Vorwort von Jane Goodall
Vorwort von Michael Aufhauser
Kapitel 1 - Von England auf den »dunklen« Kontinent
Kapitel 2 - Die ersten Jahre in Gombe
Kapitel 3 - Janeś Peak – von der Schimpansenforschung zur großen Liebe
Kapitel 4 - Familienleben im Dschungel von Gombe
Kapitel 5 - Chicago – der Wendepunkt in Jane Goodalls Leben
Kapitel 6 - Jane Goodall – Citizen of the World
Kapitel 7 - Konflikte zwischen Mutter und Sohn
Kapitel 8 - Die Gründung von »Roots & Shoots«
Kapitel 9 - Jane Goodall, Friedensbotschafterin der Vereinten Nationen
Kapitel 10 - Hühner statt Affenfleisch
Kapitel 11 - Jane Goodall zu Gast bei Angelina Jolie
Kapitel 12 - Die Tragödie der Lakota von Pine Ridge
Kapitel 13 - Mit Tom Mangelsen bei den Kranichen
Kapitel 14 - TACARE – Hilfe zur Selbsthilfe
Kapitel 15 - Der Zauber des »Hippo-Pools«
Kapitel 16 - Angaangaq, der Botschafter des schmelzenden Eises
Kapitel 17 - The Birches, der Mittelpunkt der Welt
Epilog
Bildteil
Über die Entstehung des Films
Anhang
Danksagung der Autoren
Es gibt solche Reisen, bei denen einfach alles schiefgeht und zum Schluss nicht einmal das Gepäck ankommt. Als Jane Goodall 2007 nach Salzburg kam, um einen Vortrag zu halten, hatte Sie eine solche Irrfahrt hinter sich und stand nach einem Tag, der unendlich lang für sie war, mit leeren Händen da. Wir hatten uns noch zu einem kurzen Gespräch getroffen, und als ich schon längst wieder zu Hause war und über Jane Goodall und den Abend nachdachte, fiel mir etwas ganz Triviales ein: die praktische Frage nämlich, wie sie wohl die Nacht in Salzburg ohne ihr Gepäck verbringen würde? Um Mitternacht bat ich einen Angestellten, ihr ein Notpaket im Hotel vorbeizubringen, mit einer Auswahl an T-Shirts. Seither sind wir innige Freunde und wir trafen uns wieder.
Einmal saßen wir gemütlich auf der Schweinewiese auf Gut Aiderbichl, auf der sich einige Dutzend gerettete Pietrainschweine aufhielten, denen durch die Gier der Menschen zusätzliche Rippen angezüchtet wurden. Es war, als wären wir alle zu einem gemeinsamen Picknick verabredet, wir und die Schweine. Für Jane Goodall alles Begegnungen auf Augenhöhe, egal ob mit Menschen oder Tieren. So war es offenbar ein Leben lang.
Auch zum Glück für die Schimpansen, die in den 60er-Jahren die Menschheit nicht wirklich interessierten. Jane Goodalls Beobachtungen, Begegnungen, ihre Interpretationen, waren die größte Chance unserer Verwandten, bis heute. Wir alle kennen Jane Goodalls Erlebnisse, und wenn sie die Namen ihrer freilebenden Schimpansen nennt, sind wir im Bilde: Persönlichkeiten, ausgestattet mit charakterlichen Eigenschaften, sie könnten auch Menschen sein. So einfach ist das bei der »Lebenserforscherin«, die in der Liste ihrer Mentoren auch ihren Hund Rusty nennt.
Ein bedeutender Moment in meinem Leben war die Entscheidung, 40 ex-Laborschimpansen und vier Tieraffen in den Verbund der Aiderbichler Lebenshöfe aufzunehmen. Pessimisten warnten mich, dass mich dieses Projekt überfordern würde. Jane Goodall riet mir zu und sah kein Problem darin, dass ich kein Schimpansen-Experte bin. Eine Warnung allerdings, war ihr wichtig: »Du lebst mit 1700 geretteten Tieren. Ihre Welt ist trotz des Leides, das sie ertragen mussten, jenseits von Gut und Böse. Schimpansen aber sind den Menschen ganz nahe verwandt und somit auch unberechenbar. Sei nicht enttäuscht, wenn du das herausfindest.«
Jeder kann sich vorstellen, wie groß für mich die Bedeutung des Films »Jane’s Journey« und des von Gerda Melchior und Volker Schütz eigens dazu geschriebenen Buches ist. Ich lerne nachträglich entscheidende Momente im Leben von Jane Goodall kennen. Der Regisseur des Films, Lorenz Knauer, hat so gedreht und geschnitten, als hätte man all das, was sie zur größten Botschafterin einer gesamtheitlichen Humanität in unseren Zeiten macht, persönlich miterlebt. Ein wichtiger Schlüssel, nicht nur zu ihr, sondern zur Wahrnehmung der Welt, getragen von der glaubwürdigen Hoffnung, auch in scheinbar ausweglosen Situationen immer Lösungen finden zu können. Resignation ausgeschlossen.
