THE NAUTI BOYS SERIE 1
Nauti Boy
The Nauti Boy Series 1
Lora Leigh
Deutsche Übersetzung © Sieben Verlag 2016, 64354 Reinheim
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Sylvia Pranga
Original englische Ausgabe © 2007 Lora Leigh
Covergestaltung © Andrea Gunschera 2016
German translation copyright © 2016 by Sieben Verlag
Original English language edition © Copyright 2007 by Lora Leigh
All rights reserved including the right of reproduction in whole or in
part in any form. This edition published by arrangement with The
Berkley Publishing Group, an imprint of Penguin Publishing Group,
a division of Penguin Random House LLC.
ISBN Printausgabe: 9783864435577
ISBN eBook-PDF: 9783864435584
ISBN eBook-epub: 9783864435591
www.sieben-verlag.de
Woher hatte er nur gewusst, dass sie ausgerechnet hier auf ihn warten würde? Rowdy Mackay steuerte seine Harley auf den Parkplatz, bevor er die Brille abnahm und sich der teuflischen Elfe zuwandte, die von der Holzbank aufstand und auf ihn zu kam. Sie trug eines dieser kurzen, bequemen T-Shirts, die sie so mochte. Wenigstens war es nicht eins seiner größeren Shirts. Er hatte zwei weitere während diesem Heimaturlaub verloren und wusste, wer schuld daran war. Sie klaute seine Shirts, seit sie sechzehn war – seit ihre Mutter seinen Vater geheiratet hatte und somit sein Lieblingsärgernis direkt in sein Zuhause gebracht hatte.
Und seitdem war er stets vor ihr geflüchtet. Sieben Jahre Flucht.
Er wandte sich ab und steckte die Sonnenbrille in die Seite seines Navy-Seesacks, der auf dem hinteren Teil der Harley festgeschnallt war. Dann schwang er sein Bein über den Tank und beobachtete sie stumm.
Dawg fuhr Natches her, damit er die Harley zurückbringen konnte, aber sie waren noch nicht hier. Somit gab es niemanden, der ihn von dem Hunger ablenken konnte, der ihn verrückt machte.
Sie war dreiundzwanzig und ihre Küsse wie weicher Sommerregen. Sie glitten über die Sinne eines Mannes und sogen ihn ein, luden ihn ein mit ihr ganz nass und wild zu werden und ihr sein Schlimmstes zu geben. Und in Rowdys Fall war sein Schlimmstes sehr viel mehr, als sie handhaben konnte.
Sie trat vom Bürgersteig. Der tiefe Saum ihrer Jeans kam nicht einmal in die Nähe des verführerischen Schattens ihres Nabels. Sie brachte ihn mitten im verdammten Winter zum Schwitzen. Aber jetzt war kein Winter, es war Sommer. Ein heißer Sommerabend in Kentucky, und er im Begriff wieder zu gehen. Und dieses Mal, das wusste er ohne jeden Zweifel, würde er nicht so einfach wieder gehen können. Er begriff, dass dieses Jahr sein letztes weg von zu Hause werden würde. Ein Jahr ohne sie auch nur zu berühren, ohne sie zu nehmen oder ihre Küsse zu schmecken – sie ließ ihn Dinge fühlen, die er nicht erwartet hatte. Seine Brust zog sich bei dieser Erkenntnis zusammen – bei dem Gedanken wie schwer es ihn fallen würde sie wieder zu verlassen.
„Du bist gegangen, ohne dich zu verabschieden.” Sie kam neben der Harley zum Stehen, ihre taubengrauen Augen sahen ihn mit einem Schatten von Kränkung an. „Dieses Mal habe ich dich nicht einmal gesehen.”
Nein, das hatte sie nicht. Er hatte sich vom Haus seines Dads so fern wie möglich gehalten und hatte die sechs Wochen, die er hier war, auf dem Boot verbracht, das er im Jachthafen liegen hatte. Eine neckische Brise verfing sich in den langen Locken ihres goldbraunen Haars und zerrte an den üppigen Seidenwellen, von denen er träumte, dass sie sich um seinen Körper schmiegten. Er hatte von ihr geträumt, während er diese einsamen Nächte auf dem Boot verbrachte. Hatte davon geträumt, sie zu berühren, sie zu küssen, sie unter seinen Körper zu ziehen und zu nehmen, bis sie beide vor Erschöpfung nicht mehr atmen konnten. Andere Frauen hatten bei seiner Lust überhaupt keine Rolle gespielt. Sein eigensinniger Körper lehnte sie ab. Er wollte Kelly. Das Wasser lief ihm im Mund zusammen. Er fühlte wie der Drang sie an sich zu ziehen, sie zu umschlingen, ihn fast überwältigte.
„Rowdy?” Ihre Stimme war erfüllt von der Hoffnung einer jungen Frau, ihren Träumen und der Leidenschaft, von der er wusste, dass sie in ihr brannte.
„Du hättest nicht herkommen sollen, Kelly.” Er seufzte und gab dem Impuls nach die Hand auszustrecken, unter dem Vorwand ihr Haar zurückzustreichen, dessen weiche Wärme er genoss. Tatsächlich wollte er es in seinen Händen zerdrücken, ihren Kopf zurückziehen und sie verschlingen. Verdammt, er könnte es tun. Sie würde ihn lassen. Das konnte er in ihren Augen sehen.
„Du hast dich nicht einmal verabschiedet.” Es war nicht nur Kränkung in ihrer Stimme, sondern auch Ärger.
„Wenn ich mich verabschiedet hätte, wäre ich vielleicht nicht gegangen”, seufzte er schließlich. Er war erwachsen und wusste es eigentlich besser. Kelly mochte dreiundzwanzig sein, aber sie hatte nicht die geringste Ahnung, auf was sie sich mit ihm einlassen würde.
Vor drei Jahren hatte er sie geküsst. Sie an einen Baumstamm gedrängt und ihre Lippen genommen wie eine süße Droge, die sie auch waren. Er hatte sie markiert, weil er nicht anders konnte. Er hatte sichergestellt, dass niemand dumm genug war zu denken, dass er Kelly haben könnte. Und seine Cousins würden dafür sorgen, dass das so blieb, während er weg war. Während er bei den Marines dieses Jahr seine letzte Fahrt unternahm, würde er entscheiden, was zur Hölle er wegen Kelly unternehmen wollte.
„Du hättest dich verabschieden können”, flüsterte sie ein weiteres Mal.
„Mein eigener Vater hätte mich erschossen für die Dinge, die ich mit dir angestellt hätte, wenn ich nur den Hauch einer Chance gehabt hätte.” Er versucht zu lächeln, aber er war zu beschäftigt damit, seine Hände von den sanften Kurven ihres Hinterns fernzuhalten.
Sie machte ihn verrückt. Aber zur Hölle, dies war Kelly. Sie hatte ihn auf die eine oder andere Art fast ihr ganzes Leben lang verrückt gemacht.
„Ich wäre zum Boot gekommen.”
Er legte einen Finger auf ihre Lippen, obwohl er seine eigenen Lippen auf sie pressen wollte. Sie nehmen, lecken, fühlen, wie sie sich ihm öffneten, so wie sie es in der Nacht am See getan hatten.
„Nein.” Er schüttelte den Kopf. „Du bist jetzt hier.”
