Zum Autor
Wilhelm Schmid, geboren 1953 in Billenhausen (Bayerisch-Schwaben), lebt als freier Philosoph in Berlin und lehrt Philosophie als außerplanmäßiger Professor an der Universität Erfurt. Umfangreiche Vortragstätigkeit, seit 2010 auch in China. 2012 wurde ihm der deutsche Meckatzer-Philosophie-Preis für besondere Verdienste bei der Vermittlung von Philosophie verliehen, 2013 der schweizerische Egnér-Preis für sein bisheriges Werk zur Lebenskunst. Er studierte Philosophie und Geschichte in Berlin, Paris und Tübingen. Viele Jahre war er tätig als Gastdozent in Riga/Lettland und Tiflis/Georgien sowie als »philosophischer Seelsorger« an einem Krankenhaus in der Nähe von Zürich/Schweiz.
Homepage: www.lebenskunstphilosophie.de
Twitter: @lebenskunstphil
Zu den Illustratorinnen
Alexandra Klobouk, geboren 1983 in Regensburg, ist Kulturillustratorin und Autorin. Ihre Bücher wurden bereits zweifach unter die 25 schönsten deutschen Bücher gewählt, zuletzt gestaltete sie eine Spezialausgabe über Lissabon für das ZEITmagazin. Im Frühjahr 2014 erschien ihr Buch Die portugiesische Küche, das sie gemeinsam mit Eva Gonçalves gestaltet hat. Alexandra Klobouk lebt in Berlin.
Eva Gonçalves, geboren 1983 in Südportugal, arbeitet als Designerin, Artdirektorin und Autorin in Berlin und Lissabon. Neben ihrer gestalterischen Arbeit ist sie Mitherausgeberin des Berliner Interviewmagazins mono.kultur und schreibt für Blogs und Printmedien über Kunst und Design. Eva Gonçalves und Alexandra Klobouk arbeiten regelmäßig an gemeinsamen Projekten.
Vom Glück
der Freundschaft
Mit Illustrationen von Alexandra Klobouk und Eva Gonçalves
Insel Verlag
eBook Insel Verlag Berlin 2014
Der vorliegende Text folgt der 1. Auflage der Ausgabe der Insel-Bücherei 2505.
© Insel Verlag Berlin 2014
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Umschlaggestaltung: Alexandra Klobouk und Eva Gonçalves
eISBN 978-3-458-73804-6
www.suhrkamp.de
Vorwort
1. Beste Freundin, bester Freund: Was ist Freundschaft?
2. Das Glück, das in der Freundschaft zu finden ist
3. Die Probleme, mit denen die Freundschaft konfrontiert ist
4. Die Grundlage für vieles: Mit sich selbst befreundet sein
Textnachweis
Die Freundschaft gewinnt immer mehr Freunde! Das ist erfreulich, aber waren es nicht immer schon viele? Ja, aber nicht immer aus denselben Gründen. In einer vormodernen dörflichen Welt ließ es sich kaum vermeiden, mit allen mehr oder weniger befreundet zu sein. In einer modernen städtischen Welt hingegen muss nach Freunden gesucht werden wie nach seltenen Pflanzen, auch das Internet muss dafür herhalten, wie für alle Verzweiflungstaten. War die Freundschaft einst eine Beziehung fürs Leben, sofern nichts Schlimmes dazwischenkam, ist im Laufe der Moderne aus ihr, wie aus der Liebe, eine Lebensabschnittsbeziehung geworden, die so lange vorhält, bis man sich eben wieder aus den Augen verliert.
Wertvoll ist sie dennoch, denn die Freundschaft bildet ein Gegengewicht zu den funktionalen Beziehungen, die das Leben in der modernen Lebens- und Arbeitswelt zum Teil leichter, zum anderen Teil aber schwerer machen: Leichter, da diese Welt auch dann gut funktioniert, wenn die Menschen sich gar nicht persönlich kennen. Schwerer, da sie sich auch dann nicht unbedingt als Individuen zur Kenntnis nehmen, wenn sie nebeneinander leben und arbeiten – null Bindung, null Berührung. Viele erfahren jedoch die emotionale Leere, die das perfekte Funktionieren einer Gesellschaft von Funktionsträgern in ihnen hinterlässt, als unerträgliche Belastung ihres Seins.
