Dieses E-Buch ist der zweite Teil der Publikation.
Der erste Teil ist erhältlich unter ISBN: 9783754318874
Das Grab von Tutanchamun bescherte der Ägyptologie Objekte einer königlichen Grabausstattung in nie zuvor bekanntem Ausmaß und Qualität. Ohne das Grab von Tutanchamun wäre die Vorstellung eines Königsgrabes heute noch sehr rudimentär. Möbel und Schmuck bilden seit 1922 den Vorstellungsfundus für Filme, die im alten Ägypten angesiedelt werden, prägten die Art-Deco-Kunst und bereichern als Souvenirs unzählige Wohnungen. Die große Menge an Objekten macht es vollkommen unmöglich, sie auch nur annähernd alle zu besprechen. Es sind schon viele Bücher und Kataloge zur Grabausstattung publiziert worden, die wichtigsten sind: [58,60,61,117,210,211]. Daher sollen hier speziell interessante oder schöne Objekte ausgewählt und anders als sonst üblich, tiefergehender analysiert werden.
Die Besprechung ist mit gängigen Ausstellungskatalogen zu Tutanchamun korreliert:
Die langgestreckte Vorkammer diente als Stauraum für die Möbel, Ritualbetten und die zerlegten Wagen. Als sie 1922 geöffnet wurde, herrschte eine gewisse Unordnung, die zum einen von den zwei Einbrüchen der Antike herrührte und von der großen Menge an Objekten, welche in die engen Kammern eingelagert worden war.
Fundnummer 8 JE 60723
Höhe: 30 cm
Material: Holz und bemalter Stuck
Die genaue Funktion der bezaubernden Arbeit ist unklar, ebenso wenig ist der ursprüngliche Fundort unklar, da Carter behauptete, er habe sie im Schutt vor dem Grab gefunden. Haben Grabräuber sie im Korridor weggeworfen, als sie sahen, daß der Kopf nur aus Holz und bemaltem Stuck bestand? Oder wollte Carter das Stück heimlich außer Landes schaffen und zauberte die Geschichte von der Spezialbehandlung aus dem Hut, als er entdeckt worden war? (siehe Kapitel „Der Kopf auf der Lotusblüte“). In der Handliste von Carter ist vermerkt (Fundliste Nr. 8 http://www.griffith.ox.ac.uk/gri/carter/008-c008.html):
8 Head of King
Position: Lying beside skins (No.6)
Carved wooden head painted.
Note Was removed from magazine no. 4 by representatives of Egyptian
Government and sent to Cairo as evidence of my want of integrity. Hence the
head was much damaged.
Die Diebesbeute lag nach Carter auf dem Boden des Korridors nahe der Mauer. Der theologische Inhalt der Darstellung ist ebenfalls nicht gesichert, jedoch zu erschließen: Tutanchamun ist als jugendlicher, ja kindlicher König dargestellt, dessen Kopf aus einer geöffneten Lotusblüte emporsteigt. Entweder ist hier die Geburt des Sonnengottes, gemäss den Mythen dargestellt, wie er am Morgen aus einer Lotusblüte geboren wird, welche auf dem Urhügel aus dem Urgewässer Nun emporgestiegen ist. Oder aber Tutanchamun wird hier mit einer der Erscheinungsformen des jugendlichen Gottes Nefertem aus der memphitischen Göttertriade gleichgesetzt: Auch dieser Gott stieg aus dem blauen Lotus empor, Nefertem und Ra fallen in der Mythologie immer mehr zusammen, so daß nicht sicher gesagt werden kann, ob hier Tutanchamun als neugeborener Ra oder Nefertem oder beide zusammen dargestellt sind. Diese Religionsvorstellung hat, wie in Ägypten so oft, einen Zusammenhang mit der Naturbeobachtung. Der ägyptische Lotus scheint mit dem heutigen Lotus nicht identisch zu sein, vorgeschlagen wurde neben der Gleichsetzung mit dem Tigerlotus (Nymphaea lotus) auch die himmelblaue Wasserlilie (Nymphaea caerulea), da die Ägypter ihren Lotus als blau beschrieben. Diese Pflanzen gehören zur Gattung der Seerosengewächse. Die Blumenblätter auf dem vorliegenden Stück ähneln klar der Wasserlilie. Diese Pflanzen zeichnen sich durch ihre Eigenschaft aus, am Abend ihre Blütenblätter zusammenzufalten und sich unter die Wasseroberfläche zurückzuziehen. Am Morgen bei Sonnenaufgang tauchen die Blüten wieder auf und entfalten sich. Daher sahen die Ägypter die wohlriechende und schöne Blume auch als eine symbolische Erscheinungsform des Urzeitlichen Schöpfergottes Atum an. Auf diesen Urgott spielt auch der Name des jungen Gottes mit der Lotusblüte an: Nefertem bedeutet „Vollkommen sein“ die Endung „tem“ kann aber auch als Hilfsverb gelesen werden, das eine Nichtexistenz eines Hauptverbes angibt und so auch als „Nicht sein“ gelesen werden kann.
Vom theologischen Konzept her gehört das Stück bereits zum wiedereingeführten polytheistischen traditionellen Religionskonzept. Stilistisch gehört es noch in die späte Amarnazeit, erinnert insbesondere an die Köpfe der Prinzessinnen von Achet-Aton. Auch Tutanchamun hat einen unnatürlich verlängerten Kopf. Die Anspielung an urzeitliche Schöpfungsgötter ist von der Idee her stark an die Konzepte der Amarnazeit angelehnt. Schon Echnaton hatte sich als androgyner, ja geschlechtsloser, Urgott und Nofretete als urzeitliche Muttergöttin darstellen lassen. Die genaue Funktion des Kopfes sowie der ursprüngliche Aufstellungsort im Grab bleiben unklar [212]. Zu beachten sind die großen Ohrlöcher des Kopfes. Sie spielen bei einer neuen Theorie um die berühmte Totenmaske eine Rolle.
Edwards 1978: S. 22.
Tutanchamun Berlin 1980: Nr. 40.
James 2000: S. 133.
Farsen 2010: Kat. 34, S. 101-102.
