
„Sag ihnen, dass ein Tisch für sie bereitsteht.“ Janey nickte, wandte sich wieder dem Reservierungsbuch zu und starrte nachdenklich auf Alex’ durchgestrichenen Namen.
Sie hatte keine Zeit, über den Zwischenfall nachzudenken oder die Frau, die Alex dabeigehabt hatte. Aber das hielt sie nicht davon ab, es zu tun. Sie stellte sich ihn mit der kurvigen Blondine vor. Janey wusste, dass er wütend war. Aber Catherine würde sich aus den Schwierigkeiten herausschnurren. Da war Janey sicher.
Warum tat dieser Gedanke nur so weh, dass der Rest des Abends schwieriger zu ertragen war als sonst? Wie sie Alex gesagt hatte, war das nicht die erste abfällige Bemerkung gewesen, die sie an diesem Abend gehört hatte, und es würde nicht die letzte sein. Die Tochter eines Verräters zu sein, eines Mannes, der alle hatte glauben lassen, dass er patriotisch, freundlich und respektabel war, war nicht einfach.
Dass sie sein gut gehendes Geschäft übernommen hatte und das Sensationelle seiner Festnahme und der anderen Ereignisse, die vor sechs Monaten stattgefunden hatten, kratzte am Stolz der Menschen. Es war ein verdammtes Wunder, dass noch niemand sie umgebracht hatte.
Manchmal dachte sie, dass der einzige Grund dafür, dass niemand es versucht hatte, ihr Bruder war. Natches und ihre Cousins Rowdy und Dawg. Und Onkel Ray. Der ihr mehr als eine Woche lang im Krankenhaus nicht von der Seite gewichen war. Seine Frau, Maria, hatte sie so bemuttert, als hätte sie sie aufgezogen. Und Natches’ einundzwanzigjähriger Adoptivsohn – und das erstaunte sie immer noch über alle Maßen – hielt ihr ständig wie ein Wachhund den Rücken frei. Zum Glück ließ der Chefkoch ihn diese Woche in der Küche arbeiten. Wenn er im Restaurant war, nahm Faisal seine Pflichten sehr ernst, und er sah sie als Familie an. Offensichtlich bedeutete für ihn Familie genau dasselbe wie für Natches. Sie war es wert, dass man dafür tötete. Es war unheimlich, wie sehr sich ihr Bruder und sein Adoptivsohn ähnelten.
Zu schade, dass Faisal nicht an dem Abend da gewesen war, an dem Dayle Mackay sie quasi entführte.
Sie erinnerte sich schwach, dass Onkel Ray drei Tage, nachdem sie ins Krankenhaus eingeliefert worden war, Tränen vergossen hatte. An dem Tag hatten die Ärzte bestätigt, dass die Überprüfung einer Vergewaltigung nichts ergeben hatte, was die Bisse auf ihren Brüsten hatten befürchten lassen.
Nein, sie war nicht vergewaltigt worden. Aber was Nadine ihr angetan hatte, hatte ihr auf andere Art und Weise Narben zugefügt.
Sie schlief nicht gut. Nicht, dass das jemals so gewesen wäre. Aber die Schlaflosigkeit war jetzt manchmal schlimmer. Die Albträume konnten brutal sein.
Natches wusste es. Als sie ihm im Krankenhaus in die Augen sah, hatte sie darin die Trauer und Wut erkannt. Er wusste es, und es gab niemanden mehr, den er dafür büßen lassen konnte.
Sie betrieb das Restaurant jetzt seit drei Monaten, seitdem der Heimatschutz es ihr und ihrem Bruder übergeben hatte. Und es lief gut. Weil sie Kunden abfällige Bemerkungen machen ließ. Weil sie den perfekten kleinen Roboter spielte. Genau wie sie es vor dem Tod ihres Vaters getan hatte.