Wer Jane Goodall genau zuhört, versteht manchmal erst bei genauerem Nachdenken die Tragweite ihres Vortrags. Sie liebt Schimpansen. Also liebt sie auch Menschen. Oder umgekehrt. Die Reihenfolge spielt bei ihr keine Rolle. Es geht um die Achtung jeden Lebens und der Natur.
Sie spricht ruhig und scheinbar gelassen. Auch das gehört zu ihr. Sie verzichtet, selbst wenn sie müde sein müsste, auf Routine oder Stereotypen. Ich habe sie in »Jane’s Journey« zwar neu entdeckt, aber zugleich wiedergefunden. Sich treu geblieben ein Leben lang.
Es ist auch mein persönliches Lebensziel, das Verhältnis zwischen Mensch und Tier zu verbessern, Leid zu mindern und ein gemeinsames Zusammenleben zu ermöglichen. Mit dem Film »Jane’s Journey« und dem hautnahen Kontakt zu einem weltweiten Großprojekt und seinem ermutigenden Erfolg fällt mir meine Arbeit entschieden leichter.
Über Nacht ist wie ein Vorbote des nahenden Winters der erste Schnee gefallen und hat das alte, im viktorianischen Stil erbaute Backsteinhaus und seinen Garten mit den vielen Steinfiguren mit einer dünnen weißen Schicht überzogen. Alle Zimmer des Hauses sind dunkel, nur ganz oben, im Giebel, dringt durch ein kleines Fenster ein gemütliches Licht heraus und lässt eine Silhouette erkennen, die sich hinter der erleuchteten Scheibe bewegt.
Die Silhouette gehört einer zierlichen älteren Dame, die geschäftig im Zimmer hin und her geht. Ihr schulterlanges, graues Haar ist zu einem einfachen Pferdeschwanz gebunden, und ihr Gesicht strahlt gleichermaßen Güte wie Lebenserfahrung aus. Sie ist dabei, ihren Koffer für eine Reise zu packen. Wieder einmal, denkt sie bei sich. Aber ebenso wenig, wie sie weiß, wie oft sie dies noch tun wird, kann sie sich erinnern, wie oft sie dies in ihrem langen und ereignisreichen Leben schon getan hat.
Während sie ruhig und konzentriert ein Teil nach dem anderen in den Koffer legt, denkt sie auch darüber nach, was auf der vor ihr liegenden Reise alles passieren wird. Vieles wird so sein wie immer, und so manches völlig neu, aber sie ist für alles offen und freut sich auf alles, was geschehen könnte. Eines könnte wieder geschehen, denkt sie amüsiert, über das sie sich früher, als es noch häufiger vorkam, aufgeregt hat. Inzwischen ist es selten geworden, und wenn, dann nimmt sie es mit Gelassenheit und Humor.
Viele Menschen werden sie unterwegs erkennen und sie höflich ansprechen, auf der Straße, am Flughafen oder in der Lobby eines Hotels, und mit ihr reden wollen oder sie um ein Autogramm bitten, das sie ihnen bereitwillig geben wird. Aber manche Menschen werden sie ansprechen mit etwa den Worten: „Ich habe ihren Film gesehen, „Gorillas im Nebel“, und ich fand ihn wunderbar!“ In diesem Fall wird sie mit einem feinen und freundlichen Lächeln antworten: „So, sie fanden ihn wunderbar. Erinnern sie sich, dass die Dame am Ende getötet wurde?“ Wie üblich wird sie eine kurze Pause machen, um die Überraschung und die Verlegenheit ihres Gegenübers auszukosten, und dann nachsichtig lächelnd hinzusetzen: „Sehen sie, ich bin noch am Leben!“
Natürlich ist sie am Leben, denn sie ist nun einmal nicht Dian Fossey, sie ist Jane Goodall.