Fundnummer 14 JE 62125
Höhe: 18,4 cm, Breite: 28cm, Durchmesser des Gefässringes: 16 cm
Material: Kalzit
Der Trinkbecher lag direkt neben der Eingangstüre, die in die Vorkammer führt. Er besteht aus einem einzigen Stück Kalzit, ist leicht durchscheinend und ahmt eine geöffnete Lotusblume nach. Typologisch gehört er in die Gruppe der Blütenkelche wie sie auch sonst im Neuen Reich, der 3. Zwischenzeit und der Spätzeit belegt sind. Ein Vergleichsstück in Gold findet sich im Grabschatz von Tanis (siehe Kapitel „Objekte aus dem Schatz von Tanis“). Die weiße Farbe des Trinkbechers korrespondiert mit der dargestellten Lotusgattung: Die abgerundeten Spitzen gelten als Merkmal des Weißen Lotus (Nymhea lotus). Die Henkel des Trinkbechers werden durch seitlich hervor wachsende Lotusblüten gebildet auf denen in einem Neb-Korb jeweils ein Gott sitzt, der Palmrispen hält, welche auf eine Kaulquappe gestellt sind. Der Gott hält zudem in schwarz aufgemalte Anch-Zeichen. Es handelt sich um den Gott Heh, den Gott der Unendlichkeit, dessen Name auch für Million oder Unendlich steht. Die Kaulquappen sind die ägyptische Zahl 100‘000, die Rispen stellen als Schriftzeichen den Begriff „Jahr“ dar. Der Korb, ägyptisch Neb, meint „Herr über“. Daraus ergibt sich die symbolische Aussage: Durch das Trinken aus diesem Becher sollen dem König hunderttausende von Millionen Jahren an Jahren Leben gegeben werden. Daher wird der Becher in der Literatur auch als Wunschbecher bezeichnet. Die Inschriften sind von geringerer Bedeutung: Im quadratisch umrahmten Feld sind der Thronname und der Geburtsname des Königs und ein Zusatz angebracht: Beginnend im Mittleren Register: König von Ober- und Unterägypten NEB-CHEPRU-RA dem Leben gegeben wird, Links: Sohn des Ra TUT-ANKH-AMUN-Herrscher des südlichen Heliopolis, rechts: geliebt von Amun-Ra, Herr der Throne der beiden Länder, Herr des Himmels. Das um die Mündung umlaufende Textband gibt die drei übrigen, sonst seltener verwendeten Namen des Königs wieder, sowie den Wunsch, der dem Becher den Namen gab: „Möge deine Ka-Seele leben, mögest du Millionen von Jahren Leben verbringen, dein Gesicht zum Nordwind gerichtet, mögen deine Augen das Glück erblicken.“
Edwards 1978: S. 26-27.
Tutanchamun Berlin 1980: Nicht ausgestellt.
James 2000: S. 310-311.
Tutanchamun Basel 2004: Nr. 91.
Fundnummer 39 JE 62033A
Höhe: 71,5cm, Breite: 40,6cm, Tiefe 39,1cm
Material: Ebenholz, teilweise stuckiert und vergoldet, Einlagen aus Elfenbein
Der Stuhl wurde für ein Kind hergestellt und dürfte vom jungen König in seinen Kinderjahren effektiv benutzt worden sein. Konstruktiv betrachtet ist der Stuhl ein typisches Modell seiner Zeit mit einer durchgängigen Sitzfläche die von vier Beinen getragen wird, welche in Löwenfüssen enden. Die runden Querverstrebungen enden in Papyrusdolden, welche in Elfenbein farblich kontrastieren zum dunklen Ebenholz. Die Rückenlehne wird durch ein einfaches, aber elegantes Muster aus Einlegearbeit in Elfenbein dekoriert. Die schräge Rückenlehne trifft an ihrem Abschluß mit den vertikal nach oben strebenden Rückenleisten zusammen. Der Stuhl ist damit ganz ähnlich konstruiert wie der berühmte Stuhl aus dem Grab von Juja und Thuja, der eine Darstellung der Prinzessin Satamun zeigt. Die Konstruktion des Kinderstuhls ist anspruchsvoll, denn die Sitzfläche ist in zwei Richtungen konkav geschwungen und sollte vermutlich ein Sitzkissen aufnehmen. Die Armlehnen sind von den Darstellungen her stilistisch interessant: Sie tragen eine Tier- und Pflanzendarstellung. Ein kniender, den Kopf zurückgewendeter Steinbock auf den Außenseiten, Pflanzenranken auf der Innenseite der Armlehnen. Sie verraten einen ägäisch-levantinischen Fremdeinfluß, der in der 18. Dynastie allgemein feststellbar ist. Besonders das laufende Mäanderband namens „Laufender Hund“ verweist auf den Kultureinfluß aus dem kretisch-minoischen Raum.
Edwards 1978: S. 30-34.
Tutanchamun Berlin 1980: Nr. 30.
James 2000: S. 297.
Tutanchamun Basel 2004: Nr. 89.
Fundnummer 83 JE 62035
Höhe: 37,5cm, Breite: 46,3cm, Tiefe: 31,7cm
Material: bemaltes Holz, Einlagen aus Elfenbein
Im Grab von Tutanchamun wurden verschiedene Modelle von Klappstühlen gefunden, zwei davon waren einst mit Leder bezogen gewesen (welches aber verrottet war, Carter Fundnummer 139 und 140). Der Stuhltyp kam Anfangs des 2. Jahrtausends v. Chr. in Ägypten in Mode und war auch im Neuen Reich sehr beliebt. Das vorgestellte Stück (Carter Fundnummer 83) gehört ebenfalls zu den Klappstühlen, ist aber ein besonderes Stück. Zum einen wegen der Konstruktion: Das Tierfell ist ein Imitat aus bemaltem Holz mit Elfenbeineinlagen und ahmt ein Pantherfell nach, dadurch kann der Faltstuhl aber in Realität gar nicht mehr zusammengeklappt werden und muß daher als „Falscher Klappstuhl“ klassifiziert werden. Dazu kommt die überdurchschnittliche, besonders prächtige Machart: Die Stuhlbeine sind als Entenhälse gestaltet. Sie scheinen mit ihren Schnäbeln die Querstäbe zu schnappen, welche mit Goldkappen an den Enden abgeschlossen werden. Besonders ist auch das farblich eigentlich verkehrte Pantherfell: Die schwarzen Flecken des Panthers auf falbfarbenem Untergrund sind hier als weiße Flecken auf einem dunklen Untergrund gestaltet worden. Die dunkle Färbung des Holzes sollte das wertvolle Ebenholz vortäuschen, die Einlegearbeit von rötlichem Holz entlang der Längsachse, deutet das Rückgrat des Tieres an. An den Sitzenden hängen Streifen herab, welche die Tierbeine des Felles nachahmen. Auf der einen Schmalseite hat der Künstler auch den Tierschwanz in Holz und Elfenbein angefügt.
Edwards 1978: S. 36-37.
Tutanchamun Berlin 1980: Nr. 11.
James 2000: S. 296-297.
Tutanchamun Basel 2004: Nr. 88.
Fundnummer 91 JE 62035
Höhe: 104 cm, Breite: 53 cm, Tiefe: 64.5 cm
Material: Holz mit Goldblech überzogen, Silber, Glas, Ton und Halbedelsteine.