„Wieder ein ausgebuchter Abend“, murmelte Hoyt, als er die letzten Gäste gegen Mitternacht abkassiert hatte und die Türen hinter ihnen abschloss. „Die Küchenangestellten sind fertig und wollen gehen, außer du willst noch etwas von ihnen.“
Janey schüttelte den Kopf, rieb sich den Rücken und wandte sich um, um in den riesigen Essbereich zu blicken. Es gab mehrere private, abgeschirmte Bereiche, die verkleinert oder vergrößert werden konnten. Es gab einen Bankettsaal, der normalerweise geschlossen war, außer eine größere Gesellschaft hatte ihn vorab für sich reserviert.
„Ich brauche nichts mehr von ihnen, Hoyt.“ Sie schüttelte den Kopf. „Du kannst auch gehen. Ist Faisal schon weg?“
Hoyt nickte. „Dein Cousin hat ihn vor ein paar Minuten abgeholt.“ Er zögerte. „Ich habe gehört, was einige der Kunden heute Abend gesagt haben.“ Er runzelte die Stirn. „Du tust so, als würde es dir nichts ausmachen.“
Es traf sie jedes Mal furchtbar. „Was kann ich schon tun?“ Sie seufzte. „Dayle war, was er war. Nichts wird daran etwas ändern.“
„Heißt das, dass du die Schuld daran trägst?“, fragte Hoyt gereizt. „Du hast das nicht gemacht.“
„Aber ich bin hier, also kann man mir die Schuld geben.“ Janey zuckte mit den Schultern. „Hol etwas aus der Küche und nimm es deiner Mutter mit. Es gibt genug. Wir sehen uns morgen Abend.“
Er schüttelte den Kopf und ging in die Küche. Nachdem er durch die Hintertür gegangen war, schloss Janey hinter ihm ab und überprüfte auch noch mal den Vordereingang.
Augusta Hoyt war seit einiger Zeit krank. Janey hoffte, dass etwas von dem Essen, das der Chefkoch für ihr Mittagessen am nächsten Tag in den Kühlschrank gestellt hatte, sie aufheitern würde. Sie kam niemals ins Restaurant, weil sie sich weigerte, mit „der Tochter des Verräters“ gemeinsame Sache zu machen. Janey hatte verdammtes Glück, dass alle anderen zu neugierig und klatschsüchtig waren, um es ihr gleichzutun.
Aber so war es nun einmal in einer Kleinstadt. Somerset war eine eng verbundene Gemeinde. Fast jeder kannte jeden und die Kontroverse machte sie nur neugieriger. Sie liebten ihre lokalen Helden, und ihr Bruder war einer dieser Helden. Genau wie ihre Cousins. Das bedeutete, dass sie „fast“ Teil der Gemeinde war und man ihr nicht „komplett“ die Schuld gab. Sie war diejenige, die man verhöhnen konnte, denn Dayle Mackay stand nicht mehr für eine Bestrafung zur Verfügung und Natches hatte ihn dingfest gemacht, für seine Verhaftung und Inhaftierung gesorgt. Er war ihr Held. Janey war ihr Sündenbock.
Auf gewisse Art waren Kleinstädte erstaunlich unterstützend. Auf andere Art erstaunlich grausam. Und es war ein Zuhause. Ein Zuhause, das sie liebte und das sie in den Jahren, die sie weit weg leben musste, vermisst hatte.
Sie seufzte bei dem Gedanken und durchquerte den Essbereich auf dem Weg in ihr Büro. Das Restaurant war unheimlich, zu still. Sie hielt in der Mitte des schwach beleuchteten Raums inne und sah sich um. Es war nicht so voll gewesen, wie es war, seit sie das Restaurant übernommen hatte. Aber sie rechnete damit, dass der Andrang nachließ, wenn die Sensationsgier gestillt war. Wenn die Zeitungen aufhörten, darüber zu berichten, und die Boulevardblätter keinen Klatsch mehr verbreiteten. Oder würde das nie aufhören?
Sie ging in den Flur am anderen Ende des Raumes und dann in ihr Büro. Janey schloss die Tür hinter sich. Sie zog den Saum ihrer Bluse aus dem schmalen Rock, den sie trug, streifte ihre Pumps ab und ging zu dem kleinen Kühlschrank, der sich in der hinteren Ecke befand.