Er hatte gewusst, dass es so sein würde. Hatte dafür gebetet. Er nahm seinen Finger von ihren Lippen und senkte den Kopf. Er küsste nicht ihre Lippen, denn er war nicht sicher, ob er seinen Hunger, seine Lust dann zügeln konnte. Es war unmöglich. Ein Flugzeug wartete auf ihn, ein Job, der erledigt werden musste, und er …
Großer Gott, Gnade.
Sie drehte den Kopf, ihre Lippen berührten seine, und es war um ihn geschehen. Seine Hände glitten über die vollen Kurven ihres Hinterns, er umklammerte ihn, hob sie auf seine Schenkel, während sein Hunger alle Vernunft auslöschte.
Er neigte den Kopf, drückte seine Lippen auf ihre und hätte schwören können, dass er Sterne sah, da ihr süßer Geschmack seine Sinne explodieren ließ. Das Blut begann in seinen Adern zu pulsieren, seine Schenkel spannten sich an, sein Schwanz wurde hart und alles außer Kellys Geschmack verschwand durch die Macht seiner Lust. Reiner, roher Genuss. Das war sie. Sie machte ihn hart, machte ihn wild, sodass er ihr all die Gründe zeigen wollte, weswegen er sie niemals hätte berühren sollen.
Aber sie war sein. Seine Frau. Sein süßer, heißer Geschmack vom Paradies, und er konnte nichts tun, außer nach mehr zu betteln. Sie war seine Droge und, Gott steh ihnen bei, er befürchtete, dass seine Sucht einen von ihnen umbringen könnte. Er wusste sicher, dass es ihn verrückt machte.
Pfiffe und raues Gelächter brachten ihn endlich dazu, seine Lippen von ihren zu lösen. Als er aufsah, bemerkte er mehrere Soldaten, die ihn neidisch beobachteten. Verflucht noch mal. Hier stand er auf dem verdammten Parkplatz des Flughafens, bereit, ihr die Sachen vom Leib zu reißen.
Er blickte hinunter, sie öffnete ihre Augen und er sah die Leidenschaft, die ihren Blick verschleierte.
„Vergiss mich nicht, Rowdy”, flüsterte sie und zog sich von ihm zurück.
Aber er konnte sie nicht gehen lassen. Seine Hände umspannten ihre Hüften, während er seine Stirn an ihre lehnte.
„Dich vergessen?”, fragte er sanft. „Baby, du bist in jedem Traum, der durch meinen Kopf zieht. Wie zur Hölle sollte ich dich jemals vergessen?”
Und das war beschissen. Er konnte sie ebenso wenig vergessen, wie er sie haben konnte. Süßes, kleines, jungfräuliches Baby. Sie hatte keine Ahnung, auf was sie sich einließ.
Ein Jahr später …
Also das war mit dem dritten Shirt passiert. Rowdy Mackay lehnte in der Küchentür, neigte den Kopf und beobachtete amüsiert, wie Kelly zum Kühlschrank ging, die Tür öffnete und ins Innere spähte. Das lange graue Marines-T-Shirt verschluckte ihre schlanke Figur und hing ihr bis über die Schenkel. Ein Paar seiner dazu passenden grauen Socken bedeckten ihre kleinen Füße und eine graue Trainingshose hing von ihren Hüften. Nicht seine, dachte er erheitert. Offensichtlich ihre, aber weit genug, dass ein Mann sich die Frage stellte, warum zur Hölle sie plötzlich ihren kurvigen kleinen Körper versteckte, von dem er wusste, dass sie ihn hatte. Besonders da sie sich in der Vergangenheit nie bemüht hatte ihn zu verstecken. Diese Aufmachung war Welten entfernt von den knappen Shorts und T-Shirts, die sie sonst als Sommer-Schlafzeug getragen hatte. Lange, honigbraune Locken fielen von ihrem Scheitel bis zur Mitte ihres Rückens, die offenen Ringel zerzaust und etwas wirr vom Schlaf – und verdammt, sie sah aus, als wäre sie gerade aus dem Bett eines Liebhabers gekommen.
Er wusste es natürlich besser. Die Regeln seines Vaters waren streng. Rowdy durfte zwar während seiner kurzen Aufenthalte zu Hause unter seinem Dach leben, aber er brachte seine Frauen nicht über Nacht hierher. Und er wusste verdammt gut, dass Kelly keinen Mann mitbringen würde. Die geliebte Prinzessin des Hauses mochte über die Grenze des Erträglichen hinaus verwöhnt sein, aber sie respektierte ihre Mutter und ihren Stiefvater. Also war es ein sehr unwahrscheinliches Szenario, dass sie aus den Armen eines Liebhabers kam, um sich in der Küche einen Snack zu machen.
Das war einer der Gründe, weswegen er sich so oft wie möglich von hier ferngehalten hatte, seit sie volljährig geworden war. Einer der Gründe, weswegen er die letzte Diensttour bei den Marines gemacht hatte. Bei einigen Dingen wusste ein Mann einfach, dass er nicht widerstehen konnte. Und er hatte vor langer Zeit akzeptiert, dass er zu schwach war, um Kelly zu widerstehen.
Diese Erkenntnis war ihm gekommen, als ihre Brüste anfingen zu wachsen und er angefangen hatte, diese Brüste zu bemerken. Das war ungefähr zu der Zeit, als sie ihn mit ihrem unschuldigen Lächeln zu necken begann, ihn absichtlich streifte und er begann, das zu genießen.
Dann trat er dem Militär bei, um ganz schnell aus dem Haus zu kommen, weg von ihr. Das College bot ihm nicht die Flucht, die er brauchte. Sie war immer noch da, und er wäre es oft auch. Und er war schwach. Schwache Männer waren gefährliche Wesen. Ein zweiundzwanzigjähriger Mann hatte eine Sechzehnjährige verdammt noch mal nicht anzufassen, und er hatte das gewusst. Die einzige andere Möglichkeit war gewesen, zu gehen.
Seine Zeit bei den Marines hatte ihn Selbstbeherrschung gelehrt, seine Ausbildung abgeschlossen und ihm dazu verholfen erwachsen zu werden. Aber seine größte Schwäche war immer noch seine größte Schwäche. Kelly.
„Ich will nicht kochen.“
Seine Lippen zuckten, als er die frühmorgendliche Griesgrämigkeit in ihrer Stimme hörte. Sie sprach mit sich selbst. Einige Dinge würden sich nie ändern. Die Sonne ging im Osten auf und im Westen unter, und Kelly würde immer mit sich selbst brummeln, wenn sie gereizt war. Und der Klang ihrer süßen, heiseren Stimme würde seinen Schwanz immer dazu bringen, fast den Reißverschluss seiner Jeans zu sprengen.
„Im Schrank ist Müsli.“
Rowdy erwartete, dass sie sich mit einem strahlenden, der Sonne Konkurrenz machenden Lächeln zu ihm umwenden würde. Seine Arme waren bereit, sich für die Handvoll auf ihn zu laufende Frau zu öffnen. Er hatte nicht mit dem gerechnet, was er stattdessen bekam.
Kelly schrie. Die Kühlschranktür knallte so hart zu, dass der Inhalt klapperte, als sie sich umdrehte, um aus der gegenüberliegenden Tür zu rennen zu wollen. Ihr Gesicht war schneeweiß geworden, ihre großen grauen Augen waren voller Angst. Wen hatte sie denn erwartet? Sie wollte wegrennen, kämpfte aber darum, stillzustehen. Widersprüchliche Gefühle wanderten über ihr ausdrucksvolles Gesicht, während ihr Blick seinen traf und das Zimmer sich mit einer Spannung füllte, die es nie zuvor gegeben hatte. Furcht füllte ihre Augen.