Der Goldthron von Tutanchamun gehört zu den Spitzenstücken der Grabausstattung und gilt neben der Totenmaske als weiteres Nationalheiligtum Ägyptens. Der Thron wurde in der Öffentlichkeit kurz nach der Entdeckung bekannt, während die Totenmaske 1925 erstmals gezeigt wurde. Der pompöse Thron spiegelte in den 1920er Jahren eine Erinnerung an den ungeheuren Prunk des pharaonischen Ägypten wider. Dennoch kann der Thron keineswegs als „typischer“ Thron für einen ägyptischen Herrscher angesehen werden, denn seine Darstellungen sind im Stil der Spätamarnazeit gehalten und zeichnet sich auch durch dessen intime Familienszene der Rückenlehne aus.
Der Thron ist konstruktiv wie ein normaler Luxusstuhl des Neuen Reiches angefertigt. Die Sitzfläche wird von vier Beinen mit Löwenfüssen getragen, vorne sind zudem zwei Löwenköpfe angebracht. Die Querstangen bestanden vermutlich aus reinem Gold und waren von den eindringenden Grabräubern abgerissen worden. Die Reste erlauben aber die Rekonstruktion: Es handelt sich um ineinander verschlungene Papyrus- und Lotuspflanzen, welche die Vereinigung der beiden Länder darstellen. Soweit entspricht der Stuhl den Konventionsvorstellungen an einen Thron.
Die berühmte Darstellung der Rückenlehne stellt das Königspaar dar: Links sitzt Tutanchamun in relaxter Haltung wie in der Amarnazeit üblich, den rechten Arm auf die Rückenlehne gelegt. Er trägt einen kostbar verzierten, plissierten, langen Lendenschurz und einen großen Halskragen. Auf dem Kopf trägt er die kurze nubische Perücke mit abgerundetem Ende, Stirnband mit Uräus und darüber, auf der die Hemhem-Krone, eine spezielle Variante der Atef-Krone von Osiris angebracht ist. Die Hemhem-Krone hat drei kleine oberägyptische Kronen mit Sonnenscheiben je drei Sonnenscheiben unter der Krone und an den Kronenenden. Wie bei der Atef-Krone sind seitliche Straußenfedern angebracht, zudem hängen vier Uräen herunter. Die Hemhem-Krone ist erstmals in der frühen 18. Dynastie unter Thutmosis I. belegt und taucht nur selten in der Bildkunst auf. Echnaton trägt sie auf einem Relief, dann hat sie ihren prominentesten Auftritt auf dem Thron von Tutanchamun. Ikonographisch stellt sie Tutanchamun als Hor-pa-Ched („Horus das Kind“), die jugendliche Erscheinungsform von Horus dar, dessen irdische Inkarnation der König war und verweist auf die Göttlichkeit des Königsamtes.
Neben Tutanchamun steht seine Königin Anchesenamun in einem langen Plissiergewand, das hier in Silber gearbeitet ist, ebenfalls mit einem breiten Halskragen angetan. Auch sie trägt eine nubische Perücke, welche mit einem spitzen Zipfel endet. Darüber trägt sie die Henu-Krone. Auf einem Kronenkörper, der von aufgerichteten Uräusschlangen gebildet wird. darüber sind ein Kuhhorn, eine Sonnenscheibe und zwei lange Straußenfedern angebracht worden. Zwei Bandschlaufen hängen von der Krone hinunter, jedoch hängen sie in der Luft und verraten dadurch, daß die Königin höchstwahrscheinlich eine andere Krone getragen hatte und die Henu-Krone eine sekundäre Modifikation sein dürfte. Die Königin bestreicht die Schultern ihres Gatten mit einem Salböl, das sie in einer flachen Schale hält. Hinter der Königin ist ein Blumengebinde kunstvoll arrangiert, es ähnelt den Blumensträußen, welche als Grabbeigaben gefunden wurden.
Über der Szene spendet die Sonnenscheibe des Aton dem Königspaar Leben in Form von Ankh-Zeichen. Auch damit ist unmissverständlich klar, daß der Thron noch in die Zeit von Amarna gehörte. Auch die Inschriften mit dem alten Namen Tutanchaton wurde nur zum Teil geändert und blieb auf der Rückseite und an den Thronlehnen unverändert. Die Seitenlehnen des Throns stellen eine mit der Doppelkrone geschmückte, geflügelte Kobra dar, welche sich aus einem Kopf aufrichtet. Mit den Flügeln schützt sie den ursprünglichen Thronnamen Tutanchaton, welcher mit Glasflußeinlagen gestaltete Hieroglyphen enthält (Diese konnten kaum geändert werden ohne die Kartusche nachhaltig zu beschädigen). In der Forschung wird daher die Meinung vertreten, daß der Thron wegen dieser Darstellungen und Namensnennung von Aton politisch nicht mehr verwendbar waren und daher im Grab des Tutanchamun regelrecht „entsorgt“ wurden.
Der Thron wird mit einer Fußplatte komplettiert, welche die „Neunbogenvölker“ als gefesselte Feinde darstellt. Dieses klassische Motiv fand auch vor und nach der Amarnazeit ihre Anwendung. Die Neunbogenvölker waren in der ägyptischen Staatsideologie die traditionellen Feinde, welche niedergeworfen und zertrampelt werden. Beim Thron wird dies symbolisch direkt umgesetzt: Wenn der König auf den Thron stieg, trampelte er die Figuren mit seinen Füssen und wenn er danach auf dem Thron saß, waren die Feinde Ägyptens als Besiegte unter seinen Füssen. In die gleiche Richtung zielen auch die Sandalen mit den gefesselten Feinden auf den Sohlen.
Die Neunbogenvölker:
Edwards 1978: S. 38-41.
Tutanchamun Berlin 1980: Nicht ausgestellt.
James 2000: S. 288-289.
Tutanchamun Basel 2004: Nicht ausgestellt.
Farsen 2010: Kat 16, S. 66-68.
Fundnummer 116 JE 60722
Höhe: 73,5 cm
Material: Holz mit bemaltem Stuck.
Die seltsame Figur wurde in der Vorkammer zwischen den Wagen und dem Ritualbett mit den Nilpferdköpfen in der linken, südlichen Seite der Vorkammer gefunden. Der Fundort dürfte dem antiken Aufstellungsort entsprechen. Es ist eine Holzbüste, welche den Torso des Königs mit Schulteransätzen wiedergibt und hat ein besonders lebendiger und schön gearbeiteter Kopf. Er trägt eine konische Krone und auf der Stirn ist die Uräusschlange angebracht. Die Krone erinnert an die Königskrone Unterägyptens, sie ist jedoch nicht rot, sondern gelb, was Gold imitieren soll, und es fehlt der nach oben gezogene hintere Abschluß. Daher erinnert die Krone eher an die berühmte Krone der Nofretete. Das extravagante Werk besitzt keine Inschrift, welche die Funktion verraten würde und es sind auch keine direkten Vergleichsstücke bekannt. Daher kann über die Funktion nur spekuliert werden. Howard Carter schlug vor, im Torso eine Kleiderbüste des Königs zu sehen, an welchem Gewänder und Halskragen zur temporären Aufbewahrung angezogen wurden. Da kein Forscher bisher eine bessere Erklärung vorschlagen konnte blieb es bei dieser Interpretation. Es ist recht wahrscheinlich, daß es solche Kleiderpuppen im alten Ägypten gab.