Sie goss sich ein Glas Wein ein und setzte sich in den schweren Ledersessel hinter dem alten, zerschrammten Schreibtisch, den sie in dieses Zimmer gebracht hatte. Dann zog sie die untere Schublade auf, legte ein Kissen darauf und stellte ihre Füße darauf ab, bevor sie die Augen schloss und sich in den Sessel zurücksinken ließ. Sie wollte sich entspannen. Ganz bestimmt wollte sie nicht die geisterhafte Berührung männlicher Lippen auf ihren spüren. Eine verschwommene Erinnerung an einen Kuss, schmetterlingssanft, wahrscheinlich, damit er sie nicht zu sehr berühren musste.
„Nein.“ Sie schüttelte den Kopf und richtete sich auf. Ihre Füße knallten auf den Boden, als sie die Ellbogen auf den Knien abstützte und sich mit den Fingern durchs Haar fuhr.
Sie sollte diese Gedanken nicht zulassen. Es war die einzige Erinnerung, die sie hatte, die nicht befleckt und schmutzig war. Die Berührung seiner Lippen, warm und sanft. Genauso war sie gewesen, sagte sie sich. Ganz sanft. Damit er ihr nicht wehtat.
Und er hatte sie festgehalten. Vielleicht gebetet. Sie hätte schwören können, dass sie ein Gebet gehört hatte. Oder vielleicht war es auch ein Fluch.
Sie lehnte sich im Stuhl zurück, hob das Weinglas, legte es an die Lippen und nahm einen ordentlichen Schluck. Wahrscheinlich war es sogar mehr als das gewesen, dachte sie, während sie ihren Nacken rieb. Wenn sie es nicht schaffte, sich zu entspannen, würde sie heute Nacht niemals schlafen können.
Sie nahm noch einen Schluck – einen großen –, als es laut an der Außentür klopfte. Natches. Oder einer ihrer Cousins. Sie sahen oft nach ihr.
Schnell trank sie den Wein aus, wischte sich über die Lippen und ging um den Schreibtisch herum.
„Nur, weil das Licht brennt, heißt das nicht, dass jemand zu Hause ist.“ Sie setzte ein falsches Lächeln auf.
Es erstarrte auf ihren Lippen. Denn es war nicht Natches oder einer ihrer Cousins. Es war nicht einmal ihr Onkel Ray oder der überbesorgte Faisal.
Es war Alex. Er starrte sie an. Seine Züge waren so stoisch wie immer, seine Brauen wirkten schwer über seinen gewittergrauen Augen, sein dunkelblondes Haar war etwas länger als vor sechs Monaten.
Er kam ins Büro, wobei ein kaum wahrnehmbares Hinken auf die Verletzung hinwies, mit der er nach Hause gekommen war.
„Das Restaurant ist geschlossen“, sagte sie. Sie wandte sich zu ihm um, hielt dabei die Tür immer noch offen. „Oder hast du das Schild an der Tür irgendwie übersehen?“ Sie weitete ihre Augen unschuldig. „Ich habe vergessen, eins an den Hintereingang zu hängen, was? Meine Güte, wer hätte gedacht, dass sich Gäste so leicht verunsichern lassen.“
„Sei keine Klugscheißerin, Janey.“ Er seufzte und fuhr sich mit der Hand über das kurze Haar. Es war kein Igelschnitt mehr, aber nicht weit davon entfernt.
Und er war so verdammt sexy, dass man es nicht mit Worten beschreiben konnte. Ein dunkler Teint, der ihn immer gebräunt aussehen ließ. Diese dunklen sturmgrauen Augen mit Wimpern, die dicht genug waren, dass jede Frau dafür töten würde.
Sie schloss die Tür. Langsam. Leise. Sie gab nicht dem Verlangen nach, sie zuzuknallen. Roboter knallten keine Türen zu, oder?
„Also gut. Erzähl mir, was für ein Problem du mit abgeschlossenen Türen und Geschlossen-Schildern hast.“ Sie ging zurück zum Schreibtisch, goss sich noch ein halbes Glas Wein ein und sah ihn an. Sie hatte das Gefühl, dass eine ganze Flasche Whiskey nicht ausreichen würde, um sie gegenüber Alex gefühllos zu machen.
