WIE DIE
QUALIFIKATION FÜR
HAWAII
GELINGT
1. Auflage 2021
© Delius Klasing & Co. KG, Bielefeld
Folgende Ausgaben dieses Werkes sind verfügbar:
ISBN 978-3-667-12222-3 (Print)
ISBN 978-3-667-12340-4 (Epub)
Text: Matthias Knossalla, Sebastian Weber, Dr. Mareike Großhauser, Dr. Georg Abel, Eva Buchholz, Susanne Knossalla, Marc Rink, Thorsten Radde
Bilder: Dr. Georg Abel: S. 96, 153; Eva Buchholz: S. 120; Thomas Gaffner: S. 174; Dr. Mareike Großhauser: S. 78; Behrad Hanifeh: S. 24, 136; Marcel Hilger: S. 65; Matthias Knossalla: S. 4/5, 18 unten, 46, 190 rechts; Isaak Papadopoulos: S. 114; Jay Prasuhn: S. 13, 16, 18 oben, 22, 25, 29, 44, 48, 50, 86, 93, 94, 105, 118, 123, 130/131, 134, 137, 140/141, 144, 146/147, 148, 150, 155, 156, 158/159, 162, 164, 167, 168, 173, 182, 185, 187, 189; Thorsten Radde: S. 166; Marc Rink: Cover, S. 152, 178/179, 190 links; Ulrich Scherbaum: S. 14, 76, 191; Tobias Springstubbe: S. 75; Marc Unger: S. 184; Sebastian Weber: S. 10, 52, 55, 56, 61, 63, 71; Frank Wechsel: S. 81
Lektorat: René Stein, Stephanie Jaeschke, Petra Schomburg
Layout & Umschlaggestaltung: Felix Kempf, www.fx68.de
Lithografie: Mohn Media, Gütersloh
Datenkonvertierung E-Book: Bookwire - Gesellschaft zum Vertrieb digitaler Medien mbH
Alle Rechte vorbehalten! Ohne ausdrückliche Erlaubnis des Verlages darf das Werk weder komplett noch teilweise vervielfältigt oder an Dritte weitergegeben werden.
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VORWORT
VON LIONEL SANDERS
MYTHOS QUALIFIKATION FÜR DIE WELTMEISTERSCHAFT AUF HAWAII
VON MATTHIAS KNOSSALLA
MIT EINER PERIODISIERTEN TRAININGSPLANUNG ZU EINER NEUEN BESTLEISTUNG
VON MATTHIAS KNOSSALLA
REVERSE PERIODISIERUNG UND DEREN VORTEILE
DIE EINZELNEN TRAININGSPHASEN EINER PERFEKTEN LANGDISTANZ-VORBEREITUNG
Die Eingewöhnungsphase (Preparation)
Die Sprint-Phase (Base 1)
Die olympische Phase (Base 2)
Die Mitteldistanz-Phase (Build 1)
Die Langdistanz-Phase (Build 2)
Die Vorwettkampf-Phase (Peak)
Die Übergangsphase (Transition)
TROUBLESHOOTING IN DER VORBEREITUNG
PACING IM RENNEN
WAS MUSST DU WIRKLICH LEISTEN? DIE HAWAII-QUALIFIKATION AUS PHYSIOLOGISCHER SICHT
VON SEBASTIAN WEBER
DIE ZWEI SEITEN DER QUALIFIKATION
PARADIGMENWECHSEL IM SCHWIMMEN
WIE GUT MUSST DU SCHWIMMEN KÖNNEN?
MIT 1.000 WATT NACH HAWAII – EINE FRAGE DER AERODYNAMIK
LAUFÖKONOMIE – MEHR SPEED BEI GLEICHER LEISTUNG?