Edwards 1978: S. 44-45.
Tutanchamun Berlin 1980: Nicht ausgestellt.
James 2000: S. 190-191.
Tutanchamun Basel 2004: Nr. 90.
Farsen 2010 : Kat. 35, S. 102-104.
Der Staatswagen (Der „Erste Wagen“)
Fundnummer 120 JE 61989
Breite 105 cm Tiefe Wagenkasten: 46 cm Raddurchmesser: 90cm
Länge der Achse: 216 cm
Die Ausgräber fanden in der Vorkammer vier zerlegte ägyptische Streitwagen. Davon waren zwei schlichtere Gebrauchswagen und zwei können wegen ihrer Vergoldung und Dekoration als „Staatskarossen“ bezeichnet werden. Carter hatte in seinen Publikationen vom „ersten Wagen“ und dem „zweiten“ gesprochen, was wegen der Ähnlichkeit der beiden zu Verwechslungen führte. Die Staatskarossen sind wie die normalen Streitwagen aus gebogenem Holz gefertigt, welches dann mit Stuck und Blattgold überzogen wurde. Der Wagenkasten ist auf der Außenseite mit einem Spiralenmuster dekoriert und trägt in der Mitte drei der Namen des Königs (Horusname, Thronname und Eigenname). Unter den Namen ist ein Panel mit Lilienmustern angebracht. Noch prächtiger ist die Innenseite des Wagens verziert. Auch dort werden in der Mitte die Namen des Königs genannt, darunter ist das Pflanzensymbol angebracht, das die Vereinigung der beiden Länder darstellt (Verknüpfte Lotus und Papyrusstengel), sowie ein Bildfries von gefangenen Ausländern, welche in Fesseln von dem Sphinx, dem Symbol der ägyptischen Königsmacht knien.
Die Standfläche des Wagens ist als Flechtwerk gearbeitet, das aus Lederriemen bestand. Darüber wurden Tierfelle, eine Matte und eine Lage Leinen gelegt. Die Radachse war ungefedert, dafür fing der flexible Standboden einen Teil der Schläge bei schneller Fahrt auf. Die Räder weisen sechs Speichen aus kunstvoll gebogenem Holz auf und haben „Reifen“ aus Leder.
Edwards 1978: S. 46 (der zweite Staatswagen).
Tutanchamun Berlin 1980: Nicht ausgestellt.
James 2000: S. 274 (der erste Staatswagen).
Tutanchamun Basel 2004: Nicht ausgestellt.
Die drei hohen Ritualbetten dominieren mit ihrer imposanten Erscheinung den Vorraum. Als Carter mit der Kerze in der Hand durch das Loch in der Mauer blickte fiel das schwache Licht auf diese speziellen Ritualobjekte, die bizarre Schatten auf die Wand warfen. Die drei Liegen sind hintereinander Kopf an Schwanz an die Rückwand der Vorkammer geschoben und blicken mit ihren Tierköpfen zur Sargkammer hin. Die Liegeflächen sind auffallend hoch, die Betten sind als real nutzbare Schlafbetten unbrauchbar. (Im Grab wurde zudem ein brauchbares zusammenklappbares Bett gefunden). Auch zur Mumifizierung sind sie ohne Abflußrinnen undenkbar. Somit muß ihr Nutzen im Jenseitig-religiösen Bereich gesucht werden.
Die Betten sind zerlegbar konstruiert. Auf einem Holzquadrat, das als Standfläche diente, wurden die Seitenstreben als Tierkörper mit Pfoten und dem entsprechenden Kopf dargestellt. Die Liegeflächen weisen lange Zapfen auf der Unterseite auf, welche sich in Bronzeringe auf der Innenseite der Tierkörper schieben lassen. So konnten die Nekropolenarbeiter diese Ritualbetten ins Tal der Könige bringen und nach Auffüllung aller anderen Kammern zum Schluß die Betten zusammensetzen und als Ablagefläche für die vielen Objekte in diesem Raum nutzen. Die Ausgräber mußten zuerst alle darauf und darunter platzierten Objekte bergen ehe sie ihrerseits die Betten erneut zerlegen konnten.
Edwards 1978: S. 24-25, 35-36, 50-51, 58-63.
Tutanchamun Berlin 1980: Nicht ausgestellt.
James 2000: S. 136-141.
Tutanchamun Basel 2004: Nicht ausgestellt.
Farsen 2010: Kat. 20, 21, 22, S. 74-78.
Fundnummer 35 JE 62911
Höhe 156cm; Länge 181 cm, Breite 85 cm
Material: Holz, vergoldet.
Die Inschrift auf der Liegefläche bezeichnete die Löwenköpfige Gottheit als Mehet-Weret („Die Grosse Flut“), eine Göttin die ikonographisch sonst stets mit dem Kopf einer Kuh dargestellt wurde. Weil das Bett mit der Kuhköpfigen Göttin ebenfalls falsch angeschrieben war, geht die Forschung davon aus, daß beim Zusammensetzen die beiden Liegeflächen vertauscht wurden. Der Löwenkopf dieser Bahre zeichnet sich durch eine besondere Lebendigkeit der weiblichen Löwenköpfe aus, die stark an Statuen der Sachmet erinnern. Die Nase und die Tränenkanäle unter den Augen der Löwinnen sind in blauem Glas gearbeitet, die Augenränder in schwarzem Glas. Eingesetzte Augäpfel aus durchscheinendem Quarz wurden auf der Rückseite mit Pupille und Iris bemalt und wie ein fast echtes Auge wirkend, in die Augenhöhle der Holzfigur eingesetzt.
Die richtige Liegefläche wäre diejenige der Isis-Mehetet, welche als Löwin auftrat.
Fundnummer 73 JE 62013
Höhe: 188 cm, Länge 208 cm, Breite: 128cm
Material: Holz, stuckiert vergoldet mit Glasflußeinlagen.
Dieses Ritualbett wurde fälschlich mit der Liegefläche der Isis-Mehetet zusammengesetzt, ist aber sicher die kuhköpfige Göttin Mehet-Weret. Hier wurde der Tierkörper aus Holz nicht nur mit Gips überzogen, sondern auch mit kleeblattförmigen Glaseinlagen versehen, welche das Tupfenfell einer Kuh nachahmen. Die Augen der Kuh sind ebenfalls aus bemaltem Quarz, wirken aber weniger lebendig wie bei der Löwenbahre. Die Augenränder und Brauen sind wie ein Udjat-Auge gestaltet. Zusätzlich trägt die Mehet-Weret zwischen ihren langen Hörnern die Sonnenscheibe. Im Grab von Tutanchamun fanden sich noch weitere Darstellungen der Mehet-Weret (Als Himmelskuh auf der Innenseite des äußersten Schreins und als Kuhkopf in der Schatzkammer).