In ihrem Leben als Jane Goodall ist sie an dreihundert Tagen im Jahr in der ganzen Welt unterwegs, hält Vorträge und besichtigt Projekte des nach ihr benannten Instituts. Nur noch selten ist sie in ihrer Heimat England, und wenn, dann lebt sie dort, wo sie auch einen großen Teil ihrer Kindheit und ihre Jugend verbracht hat. Sie fühlt sich geborgen in The Birches, dem „Birkenhof“ in Bournemouth, unweit der Kanalküste, der schon ihrer Großmutter gehört hatte. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs, als Jane fünf Jahre alt war, wurde The Birches ihr Heim und ihr Zufluchtsort, und das würde es immer bleiben. Aber in den vergangenen drei Jahrzehnten war Reisen von Ort zu Ort, von einem Erdteil zum anderen, zu ihrem Lebensinhalt geworden, und manchmal muss sie morgens beim Aufwachen überlegen, in welcher Stadt oder in welchem Land ihr Hotelbett steht.
Jane Goodall schließt ihren Koffer und sieht sich noch einmal in ihrem Zimmer um, das Erinnerungsstücke an ihre Aufenthalte auf fünf Kontinenten beherbergt. Koffer packen ist für sie zur Routine geworden und geht schnell von der Hand, auch deswegen, weil sie mit wenig auskommt auf ihren Reisen. (was sie wie immer einpackt: Einen kleinen Tauchsieder, damit sie sich immer im Hotelzimmer Kaffee zubereiten kann, einen alten Nylonstrumpf als waschbaren Kaffeefilter und eine Dose mit Trockenmilch…eine Plastikflasche mit Whiskey, umgefüllt aus der Glasflasche, um Gewicht zu sparen! )Zwei Koffer und eine Reisetasche mit Kleidung und Unterlagen, das ist meist ihr ganzes Gepäck. Und das Wichtigste, das sie auch auf dieser Reise begleiten wird, kommt ohnehin niemals in einen der Koffer: „Mr. H.“, ein kleiner, grauer Stoffaffe, der gerade in eine frisch geschälte Stoffbanane beißen will. Er hatte ihr, während sie ihre Sachen packte, die ganze Zeit von der Fensterbank aus zugeschaut. „Mr. H.“ ist seit 13 Jahren wie selbstverständlich auf all ihren Reisen dabei, er hat auf ihrem Arm inzwischen 59 Länder besucht und die Bekanntschaft von mehr als drei Millionen Menschen gemacht.
Jane Goodall erzählt gerne, wie sie „Mr. H.“ von Gary Haun, einem guten Freund, zu ihrem Geburtstag geschenkt bekam. Gary hatte während seiner Dienstzeit bei den Marines sein Augenlicht verloren, aber das hielt ihn nicht davon ab, gegen alle Bedenken seiner Umgebung seinen Traum zu verwirklichen und Zauberer zu werden, um auf diese Weise Kinder glücklich zu machen. Während seiner Vorstellungen, wenn er seine Kunststückchen aufführt und mit sicheren Gesten aus einem Luftballon eine lebende Taube zaubert, dann merkt keiner seiner kleinen Zuschauer, dass er nicht sehen kann, erst ganz zum Schluss sagt er es ihnen und fügt dann hinzu: „Wenn in eurem Leben etwas schief geht, gebt niemals auf! Es gibt immer einen Weg nach vorn.“
Als Gary Jane damals den Stoffaffen überreichte, in dem Glauben, es sei ein Schimpanse, hatte sie ihn behutsam darauf aufmerksam gemacht, dass er dafür wohl die falsche Fellfarbe habe, was er natürlich nicht sehen konnte. Daraufhin hatte sie ihn den Schwanz fühlen lassen und scherzhaft gemeint: „Jetzt hilft keine Ausrede, Schimpansen haben keine Schwänze!“
„Egal!“ hatte Gary ungerührt erwidert. „Wo immer du ihn bei dir hast, werde ich im Geist bei dir sein!“ Von diesem Tag an war „Mr. H.“ ihr ständiger Reisebegleiter. Sie staunte immer wieder, wie die Inspiration, die Gary Haun ihr selbst mit seinem ungebrochenen Lebensmut gegeben hatte, auch auf die vielen Menschen übersprang, die das kleine, unscheinbare Maskottchen berührten und streichelten.