Das ist sicherlich ein Grund dafür, dass die Freundschaft wiederentdeckt wird, online wie offline. Aufgrund drohender sozialer Vereinsamung rückt sie wieder stärker in den Blick. Welche Freude, wenn unter den vielen Gesichtern, denen wir täglich begegnen, eines aus der Anonymität hervortritt: Ein Bekannter, ein Freund. Die Freiheit, die moderne Menschen so sehr lieben, ist nicht mehr nur die jederzeit mögliche negative Form der Befreiung voneinander. Zu entdecken ist auch mehr und mehr die positive Form, aus freien Stücken aufeinander zuzugehen und beieinander zu bleiben, um das Leben gemeinsam zu bewältigen. Freundschaft ist die frei gewählte Beziehung schlechthin, in ihr lässt sich erlernen und einüben, wie Beziehungen zwischen Menschen gestaltet und schön gestaltet werden können. Erfahrbar wird auch, wie schwierig das sein kann und wie sich dennoch Formen des Lebens finden lassen, in denen sich jeder unangemessene Egoismus von selbst relativiert.
Eine freie Beziehung ist in moderner Zeit auch die Liebe, aber die Liebenden müssen oft erhebliche Einbußen an Freiheit in Kauf nehmen, gebunden an den Affekt ihres Begehrens, gebunden an die Gewohnheiten des intimen Zusammenlebens im Alltag, gebunden an die Ausschließlichkeit ihrer Beziehung, die Nebenformen nicht ohne weiteres zulässt. Die freie Bindung der Freundschaft hingegen erlaubt Kreuz- und Querverbindungen aller Art und kann auch in weitläufigen Freundeskreisen gelebt werden. Modernen Freiheitsansprüchen kann sie besser Rechnung tragen, während die Liebe unter ihnen leidet. In dem Maße, in dem die Liebe schwieriger wird, wird die Freundschaft interessanter. Kann es jemals gelingen, beide Arten von Beziehung zu amalgamieren?
Freundschaft zu pflegen, wird jedenfalls zu einem Element der Lebenskunst, wenn Menschen bewusst wird, wie unverzichtbar diese Beziehung für ein schönes, bejahenswertes Leben ist. Ein erfülltes Leben bedarf enger Beziehungen zu Anderen, ihrer Nähe, Zuwendung und Berührung, denn ein unvergleichlicher Reichtum von Selbst und Welt ist auf diese Weise zu erfahren. Gemeinsam können die Freunde in ihrer Vertrautheit wohnen, so sehr, dass sich sagen lässt: Das Selbst bleibt arm und verzweifelt einsam, wenn es ohne Freunde bleibt. Sogar ein guter Teil des Lebenssinns ist in der Freundschaft erfahrbar: Gemeinsam können die Freunde dem Leben Sinn geben, und doch hängt nie aller Sinn vom Gelingen einer einzigen Beziehung ab. Daher widmet eine wachsende Zahl von Menschen der Anstrengung, Freunde zu gewinnen und Freundschaft zu pflegen, neue Aufmerksamkeit in ihrem Leben.
Zweifellos ist die Freundschaft ein Rückzug in die private Nische: Dass sie dies möglich macht, ist ja gerade das Schöne an ihr. Zugleich wirkt sie sich unwillkürlich über das Private hinaus auf die Gestaltung der gesamten Gesellschaft aus. Ob und wie Gesellschaft zustande kommt, hängt davon ab, ob und wie Individuen gesellig sind. Darauf aufmerksam zu sein, heißt nicht etwa, darauf hinzuarbeiten, dass die gesamte Gesellschaft nur noch aus Beziehungen der Freundschaft besteht: Das wird nie der Fall sein. In Frage steht jedoch, vor allem angesichts der Dominanz funktionaler Beziehungen, ob die moderne Gesellschaft etwas freundlicher werden kann, indem einzelne Menschen in ihrem Leben selbst mehr Gewicht auf Freundschaft legen.
Ist Freund aber immer gleich Freund? Dass es verschiedene Arten von Freundschaft gibt, wissen alle aus Erfahrung. Schon im 4. Jahrhundert v. Chr. traf Aristoteles (Nikomachische Ethik) Unterscheidungen hierzu, die noch immer hilfreich sind und in diesem Buch wiederaufgenommen werden sollen: Eine Freundschaft ist vorzugsweise am gemeinsamen Spaß orientiert. Eine andere hat den Nutzen im Blick. Aber eigentlich träumen alle von der wahrenvirtuelle