Fundnummer 137 JE 62012
Höhe 134 cm, Länge 236 cm
Material: Holz, vergoldet.
Das Ritualbett zur Linken (vom Eingang gesehen) war der Nilpferdköpfigen Göttin Ammit gewidmet. Der König wird in der Inschrift als „geliebt von Ammit“ bezeichnet, während die Göttin selbst als „Totenfresserin“ charakterisiert wird. Die hier vorliegende Göttin scheint eine ikonographische Sonderform von Ammit zu sein. Ammit wird traditionellerweise mit Krokodilkopf, Löwenvorderteil und dem Hinterteil eines Nilpferdes dargestellt. Die Göttin Ammit ist hier bei der Bahre mit Nilpferdkopf, dem schuppigen Krokodilkörper und mit Löwenbeinen dargestellt. Grund für den Wechsel der Tierkörperpartien könnte in der Bauart der Bahre zu suchen sein. Denn die konventionelle Form der Ammit hat unterschiedlich lange Beine (Lange Löwenbeine, abfallender Rücken und kurze dicke Nilpferdbeine), was die Konstruktion der Liege verunmöglicht hätte. Das Austauschen von Körperpartien bei mythologischen Mischwesen ist auch aus anderen Kulturkreisen bekannt. So war das griechische Mischwesen Minotauros (Μινώταυρος) wahlweise ein Menschenkörper mit Stierkopf oder aber ein Stier mit Menschenkopf. Erst im Laufe der Zeit wurde aus dem Stier mit Menschenkopf eine andere Gottheit, der Flussgott Acheloos (Ἀχελῷος). Die Bezeichnung von Ammit als „Totenfresserin“ ist auch im Grab TT 194 Djehutiemheb belegt. Im Totenbuch wird Ammit zwar in den Bildvignetten dargestellt, im Text aber nicht erwähnt, da sie eine unvorstellbare Bedrohung für das Weiterleben darstellte. Im Totengericht der jenseitigen Welt des Osiris mußte der Verstorbene sein Herz gegen die Feder der Maat auf seine moralischen Verfehlungen hin abwägen, eine Psychostasie, welche im Totenbuchspruch 125 behandelt wird. Das Fressmonster Ammit sitzt in den Darstellungen neben der Waage, bereit bei einem negativen Ergebnis, das Herz des Toten zu verschlingen und so den Verstorbenen den zweiten, endgültigen Tod sterben zu lassen. Welche Funktion die Ritualbetten bei den Begräbnisfeiern oder als kultisches Objekt in der Grabausstattung genau erfüllten, ist unbekannt.
Fundnummer 60 JE 62118
Höhe: 50 cm
Material: Kalzit.
Das Darstellungsmotiv, das diesem Gefäß zugrunde liegt ist ein politisches Thema: Es stellt symbolisch die „Vereinigung der beiden Länder“ (Unter- und Oberägypten) dar mit Hilfe der heraldischen Emblemen Lotusblume und Papyrusbinse. Ägyptisch wird dies genannt: Schema-Schemau-mehu „die Vereinigung von Ober- und Unterägypten“. Seit der Reichseinigung in der 1. Dynastie verstand sich das Reich der Pharaonen als Doppelmonarchie von zwei Ländern. Das symbolische Vereinigen wurde in der Kunst durch Verschlingen der Pflanzen dargestellt, was ein besonders dekoratives Symbol bildete. Unter der Mündung ist, mit schwarzer Farbe der Kopf der Göttin Hathor mit breitem Halskragen dargestellt, von dem eine Lotusblüte herabhängt. Auf dem Gefäßkörper sind der Thronname und der Geburtsname in schwarz aufgeschrieben: „Sohn des Ra, TUT-ANCH-AMUN Herrscher des [Fehlstelle] Heliopolis“. Das Fehlen des Wortes südlich (Schema) ist nur scheinbar, da es sich prominent im Thema des Gefäßes in der anderen Bedeutung als Vereinigung wiederfindet. Dann folgt der Thronname mit unüblicher Einleitungstitulatur: Statt König von Ober- und Unterägypten wird der König hier als „Herr der beiden Länder, NEB-CHEPRU-RA“ bezeichnet, was ebenfalls auf die Dualität Ägyptens und ihre Vereinigung anspielt. Den äußeren Abschluß des Gefäßes bilden Palmrispen, welche auf einer Kaulquappe und dem Schen-Ring stehen. Sie bilden eine separate mathematische Ligatur (Kaulquappe steht für 100‘000, der Schen-Ring für Dauer, die Rispe für Jahr), der König soll hunderttausend Jahre dauernde Herrschaft innehaben. Der separate Gefäßuntersatz wird von zwei Ankhzeichen flankiert, welche in ihren Armen jeweils ein Was-Szepter halten.
Edwards 1978: S. 29.
Tutanchamun Berlin 1980: Nr. 34.
James 2000: S. 311.
Tutanchamun Basel 2004: Nicht ausgestellt.
Fundnummer 108 JE 61481
Höhe mit Schlitten: 50,5 cm, Breite: 30,7 cm, Tiefe: 48 cm
Material: Holz, goldplattiert und blattvergoldet, der Schlitten ist silberplattiert, die Riegel sind aus Silber.
Statuenbasis:
Fundnummer 108a JE 61481
Höhe: 24,8 cm, Breite: 5 cm, Tiefe: 11,2 cm
Material: Holz, goldplattiert.
Eines der prachtvollsten und interessantesten Stücke fand Howard Carter in der Vorkammer: Einen kleinen, vergoldeten Statuenschrein. Vermutlich handelt es sich um einen kleinen Götterschrein, welcher der privaten Anbetung des darin einst aufbewahrten Götterbildes diente. Dieses stand auf einer noch erhaltenen Basis. Die Götterstatuette war mit großer Wahrscheinlichkeit aus reinem Gold (oder Silber), denn das galt als das „Fleisch der Götter“. Die Grabräuber haben sie entwendet.
Um welche Gottheit es sich handelte, läßt sich nur schwer eruieren. Die Darstellungen und Texte des Schreins beziehen sich auf den König und geben keine Hinweise auf die Gottheit. Die Form des Schreins ist typologisch ein oberägyptischer Schrein (per-wer-Kapelle), auf dem Dach ist die Geiergöttin 14-mal dargestellt. Typologisch reiht er sich in die viel größeren Schreine der Sargkammer ein, diese stellen ebenfalls Götterkapellen dar (der erste, zweite und dritte Schrein eine oberägyptische Per-wer-Kapelle, der vierte Schrein eine unterägyptische Per-nu-Kapelle). Es kann daher darauf geschlossen werden, daß sich ein Gott oder eine Göttin mit Hauptkultort in Oberägypten darin befand (Amun von Theben?). Der Schrein ist auffallend klein und wurde sogar von einem direkt danebenstehenden größeren Uschebti (Fundnummer 110) überragt. Er besitzt Flügeltüren, die mit zwei Schiebebolzen verschlossen werden können. Auf dem Architrav der Türe ist die geflügelte Sonnenscheibe angebracht. Auf jedem Türflügel sind drei Szenen übereinander gestaffelt dargestellt.