Rowdy kniff die Augen zusammen, sein Körper versteifte sich. Nein, es war keine – Furcht. Einen Moment lang war da reiner, erschütternder Terror. Eine Frau, die sich bewusst wurde, dass sie mit einem Mann allein, dass sie schwach, dass ihre Sicherheit nicht gegeben war. Er hatte es während seines Dienstes in den Augen tausender Frauen gesehen und er sah es jetzt.
„Rowdy?“ Ihre Stimme war hoch und dünn, ihre Hände verkrampften sich in ihrem Shirt, spannten sich um das Material und sie zitterte. „Was machst du hier?“
Als er die raue, angstvolle Stimme hörte, zogen sich seine Eingeweide zusammen und reine, ungezügelte Wut loderte in ihm. Was war mit Kelly passiert?
„Ich bin hier zu Hause, nicht wahr?“
Er war bereit gewesen sie aufzufangen, wenn sie auf ihn zu rannte. Sie rannte sonst immer zu ihm, warf die Arme um seinen Hals, drückte ihre festen kleinen Brüste gegen ihn und küsste ihn auf die Wange. Acht Jahre lang konnte er sich auf Kellys Begrüßung verlassen. Bis heute. Er fragte sich, wo die Sonne nun aufgehen würde. Einige Dinge sollten sich einfach nicht ändern.
„Oh. Ja.“
Sie nickte, ihre Blicke schossen durchs Zimmer, bevor ein nervöses Lächeln ihre Lippen nach oben zog, einen Moment zitterte und dann verschwand. „Wir hatten dich nicht erwartet. Hast du Mom und Ray gesagt, dass du kommst?“
„Nein. Das mache ich nie.“
Seine Kampfinstinkte erwachten jetzt. Das hier war nicht normal. Es war so weit von normal entfernt, dass er wusste, er würde nicht mögen, was zur Hölle hier vorgefallen war.
Plötzlich kam ihm das Unbehagen in der Stimme seines Vaters in den Sinn, wenn sie das letzte Jahr am Telefon miteinander sprachen. Jedes Mal, wenn er nach Kelly gefragt hatte, hatte sich Ray Mackays Stimme angespannt. Wenn Rowdy mit ihr sprechen wollte, hatte Ray Ausreden gehabt.
Die Briefe, die er von Kelly bekam, hatten sich auch verändert. Sie hatte nicht länger Bilder geschickt, den Briefwechsel nicht länger mit Andeutungen oder neckenden Kommentaren gefüllt. Sie hatte weiterhin geschrieben, aber es war anders, ohne dass er einen Finger darauf legen, es erklären konnte. Aber er hatte es gefühlt.
„Nein, du schleichst dich immer an uns ran.“
Da war wieder das nervöse Lächeln und ihre Blicke irrten durchs Zimmer. Rowdy blieb, wo er war, an den Türrahmen gelehnt, die Arme vor der Brust verschränkt. Er konnte geduldig sein, wenn es sein musste. Aber er hatte auch gelernt, dass man manchmal keine andere Wahl hatte, als vorzustürmen und dem Feind, der in der Dunkelheit wartete, gegenüberzutreten. Er hatte das Vorankämpfen ebenso gelernt wie das Warten.
„Was ist los, Kelly?“
Er stieß sich vom Türrahmen ab, ließ die Arme fallen und steckte die Daumen in den Bund seiner tiefgeschnittenen Jeans. Sein Oberkörper war nackt, der kühlende Luftzug der Klimaanlage trocknete den Schweiß auf seiner Haut. Er hatte seine Harley geputzt, sein Baby poliert und sie bereit gemacht für die erste Fahrt nach über einem Jahr. Er hatte seinen Seesack in seinem Zimmer fallen lassen und war direkt in die Garage gegangen, denn er wusste, dass sein Vater und seine Stiefmutter am Jachthafen waren. Und er hatte vermutet, dass Kelly auch dort sein würde. Dass sie nicht dort war, war interessant. Ihre Reaktion auf ihn war sogar noch interessanter.
„Nichts ist los.“
Dieses verdammt schnelle, nervöse Lächeln ging ihm langsam auf die Nerven. Sie hatte Angst vor ihm und das fraß ein Loch in seine Seele. Kelly hatte nie Angst vor ihm gehabt, nicht ein einziges Mal, darauf hatte er immer geachtet. Nun sah sie ihn an, als fürchte sie, dass er sie jede Sekunde anspringen könnte.
„Du bist eine lausige Lügnerin, Baby“, seine Stimme ein Knurren. Dann ging er zum Kühlschrank und beobachtete, dass sie ihm auswich. Sie behielt ihn im Blick, betrachtete ihn misstrauisch, wie er die Tür öffnete und sich eine Flasche Wasser nahm. Als er sie öffnete und langsam an seine Lippen führte, trafen sich ihre Blicke. Jetzt erkannte er einen Schimmer von dem Mädchen, das er vor acht Jahren verlassen hatte. Sie beobachtete ihn schüchtern, während er aus der Flasche trank. Ihre kleine Zunge schoss hervor und glitt über ihre Lippen, als ob sie durstig wäre. Ein kleiner, hungriger Glanz füllte die weichen Tiefen ihrer Augen, verdunkelte sie, ließ sie stürmisch und wolkig wirken, als er sich mit ihrer Angst mischte.
„Wann bist du zurückgekommen?“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust und riss ihren Blick von ihm los. „Wissen Mom und Ray, dass du zu Hause bist?“
„Noch nicht.“ Er verschloss die Flasche und stellte sie auf die Kücheninsel, während er sie weiter beobachtete. „Dawg hat mich heute Morgen vom Flughafen abgeholt. Wir sind gegen sieben hier angekommen.“
Sie nickte. Eine abgehackte Bewegung, die seine Finger verkrampfen ließ. Der wachsende Verdacht in ihm ließ düsteren Zorn aufwallen. Etwas hatte sie verändert, etwas Dunkles und Hässliches, er konnte es in ihren Augen sehen. In dem Bedauern, der Wut und der Furcht, die ihren Ausdruck beherrschten.
Das Mädchen, das er fast ihr ganzes Leben lang geliebt hatte, hatte Angst vor ihm. Sie war nicht argwöhnisch oder nervös, sie war absolut verängstigt. Dies war dasselbe Mädchen, das er gehalten hatte, als ihr Vater starb. Er war ein magerer Teenager gewesen, sie war zu jung gewesen, um den plötzlichen Tod zu verstehen, der ihre Welt erschütterte. Sie hatte sich zu dem Jungen geflüchtet, der ihr das Haar zerzauste, sie wegen ihrer knochigen Knie neckte und sie vor den Rüpeln beschützte.
Dies war dasselbe Mädchen, das er zum Abschlussball begleitet hatte, weil ihre Verabredung sie versetzt hatte. Diejenige, mit der er getanzt hatte und vor der er seine Erektion verbergen musste, weil er wusste, dass er sie nicht berühren, nicht haben durfte. Das Mädchen, das er eines Nachts geküsst hatte, als er zu viel getrunken hatte, das er zu intim berührt hatte, bevor er vier Jahre zuvor zur Basis zurückgekehrt war. Sie war sein Mädchen und plötzlich hatte sie Angst vor ihm.