DAS PROBLEM MIT DER ENERGIE
INTERNE SPEICHER UND EXTERNE ZUFUHR
MEHR ESSEN = MEHR SPEED
TAUZIEHEN IM MUSKEL
METABOLISCHES PROFIL
IRRWEG LEISTUNGSDIAGNOSTIK
DEINE PHYSIOLOGISCHE CHECKLISTE FÜR DIE HAWAII-QUALIFIKATION
DIE 365-TAGE-ERFOLGSFORMEL DER MODERNEN UND SPORTGERECHTEN ERNÄHRUNG
VON DR. MAREIKE GROSSHAUSER
BESONDERHEITEN DER SPORTERNÄHRUNG
DIE WICHTIGSTEN BASICS EINER SPORTGERECHTEN ERNÄHRUNG
DIE BASICS IM ÜBERBLICK
AUF DIE QUALITÄT KOMMT ES AN
Richtig lagern und zubereiten
Geschmackvoll essen und Artenvielfalt erhöhen
Antientzündlich essen hat Vorteile
Ausreichend trinken
BEDARFSGERECHTE BASISERNÄHRUNG AUF DEN PUNKT GEBRACHT
Dein Energiebedarf
Makronährstoffe – deine Energielieferanten
Steckbrief Kohlenhydrate
Steckbrief Eiweiß
Steckbrief Fett
Nahrungsergänzungsmittel – gut zu wissen
SO SIEHT DIE ERNÄHRUNG FÜR ERFOLGREICHE 226 KILOMETER AUS
VON DR. GEORG ABEL
ERNÄHRUNG IM TRAINING UND WETTKAMPF
NUTRIENT TIMING – »RICHTIG« ESSEN IM TRAINING
Kohlenhydrate richtig portionieren
Das Spiel mit den Kohlenhydraten – dein »Fettstoffwechselboost«
Nach dem Training ist vor dem Training
Proteine
Flüssigkeit
Richtig regenerieren
Ruhetage
PERFORMANCE KITCHEN – GETRÄNKE FÜR TRAINING, WETTKAMPF UND REGENERATION
Wettkampfvorbereitung
Die letzten zwölf Wochen oder »Train the gut«
Die letzten drei Tage – keine Experimente mehr!
Wettkampftag
Das Rennen
Nach dem Rennen
INTERVIEW MIT DER IRONMANWELTMEISTERIN ANNE HAUG
IM GLEICHKLANG MIT DEM EIGENEN KÖRPER NACH KONA
VON EVA BUCHHOLZ
ALLGEMEINES
WAS IST OSTEOPATHIE, UND WIE ARBEITET DER OSTEOPATH?
DER ALLTAG EINES TRIATHLETEN UND WAS DABEI DIE ENTSTEHUNG VON VERLETZUNGEN BEGÜNSTIGT
SPORT-OSTEOPATHIE IM TRIATHLON
Sport-Osteopathie im Schwimmen
Sport-Osteopathie im Radfahren
Sport-Osteopathie im Laufen
MENTAL BULLETPROOF: MIT HOHER EMOTIONALER INTELLIGENZ ZUR KONA-QUALIFIKATION
VON SUSANNE KNOSSALLA
WAS BEDEUTET EMOTIONALE INTELLIGENZ – UND WIE VERHILFT SIE DIR ZU TOP-LEISTUNGEN?
DIE VIER FELDER DER ACHTSAMKEITSREGULATION – UND WOZU DAS STEUERN DER AUFMERKSAMKEIT SINNVOLL IST
GEZIELTER UMGANG MIT DEN EIGENEN EMOTIONEN IN DER WETTKAMPFVORBEREITUNG SOWIE AM TAG X
DIE »LAST ROW TECHNIQUE« – BEWÄLTIGUNG EMOTIONALER HÜRDEN
EIN STUFENMODELL ZUR TRAININGSLAGERGESTALTUNG
VON MARC RINK
ALLGEMEINES
WARUM ABSOLVIEREN SPORTLER TRAININGSLAGER?
SO GESTALTEST DU DEIN TRAINING IM TRAININGSLAGER
DER TRAININGSCAMP-GUIDE: WANN IST DER BESTE ZEITPUNKT FÜR EIN TRAININGSLAGER?
WELCHE TRAININGSBEDINGUNGEN BRAUCHST DU?
Schwimmen
Radfahren
Laufen
Fitnessstudio
Eigenregie versus organisiertes Trainingslager
Nach dem Trainingslager?
