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Impressum
Mrs Mable - Tod im Wellness-Tempel
Glossar
Die Autorin
Cozy Crime
Die Handlung und alle handelnden Personen sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden oder realen Personen wären rein zufällig.
In dieser Serie sind bereits erschienen:
Eudora Mable - Wie alles begann (kostenlose Prologstory)
Mrs Mable - Tod im Wellness-Tempel
Copyright © 2021 dieser Ausgabe by Ashera Verlag
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Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder andere Verwertungen – auch auszugsweise – nur mit Genehmigung des Verlags.
Covergrafik: adobeStock
Innengrafiken: iStock,
Szenentrenner: iStock
Coverlayout: Atelier Bonzai
Redaktion: Alisha Bionda
Lektorat & Satz: TTT
Vermittelt über die Agentur Ashera
(www.agentur-ashera.net)
„Nein, es ist keineswegs denkbar, auf eine Alternative zurückzugreifen. Und wenn Ihre Flexibilität und Gastfreundschaft schon bei einem simplen Earl Grey Fizz endet, wird Mistress Mable ihre Buchung zurückziehen und sich in einem anderen Wellness-Ressort einmieten. Die Toskana ist schließlich groß genug.“ Peter lauschte mit zusammengepressten Lippen den Ausführungen und Beteuerungen der Rezeptionsdame am anderen Ende der Leitung. Allein die Höflichkeit gebot ihm, sie nicht zu unterbrechen, sein Augenrollen konnte sie ja gottlob nicht sehen. Bei einem Hotel, das fast vierhundert Euro pro Nacht und Person berechnete, konnte man wohl verlangen, dass statt des hauseigenen Champagners ein anderer Begrüßungstrunk gereicht wurde. Auch wenn dies bedeutete, dass sich das Etablissement extra darum bemühen musste, die Zutaten aufzutreiben, wobei es sich in diesem Fall um ein simples Päckchen Earl Grey Tea handelte. Den Champagner hatten sie ja offenkundig bereits vorrätig, und in einer gut sortierten Hotelbar dürfte wohl auch am Wodka kein Mangel herrschen.
Er arbeitete jetzt seit einem guten Dreivierteljahr für die verwitwete Mrs Mable und hatte es bisher noch in jedem Hotel, in dem die reiselustige alte Dame residierte, geschafft, ihren heiß geliebten Earl Grey Fizz zugesagt bekommen.
„Nun lassen Sie es gut sein, Peter“, schaltete sich Jessica, Mrs Mables Enkelin ein. „Wir nehmen einfach eine Packung Twinings mit, und ich mixe Oma ihren Drink auf die Schnelle selbst.“
Peter hob die Hand, um zu signalisieren, dass er gerade auf dem besten Wege war. Seine Gesprächspartnerin wollte noch einmal mit der Geschäftsführung sprechen und bat ihn, kurz in der Leitung zu bleiben. Er nutzte die Gelegenheit und hielt die Sprechmuschel zu.
„Einen Teufel werde ich, Jessica. Ihre Granny bekommt immer ihren Earl Grey Fizz, egal ob wir auf den Seychellen oder in Timbuktu weilen. Da sollte es sich wohl auch in Italien einrichten lassen, und bei vierhundert Euro pro Nacht erwarte ich, dass die so eine Lappalie geregelt bekommen. Mich interessiert auch nicht, dass sie üblicherweise Pure Ceylon und Darjeeling anbieten, womit bisher alle Gäste zufrieden gewesen wären. Mrs Mable trinkt ausschließlich Earl Grey, auch zum Kaffee … äh … zur Teatime. Die drei Euro in eine Teepackung werden sie wohl investieren können.“
Es klickte in der Leitung, und während sich Jessica die Hand vor den Mund schlug, um ihr lautloses Lachen zu verbergen, widmete er sich wieder der Hoteldame, die gerade sehr überschwänglich wurde. Na bitte, es ging doch.
„Ach was?! Das ist ja wunderbar. Sehen Sie, schon verstehen wir uns. Ja, dann bleibt es dabei. Die Rosen-Suite, das Lavendel- und das Tulpenzimmer. Bestens! Vielen Dank. Wegen des Menüs melde ich mich nochmal.“ Er legte auf und ließ sich schnaufend auf den Sessel fallen. Manchmal waren die Arrangements für Mrs Mable anstrengender als eine Sightseeingtour mit einer Klasse pubertierender Teenager.
„Sie machen das wunderbar, Peter“, lobte Jessica und klopfte ihm auf die Schulter.
„Vielen Dank.“
Sie stellte sich hinter ihn und massierte sanft seine Schultern. Nach neun Monaten in Diensten der Mables kannte er die Enkelin seiner Brotgeberin gut genug, um das anhaltende Grinsen auf ihrem Gesicht ahnen zu können.