Er schob die Hände in die Taschen seiner dunklen Baumwollhose. Seine Lippen verzogen sich etwas, als er sich im Büro umsah und den Blick dann wieder auf sie richtete. „Es tut mir leid wegen Catherine“, sagte er schließlich.
Janey verdrehte die Augen. „Willst du dich auch für den Rest des Abends entschuldigen?“ Sie schüttelte den Kopf und seufzte leise. „Zum Teufel, Alex, sie war nicht die Erste. Sie wird auch nicht die Letzte sein.“
Er schwieg und starrte sie finster an.
„Warum bist du hier?“ Sie wies mit dem Weinglas auf das Zimmer. „Es ist nach Mitternacht. Wollte Catherine nicht mit dir schlafen, nachdem du sie zum Gehen gezwungen hast?“
Er runzelte die Stirn. „Vielleicht war ich derjenige, der nicht mit ihr schlafen wollte.“
„Oh. Da bin ich mir sicher.“ Sie setzte sich auf die Schreibtischkante und schob sich zurück, bis ihre Füße über dem kalten Boden baumelten. Dann nippte sie an ihrem Wein. „Tut die Beinverletzung noch weh?“
Sie nickte zu dem harten Oberschenkelmuskel – zur Hölle, da hätte sie nicht hinsehen sollen –, wo er sich im Irak eine Kugel eingefangen hatte. Alex wurde ständig angeschossen, mit dem Messer verletzt oder fast in die Luft gesprengt. Dann kam er für eine Weile nach Hause, erholte sich und ging zum nächsten Einsatz.
„Das Bein hindert mich nicht daran, mit Catherine zu schlafen, Janey“, sagte er schleppend. Seine Lippen verzogen sich zu einem kleinen Lächeln. „Und ich brauche keine Entschuldigungen, um die Nacht nicht mit einer Frau zu verbringen. Catherine hat sich wie ein Miststück benommen, und das weiß sie.“
Sie riss die Augen spöttisch auf. „Du hast das schlimme Wort gesagt, Alex. Böser Junge. Du solltest eine Frau niemals Miststück nennen.“
Er grunzte nur.
„Du bist zu lange beim Militär gewesen“, sagte sie zu ihm. „Wahrscheinlich.“ Er sah sich wieder im Büro um. „Wohnst du hier, Janey? Solltest du nicht oben sein und dich entspannen, statt hier im Büro rumzuhängen?“
„Solltest du mir nicht sagen, warum dich das interessiert?“ Sie hob die Brauen. „Wirklich, Alex, deine Freundin hat meine Gefühle nicht verletzt. Du kannst es ihr jetzt so richtig besorgen, ohne dabei ein schlechtes Gewissen zu haben.“
„Warum denkst du, ich würde sie nicht ficken, wenn es das wäre, was ich will?“, knurrte er.
Janey riss wiederum die Augen auf, tat so, als wäre sie entrüstet. „Deine Sprache, Alex.“
Es konnte tatsächlich sein, dass sie Spaß hatte.
„Ich rede nicht um den heißen Brei herum, Janey.“ Er zog die Hände aus den Hosentaschen und faltete sie vor seiner unglaublich breiten Brust. „Wenn du über Sex reden willst, bin ich sofort dabei. Aber erwarte dabei keine blumige Sprache von mir. Und glaub nicht, dass ich die Frage vergesse, die ich dir gestellt habe.“
Warum zur Hölle war er hier? Janey starrte ihn an und versuchte, den Grund für sein Hiersein zu erraten. Es war sechs Monate her, seit er sie aus Nadines Haus getragen hatte, ein Monat, seit er nach Hause gekommen war, und sie hatte ihn nicht gesehen. Warum jetzt? Warum auf diese Art?