SO QUALIFIZIERST DU DICH AM LEICHTESTEN FÜR KONA
VON THORSTEN RADDE
ALLGEMEINES
VIELE WEGE FÜHREN NACH ROM KONA
SLOT-SYSTEM
SLOTS IN EINER ALTERSKLASSE
SLOT-VERGABE
QUALIFIKATIONSZEITEN
Ein Rennen, eine Altersklasse
Eine Altersklasse, mehrere Jahre
Aufteilung auf die einzelnen Disziplinen
Alle Altersklassen, ein Rennen
Eine Altersklasse, mehrere Rennen
Alle Altersklassen, Mittel aller Strecken
Dein persönlicher Weg zur Kona-Qualifikation
EPILOG: UNTERSTÜTZUNG AUF DER JAGD NACH DEINER NEUEN BESTZEIT
VON MATTHIAS KNOSSALLA
TRAININGSWISSENSCHAFTLICHE ABKÜRZUNGEN IN DEN BEISPIELWOCHEN
WEITERFÜHRENDE LITERATUR
Um den Ironman auf Hawaii ranken sich die verschiedensten Mythen. Im Laufe der Jahre ist dieses Rennen zum ultimativen Synonym dafür geworden, was der Mensch mittels Fitness erreichen kann: 3,86 km Schwimmen im oftmals kabbeligen Pazifik, 180,2 km Radfahren begleitet von den mächtigen Mumuku-Winden und ein abschließender Marathon von 42,195 km durch die Gluthitze auf Big Island. Jedes Jahr stehen 100 Profiathleten und circa 2.500 Agegrouper an der Startlinie des im Dreikampf wohl prestigeträchtigsten Rennens. Jeder von ihnen hat seine eigene Geschichte, und jeder ist bereit, an diesem einen Wettkampftag alles aus sich herauszuholen. Der Sieger darf sich nicht nur Ironman World Champion nennen, sondern gilt allgemein auch als der fitteste Mensch der Welt.
Nahezu alle Athleten, die in Kona starten dürfen, egal ob Profi oder Altersklassenathlet, haben den knallharten Qualifikationsmodus durchlaufen. Viele von ihnen erfüllen sich mit dem Start auf Hawaii einen persönlichen Lebenstraum, den sie vielleicht schon viele Jahre verfolgen. Nur der absoluten Elite der Profis sowie den schnellsten Agegroupen jeder Altersklasse wird diese Ehre zuteil, und sie alle wollen nun zeigen, wie stark sie wirklich sind.
Im Profifeld sind viele Athleten auf einem ganz ähnlichen körperlichen Niveau, aber für dieses Rennen reicht es nicht aus, nur körperlich topfit zu sein. Schon im Vorfeld müssen Ernährungsstrategien akribisch getestet und taktische Varianten einstudiert werden. Während des Rennens gehört dann zudem noch eine Portion Glück dazu, um beispielsweise von technischen Pannen verschont zu bleiben. Ein weiterer entscheidender Erfolgsfaktor ist die mentale Stärke. Du musst mit der Anspannung und dem Druck im Vorfeld klarkommen. Du darfst dich von der Dynamik des Rennens nicht aus der Ruhe bringen lassen, und du musst geduldig auf deine Chance warten. Wer mit seinen eigenen Emotionen am besten umzugehen weiß, kann oft den entscheidenden Unterschied am Wettkampftag für sich verbuchen.
2017 genoss ich das Privileg, das Rennen für immerhin 20 Meilen auf der Laufstrecke anführen zu dürfen. Das ist etwas, wovon ich buchstäblich die vorangegangenen acht Jahre geträumt hatte. Leider wurde ich drei Meilen vor dem Ende noch kassiert und kam als Zweiter ins Ziel, aber es war immer noch eines der aufregendsten Erlebnisse in meinem Leben, wenn auch extrem schmerzhaft. Der einzige Nachteil, wenn man in diesem Rennen Vizeweltmeister wird: Man setzt wirklich den Rest seiner Karriere alles daran, auch noch die letzte Stufe zu erklimmen.
Wenn du dieses Buch in den Händen hältst, möchtest du dir sicher auch endlich den Traum von dem Start beim Ironman Hawaii erfüllen. Wird es leicht werden? Nein, aber gerade deshalb ist es doch so besonders, und du ahnst mit Sicherheit, dass der Weg dorthin kein Spaziergang wird. Du wirst deine Komfortzone oft verlassen müssen, aber ich kann dir eins versprechen: Der Ironman Hawaii ist der Höhepunkt in unserem Sport, und ein Start bei diesem Rennen ist die gesamte mühevolle Vorbereitung und die vielen Entbehrungen wert.
Ich wünsche dir jetzt ganz viel Spaß beim Lesen und noch viel mehr Erfolg bei der Umsetzung der wertvollen Tipps und Tricks, die dir in diesem Buch vorgestellt werden. Du hältst eine Art Gebrauchsanweisung für eine erfolgreiche Qualifikation in den Händen, und ich hoffe, du weißt sie zu nutzen. Falls ja, dann freue ich mich, wenn wir uns im Vorfeld des Rennens auf dieser magischen Insel im Pazifik sehen.