„Sie ist anstrengend, ich weiß.“
„Anstrengend ist gar kein Ausdruck. Aber wenn man so großzügig ist wie Ihre Granny, dann darf man auch gewisse Ansprüche erheben.“
Das war keineswegs zynisch gemeint. Peter Stone schätzte Eodora Mable sehr, die sich für fast nichts zu schade war. Wer Hilfe brauchte, dem half sie gerne, sofern es in ihren Möglichkeiten lag. Geld bedeutete ihr nicht viel, außer dass sie es mit Begeisterung nutzte, um ihre Reiselust auszuleben, ihre Lieben zu verwöhnen und Gutes zu tun, wo immer sich eine Gelegenheit dazu bot. Ihr verstorbener Ehemann hatte in seinem Leben ein hübsches Sümmchen mit acht Nullen daran gescheffelt und ihr dieses mit seinem plötzlichen Herzinfarkt überlassen.
Für Eodora war dieser nicht wirklich überraschend gekommen. Sie hatte seit Jahren darum gebeten, dass Winston einen Gang runterschaltete und sie zusammen die Welt bereisten, statt dass er nur dem schnöden Mammon hinterherjagte. Doch der Gute – Gott hab ihn selig – hatte davon nie etwas hören wollen. Sein Geschäft war sein Leben gewesen, seine Gattin nur schmückendes Beiwerk auf den vielen geschäftlichen Events. Sie durfte alles haben, was man mit Geld kaufen konnte, nur von ihm hatte sie reichlich wenig. Insbesondere nachdem mit zwei Söhnen und einer Tochter für die Nachfolge gesorgt war. Es hätte Winston vermutlich nicht einmal gekümmert, wenn sich Eodora einen jugendlichen Liebhaber genommen hätte, um ihre einsamen Stunden auszufüllen, und Peter wollte nicht wissen, wie viele in der Londoner High Society hinter vorgehaltener Hand mutmaßten, dass ihm eben diese Rolle zukam, doch Mrs Mable war von altem Schlag. Ehre und Treue gingen ihr über alles, damals wie heute. Also hatte sie sich mit ihrem arbeitssüchtigen Mann arrangiert und ihre Zeit abgewartet.
Es war ihr klar gewesen, dass er irgendwann die Quittung dafür bekam, seinem Körper keine Pause zu gönnen. Allerdings hatte sie gehofft, es werde ihn nicht gleich vollends dahinraffen. Ein kleiner Dämpfer hätte doch genügt. Aber wenn Winston etwas machte, dann richtig.
Eodora war allerdings auch kein Kind von Traurigkeit und Schwarz fand sie fürchterlich unkleidsam. Daher trug sie schon auf der Beerdigung ein lilafarbenes Kostüm, kümmerte sich nicht um die Entrüstung der buckligen Verwandtschaft und freute sich wenige Tage später bei der Testamentseröffnung, dass sie als Alleinerbin bestätigt wurde. Jessica freute sich als Einzige mit ihr. Der Fairness halber musste man sagen, dass diese Freude keine Maskerade war und Jessica zu diesem Zeitpunkt noch nicht den Hauch einer Ahnung von den Plänen ihrer Großmutter hatte, sie an diesem Erbe teilhaben zu lassen, indem sie Jessica auf alle Reisen mitnahm und ihr jeden Wunsch von den Augen ablas. Dass sie später Eodoras Erbe antreten würde, war zwar bereits besprochen, spielte aber offenbar für Jessica keine Rolle. Sie mochte vieles sein, ein Luxusweib war sie jedoch gewiss nicht. Peter wusste das alles deshalb so genau, weil er nur ein paar Wochen Monat vor dem Ableben Winston Mables von Eodora als persönlicher Assistent engagiert worden war und alles hautnah miterlebt hatte. Der ein oder andere mochte wie gesagt der Meinung gewesen sein, er sei tatsächlich ihr Loverboy, dem war jedoch keineswegs so. Mrs Mable sorgte lediglich vor, da sie allmählich des Herumsitzens im edlen Herrenhaus überdrüssig war und im Zweifelsfall auch ohne ihren Gatten die Welt zu bereisen gedachte. Ihr war Papierkram schon immer zuwider, Dinge organisieren zu anstrengend. Das alles hatte sie lieber ihrem Gatten überlassen, auch wenn sie dadurch ein eher langweiliges Leben führen musste. Für ihre Reisepläne stand Winston bedauerlicherweise nicht zur Verfügung, also sah sich Eodora anderweitig um.
Vielleicht – so mutmaßte Peter – waren die Kriterien für seine Anstellung daher unter anderem auch seine Spontanität und seine Vergangenheit als Globetrotter gewesen, die in Eodoras Augen Spannung und Aufregung verhießen. Jedenfalls gab es kaum einen Flecken auf dieser Erde, den er ihr nicht in lebhaften Schilderungen beschreiben konnte.
Diesmal war ihre Wahl auf die Toskana gefallen. Dort hatte sie schon kurz nach der Beerdigung hinreisen wollen, weil die Lavendelfelder dieselbe Farbe aufwiesen, wie das Kleid, das sie zur Beerdigung getragen hatte. Lediglich Peters Einwand, dass der Lavendel erst im Juni wieder blühte, hatte sie davon überzeugen können, zunächst einige andere Reiseziele anzustreben.
