Ein Abenteuer in den Highlands

Karin Lindberg

Karin Lindberg

Inhalt

Prolog

1. Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Epilog

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Prolog

New York

»Ian, mein Freund, wie geht es Ihnen?« Ians Kiefer spannte sich an. Er kannte die heisere Stimme mit dem harten russischen Akzent und wusste, wenn Sokolow ihn persönlich anrief, bedeutete dies selten etwas Gutes.

»Darius, was kann ich für Sie tun?«, antwortete er kühl.

»Im Moment gar nichts, vielen Dank. Ich wollte Ihnen nur persönlich für die Idee mit dem Gebäudekomplex an der West Side danken. Ich habe heute Morgen mit dem Bürgermeister die Verträge unterzeichnet.«

Ians Herz setzte einen Schlag aus.

Unmöglich! Es war doch alles unter Dach und Fach, er hatte den geplanten Notartermin für morgen im Kalender stehen! Ian griff nach der Schreibtischkante, dabei traten seine Knöchel weiß hervor. Seine Stimme zitterte vor Wut, als er entgegnete: »Sie Bastard, das letzte Wort ist hier sicherlich noch nicht gesprochen!«

Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten – Sokolow lachte.

Ian verabscheute den Mann abgrundtief. Der russische Oligarch verkörperte alles, was er hasste: Hinterlist, Rücksichtslosigkeit und Geldgier.

»Ich fürchte, es ist zu spät, MacLachlan. Eben in diesem Moment beginnen die Abrissarbeiten. Tut mir leid für Sie, beim nächsten Mal haben Sie vielleicht mehr Glück. Auf Wiedersehen, Ian. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.« Damit legte Sokolow auf und Ian blieb wie versteinert auf seinem Stuhl sitzen.

Das war einfach undenkbar! Wie war Sokolow ihm zuvorgekommen? Da ging es nicht mit rechten Dingen zu. Wütend schlug er mit der Faust auf seinen Schreibtisch ein. Der Bildschirm zitterte bedenklich und das Bild flackerte, bevor es sich wieder beruhigte.

»Verfluchte Scheiße!«, schrie er und sprang auf. Nach einigen Sekunden öffnete sich die Tür zu seinem Büro und seine Sekretärin Mae steckte ihren Kopf vorsichtig herein. »Mr. MacLachlan, ist alles in Ordnung?«

»Gar nichts ist in Ordnung!«, donnerte Ian. »Das Schwein Sokolow lässt gerade die Gebäude an der West Side abreißen!«

Maes Gesicht wurde blass und sie riss ihre Augen weit auf: »Wie ist das möglich? Sie haben doch morgen einen Termin beim Notar. Es sollte doch alles unter Dach und Fach sein!«

»Der Teufel weiß, wie Sokolow das gedreht hat. Ich verstehe es nicht, aber ich werde es herausfinden. Das Schwein geht über Leichen, das wissen wir beide, und einige Kameraden hier in New York sind leider so korrupt wie indische Polizisten. Er hat gute Kontakte zu den Behörden und seine Männer sitzen überall. Geld spielt für ihn keine Rolle. Für ihn zählt nur der Triumph über mich. Verdammt, ich fasse es nicht!« Ian lief aufgebracht durch sein Büro, sein Atem ging flach und Wut schnürte ihm den Hals zu.

»Kann ich etwas tun?«, fragte Mae unschlüssig. Sie hatte die Hände vor der Brust verschränkt und wäre jetzt ganz offensichtlich lieber woanders gewesen. Ian blieb stehen und überlegte.

»Ja. Finden Sie heraus, was passiert ist, und melden Sie sich bei mir. Ich bin jederzeit telefonisch erreichbar.«

Ian griff nach seinem Handy, dem Notebook und der braunen Aktentasche: »Ich denke nicht, dass ich heute noch einmal reinkomme. Ich höre von Ihnen, Mae!«

»Natürlich, Sir.«

Ian stürmte aus dem Büro. So einfach würde er sich nicht geschlagen geben. Als erstes würde er sich den Mitarbeiter der Stadt New York vorknöpfen, der ihm hoch und heilig versichert hatte, dass alles glattgehen würde. Vielleicht wusste er ja, wo die undichte Stelle war. Im Gehen rief er die Zentrale der Baubehörde an. Der besagte Stadtmitarbeiter war für ihn nicht zu sprechen und an höherer Stelle hielt man sich mit Informationen bedeckt. Keiner wollte etwas wissen. Was hatte er anderes erwartet?