„Ich habe gerade geschlossen.“ Sie hob das Weinglas und nippte daran. „Ich wollte mich ein paar Minuten entspannen, bevor ich meinen müden Hintern die Treppe hochschleife.“
„Schließ ab. Ich trage dich hoch.“
Er meinte das ernst. Janey blinzelte ihn an. Dann zwang sie sich dazu, den Wein auszutrinken und von der Schreibtischkante zu rutschen. Jetzt konnte sie die Spannung fühlen. Sie ging in Wellen von ihm aus. Sexuelle Spannung.
„Nur, weil ich dich heute Nacht irgendwie um ein kleines Vergnügen gebracht habe, bedeutet dass nicht, dass ich willens bin, für sie einzuspringen.“ Sie zog die Schuhe wieder an. Die siebeneinhalb Zentimeter hohen Absätze gaben ihr genug zusätzliche Körpergröße, dass sie nicht mehr das Gefühl hatte, er würde sie überragen. Sie konnte spüren, wie sich ihre Brust wieder verengte. Aber es waren keine Tränen, die sie zurückhalten musste. Es war Aufregung. Und das brauchte sie nicht.
„Habe ich dich darum gebeten, mit mir zu ficken?“
Ihr Magen zog sich beim Klang seiner Stimme zusammen. Er fragte vielleicht nicht danach, aber sie hatte das Gefühl, dass er daran dachte. Sie dachte auf jeden Fall daran. Und sie würde sich Unmengen von Schwierigkeiten einhandeln, wenn sie sich auf diesen Mann einließ.
„Gut, dass du es nicht getan hast“, sagte sie sanft und sah ihn bedauernd an. „Ich glaube nicht, dass du viel Spaß hättest.“
„Wirklich?“, fragte er schleppend.
„Ja. Ich habe gehört, dass Jungfrauen Männer in deinem Alter nur langweilen, Alex. Geh und such deine Freundin. Mit ihr kannst du mehr Spaß haben.“
Alex starrte sie an. Jahrelange Übung verhinderte, dass seine Züge totalen Schock zeigten. Und mit übermenschlicher Anstrengung gelang es ihm, nicht nach ihr zu greifen und sie an sich zu ziehen. „Jungfrau?“
„Siehst du? Ich bin nicht mal jagdbares Wild“, sagte sie, während sie Handtasche und Schlüssel nahm. „Bist du jetzt bereit zu gehen? Ich bin nämlich ziemlich müde.“ Sie öffnete die Tür und unterdrückte ein Zittern, als die kalte Februarluft über ihre bestrumpften Beine glitt.
„Ich begleite dich nach oben.“ Er sah sie entschlossen und unerbittlich an.
„Alex, ich brauche nicht noch einen Wachhund.“ Sie seufzte, als er nach draußen trat. Dann aktivierte sie die Alarmanlage und schloss schnell die Tür hinter sich ab, bevor sie die breiten Holzstufen hinaufging, die zu dem kleinen Balkon und dem Eingang von ihrem Apartment führten.
„Gibt es keinen inneren Eingang?“, fragte Alex hinter ihr.
„Davon träume ich.“ Sie hätte am liebsten gestöhnt. Sie hasste es, jede Nacht diese Stufen hochzusteigen.
Alex beobachtete sie beim Hochgehen, den Blick auf ihren süßen, festen, kleinen Hintern und die schwingenden Hüften gerichtet. Er war bretthart. Bilder davon, wie er sie nahm und dabei die Unschuld in ihren Augen sah, während er sie ausfüllte, quälten ihn. Sie hatte recht, er sollte abgetörnt sein. Der Gedanke an eine Jungfrau sollte ihn in die Flucht schlagen. Es war Wahnsinn, dass er ihr wie ein folgsamer Hund in ihr Apartment folgte. Er hätte in seinem Truck sitzen und beobachten können, wie sie zur Tür ging. Aber er sagte sich, dass das nicht bedeuten würde, dass sie in Sicherheit war. Jemand hätte in das Apartment eindringen können.
Ja, klar. Im Truck herumzusitzen, würde ihn nicht unter ihren Rock bringen. Und zu wissen, dass sie noch Jungfrau war, machte es nicht besser. Dadurch war nur Besitzgier in ihm aufgelodert. Und das wollte er nicht fühlen. In Bezug auf Frauen fühlte er sich nicht besitzergreifend. Das war nicht erlaubt und nicht Teil seines Lebens.