Nun aber wollte sie nicht länger warten und war noch immer von demselben Hotel überzeugt, dass sie schon letzten Herbst ausgesucht hatte. Ein Fünf-Sterne-Luxus-Wellness-Ressort mit allerhand Spa-Anwendungen, Silentium-Raum mit meditativer Musik und Licht-Farb-Spiel, Massagen, heißen Thermalquellen, Beauty-Anwendungen, Ayurveda, den üblichen Sauna- und Schwimm-Möglichkeiten, sowie einer unterirdischen Salzgrotte. Nicht zu vergessen die drei kulinarisch-exquisiten Restaurants. Eodora war schlicht der Meinung, dass sie, Jessica und Peter nach all dem Stress der Beerdigung und eines Unglücksfalles im Freundeskreis sowie den beiden Zwischenfällen ihrer ersten Reisen, eine Erholung dringend nötig hatten und die Toskana war nun mal von Beginn an ihr absolutes Traumziel gewesen.
„Immerhin ist man hier derart um das Wohlergehen seiner Gäste bemüht, dass wir wohl nicht befürchten müssen, in den nächsten Todesfall zu stolpern“, meinte Jessica optimistisch.
Peter entfuhr nur ein leises, ergebenes Seufzen. Seit dem toten Gärtner im Hause ihrer Freunde, der Pattersons, und dem Fund ihres verstorbenen Gatten schien Eodora irgendwie ein Händchen dafür zu haben, immer dort aufzutauchen, wo jemand gerade unter merkwürdigen Umständen das Zeitliche segnete. So waren sie bei ihrer ersten Reise auf einem Kreuzfahrtschiff Zeugen eines Todesfalls geworden, weil ein Gast an einer Gräte erstickt war. Hätte der überhebliche Schiffsarzt vom Nebentisch Peter das Feld überlassen, hätte er den armen Buchhalter sicher mit einem geübten Griff retten können. Und zwei Monate später bei einer Wanderung in den Rocky Mountains war einer ihrer Mitreisenden von einer Klapperschlange gebissen worden, während das Gegengift bedauerlicherweise durch eine Nachlässigkeit ihres Führers im Camp geblieben war. Beides simple Unglücksfälle, doch Eodora ließ sich nicht davon abhalten, solchen Dingen auf den Grund zu gehen. Es hätte ja auch ein Verbrechen dahinterstecken können. So wie man beim Gärtner zunächst vermutet hatte, bis Eodora das Ganze als eine tragische Verquickung von Notwehr und Unfall entlarvte.
Aber Jessicas Worte in Gottes Ohren, in einem Wellnesstempel dürfte die Gefahr tatsächlich eher gering sein, dass irgendwer verstarb. Dort ging es schließlich um Erholung.
„Oh, Jessi, Peter! Seht doch nur. Ist das nicht herrlich? Lavendel soweit das Auge reicht.“
Mrs Mable benahm sich wie ein aufgeregter Teenie und rutschte bereits die gesamte Fahrt, seit sie den Flughafen verlassen hatten, auf ihrer Sitzbank in der Limousine hin und her, um zu beiden Seiten aus dem Fenster sehen und die Landschaft bewundern zu können. Die rosa Zierfedern auf ihrem kleinen modischen Hut, hatten inzwischen arg gelitten und würden vermutlich nicht mehr zu retten sein.
„Die Lavendelfelder sind typisch für diese Gegend“, erklärte Peter geduldig.
„Und für diese Jahreszeit“, ergänzte Jessica. „Du siehst, deine Geduld hat sich gelohnt. Es wäre wirklich eine Verschwendung gewesen, wenn wir letzten November hergekommen wären. Ich glaube übrigens, das da hinten ist es schon. Unser Hotel meine ich.“ Sie deutete aus dem Fenster zu einem riesigen Gebäudekomplex mit etlichen, in Etagen angelegten Becken und einem nicht zur Gänze einsehbaren Garten, der gerade hinter einer Kurve auftauchte.
Peter jubilierte innerlich. Während Eodora sicher sogleich ihren Tatendrang ausleben würde, könnte er sich auf sein Zimmer zurückziehen. Die letzten sechsunddreißig Stunden hatte er kein Auge zugetan, weil eine quirlige alte Dame alle fünf Minuten nach ihm zu klingeln beliebte.
Ein schmächtiger Hotelpage mit kurzem schwarzen Haar und beinah ebenso dunklen Augen übernahm ihr Gepäck gleich in der Einfahrt. Der Ärmste musste viermal laufen, um alle Koffer und Taschen auf die Zimmer zu bringen. Allein Eodoras Hüte machten schon zwei Gepäckstücke aus. Für seine Mühe wurde er aber von ihr mit einem großzügigen Trinkgeld entschädigt, welches er breit grinsend entgegennahm.
„Danke Signora. Darf ich von Ihnen ein Foto machen? Für unsere Hotelgalerie.“
„Oh wie nett. Ist das nicht eine bezaubernde Idee, Peter? Jessica?“
Natürlich waren sie gerne bereit, sich werbewirksam in Szene setzen zu lassen. Und der Page, der sich als Miguel vorstellte – falls man später noch irgendwelche Wünsche hatte – wusste sehr gut, wo und wie er seine Motive ablichten musste.