„Wo bleibt meine Umarmung?“
Er lehnte sich gegen die Kücheninsel und beobachtete sie aufmerksam. Das bisschen Farbe, das ihr Gesicht wieder bekommen hatte, verschwand. Ihre Augen zuckten zu ihm, dann wieder weg, ihre Kehle arbeitete, als sie hart schluckte.
„Ich muss mich anziehen, muss zur Arbeit.“
Sie machte auf dem Absatz kehrt und ging zur Tür.
„Kelly.“
Er wusste, dass er einen Fehler machte, fühlte dieses Wissen bis in die Sohlen seiner bestiefelten Füße, und streckte trotzdem den Arm aus, um ihr Handgelenk zu ergreifen. Seine Finger berührten sie, legten sich um ihre nackte Haut. Sie schrie auf. Mit einem Aufblitzen von Angst zuckte sie vor ihm zurück, während sich ihr Körper abwehrend anspannte.
„Was?“
Sie kämpfte und versuchte, ihre Reaktion zu überspielen, aber die Art, wie sie plötzlich vor ihm zurückwich und die Angst auf ihrem Gesicht verrieten sie.
„Kelly, wo ist Dad?“
Seine Stimme blieb ruhig. Aber Wut raste durch ihn. Nur eine Sache konnte eine Reaktion wie diese verursachen, nur eine Sache hätte diese verführerische, kleine Hexe, die er gekannt hatte, in ein verängstigtes, hektisches kleines Kaninchen verwandeln können.
„Am Jachthafen.“ Sie leckte sich wieder über die Lippen, ihr Blick sprang von ihm weg, ihr Ausdruck wechselte zwischen Angst und Frustration. „Ich muss mich anziehen. Ich werde – später herunterkommen.“
Sie rannte vor ihm weg. So schnell sie konnte gab sie in diesen schlabberigen, schlecht sitzenden Klamotten Fersengeld, lief aus der Küche zur Treppe im Eingangsbereich und rannte nach oben. Sie ließ ihn in der sonnendurchfluteten Küche allein, die Hände zu Fäusten geballt, Wut im Bauch und sein Verdacht so gut wie bestätigt.
Abrupt drehte er sich um und ging zum Telefon, riss es aus der Basisstation und hämmerte die Nummer des Jachthafens ein. Ungeduldig wartete er, eine Hand auf der Hüfte, die andere um das Telefon geklammert mit einer Kraft, die es eigentlich zerbrechen lassen musste, während es vier Mal klingelte.
„Mackay Jachthafen.“ Die dröhnende Stimme seines Vaters kam aus dem Hörer.
„Hi, Dad, wie geht’s?“ Rowdy sprach mit ruhiger, kontrollierter Stimme.
„Hi, Rowdy, es geht so.“ Ray Mackay lachte leise. „Wie kommt es, dass du so früh anrufst? Schläft dein Vorgesetzter bei der Arbeit?“
„Wie soll ich das wissen?“, sagte Rowdy gedehnt. „Ich habe mich nicht für einen weiteren Einsatz gemeldet.“ Er hatte es geplant, hatte absolut vorgehabt, es zu tun, aber dann kam sein letzter Geburtstag und er begriff, dass vor gewissen Dingen davonzulaufen einfach nicht funktionierte. „Ich bin zu Hause, bin gegen sieben heute Morgen angekommen.“
Plötzlich war eine Spannung in der Leitung spürbar.
„Du bist zu Hause?“ Die Stimme seines Vaters war vorgeblich teilnahmslos, sein Ton sanft. Aber Rowdy kannte seinen Dad. Manchmal zu gut.
„Ja. Ich habe auch Kelly gesehen.“
Er war kein Idiot, aber selbst wenn er einer gewesen wäre, hätte ihn der unterdrückte Fluch, der über die Leitung kam, gewarnt.
„Wir sind auf dem Weg nach Hause.“ Ray bestätigte seine schlimmsten Befürchtungen. „Wir müssen reden.“
Rowdy legte auf, starrte in der Küche herum und atmete dann schwer aus. Verdammt. Er war nach Hause gekommen, um seinem Lieblingsmädchen den Hof zu machen, sich niederzulassen, mit dem Kämpfen aufzuhören, da er wusste, dass er die Schlacht verlieren würde. War er zu spät gekommen?
Kelly ließ das heiße Wasser der Dusche über sich fließen und ihre Tränen abwaschen, auch wenn es nicht das Gefühl von den Händen wegwaschen würde, die sie herunterdrückten, von stinkendem Atem auf ihrem Gesicht und harten, nassen Lippen, die ihre bedeckten. Es konnte nicht die Wut, den Zorn und die Angst ertränken.
Das heiße Wasser rötete ihre Haut und stach auf ihrem zarten Fleisch, aber es konnte nicht das Verlangen lindern, das mit den Erinnerungen an eine Nacht verbunden war, von der sie fürchtete, dass sie ihr Leben für immer verändert hatte.
Rowdy war zu Hause. Alle 1,93 m seines harten, muskulösen Fleisches und seine meergrünen Augen. Er war wieder zu Hause, nachdem er mehr als ein Jahr fort gewesen war. Ein erwachsener Mann, voll entwickelt und höllisch sexy.
Sie wischte sich ein weiteres Mal die Tränen ab. Der Atem stockte ihr in der Kehle, während sie an eine der wenigen Nächte dachte, in denen sie ihm zum See gefolgt war. Das Hausboot war Rowdys Stolz und Freude, und es war sein Fluchtort. Und sie wusste, wohin er fahren würde. Zum Point, einer ruhigen Bucht, wo er und seine Freunde sich an Wochenenden versammelten, um zu trinken, zu angeln, Dampf abzulassen und die überschüssige Energie, die sie immer zu haben schienen, mit Partys zu verbrauchen.
„Dad wird mich umbringen.“
Er war nur ein bisschen betrunken gewesen, und viel zu sexy. Seine meergrünen Augen hatten sich verdunkelt, sein Ausdruck war schwer vor Verlangen, als er sie gegen einen Baum drückte. Sie waren durch die Schatten vor dem Rest der Gruppe verborgen gewesen. Sommerhitze und Lust hatte sie umfangen. Er war ein Mann, und sie war zu unschuldig, zu unsicher, um zu wissen, wie sie mit dem Verlangen umgehen sollte, das in jeder Zelle ihres Körpers pulsierte.
„Ich werde es ihm nicht sagen“, hatte sie geflüstert, während ihre Hände über seine Brust glitten und dabei das Prickeln seiner leichten Körperbehaarung spürten, die sich über seinen Oberkörper ausbreitete. Dann ergriffen seine Hände ihre Hüften und zogen sie gegen seine Schenkel.
„Er wird wissen, dass ich dich angefasst habe.“ Seine Lippen hatten sich zu einem Lächeln verzogen. „Du bist wie purer, reiner Alkohol, Kelly. Und du steigst mir noch schneller zu Kopf.“
Sie hatte Schwierigkeiten gehabt, zu atmen, die Explosion aus Befriedigung und Freude zu beherrschen, die durch ihren Blutkreislauf raste.