Warum zur Hölle stand er dann jetzt auf ihrem Balkon und sah zu, wie sie die Tür aufschloss und hineinging? Sie schaltete die Alarmanlage ab, schloss die Tür hinter ihnen und knipste das Licht an.
Er beobachtete, wie sie die Schuhe mit den spitzen schwarzen Absätzen abstreifte, in denen ihre Beine höllisch sexy aussahen. Sie legte ihre Handtasche auf den kleinen Tisch direkt neben der Tür, ging in das geräumige Wohnzimmer und schaltete eine Lampe ein, bevor sie sich zu ihm umdrehte.
„Siehst du, ich bin in Sicherheit.“ Sie hob die Arme und wies auf das Zimmer, auf das Apartment.
Alex schüttelte langsam den Kopf. Sicher vor allem außer vor ihm. „Du weißt, was ich will, oder, Janey?“
Sie ließ die Arme an die Seiten sinken. Eine Sekunde lang, wirklich nur eine Sekunde, verlor sie den emotionslosen, kühlen Ausdruck. Er sah ihre Augen interessiert aufleuchten, da waren auch Verlangen und ein Hauch von Angst. Dann, genauso schnell, war alles wieder verschwunden.
„Nein, ich weiß nicht, was du willst, Alex.“ Jetzt war eine Spur Ärger bemerkbar. „Schulde ich dir etwas? Gibt es hier etwas, das dir gehört?“ Ihre Lippen verzogen sich spöttisch. „Das glaube ich nicht. Ich glaube nicht, dass es hier irgendetwas gibt, mit dem du mehr als nur spielen willst.“
Und sie war kein Spielzeug. Das meinte sie damit, und er wusste leider verdammt gut, und dabei kochte die Wut in ihm, was Nadine ihr angetan hatte. Dass sie Dayle gebeten hatte, sie ein bisschen mit Janey „spielen“ zu lassen.
Die medizinischen Ergebnisse, Janeys Erinnerung daran – es hatte alles in Chayas Bericht für Timothy Cranston gestanden. Der Agent war für die Ermittlung im letzten Jahr zuständig gewesen. Alex hatte den Bericht gelesen. Er hatte sich dazu gezwungen, ihn zu lesen. Sich die Bilder anzusehen, die die Leute im Krankenhaus von den Bissspuren auf ihren Brüsten gemacht hatten. Janey hatte ihnen nicht gesagt, ob das Miststück sie noch an anderen Stellen berührt hatte. Monatelang hatte Alex davon geträumt, Nadine langsam getötet zu haben, schön langsam und schmerzvoll, statt ihr den schnellen Tod zu gönnen, den er ihr gegeben hatte.
„Es gibt viele verschiedene Arten von Spielen, Janey“, sagte er sanft. „An dem, was ich will, ist nichts Rachsüchtiges oder Schmerzhaftes. Das weißt du.“
Sie wandte sich von ihm ab, eine Hand auf die Rundung ihrer Hüfte gestützt, die andere angehoben. Er konnte von seinem Blickpunkt aus sehen, dass sie öfter an ihrem Daumennagel kaute, und hätte fast gelächelt. Das war typisch Janey. Und es war kein gutes Zeichen. Sie versuchte, etwas zurückzuhalten, Wut, Schmerz, irgendwelche Emotionen, die sie nicht an sich heranlassen wollte.
Er kannte sie. Manchmal glaubte er, er kannte sie besser als Natches es tat. Denn es hatte Zeiten gegeben, in denen er auf keinem Einsatz war und stattdessen Janey beobachtet hatte, wo auch immer sie war.