Die Seiten des Schreins tragen ebenfalls Darstellungen aus getriebenem Goldblech. Die linke Seite (von vorn gesehen) hat zwei übereinander gestellte größere Darstellungen: Unten ist das Königspaar Anchesenamun und Tutanchamun auf der Jagd im Papyrusdickicht dargestellt. Tutanchamun schießt von rechts mit dem Bogen auf die Vögel im Dickicht, er sitzt auf einem Klappstuhl, neben ihm ein schreitender Löwe. Vor ihm sitzt Anchesenamun auf einem Kissen am Boden, den Kopf zu ihrem Gatten zurückgewendet und reicht ihm den nächsten Pfeil, während sie mit der anderen Hand auf die Jagdbeute deutet. Darüber ist eine Bildszene, welche das Königspaar auf der Vogeljagd im Papyrusboot darstellt. Tutanchamun schwingt ein Wurfholz, während er mit der anderen Hand schon drei Vögel gefangen hat. Vor dem Königspaar ist wieder eine Sumpflandschaft abgebildet. Daneben befindet sich eine separate Szene, welche das Königspaar mit langen Plissiergewändern wiedergibt, Tutanchamun trägt die blaue Krone. Szenen dieser Art finden sich auch auf den Szenen der Türflügel und auf der rechten Seite des Schreins. Dort sind nun vier quadratische Bildfelder angebracht worden. Sie alle haben das gleiche Grundthema.
Oben links: Die Königin mit der Doppelfederkrone und einem Sistrum reicht dem König einen Menjt-Halskragen. Tutanchamun trägt eine Sonnenscheibe mit zwei seitlichen Uräusschlangen auf dem Kopf und das Heqa-Szepter.
Oben rechts: Die Königin trägt eine Blaue Kappe (wie sie auch die späten Darstellungen von Nofretete überliefern) und hält in ihrer linken Hand Lotusblumen. Aus einem schlanken, länglichen Gefäß gießt sie ihrem sitzenden Gatten eine Flüssigkeit in einen Kelch mit Lotuspflanzen am oberen Ende ein. Tutanchamun thront auf einem prunkvollen Stuhl mit Löwenfüssen, welcher mit verschlungenen Lotus- und Papyruspflanzen zwischen den Stuhlbeinen dekoriert ist. Der König trägt einen plissierten Schurz am Unterleib, der Oberkörper ist nackt. Er trägt einen breiten Halskragen und ein Pektoral das in zwei Kartuschenringen endet und ist mit der Blauen Krone bekrönt.
Unten links: Der auf einem Klappstuhl sitzende Tutanchamun, wieder mit der Blauen Krone gekrönt, gießt aus einem röhrenartigen Gefäß seiner Königin eine Flüssigkeit in die geöffnete Hand, die sie vor ihrer Nase hält. Handelt es sich um ein Getränk oder Parfümwasser? Die Königin sitzt auf einem Kissen vor ihrem Ehemann und wendet sich zu diesem zurück. Das Plissiergewand ist sehr freizügig drapiert und zeigt die eine Brust der Königin nackt. Sie trägt als Kopfputz eine Perücke mit seitlicher Jugendlocke, eine Uräusschlange an der Stirn und eine Krone aus Kuhhörnern die eine Sonnenscheibe mit Doppelfeder flankiert.
Unten rechts: Tutanchamun thront in entspannter Haltung auf seinem Thron, den linken Ellenbogen lässig über die Lehne gelegt. Die Haltung ähnelt stark dem berühmten Rückenlehnenmotiv des Goldthrones. Die stehende Anchesenamun beugt sich leicht vor um ihrem Gatten den breiten Halskragen hinter dem Hals zu verknüpfen. Zusätzlich zum Kragen trägt Tutanchamun ein Pektoral in Form eines geflügelten Skarabäus. König und Königin tragen beide eine kurze Nubische Perücke mit Uräusschlange auf der Stirn. Auf der Perücke trägt Anchesenamun eine Krone aus Uräusschlangen mit Sonnenscheiben, in der Krone ist noch der Salbenkegel zu erkennen. Damit scheint die Handlung in einem festlichen Anlaß situiert zu sein.
Edwards 1978: S. 52-57.
Tutanchamun Berlin 1980: Nr. 28.
James 2000: S. 290-291.
Tutanchamun Basel 2004: Nr. 58.
Marianne Eaton-Krauss, Eberhart Graefe, The Small Golden Shrine from the Tomb of Tutankhamun (1985).
Farsen 2010: Kat. 23, S. 78-83.
Fundnummer 32 JE 61445
Länge: 83cm, Breite: 60,5cm, Höhe: 64cm
Material: Ebenholz, Einlagen aus Elfenbein, Blattgold, Farbpaste und Metallteile aus Kupferlegierung.
Die Truhe gehört dem Typ Satteldachtruhe an und ist der Forschung durch Grabreliefs und Malereien bereits aus dem Alten Reich bekannt. Sie wird oft in mehreren Exemplaren in Begräbnisprozessionen mitgeführt. Als reales Objekt ist das vorliegende Stück das einzige erhaltene Exemplar und ist daher von unschätzbarem Wert. Die Truhe besteht aus einem Rahmenwerk ausgeführt in dunklem Ebenholz, in das Bretter aus hellerem Zedernholz eingelegt sind. Die Übergänge von Rahmen zu den Wänden aus Zedernholz werden gefüllt von Zierstreifen aus Elfenbein und Ebenholz. Die Truhe besitzt vier ausziehbare Tragestangen die jeweils in zwei Ringen am Truhenboden verlaufen, die verdickten Enden der Stangen machen ein Herausgleiten aus dieser Führung unmöglich. Sie können so weit unter den Kasten geschoben werden, daß sie nicht mehr sichtbar sind. Die Truhe kann mit einer Schnur verschlossen werden, welche um die beiden vergoldeten Holzknöpfe geschlungen und verknotet wird. Die Knöpfe tragen als Dekoration den Namen des Königs. Auf der Schmalseite, direkt unter dem einen Verschlußknopf ist ins Zedernholz ein Relief eingeschnitzt. Es stellt Tutanchamun mit der Blauen Krone dar, der dem Gott Osiris Weihrauch und Wein opfert (erkennbar an den Gefäßformen, der Nu-Topf für Wein, aus dem Gefäß für den Weihrauch steigt das Symbol der Flamme empor). Der Gott steht auf einem Podest in Form der Hieroglyphe Maat (Weltordnung). Vor dem König sind ein Opferständer und ein Nemset-Krug. Osiris ist in üblicher Form als Mumie mit Atef-Krone, Geisel und Krummstab dargestellt, wobei allerdings die übermäßig verlängerte Form des Krummstabes auffällt. Die Inschriftenbänder, welche entlang der Ebenholzrahmen verlaufen, bestehen größtenteils aus stereotypen Opferformeln und Götterrezitationen, in den Texten auf dem Deckel wird auch Anchesenamun erwähnt. Die Truhe stand nahe der nördlichen Wand, unter dem löwenköpfigen Ritualbett. Die Ausgräber fanden in der Truhe Stein- und Glasflußgefäße, Keramik, vier bemalte Kalksteinplatten, Steinmesser und Überreste von organischen Materialien wie ein Korb, Fasern und pulvrige Substanzen. Die Materialkombination in dieser Truhe deutet darauf hin, daß die Truhe der Opferversorgung des Königs im Mundöffnungsritual diente, weil dort genau solche Objekte Verwendung fanden.