Viel Erfolg und alles Gute!
Euer
Lionel Sanders
Mein Wecker klingelte morgens um 3:30 Uhr. Noch drei Stunden bis zum Start. Gemeinsam mit einem Freund setzte ich mich ins Auto, und wir fuhren zum Langener Waldsee vor den Toren Frankfurts. Es war der 5. Juli 2009. Im Startbereich am See herrschte eine mystische Stimmung. Man konnte die Anspannung der Teilnehmer förmlich spüren. Noch 60 Minuten bis zum Start. Ich beendete die letzten Vorbereitungen an meinem Triathlonrad, zog meinen Neoprenanzug an und ging hinunter zum Seeufer. Was mache ich nur bei einem dieser Rennen? Noch zehn Minuten. Ich habe noch nie so viele Menschen auf einem Haufen so still erlebt. Noch 60 Sekunden.
Fragen schossen durch meinen Kopf: Bin ich gut genug vorbereitet? Schaffe ich das? Wie groß werden die Schmerzen sein? Dööööööd, die Startsirene ertönte, und ich stürzte mich zusammen mit über 2.000 Athletinnen und Athleten in ein ungewisses Abenteuer.
Das Schwimmen verlief mäßig, doch mit einer Mischung aus Brust- und Kraulschwimmen schaffte ich die Distanz und wechselte zur nächsten Disziplin. 180 Kilometer Radfahren standen an. Nach ungefähr 120 Kilometern wurde die Frage in meinem Kopf immer lauter: Was zur Hölle machst du hier eigentlich? Aber ich trat weiter. Nach fast sieben Stunden Renndauer wechselte ich zum Laufen. Erschöpfung, Schmerz, Selbstzweifel – sie alle nagten an mir, aber ich lief einfach immer weiter.
Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichte ich endlich das Ziel. »Matthias, you are an Ironman«, brüllte mir der Moderator ins Gesicht. Ich hatte elf Stunden und 30 Minuten gebraucht, im Ergebnis Platz 1.122.
Gar nicht mal so schlecht, oder? Ich war jedenfalls richtig stolz! Meine erste Langdistanz und mein zweiter Triathlon überhaupt. Was mir zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht ganz klar war: Um nach Hawaii zu kommen, muss man sich als einer der ersten Fünf in der Altersklasse 25–29 platzieren, und dafür war damals eine Endzeit von unter neun Stunden nötig. Ich war also mehr als zweieinhalb Stunden zu langsam. Dieses Rennen entzündete jedoch ein Feuer in mir, und zwar für den Triathlonsport. Ich hatte noch nie wirklich Schwimmen, Radfahren oder Laufen betrieben, aber ich merkte bereits direkt nach dem Rennen, dass ich in diesem Sport noch einiges vorhabe. Ich wollte zu dieser Weltmeisterschaft nach Kona, Hawaii.
Im folgenden Jahr startete ich dann in Roth und verbesserte mich auf knapp unter zehn Stunden. Eine tolle Leistungssteigerung, aber noch viel zu weit weg, um ernsthaft in den Kampf um die begehrte Qualifikation in meiner Altersklasse einzugreifen. Also trainierte ich ein weiteres Jahr sehr intensiv neben meinem Sportstudium. Hawaii entwickelte sich zu so einem konkreten Ziel, dass es zu meinem Lebensmittelpunkt wurde. Jede freie Minute steckte ich in mein Training, und nach monatelangen Vorbereitungen war es dann endlich so weit: Race Day 2011.
Es war ein brutales Rennen. Tageshöchstwerte von maximal 13 °C, ständige Regenschauer und Windböen von bis zu 90 Stundenkilometern. Niemand war so schnell, wie er bei besserem Wetter hätte sein können. Während des Rennens merkte ich allerdings, dass ich besser mit den Bedingungen zurechtkam als viele der anderen Triathleten. Ich kämpfte mit allem, was in mir steckte, und erreichte das Ziel mit einer neuen persönlichen Bestleistung von neun Stunden und 27 Minuten … Das musste reichen.
Doch für die Hawaii-Qualifikation fehlten 41 SEKUNDEN! Nach neun Stunden und 27 Minuten fehlten mir 41 Sekunden zu meinem großen Lebenstraum!