„Ich reise morgen wieder ab, Baby.“ Zuerst hatten die Worte keinen Sinn ergeben. „Ich habe mich für eine weitere Diensttour verpflichtet. Verdammt gute Sache, denn sonst würde es ganz sicher damit enden, dass ich das hier tue und es für uns beide gründlich versaue.“
Qual war durch ihren Körper geschossen, während gleichzeitig die Lust in zersplitterte, leuchtende Strahlen von Gefühl explodierte. Seine Lippen hatten ihre bedeckt, seine Zunge neckte sie, als er ihren Kuss kostete, und dann die Tränen, die aus ihren Augen rannen.
„Ein Kuss, Baby. Nur diesen einen. Verdammt, du wirst mir das Herz brechen.“
Er hatte sie geküsst, als würde er ohne sie verhungern. Eine Hand hatte er in ihrem langen Haar vergraben, die andere umspannte ihre Brust, während sein Daumen über den angeschwollenen Nippel rieb. Ihr Stöhnen vermischte sich, die Sommernacht hüllte sie ein. Die harte Länge seines Schwanzes hatte sich zwischen ihre Schenkel gepresst. Sogar durch das dicke Material seiner Jeans hatte sie das Pochen seiner Erektion gespürt, die Länge, das Versprechen von Leidenschaft und Befriedigung.
„Geh nicht“, hatte sie geflüstert, als sie sich von ihm zurückzog. „Verlass mich nicht, Rowdy.“
„Wenn ich es nicht tue, zerstöre ich uns beide für immer.“ Er hatte sie von sich geschoben, auf sie hinabgestarrt, in seinen Augen raste die Lust. „Vergiss mich nicht, Darling, denn es ist sicher wie die Hölle, dass ich dich nicht vergessen werde.“
Er hatte sie niemals wieder angefasst. Er hatte sie ans Ufer zurückgebracht und war mit ihr die kurze Strecke bis zum kleinen Parkplatz über dem Point gegangen. Dort hatte er sie in ihr Auto gesetzt und sie nach Hause geschickt. Und am nächsten Morgen war er weg. Seitdem hatte er sie nie wieder berührt. Sie hatte von Fantasien und Träumen gelebt, denn Rowdy hatte ihr klar gemacht, dass es keine Wiederholung dieser Vorstellung geben würde. Und sie hatte für seine Rückkehr Pläne geschmiedet. Sie war aus dem Haus ihrer Mutter in eine kleine Wohnung in der Stadt gezogen. Dann hatte sie begonnen, jeden Monat den örtlichen Beauty-Salon aufzusuchen, wo sie regelmäßig gezupft, gewachst, getönt und gecremt wurde. Für eine viel zu kurze Zeit.
Drei Monate nach ihrem Auszug waren all ihre Träume zu Asche zerfallen und Angst hatte ihren Platz eingenommen. Ihre eigene Dummheit hatte zum Verhängnis geführt, und sich selbst von den Schatten der Angst zu befreien, kostete sie all ihre Kraft, wie ihr inzwischen klar war.
Sie wusste nicht, ob sie es schaffen würde, wenn sie zusätzlich noch mit Rowdy und ihrem Verlangen nach ihm zurechtkommen musste. Sie lehnte ihren Kopf gegen die Duschwand, ihr Atem stockte, während sie mit den Tränen kämpfte. Er wusste, dass etwas nicht stimmte. Es gab keine Möglichkeit, das zu verbergen. Wenn sie ihn jetzt ansah, erkannte sie nicht nur den Mann, in den sie seit Kindheitstagen verliebt gewesen war. Sie sah jemanden, den sie nicht bekämpfen konnte, von dem sie sich nicht befreien konnte, selbst wenn sie musste. Sie sah die Bedrohung.
Sie ballte die Fäuste, drückte sie gegen die Fliesen. Zorn baute sich in ihrer Brust auf, bis sie sich fragte, ob sie es schaffen würde, die Schreie zurückzuhalten, die sich in ihrer Kehle bildeten.
Sie liebte ihn. Sie hatte ihn immer geliebt. Hatte von ihm geträumt, sich nach ihm verzehrt, auf ihn gewartet. Und jetzt war sie sogar zu verängstigt, um ihn zu Hause willkommen zu heißen.
Bist du mein gutes Mädchen, Kelly?
Sie zuckte bei der Erinnerung an die kratzige Stimme an ihrem Ohr zusammen, als ein harter Männerkörper sie heruntergedrückt hatte und routinierte Finger sich einen Weg zwischen ihre Hinterbacken suchten. Er hatte ihre Gegenwehr ignoriert, ihre gedämpften Schreie durch den Knebel in ihrem Mund.
Sie hatte aus den zahlreichen Schnitten geblutet, die er ihr zugefügt hatte, nachdem er sie mit gespreizten Beinen auf ihr Bett gefesselt hatte. Die Wunden hatten wie Feuer gebrannt, während sie bluteten, das Adrenalin hatte ihr Blut zum Rasen gebracht, sodass es aus den Schnitten rann. Es hatte sie geschwächt, hatte ihr Denken erschwert, es schwierig gemacht, den lose angebrachten Knebel so weit herauszuschieben, dass es für einen durchdringenden Schrei reichte, als er versuchte, in ihren Hintern einzudringen.
Gott, sie hasste die Erinnerung daran. Hasste das Gefühl der Hilflosigkeit, das sie verfolgte, sogar jetzt. Sie war unfähig gewesen, zu kämpfen, unfähig gegen das zu protestieren, was er ihr antat. Und die Albträume, die sie davon hatte, ließen sie in den dunkelsten Stunden der Nacht zittern.
Sie hatte Angst gehabt, dass Rowdy es erfahren könnte. Fürchtete, dass er ihr die Schuld geben würde.
Aber noch mehr Angst hatte sie um Rowdy gehabt. Er wäre niemals im Dienst geblieben, wenn er gewusst hätte, was zu Hause vor sich ging. Er wäre gegangen, mit oder ohne Erlaubnis, und wäre zurückgekehrt, um Rache zu nehmen. Rowdy beschützte die, die ihm am Herzen lagen und Kelly wusste ohne den geringsten Zweifel, dass er nach Hause geeilt wäre, auch wenn das unerlaubte Abwesenheit bedeutet hätte.
Aber jetzt war Rowdy zu Hause und Kelly wusste, wenn er erst einmal die Wahrheit kannte, würde er keine Ruhe geben. Er würde den Stalker finden, der sie gequält hatte oder bei dem Versuch sterben. Und die Angst vor seinem Tod übertraf sogar die Angst vor der Bedrohung, der sie selbst ausgesetzt war. Denn ein Leben ohne das Versprechen, Rowdy zu sehen, sein Lachen zu hören und die dunkle Leidenschaft in seiner Stimme, war ein Leben, das Kelly nicht einmal in Erwägung ziehen wollte. Sie wusste, dass sie ein solches Leben nicht ertragen konnte.
Mit siebenundfünfzig Jahren war Ray Mackay immer noch ein kräftiger Mann, mit braunen Augen und Haaren, die immer noch viel von ihrer rabenschwarzen Farbe hatten. Sein vom Wetter gegerbtes Gesicht bekam um die Augen tiefe Lachfalten. Diese Augen waren gewöhnlich fröhlich, immer warm und freundlich, aber jetzt düster.
Rowdy wartete auf der vorderen Veranda des zweistöckigen, rot-weißen Farmhauses, als sein Dad in die Auffahrt bog und den dunkelgrünen Jeep Laredo neben Rowdys Harley parkte.
Maria Mackay stieg aus dem Jeep, bevor Ray den Motor ausschalten konnte. Sie rannte den Zementweg hinauf, ihre blau-grauen Augen waren besorgt, als sie seinen Blick trafen.