Durch die Heckscheibe des Taxis, das sie zum Flughafen London-Heathrow bringt, blickt sie noch einmal zurück auf The Birches, das hinter ihr schnell kleiner wird und schließlich ganz verschwunden ist. Alles ist wie sonst auch, wenn sie ihren Zufluchtsort verlässt, und doch ist es dieses Mal anders. Sie geht zwar wieder einmal auf Reisen, aber gleichzeitig würde es eine Rückkehr werden, eine Rückkehr in eine Welt, die für sie vor einem halben Jahrhundert so fern und fremdartig war. Dort hatte alles angefangen, dort hatte der Weg begonnen, auf dem sie sich jetzt immer noch befand. Damals, vor fünfzig Jahren, im Gombe-Nationalpark in Tansania.
Gedanken und Erinnerungen tauchen in ihr auf wie kurze Filmszenen und sind ebenso schnell wieder verschwunden. Wo hatte ihre Lebensgeschichte ihren Anfang? War es der Tag, als sie England und die Geborgenheit von The Birches zum ersten Mal in Richtung Afrika verlassen hatte, um eine Freundin zu besuchen? Oder war weit vorher etwas geschehen, das sie dahin geführt hatte, wo sie heute stand? Hatte es an dem Tag begonnen, als ihr Vater ihr, seiner 18 Monate alten Tochter, Jubilee mitbrachte, einen Schimpansen aus Plüsch, damals fast so groß wie Jane selbst? Sie kann es heute nicht mehr sagen, aber wie auch immer, es war eines auf das andere gefolgt in ihrem Leben wie Perlen auf einer Schnur, und alles hatte sich richtig gefügt.
Schon als Kind von zehn Jahren wollte sie nach Afrika, aber man lachte sie nur aus. Auf der einen Seite war dafür in ihrer Familie kein Geld vorhanden, und auch, wenn man es sich hätte leisten können: Afrika war damals der „Dunkle Kontinent“, von dem niemand etwas wusste, und für ein Mädchen gehörte es sich einfach nicht, dorthin zu wollen. Nur ihre Mutter nahm sie ernst und machte ihr Mut mit den Worten: „Wenn du etwas wirklich willst und hart darauf hinarbeitest, und wenn du niemals aufgibst, dann wirst du es schaffen.“ Schließlich respektierte auch der Rest der Familie Janes großen Wunsch, und ihre Mutter riet ihr, einen Sekretärinnenkurs zu machen, wobei sie ermunternd hinzufügte: „Vielleicht bekommst du dann einen Job in Afrika!“ Natürlich befolgte Jane den Rat ihrer Mutter und besuchte den Kurs. Um währenddessen Geld zu verdienen, jobbte sie als Kellnerin und sparte eisern, damit sie ihren Traum von Afrika eines Tages Wirklichkeit werden lassen konnte.
„Solange ich denken kann, sagte sie: Ich gehe später mal nach Afrika. Das war als Tatsache akzeptiert. Wir diskutierten das als Kinder nicht, aber es stand fest, dass sie´s tut“
Judy Waters, Jane Goodalls Schwester, im Film „Jane´s Journey“
Im Jahre 1957 hatte sie genug Geld für eine Schiffspassage zusammen; das war damals die günstigste Möglichkeit, um auf einen anderen Kontinent zu gelangen. Mit gerade einmal 23 Jahren verabschiedete sie sich von ihrer Familie, ihren Freunden und ihrer Heimat England und begab sich auf die große Reise, die wegen des Suezkrieges nicht auf der kurzen Route durch das Mittelmeer, sondern um das Kap der Guten Hoffnung herum nach Mombasa an der Ostküste Afrikas und von dort weiter in das Landesinnere führte.