Edwards 1978: S. 64-65.
Tutanchamun Berlin 1980: Nr. 29.
James 2000: Nicht abgebildet.
Tutanchamun Basel 2004: Nr. 87.
Fundnummer 21 JE 61467
Länge: 61 cm, Breite: 43 cm, Höhe 44,5 cm
Holz, mit Gips grundiert und bemalt
Die Truhe stand an prominenter Stelle vor den beiden Wächterstatuen und erregte das Interesse sowohl der Ausgräber als auch der Öffentlichkeit. Die Truhe zeichnet sich nicht durch verschwenderischen Luxus in Form von Vergoldung aus, sondern durch die feine Malerei, welche die Truhe vollkommen bedeckt. Carter, als ehemaliger archäologischer Zeichner, erkannte den hohen künstlerischen Wert der Truhe, die vom antiken Kunsthandwerker mit Binsenstängeln, die am Ende zerkaut waren, bemalt worden war.
Die Darstellungen sind bis in kleinste Details ausgearbeitet. Die Truhe hatte einst als Aufbewahrungsort für Kleidung gedient, dies ermittelten die Ausgräber anhand der darin gefundenen Reste.
Die Darstellungen sind inhaltlich der traditionellen ägyptischen Bildsprache verpflichtet, von der Amarnazeit ist nur die Eleganz der Figuren geblieben. Die Bilder der Längsseiten und die gewölbte Darstellung des halbkreisförmigen Deckels zeigen jeweils Tutanchamun in einem Streitwagen daher preschend, während er Pfeile auf seine Opfer schießt. Auf den beiden Bildfeldern des Deckels macht er Jagd auf Wildtiere (Löwen, Wildesel, Strauße, eine Hyäne und Antilopen). Die Kastenseiten zeigen in gleicher Darstellungsweise die Jagd auf Feinde (Nubier und Asiaten), die wie die Jagdbeute in Massen zusammengeschossen werden. Auch die Inschriften gehen in diese Richtung [213]:
„Der gute Gott, mächtig an Kraft, Souverän, dessen man sich rühmt, der Löwen bekämpft, dessen Stärke und Kraft die des Sohnes der Nut ist.
Der gute Gott, ein Berg von Gold, der die beiden Länder mit seiner Göttlichen (Uräusschlange) erhellt, wenn er zu Pferde erscheint, wie wenn Re aufgeht. Er hat die Pfeile (Sonnenstrahlen) seines Vaters Re genommen und fand viele Rudel von Wüstenwild. Es erbeutet sie Seine Majestät in einem kleinen Augenblick.
Horus, Starker Stier, schön an Geburten, der gute Gott, Abbild des Re, der Mächtige, der die Neunbogen niedertritt, der König von Ober- und Unterägypten, Herrscher der Freude, Sohn des Re Tutanchamun, Herrscher vom oberägyptischen Heliopolis, dem Leben wie Re ewiglich gegeben werde. Der gute Gott, Abbild des Re, der auf den Fremdländern erscheint, wie wenn Re aufgeht, der dieses Land des elenden Kusch vernichtet, indem er seine Pfeile aussendet gegen die Feinde.
Der gute Gott, Sohn des Amun, der Held, dessengleichen es nicht gibt, Herr der Kraft, der Hunderttausende niedertritt und sie zu Leichenhaufen macht.
Niedergetreten sind die Grossen vom elenden Kusch unter deinen Füssen. Niedergetreten sind die Grossen jedes Fremdlandes unter deinen Füssen.
Der gute Gott, Abbild des Re, Herr der Kraft, der die Grossen aller Fremdländer niedertritt.
Der gute Gott, Sohn des Amun, der Held, der alle Fremdländer niedertritt.
Übersetzung Wolfgang Helck [213]
Die Schmalseiten des Kastens zeigen einander zugewandte königliche Sphingen, die Symbolisierung der königlichen Macht, beim „Zertrampeln von Feinden“ und den Thron- und Geburtsnamen des Königs in Kartuschen, die von Doppelfedern mit Sonnenscheiben bekrönt sind. Die Kartuschen stehen auf der Nebu-Hieroglyphe, die für „Gold“ steht. Inhaltlich mag die Truhe Fragen aufwerfen: Hat Tutanchamun wirklich Krieg gegen Nubien und Asiaten geführt und sich als großer Jäger hervorgetan? Nach gegenwärtigem Stand der archäologischen Forschung gibt keine Hinweise für kriegerische Handlungen unter seiner Herrschaft. Die Art der Darstellung und die Tatsache, daß die Jagd auf Menschen und Tiere in gleicher Bildkonzeption abgebildet werden, deutet eher auf eine zum traditionellen Bildprogramm des Königtums gehörende Propagandadarstellung. Die auf den heutigen Betrachter verstörend wirkende Ausländerjagd atmet nichts vom kosmopolitischen Geist der Amarnazeit, muß aber auch als reine Propaganda gelesen werden: Nubien war zu der Zeit von Tutanchamun seit langem ein Teil des Ägyptischen Reiches, die Nubier Teil der ägyptischen Gesellschaft und auch am Königshof vertreten.
Edwards 1978: S. 58-59, 74-77.
Tutanchamun Berlin 1980: Nicht ausgestellt.
James 2000: S. 292-293.
Tutanchamun Basel 2004: Nicht ausgestellt.
Farsen 2010: Kat. 24, S. 83-84.