„Ist Kelly okay?” Maria Salyers Mackay war für ihre siebenundvierzig Jahre immer noch schlank. Die Sommershorts und das knappe weiße Baumwollshirt zeigten reizvoll ihre gebräunten Arme und Beine.
„Warum sollte sie nicht?“ Er lehnte sich gegen das Geländer und beobachtete sie mit verengten Augen. „Und warum habe ich das Gefühl, wenn ich angekündigt hätte, dass ich nach Hause komme, mir der Weg versperrt worden wäre?“
Er konnte es in ihrem Gesicht sehen, in dem ernsten Augenausdruck seines Vaters. Sie hatten ihn nicht erwartet, und es war ihnen unangenehm, dass er hier allein mit Kelly war. Und das kotzte ihn an. Was immer auch zur Hölle hier vor sich ging, eine Sache hätte in ihren Köpfen einzementiert sein müssen, und das war, dass er eher sterben würde, als Kelly zu verletzen.
„Ich würde dich nie von deinem Zuhause aussperren, Douglas.“
Er zuckte zusammen. Maria war die einzige Person, die ihn Douglas nannte, und ihre Stimme war dabei jetzt so schneidend wie ein scharfes Messer. Niemand nannte ihn Douglas, niemals. Aber zur Hölle, sie hatte ihn in der Schule unterrichtet und mit dieser Gewohnheit zu brechen, war nicht einfach.
Er verschränkte die Arme vor der Brust und starrte aufmerksam auf sie hinunter, als sie auf die Terrasse kam.
„Ich werde nach Kelly sehen.“ Sie ging zur Tür.
„Noch nicht.“ Er bewegte sich nicht und beabsichtigte auch nicht, dass seine Stimme sich warnend senkte, oder dass sein Körper sich anspannte, als er sah, dass eine Hauptinformationsquelle zu entkommen versuchte. Aber er wollte Antworten, und sie würde nicht wegrennen, bevor er diese hatte.
„Geh nur, Maria.“ Ray kam hinter ihr die Treppe hoch, seine großen Hände legten sich auf ihre Schultern und drückten sie tröstend. „Ich werde mit Rowdy sprechen. Wir kommen gleich rein.“
Sie sah zu Rowdy hoch, Sorge und Bedauern schimmerten in ihren Augen. Dann drehte sie sich zu ihrem Mann um, küsste ihn sanft auf die Wange und ging ins Haus.
Rowdy lenkte seine Aufmerksamkeit auf seinen Vater und beobachtete, wie er sich mit den Fingern durchs Haar fuhr, bevor er seine Hände in den Jeanstaschen vergrub.
„Wurde sie vergewaltigt?“ Rowdy hob die Wasserflasche an seine Lippen und nahm einen großen Schluck, während er beobachtete, wie sich Rays Augen vor Schmerz verdunkelten. Ray atmete rau aus, seine Schultern schoben sich vor, als er den Kopf senkte.
„Angegriffen“, murmelte er schließlich. „Sie wurde nicht vergewaltigt. Aber sie wurde sehr schlimm geschnitten und traumatisiert.“
Er hob den Kopf und Rowdy fragte sich, ob sein Vater jetzt die reine Mordlust in ihm brennen sehen konnte.
„Wer hat das getan?“ Er hielt seine Stimme unter Kontrolle, ruhig. Ray schüttelte langsam den Kopf, seine Miene war bedrückt.
„Sie hat sein Gesicht nicht gesehen. Es gab keine Hinweise, wer er war oder warum er sie angegriffen hat.“
Rowdy zerdrückte die Wasserflasche in der Hand, das Wasser spritzte über seine Finger, bevor er begriff, was er getan hatte. Er zwang sich, das Plastik loszulassen, stellte es auf das Geländer und sah seinen Vater an.
„Wo ist es passiert?“
„Sie ist direkt nach deinem letzten Besuch ausgezogen“, seufzte Ray. „Eine nette kleine Wohnung in der Stadt, neben der von einer ihrer Freundinnen. Ein paar Wochen später begann sie, seltsame Anrufe zu bekommen. Die Anruferkennung konnte sie nicht nachverfolgen. Wir brachten neue Schlösser an ihrer Tür und den Fenstern an, aber du weißt, wie sie ist.“ Ray schüttelte müde den Kopf. „Sie mochte es, bei leicht geöffnetem Fenster zu schlafen. Sie dachte, dass sie sicher wäre. Sie glaubte, dass sie es hören würde, wenn jemand die Feuerleiter herunterzieht. Aber so war es nicht. Der Freund ihrer Nachbarin hörte ihre Schreie und trat die Tür ein, aber er hatte sie schon verletzt. Der Angreifer entkam aus dem Fenster, bevor der Junge ihn kriegen konnte.“
Kurz und auf den Punkt. Und er verbarg etwas, Rowdy konnte es fühlen. Er starrte seinen Vater an, schweigend, prüfend, wissend, dass er es ihm letztlich sagen würde. Rowdy würde ihm keine Wahl lassen. Ray erwiderte seinen Blick, dann sah er weg. Er biss die Zähne zusammen, Wut glitzerte in seinen Augen.
„Es war kein normaler Angriff“, murmelte er schließlich. Rowdy fühlte, wie es ihm kalt den Rücken hinunterlief.
„Was meinst du damit?“ Er musste die Worte durch seine Kehle zwingen.
Ray hustete nervös. „Er hatte vor, sie anal zu vergewaltigen. Es ist ihm fast gelungen.“
„Drecksau! Gott! Verdammt!“ Rowdy rannte über die Veranda, fuhr sich mit den Händen über den Kopf, bevor er wütend seinen Nacken umspannte. „Der Hurensohn!“ Sein Körper zog sich zusammen, als er darum kämpfte, ein Aufheulen puren Zorns zurückzuhalten. Dann wirbelte er herum und starrte seinen Vater an. „Warum, zur Hölle, hast du es mir nicht erzählt?“
„Teufel, Rowdy, was hättest du denn tun können?“, sagte Ray mit zornerfülltem Gesicht. „Sie hat uns darum gebeten, es dir nicht zu sagen. Du warst am anderen Ende der Welt, ohne Aussicht darauf, bald nach Hause zu kommen. Es gab nichts, was du hättest tun können.“
„Oh doch“, schnauzte er. „Sie hätten mich nach Hause gehen lassen oder hätten mit den Folgen leben müssen. Das ist keine Entschuldigung.“
„Genau.“ Sein Vater wurde vor Ärger rot. „Du wärst ohne Erlaubnis nach Hause gekommen und hättest dem Kind damit noch mehr Unruhe gebracht. Denkst du, wir haben nicht gewusst, was vor sich gegangen ist, bevor du das erste Mal gingst? Du konntest deine Augen nicht von ihr lassen, und sie war nur ein Kind. Vier Jahre später warst du für drei Monate zurück, und es war noch schlimmer. Sie brauchte das nicht. Der Angriff war zu brutal, und sie war so verdammt verletzlich. Ich war einverstanden zu warten, bis du zurückkommst, und ich stehe zu dieser Entscheidung.“
„Verdammt.“ Rowdy wühlte mit den Fingern durch sein Haar, bevor er sie beinahe mit Gewalt um seinen Nacken spannte. „Verflucht noch mal, Dad. Wer konnte ihr das antun?“
Ray schüttelte den Kopf. „Es gab letzten Sommer eine Menge Vergewaltigungen. Mehrere Mädchen in den umliegenden Gemeinden wurden attackiert, alle anal. Keiner fing den Bastard, und der Sheriff hat keine Hinweise. Sie beginnt es endlich zu verarbeiten, Rowdy, bekommt sich wieder in den Griff. Aber eine Zeitlang war es schlimm. So schlimm, dass wir uns fragten, ob sie jemals wieder das Haus verlassen würde.“
Und niemand hatte es ihm gesagt.