Das war so seit dem Tag am See vor sechs Jahren, als Janey geflirtet hatte, wenn sie nicht hätte flirten sollen. Als sie einen Hunger erweckte, von dem er nicht wusste, dass er ihn in sich hatte, obwohl sie bei ihm immer eine Besitzgier ans Licht gebracht hatte, die er von sich nicht kannte. Und er hatte sich um sie gesorgt. Sich so sehr um sie gesorgt, dass er sie mehrmals im Jahr beschattet, sie beobachtet und sie kontrollieren lassen hatte, wenn er nicht da war. Bis zum letzten Jahr. Bei der Operation in Somerset war alles schiefgegangen, und er hatte sich ablenken lassen. Er hatte seine Aufmerksamkeit von ihr abgewandt, um stattdessen Informationen über andere Dinge zu sammeln. Und so war es dann passiert. Janey hätte fast mit dem Leben dafür bezahlt.
Sie wandte sich wieder zu ihm um. „Geh.“ Ihre Maske war wieder da. Diese kühle, professionelle Ich-fühle-nichts-Maske. Sie schützte sich und ihre Gefühle und niemand verstand das Verlangen danach besser als Alex.
Alex verzog das Gesicht und nickte. „Kann ich machen.“ Aber seine Füße bewegten sich nicht. Er drehte sich nicht um und ging zur Tür. Weil er es nicht konnte. Weil er zu lange gewartet, zu viele Jahre begehrt hatte. Jetzt zu gehen, erschien ihm unmöglich.
„Warum tust du es dann nicht?“ Ihr Blick flackerte wieder.
Sie war nicht annähernd so kühl, wie sie ihn glauben machen wollte. Gefühle brodelten in Janey. Er konnte sie sehen und fühlen. Er wollte den Hunger schmecken, den er in ihren Augen entdeckt hatte. Er wollte spüren, wie er davon verbrannt wurde.
„Ich will diesen Kuss, Janey.“
Ihre grünen Augen schienen beinahe dunkler zu werden. Nur eine Nuance vielleicht. Und das war keine Verärgerung.
„Welchen Kuss?“ Ihr Atem ging jetzt schwerer, tiefer. Ihre Brüste hoben und senkten sich, drückten sich wie ein verführerisches Versprechen gegen ihre weiße Bluse. Und ihre Nippel waren hart. Der Anblick dieser festen, kleinen Spitzen hypnotisierte ihn.
„Der Kuss, zu dem du mich verführt hast an dem Tag, als ich dich aus Nadines Haus holte.“ Er ging auf sie zu, trat hinter sie.
Alex ließ zu, dass ihr Duft seine Sinne überwältigte. Ein reiner Geruch nach weiblicher Wärme und süßer Hitze. Der Geruch einer Frau, vermischt mit dem Pfirsichduft von Seife und einem feinen Hauch Shampoo. Ihr Duft hätte nicht so erregend sein sollen, wie er war.
Sie hatte ihr Haar schneiden lassen. Es war glatt und gezähmt und umrahmte ihr Gesicht wie schwarze Seidenbänder, statt wie früher lang und wild gelockt seine Hände in Versuchung zu führen. Allerdings war ihr Haar auch jetzt verführerisch. Es war so verdammt gezähmt und kontrolliert, dass er sich fragte, was genau sie so unbedingt in sich verbergen wollte.
Ihr Puls hämmerte an der Seite ihres Halses, fast so hart wie der Puls in seinem Schwanz, und der Drang, ihre süße Haut zu kosten, war fast überwältigend. Er wollte sie von Kopf bis Fuß ablecken. Er wollte sie schmecken, sich an ihr betrinken und wild werden.
„Du hast mich geküsst.“ Ihre Stimme war jetzt leiser. „Daran erinnere ich mich.“
„Das nennst du einen Kuss, Janey?“ Er senkte den Kopf, berührte sie sonst nicht. Nicht mit seinen Händen oder seinem Körper, nur mit seiner Wange an ihrem Haar. „Das war kein Kuss, Baby. Das war eine Kostprobe. Du schuldest mir einen echten Kuss.“
Sie leckte sich über die Lippen, und er hätte fast gestöhnt. Ihre Miene war jetzt nicht mehr kühl. Ihre Wangen waren gerötet und, ja, ihre Augen waren dunkler.
„Warum jetzt?“