Fundnummer 22 JE 60707
Höhe 190 cm, Breite: 56 cm
Material: Holz mit Pech bestrichen, teilweise vergoldet
Fundnummer 29 JE 60708
Höhe: 190 cm, Breite: 54 cm
Material: Holz mit Pech bestrichen, teilweise vergoldet
Beiderseits der vermauerten Wand die zur Sargkammer führte standen zwei lebensgroße Wächterstatuen. Sie stellen den König mit schwarzer Haut dar, bekleidet mit einem Plissierschurz, Sandalen, einem Halskragen und Pektoral, sie tragen Oberarm und Armreifen, alles ist in Vergoldung ausgeführt. Die Statuen halten ein langes Szepter mit einer Erweiterung in Form einer Lotusblütendarstellung unterhalb der Faust und eine gesenkte Hedsch-Keule in der anderen Hand. Die Augen und Augenbrauen sind ebenfalls in Gold ausgeführt und geben den Figuren eine starke Kontrastwirkung zwischen dem Pech und der Vergoldung. Optisch sind die beiden Wächterfiguren durch ihre unterschiedliche Kopfbedeckung gut zu unterscheiden: Die linke Figur (Fundnummer 29) trägt eine abgerundete Haarhaube die Afnet oder Chat-Haube genannt wird. Auf der Stirne ist eine Uräusschlange angebracht. Die Figur trägt auf dem weit abstehenden Schurz eine Inschrift, die Hinweise zur Funktion gibt:
„Der vollendete Gott, vor dem man sich verbeugt, der Herrscher auf den man stolz ist, der Ka von Harachte, Osiris, König, Herr der beiden Länder Neb-Chepru-Ra, gerechtfertigt“.
Die Statue stellt folglich die Ka-Seele des Königs dar, welche den Aspekt der Lebenskraft und die Kraft der Vorfahren des Königs in sich vereinigt. Der Ka begleitet den Menschen von seiner Geburt an und wurde nach den Vorstellungen der Ägypter vom Schöpfergott Chnum zusammen mit dem Menschen auf der Töpferscheibe des Gottes geformt. Die Statue zur rechten Seite (Fundnummer 22) wiederum trägt das Nemes-Kopftuch des Königs und ebenfalls eine Uräusschlange auf der Stirne. Die Inschrift ist auf dem Schurz angebracht und lautet:
„Der vollendete Gott, vor dem man sich verbeugt, Herrscher, auf den man stolz ist, Neb-Chepru-Ra, Sohn des Ra, Träger der Herrscherwürde, Tutanchamun, Herrscher über das Südliche Heliopolis, der für immer lebt, wie Ra, jeden Tag.“
Hier deuten die Inschriften und die Nennung des Geburtsnamens auf eine Darstellung des Königs selbst (als Individuum).
Aus anderen Königsgräbern sind vergleichbare Holzstatuen bekannt. Aus dem Grab von Thutmosis III (KV 34) ist eine mit Pech bestrichene Statue des Königs mit Nemes-Kopftuch erhalten geblieben. Sie ist fast gleich im Konzept, jedoch ohne die Teilvergoldung. Auch aus dem Grab von Thutmosis IV. (KV 43) kennt man eine Holzstatue des Königs, hier nun schreitend und mit erhobenem Arm. Nach der Zeit von Tutanchamun wurde die Tradition der Holzstatuen weitergeführt, wie die schwarzen Götterfiguren aus dem Grab von Horemheb (KV 57) und von Ramses I. (KV 16) belegen. Da in Holzstatuen aus anderen Gräbern Hohlräume und sogar Papyri gefunden wurden, sind auch die beiden Wächterstatuen Gegenstand einer diesbezüglichen Untersuchung geworden. Davon berichtet das separate Kapitel „Tutanchamun und das Totenbuch“.
Edwards 1978: S. 58-59, 78-83.
James 2000: S. 172-175.
Farsen 2010: Kat. 36a-b, S. 104-106.
Fundnummer 40 JE 31466
Länge 33 cm; Breite 17 cm; Höhe 24 cm
Aus einem Stück Kalzit gefertigt, Truhenknopf aus schwarzem Obsidian.
Schon T. G. H. James spekulierte, dass die Truhe einem bestimmten Zweck gedient haben könnte da sie seltsame Dinge enthielt. Er spekulierte auf einen magischen Vertrag von Tutanchamun und seiner Frau Anchesenamun [61].
Nicholas Reeves präsentierte an einen mündlichen Vortrag interessante Überlegungen zum Inhalt der Kalzitbox aus der Vorkammer [214].
Sie wurde von Carter in der Vorkammer unter dem Ritualbett in der rechten Raumseite gefunden. Der Deckel befand sich nicht darauf. Er war beim Aufräumen in der Antike auf einer Holztruhe abgelegt worden welche in der linken Raumseite bei den zerlegten Streitwagen lag (JE 61494, 62723a, Carter Nr. 115).
Die Box misst 33 x 18.8 Inch und wurde aus einem soliden Alabasterblock gearbeitet, also eine äußerst kostbare Herstellung. Der Truhenknopf ist aus Obsidian hergestellt worden. Die Inschrift auf dem Deckel nennt Tutanchamun, diejenige der Schmalseite der Truhe zählt neben Tutanchamun auch den Namen seiner Ehefrau Anchesenamun auf.
Als Carter und sein Team die Truhe öffneten, fanden sie unter einem Tuch eine Maße von zerfallenen Haaren, sowie zwei Tuchballen, welche ebenfalls Haare enthielten. Einige der dekorativ daraufgelegten Haare waren lange, künstlich gekringelte Haarlocken.
In den 1920er Jahren hatte man den Haaren wenig Beachtung geschenkt und sie auf der Karteikarte als Pferdehaare klassifiziert.
Carter entfernte die Haare und fand am Boden der Box eine harte Masse aus Harz, darin wurde eine Elfenbeinschnitzerei gefunden, welche einen winzigen Granatapfel darstellt (Fruchtbarkeitssymbol?) und kleine Fragmente von Goldperlen und goldenen Teilen, welche wohl von einem Ohrring stammen dürften.
In der Box war zudem eine Goldscheibe mit einem Stern, welcher möglicherweise von einem Ritualgewand des Königs stammen könnte.
In der Karteikarte von Carter wurde daher angegeben, dass die Box aus Holz im inneren einen Rahmen hat, welche genau zur Aufnahme der Kalzitbox geeignet ist.
Es ist zu vermuten, dass die Box aus Kalzit einst in der Holzbox stand und so eine Art Miniatursargensemble gebildet hatte. Carter vermerkte dazu: „A kind of extra canopic box for King's hair(?)” [Eine Art Extra Kanope für die Haare des Königs (?)]
Reeves präsentierte in seinem Vortrag die Überlegung, den Vortrag ursprünglich als “The 5th Canopic Jar of Tutankhamun” genannt zu haben, inspiriert vom Hollywood-Blockbuster “The Mummy” wo seltsamerweise nicht vier, sondern fünf Kanopen der Anchesenamun in der Handlung auftauchen. Was als grober Filmfehler gilt, ist vielleicht eine ungewollte Entdeckung der Filmmacher.