Die Ankunft des Taxis am Flughafen unterbricht Jane Goodalls Gedanken. Nach dem Check-in und der Sicherheitskontrolle wartet sie am Gate auf das Boarding, und wieder kommen die Erinnerungen an ihren ersten Aufenthalt in Afrika hoch. Von den vielen überwältigenden Eindrücken, die dort auf sie, das unbedarfte junge Mädchen, eingestürzt waren, hatte wohl die Begegnung mit dem renommierten Paläontologen und Anthropologen Louis Leakey am entscheidendsten ihr weiteres Leben bestimmt. „Wenn sie an Tieren interessiert sind, sollten sie ihn kennen lernen“, hatte man ihr gesagt. Sie hatte nicht die leiseste Ahnung, wer Louis Leakey war, aber sie traf sich mit ihm.
Louis Leakey war bereits sein ganzes Leben lang in Afrika auf der Suche nach den Überresten der ersten Menschen gewesen. Seine Idee war es damals, wildlebende Schimpansen beobachten zu lassen, um aus ihrem Verhalten Rückschlüsse auf das mögliche Verhalten der Urzeitmenschen ziehen zu können. Dafür suchte er jemanden ohne Universitätsabschluss, der unvoreingenommen und unbeeinflusst von den bis dahin vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen an die Sache herangehen würde. Außerdem konnte diese Aufgabe seiner Ansicht nach nur von einer Frau übernommen werden, weil, so argumentierte er, Frauen nicht nur bessere und geduldigere Beobachter seien, sondern auch durch die ihnen von der Natur vorgegebene Rolle als Mutter schneller und sicherer die Signale von nonverbalen Wesen deuten könnten, wie es ja auch Kinder in ihren ersten Lebensmonaten sind.
Die Stimme aus dem Flughafenlautsprecher, die den Beginn des Boarding ankündigt, holt Jane Goodall in die Gegenwart zurück. Erst als die Maschine nach dem Start die vorgegebene Flughöhe erreicht hat, ziehen ihre Gedanken wieder ein halbes Jahrhundert in die Vergangenheit. Sie war damals für Louis Leakey und sein Vorhaben sozusagen die Idealbesetzung gewesen, jung, mutig, ungebunden – und an Tieren interessiert, und so bekam sie den Job. Während einer kurzen Rückkehr in die Heimat versuchte sie, soviel wie möglich über die Lebensweise von Schimpansen herauszufinden und musste enttäuscht feststellen, dass sie völliges Neuland betrat. Die verfügbaren Berichte basierten entweder auf der Beobachtung von Zooschimpansen oder stammten von Mitgliedern großer Expeditionsteams, vor denen die Schimpansen aber regelmäßig geflohen waren. Niemand vor ihr hatte gewagt, das Vertrauen der Menschenaffen zu erlangen, um sie aus nächster Nähe in ihrem natürlichen Lebensraum zu studieren. Sie müsse sich eben gut verstecken, war nur einer der wenig hilfreichen Ratschläge, die sie zu hören bekam, als sie in England mit Wissenschaftlern über ihr Vorhaben sprach.
Doch der Plan hatte sich in ihr festgesetzt, und Mitte Juli 1960 war es soweit, Jane Goodall traf im Gombe Stream National Reserve, heute Gombe-Nationalpark, am Ostufer des Tanganjikasees ein, und ihre Mutter Vanne ließ es sich nicht nehmen, die Tochter bei diesem Unternehmen zu begleiten.
„Ihre Mutter fuhr mit. Sie ließ alles stehen und liegen, brach mit ihrer Tochter ins dunkelste Afrika auf und trat diese total verrückte und unwahrscheinliche Expedition nach Tanganjika an, um wilde Schimpansen zu beobachten.“
Dale Peterson, Jane Goodalls Biograf, im Film “Jane´s Journey“
Als eine Stewardess sie sanft am Arm berührt und ihr das Formular für die Einreise nach Tansania reicht, wacht Jane Goodall aus ihren Träumen auf. Gedankenverloren füllt sie das Papier aus. Die Welt ist kleiner geworden, denkt sie bei sich. Nein, korrigiert sie dann, die Welt ist so groß wie früher, aber die damals so unermesslichen Entfernungen sind zusammengeschrumpft. Heute kann man in wenigen Stunden zu fast jedem beliebigen Punkt unseres Globus gelangen und von dort kurz zu Hause Bescheid geben, dass man gut angekommen ist. Alles kann genauestens vorhergeplant und organisiert werden, und so hat sogar das Wort Weltreise seinen ursprünglichen Zauber verloren.