„Sieh mal, Sohn“, Ray atmete schwer. „Ich weiß, wie es war, als du das letzte Mal zu Hause warst. Mit ihr.“ Er wand sich unbehaglich. „Ich weiß von den Spielchen, die du, Dawg und Natches veranstalten. Und Kelly weiß es auch. Erwarte nichts von ihr. Hast du mich verstanden?“
Rowdy starrte seinen Vater überrascht an. Verdammt, genau das brauchte er jetzt.
„Was soll ich dazu sagen?“, fragte er seinen Vater sanft.
Ray schüttelte den Kopf. „Ich will nicht, dass du irgendetwas sagst, Sohn. Ich möchte, dass du Kelly zu dir kommen lässt. Sie hat sich vor deiner Rückkehr zu Tode gefürchtet, und ich weiß nicht, warum. Ich weiß, dass du ihr nie wehtun würdest, aber ich weiß auch von diesen kleinen Affären, die du und deine Cousins hatten.“
Und sein Vater vermutete, dass sie sich jetzt vor ihm fürchtete. Rowdy konnte es in Rays Augen sehen, es in der Luft um sie herum fühlen. Und er hatte vermutlich recht. Gott stehe dem Bastard bei, der sie angefasst hatte, denn wenn Rowdy ihn jemals fand, würde er ihn zu Hackfleisch verarbeiten.
„Ich gehe zum Boot.“ Rowdy atmete schwer. Er brauchte Zeit zum Nachdenken, Zeit, um aus all dem schlau zu werden.
Ray blinzelte mehrmals, sein Gesicht zeigte seine Emotionen, als er sich schnell von Rowdy abwandte und zum Haus ging. Er hielt an der Tür an, drehte sich zu seinem Sohn um und sagte: „Habe ich dir je gesagt, wie stolz ich auf dich bin, Junge?“
Rowdy schnaubte. „Hör auf, mich Junge zu nennen, Pop. Du ruinierst noch meinen Ruf.“
Seine eigenen Emotionen ließen seine Kehle eng werden. Er wusste, was sein Vater ihm sagen wollte.
„Ich bin stolz, Junge“, murmelte er. „Verdammt stolz.“
Dennoch fühlte Rowdy sich wie ein Versager. Er hatte es nicht geschafft, die einzige Frau, die je sein Herz gewonnen hatte, zu beschützen, weil er viel zu sehr damit beschäftigt gewesen war, vor ihr davonzulaufen. Er hätte zu Hause sein sollen, er hätte sie in seinem Bett festhalten, sie bis zur Erschöpfung lieben sollen. Wenn er seinen Anspruch geltend gemacht hätte, wäre sie nicht in dieser verdämmten Wohnung gewesen.
Er atmete tief ein, bevor er sich der Tür zuwandte. Sein Seesack war in seinem alten Zimmer. Nicht, dass er viel im Haus war, wenn er die Sommer zu Hause verbrachte. Er hatte die Tasche aus Bequemlichkeit dorthin geworfen und jetzt würde er sie holen müssen.
Rowdy zog die Tür auf und ging ins Haus. Dann hielt er abrupt an. Kelly stand auf dem oberen Treppenabsatz, ihr Gesicht schneeweiß, ihr langes, feuchtes Haar hing über das verdammte, formlose T-Shirt, ihre Hände waren verkrampft. Ihre Lippen zitterten, ihre Augen waren groß und dunkel und füllten sich mit Tränen. Rowdy sah weg, kämpfte um seine Beherrschung, bevor er sich ihr wieder zuwandte und langsam die Treppe hochstieg. Noch mehr Tränen sammelten sich in ihren Augen, eine fiel herab, als sie zurücktrat, sodass er neben ihr stehen konnte. Gott, er wollte diese Träne wegwischen, wollte den verzweifelten Schmerz in ihren Augen auslöschen.
„Es tut mir leid“, flüsterte sie mit heiserer Stimme. „Es tut mir so leid, Rowdy.“
„Warum?“ Er stellte diese Frage sanft und war sich bewusst, dass seine Mutter irgendwo im Flur stand und sein Vater in der Eingangshalle.
„Ich war nicht vorsichtig …“
„Nein.“
Sie zuckte zusammen, als er das Wort hervorpresste.
„Es muss dir nicht leidtun, Baby. Das war nicht deine Schuld.“ Seine Arme hingen schlaff an seiner Seite, seine Welt lag zerbrochen vor seinen Füßen, und er konnte sie nicht einmal halten. Konnte sie nicht trösten. Es zerriss sein Inneres in Stücke. „Ich bin auf dem Boot, wenn du mich brauchst. Ich werde immer da sein, wenn du mich brauchst.“
Und momentan war das das Einzige, was er ihr geben konnte. Es war alles, was er hatte. Er entfernte sich von ihr und ging zu seinem Schlafzimmer, ignorierte dabei Marias geflüstertes „Douglas?“ und öffnete die Tür. Sein Seesack lag immer noch auf dem Bett, unausgepackt.
„Meine restlichen Sachen hole ich später.“ Er nahm den Seesack und sah sich beim Umdrehen seinem Vater gegenüber, der ihm ins Zimmer gefolgt war.
„Sieh zu, dass du zum Abendessen zu Hause bist“, grummelte Ray mit rauer Stimme. „Vergiss nicht, dass du auch in diesem Haus Familie hast.“
Rowdy zwang ein Lächeln auf seine Lippen, als er den Seesack von Bett riss und zur Tür ging.
„Ich komme zum Essen. Morgen.“ Er nickte. „Heute Abend habe ich ein paar Dinge zu erledigen.“
Er ging auf den Flur und hielt an, sah zu Kelly, die auf dem Treppenabsatz stand, die Augen groß vor Schmerz.
„Komm zum Boot, wann immer es nötig ist, Baby“, sagte er ihr sanft. „Jederzeit, Baby.“
Er war wegen ihr zurückgekommen. Das versteckte er nicht mehr, nicht vor seinem Vater, nicht vor ihr. Ein Schimmer von Überraschung füllte ihre Augen und ihre blasse Haut rötete sich ein wenig. Zumindest sah sie nicht mehr verschreckt aus. Das bedeutete allerdings nicht, dass sie sich erholt hatte. Wut fraß ein Loch in seine Eingeweide und raste mit genug Macht durch sein Blut, dass er sich fragte, wie gut seine Selbstbeherrschung jetzt war.
Er wollte den Bastard umbringen, der ihr das angetan hatte. Er wollte den Schmerz aus ihrer Erinnerung löschen und sie stattdessen mit Freude füllen. Aber bis er sich nicht selbst unter Kontrolle hatte, gab es keine Hoffnung, dass ihm das gelingen würde.