Wutentbrannt legte Ian auf, als er in der Tiefgarage ankam. Ihm waren anscheinend tatsächlich die Hände gebunden. Das wurmte ihn, aber er würde alle Register ziehen, um Sokolows Machenschaften aufzudecken. Sein Chauffeur war von Mae benachrichtigt worden und wartete bereits.

Es war Rushhour und die Fahrt zur Wohnung zog sich unendlich in die Länge, was Ians Laune nicht gerade verbesserte.

»Soll ich einen anderen Weg nehmen, Sir?«, frage sein Fahrer Jim und riss ihn aus dem Traum, wie er Sokolow den Hals umdrehte, wenn er ihm das nächste Mal begegnete.

»Nein, ist schon gut. Wir kommen zu dieser Zeit sicherlich nirgendwo schneller voran.«

»In Ordnung, Sir. Wie war Ihr Tag, Sir?«

Ian seufzte leise, bevor er antwortete. Jim war ihm in den letzten drei Jahren ans Herz gewachsen und der Mann kannte ihn mittlerweile so gut, dass er sofort merkte, wenn etwas in der Luft lag.

»Ach, Jim, es ist zum Kotzen. Sokolow – du erinnerst dich an den russischen Oligarchen, der alles abreißt, was er finden kann, um moderne Ultrawolkenkratzer aufzuziehen?«

»Natürlich erinnere ich mich. Sein Name ist ja ständig in der Presse.«

»Er ist in genau diesem Moment dabei, die Gebäude an der West Side abzureißen, die ich renovieren lassen wollte. Ich habe sechs Monate an diesem Deal gearbeitet. Es sollte ein Business- und Familiencenter entstehen, ein Treffpunkt für Geschäftsleute, aber auch ein Freizeitcenter für Familien und Kinder. Der Russe sieht nur den Profit; historische Gebäude und Werte sind diesem Kriminellen völlig egal.« Ian spürte die Wut abermals auflodern. Sein Magen verkrampfte sich.

»Verstehe, das ist ärgerlich«, meinte Jim.

»Das ist nicht nur ärgerlich. Hier geht der Stadt New York ein großartiges Stück Geschichte verloren. Sowas dürfte man nicht zulassen. Ich bin mir sicher, dass Sokolow an verschiedenen Stellen nachgeholfen hat, und das nicht nur mit freundlichen Worten. Ich war fast durch damit! Es ist nicht das erste Mal, dass er sowas macht.« Man hörte am Klang seiner Stimme, wie gereizt Ian war. Um sich zu beruhigen, atmete er ein paarmal tief durch und schloss für einen Moment die Augen.

»Das tut mir leid, Sir. Ich verstehe, dass Sie aufgebracht sind. Können Sie das noch rückgängig machen?«

»Wie soll das gehen? Die Gebäude sind mittlerweile sicher komplett zerstört. Die Abrissfirma stand bereits vor Ort und hat direkt nach der Beglaubigung losgelegt. Sokolow ist nicht dumm. Er wusste, dass ich etwas anderes vorhatte.« Ian hatte noch nicht aufgegeben, aber nachdem er von den Behörden ebenso aalglatt abgewiesen worden war, ging er davon aus, dass er ziemlich schlechte Karten hatte.

»Sie kennen ihn schon länger?«, fragte Jim, seinen Kopf ein wenig nach hinten neigend.

»O ja. Für ihn hat es sich zu einem Wettbewerb entwickelt. Es ist mittlerweile fast etwas Persönliches daraus geworden.« Ian fügte im Stillen hinzu, dass es für Sokolow ziemlich genau vor drei Jahren persönlich geworden war, als ihn seine damalige Geliebte für Ian verlassen hatte. Seither war Ian mit Jamila Alimah, einem amerikanischen Topmodel mit afghanischen Wurzeln, zusammen. Allerdings war sich Ian damals nicht darüber im Klaren gewesen, dass sie Sokolows Geliebte gewesen war – bis Sokolow damit anfing, seine Geschäfte zu sabotieren. Dann erst war Jamila mit der Sprache rausgerückt, aber Ian war es egal gewesen, denn er liebte Jamila und trennte grundsätzlich Privates von Geschäftlichem. Immerhin hatte er es geschafft, den Wert des Familienunternehmens in den letzten fünf Jahren, seit dem Tod seines Vaters, zu verdoppeln. Ian hatte den ursprünglich schottischen Konzern ausgebaut, globale Märkte erschlossen und ihn schließlich an die Börse gebracht.

»So etwas ist nie gut und die Russen kämpfen selten fair. Als die italienische Mafia hier noch das Sagen hatte, war das alles viel einfacher. Aber die Russen, na ja, die sind komplizierter«, riss Jim ihn aus seinen Überlegungen. Ian lachte kurz auf; der erste Anflug von Humor, seit er Sokolows Anruf entgegengenommen hatte.

»Ich weiß nicht, italienische Mafia oder russische ... Am Ende kannst du bei beiden mit Betonklötzen an den Füßen im Hafen versenkt werden. Mir sind ehrliche Geschäftspartner immer noch am liebsten.«

Der Verkehr bewegte sich nach wie vor im Schneckentempo, aber wenigstens ging es überhaupt voran. Hupen und Straßenlärm bedeuteten Alltag in dieser Stadt, die niemals schlief. Auch nach der langen Zeit, die er nun schon in New York lebte, sehnte sich Ian gelegentlich nach der Ruhe der Highlands, aber Jamila mochte Schottland nicht. Sie war einmal mit ihm dort gewesen und hatte von der ersten Minute an gequengelt, wann sie endlich wieder nach London abreisen würden. Es war ihr zu kalt, zu nass und vor allem zu einsam gewesen. Deswegen hatte er seinen Wohnsitz vollständig nach New York verlegt. Er fühlte sich hier wohl. Nur manchmal, da wünschte er sich zurück in die Abgeschiedenheit der schottischen Highlands, seiner Heimat. So wie jetzt.


Der afroamerikanische Concierge nickte Ian zu und rief den Lift. »Bitte sehr, Sir. Ich hoffe, Sie hatten einen angenehmen Tag?«

»Danke, Adam. Bis jetzt war er eher mittelmäßig, aber nun bin ich ja zuhause und werde was Schönes mit Jamila unternehmen.«

»Hab’ sie heute noch gar nicht gesehen, aber meine Schicht hat ja eben erst angefangen. Wenn Sie noch etwas benötigen, Mr. MacLachlan, dann rufen Sie kurz an.«

»Natürlich, Adam. Vielen Dank. Wie geht es den Kindern?« Ian blieb in der Aufzugtür stehen und drehte sich noch einmal um.

Adams Lachen wurde breiter. »Oh, sehr gut, Sir. Die Zwillinge halten meine Frau ganz schön auf Trab und Michael ist ein sehr guter Schwimmer. Er will mal zu den Olympischen Spielen, wenn er groß ist.«

»Das klingt toll! Dann grüßen Sie Ihre Frau und bringen Sie ihr mal wieder Blumen mit.« Ian steckte Adam zwanzig Dollar zu, bevor er im Lift verschwand. Der Concierge war zuverlässig und kümmerte sich immer bereitwillig um jedes Anliegen, das er oder Jamila hatten.