Eine Stunde später fuhr Kelly ihr Auto auf den Parkplatz des Jachthafens und sah zu der Reihe von Booten am Ende der Docks hinüber. Die Nauti Boys waren alle da. Die Nauti Buoy, die Nauti Dawg und die Nauti Dreams. Sie konnte Rowdy auf dem Oberdeck sehen. Er trug eine abgeschnittene Hose, sein Oberkörper war nackt und er sah aus wie ein Sonnengott, während er sich aufrichtete und zum Parkplatz rüber sah.
Sie musste mit ihm reden.
Sie legte ihren Kopf auf das Lenkrad, schloss die Augen und fühlte ihr Herz unruhig in ihrer Brust hämmern. Angst oder Aufregung? Beides, wie sie sich selbst eingestand. Das Wissen, dass er zurück war, ließ Hitze durch ihren Körper rasen, wenn auch Furcht die Erregung überschattete. Sie war Jungfrau, aber sie war nicht unwissend. Sie wusste, was diese Anspannung zwischen ihren Schenkeln bedeutete, und diese war stärker als jemals zuvor. Sie schnappte ihre Handtasche, öffnete die Tür und stieg aus. Sie sah sich um und spürte die kriechende Furcht, die ihr immer folgte, wenn sie das Haus verließ. Kelly nahm die Schultern zurück und ging auf die Docks zu. Sie hob ihren Kopf und fixierte ihren Blick auf Rowdy. Er beobachtete sie, wobei die Sonnenstrahlen liebevoll seinen harten, muskulösen Körper hervorhoben. Der Anblick ließ sie schwer atmen, ihren Mund wässerig werden und ihre Hände zittern.
Sie wandte den Blick von ihm ab, trat auf den schwimmenden Steg und hielt auf das hintere Ende der Docks zu. Es gab ein halbes Dutzend Reihen Andockstellen in diesem Bereich des Jachthafens. Das waren die preisgünstigsten Plätze und am weitesten vom Büro des Jachthafens entfernt.
Die Boote von Rowdy, Dawg und Natches lagen auf den letzten drei Plätzen, zufällig auch dort, wo die meisten Enten sich versammelten. Dawg war dafür bekannt, sie den ganzen Tag zu füttern.
Als sie sich der Nauti Buoy näherte, öffnete sich die Schiebetür an Deck, und Rowdy kam heraus. Dunkelgoldene Muskeln glänzten vor Schweiß, als er sich an den Türrahmen lehnte, seine Daumen steckten in den Taschen seiner zerschlissenen, abgeschnittenen Hose. Er beobachtete sie.
„Erlaubnis an Bord zu kommen?“ Ein nervöses Lächeln zitterte auf ihren Lippen.
„Immer.“
Seine tiefe Stimme raste über ihre Nervenenden und sandte Hitzeschauer aus, die über ihre Haut leckten. Er zog sich ins Innere des Hausbootes zurück, seine Wimpern senkten sich über seine strahlenden Augen, während er sie beobachtete. Kelly trat auf das kleine Deck und bemühte sich, das Zittern ihrer Knie zu ignorieren, während sie es überquerte und den Hauptbereich des Bootes betrat.
Sie wusste seit vier Jahren, dass er sie, wenn er endgültig nach Hause kam, für immer für sich beanspruchen würde. Wie ein unreifes Kind hatte sie auf ihn gewartet und dabei Träume und Fantasien gesponnen, wie es sein würde, wenn er endlich nach Hause kam. Irgendwie hatte sie gewusst, dass es seine letzte Diensttour sein würde, trotz seiner Drohungen, sich wieder zu verpflichten. Letztes Jahr hatte sie es gespürt. Etwas an ihm hatte sich verändert, die Art, wie er sie ansah, die Spannung, die von ihm ausging, wann immer sie zusammen waren.
So wie jetzt. Sie konnte die Spannung fühlen, in und um ihren Körper herum. Es erinnerte sie an die Wünsche und eindeutigen Fantasien, die sie während all der Jahre gequält hatten.
„Durstig?“
Er ging zum Kühlschrank, öffnete ihn und zog ein Bier heraus, das er einladend hochhielt.
„Nein.“
Sie schüttelte den Kopf, schob ihr Haar von den Schultern und musterte ihn verlegen. Gott, sie hatte keine Ahnung, was sie zu ihm sagen sollte. Er starrte sie weiterhin nur aufmerksam an.
„Es tut mir leid“, seufzte sie. Sie wusste nicht, was sie sonst sagen sollte. „Es war meine Schuld, dass Ray dir nicht erzählt hat, was passiert ist.“
Seine Lippen verzogen sich, als er den Kopf senkte und die Kränkung versteckte, von der sie wusste, dass er sie empfinden musste. Schließlich zuckte er mit den Schultern und hob den Blick. „Warum hast du ihn daran gehindert?“
Hastig blinzelte sie die Tränen weg, die ihre Augen zu füllen drohten.
„Du hättest nichts tun können.“ Sie zuckte schwermütig mit den Schultern. „Du warst am anderen Ende der Welt, Rowdy. Du warst nicht frei. Ich wollte nicht, dass du dir Sorgen machst.“
Er schnaubte. „Ich wäre nach Hause gekommen, Kelly. Es hätte keine Konsequenzen für mich gehabt.“ Und genau das war es, was sie gefürchtet hatte. Sie atmete tief ein.
„Ich bin okay. Ich bin bei einer Therapeutin gewesen, und sie hat mir wirklich geholfen. Es ist nur – manchmal habe ich immer noch Angst.“ Sie hob hilflos die Schultern. „Ich fühle mich wie ein Weichei.“
Und sie fühlte sich beobachtet. Verfolgt. Nicht, dass sie Ray oder ihrer Mutter gesagt hätte, was sie fühlte. Ihre Therapeutin hatte ihr versichert, dass das unter diesen Umständen normal war. Aber es zerstörte ihr Selbstvertrauen und hielt sie nachts wach. Seine Augen verdunkelten sich, als er langsam auf sie zukam. Instinktiv machte sie einen Schritt zurück.
„Du hast Todesangst vor mir“, sagte er sanft.
Sie konnte die dunkle Qual in seiner Stimme hören, sie in seinen Augen sehen.
„Ich habe keine Angst vor dir.“ Sie kämpfte gegen das Zittern ihrer Lippen an, als zu ihm hochstarrte, kämpfte darum, stillzustehen, statt davonzulaufen, wie sie es wollte.
„Wovor hast du dann Angst?“ Er streckte seine Hand aus und strich mit den Fingern über eine lange Locke, die ihr über die Schultern fiel. „Warum zitterst du, Kelly?“
„Du bringst mich immer zum Zittern.“ Sie biss sich bei diesem Eingeständnis auf die Lippen. „Jetzt …“ Sie sah ihn unglücklich an. „Ich habe keine Angst vor dir, Rowdy, aber vergessen … manchmal kann ich nicht vergessen.“
Sein Daumen strich über ihre Wange, nahm ihr fast den Atem mit der unterschwelligen Sinnlichkeit seiner Berührung.
„Wirst du weiter weglaufen, Kelly?“, fragte er. „Du weißt, wenn du mir erzählt hättest, was passiert ist, wäre ich nach Hause gekommen. Hättest du damit nicht umgehen können?“
„Du konntest nicht nach Hause kommen …“
„Blödsinn!“, sagte er grollend. „Ich hätte einen Weg zurück zu dir gefunden, das wusstest du. Aber du hast dir von meinem Dad und offenbar auch von meinen Cousins versprechen lassen, dass sie es geheim halten. Du hattest Angst vor mir.“