»Vielen Dank, Sir. Ich wünsche Ihnen einen schönen Nachmittag.«

»Danke, Adam.« Die Aufzugtür schloss sich, in Gedanken war Ian schon bei Jamila. Hoffentlich war sie überhaupt zuhause. Sie arbeitete oft sehr lange, das brachte ihr Job als Model mit sich. Wahrscheinlich führten sie deswegen auch eine außerordentlich harmonische Beziehung. Sie hatte ihm noch nie Vorhaltungen gemacht, wenn er selbst länger arbeiten musste. Jamila konnte ihm zwar in der Angelegenheit mit Sokolow nicht helfen, aber sie würde ihm auf eine andere Art und Weise Freude bereiten und ihn für ein paar Stunden von seiner geschäftlichen Misere ablenken.

Als er die Tür zum Penthaus öffnete, war Ian enttäuscht. Sie war nicht zuhause. Er schlüpfte aus den Schuhen, lockerte die Krawatte und zog sie sich schließlich vom Hals, während er Richtung Schlafzimmer ging, um den Anzug gegen Jeans und Shirt zu tauschen.

Die Krawatte fiel ihm aus der Hand, als er die angelehnte Schlafzimmertür aufstieß und sah, was dort vor sich ging.

Jamila war auf allen Vieren und hinter ihr kniete ein dunkelhäutiger Kerl mit Glatze und einem ziemlich muskulösen Hintern. Die riesigen Hände des nackten Typen klammerten sich an ihrer Hüfte fest, offenbar, um noch kraftvoller zustoßen zu können. A tergo war eine von Jamilas Lieblingspositionen. Bisher hatte Ian allerdings gedacht, dass er der Einzige wäre, mit dem sie dieses Vergnügen auslebte. Anscheinend hatte er sich da getäuscht. Die Erkenntnis legte sich wie eine Schlinge um seinen Hals und das Atmen fiel ihm schwer.

»Was ist denn hier los, verdammt!«, brüllte er und das Paar fuhr erschrocken auseinander. Jamila rollte auf den Rücken und zog sich das Laken über die Brust, die dunklen Augen weit aufgerissen. Ihr Sexpartner fiel ruckartig vom Bett und jaulte erstaunt auf: »Fuck! Fuck! Fuck!«

Ian hatte das Gefühl, jeden Moment zu explodieren, und zwischen zusammengebissenen Zähnen presste er gefährlich leise hervor: »Du da, raus. Nimm deinen Scheiß und hau ab. Jamila, das Gleiche gilt für dich.« Jamilas Liebhaber hastete mit einer unglaublichen Geschwindigkeit durch Ians Schlafzimmer und sammelte seine verstreuten Klamotten ein. Innerhalb weniger Sekunden war er aus dem Raum verschwunden und kurz darauf knallte die Haustür zu. Ians Blick war unverwandt auf Jamila geheftet, die sich nicht gerührt hatte – sie schaute ihn an und schien in Schockstarre verfallen zu sein. Schließlich senkte sie die Augen und stammelte: »Aber Ian, es ist nicht, wie du denkst …«

Ian war einen Moment sprachlos, dass Jamila angesichts der Tatsache, dass er sie eben in flagranti mitten im Geschlechtsakt erwischt hatte, tatsächlich die Kaltblütigkeit besaß, mit einer derart abgedroschenen Phrase zu kommen.

Und dann lachte er. Er lachte aus vollem Halse, aber es war kein fröhliches Lachen, es war bitter. Abrupt hörte er wieder auf und seine Stimme klang kalt, als er antwortete: »Spar dir den Atem, Jamila. Nichts, was du noch sagen könntest, würde etwas an dem ändern, was ich eben gesehen habe. Ich gehe jetzt und wenn ich nachher zurückkomme, bist du mit deinem Scheiß verschwunden. Ich will dich hier nie wiedersehen. Deinen Schlüssel kannst du auf den Esstisch legen.« Jamila hatte sich mittlerweile aufgesetzt und hielt das seidene Laken schützend vor ihre vollen Brüste. Sie sah aus, als suchte sie nach den richtigen Worten. Aber die gab es nicht. Ian hörte noch, wie sie endlich zu einer Antwort ansetzte und seinen Namen rief, aber er war bereits auf dem Weg nach draußen. Noch wenige Minuten zuvor hatte er gedacht, dass sein Tag nicht mehr schlimmer werden könnte.