Das ist so ein kritischer Punkt, an dem viele Menschen aufgeben und ihr großes Ziel nicht mehr verfolgen. Klar, das war am Anfang auch für mich eine herbe Enttäuschung, und ich habe auch kurz ans Aufgeben gedacht, aber Niedergeschlagenheit und Enttäuschung wichen ganz schnell einem unglaublichen Gefühl von Motivation und Tatendrang. Ich war ja so nah dran! Für mich war es selbstverständlich weiterzumachen, also meldete ich mich direkt wieder für den nächsten Ironman Frankfurt an.
Von jetzt an war ich auf einer Mission. Ich trainierte wie ein Besessener. Jede freie Minute steckte ich in meine Vorbereitung. Auf Warnsignale meines Körpers achtete ich nicht. »Je mehr Training, desto besser«, dachte ich damals. Ich hatte nur ein Ziel, und ich war bereit, alles zu investieren, was nötig war, um mir meinen Traum der Hawaii-Qualifikation zu erfüllen.
Race Week 2012, noch sechs Tage bis zu meinem großen Rennen! Ich konnte es kaum erwarten! Fünf Tage vor dem Wettkampf absolvierte ich ein letztes kurzes Koppeltraining, und da passierte es: Zack, wie ein spitzes Messer stach es in mein Knie. Ich knickte leicht weg und konnte nur noch humpeln. Das war’s, ich wusste es sofort. Zwei Tage später wurde ich bereits am Innenmeniskus operiert. Nach der OP musste ich noch zwei Wochen an Krücken gehen und bekam für die nächsten drei Monate Laufverbot erteilt.
Ich war komplett am Boden zerstört. Vier Jahre Training und jetzt das? Am Anfang war es nicht mehr als ein Traum gewesen, aber über die Jahre hinweg war ich besser und besser geworden und hatte gemerkt, dass ich eine realistische Chance besaß. Es war, als würde mir der Boden unter den Füßen weggerissen. Mein Lebensmittelpunkt zu der damaligen Zeit war zerstört.
Ich nahm über zehn Kilogramm zu, und von Triathlon wollte ich überhaupt nichts mehr wissen. Ich bin in ein richtiges Loch gefallen.
Zum Glück verheilte mein Knie ziemlich gut, und ich wollte zumindest wieder mein zusätzliches Gewicht loswerden. Also fing ich ganz langsam wieder mit Radfahren an. An einem Tag geschah nach einem kurzen Training dann etwas Sonderbares: Ich kam zwar ziemlich erschöpft zu Hause an, aber ich war glücklich. Ich habe mich zum ersten Mal seit vielen Wochen wieder richtig zufrieden gefühlt.
Mein Glück und meine Freude lagen – und liegen bis heute – in diesem Sport, und diese Freude gibt mir immer wieder Motivation. Ich musste das einfach machen, also meldete ich mich erneut für den Ironman Frankfurt an.
Mir war klar, wenn ich irgendwie in diesem Sport weiterkommen möchte, muss ich einiges ändern! Mein bisheriges Vorgehen hatte mich nicht in den Flieger nach Hawaii, sondern lediglich auf den OP-Tisch gebracht. Zudem hatte ich auch nicht mehr die üblichen neun bis zehn Monate an Vorbereitungszeit. Durch meine Verletzung, die anschließende Rehabilitation sowie meine Phase des Selbstmitleids hatte ich jetzt nur noch sechs Monate Zeit bis zum Rennen.
Ich nahm mir also vor, intelligenter zu trainieren. Möglichst lange und hart waren nicht mehr die einzigen Kriterien. Ich las jeden Artikel und jedes Buch über Triathlontraining, das ich finden konnte. Daraufhin habe ich mein Training komplett umgestellt und bin von der klassischen Trainingsperiodisierung zum ersten Mal zu einer Art »Reverser Periodisierung« gewechselt, aber dazu später mehr. Ich schaute, was die Profis im Training machen, und suchte mir Trainingspartner, die schon dort gewesen waren, wo ich noch hinwollte. Ich habe mein gesamtes bisheriges Vorgehen hinterfragt und alles neu ausgerichtet.
Ich biege ein auf die Zielgerade, auf den roten Teppich vor dem Römer in Frankfurt. Es sind die letzten Meter eines harten Rennens mit vielen Höhen und Tiefen. Mein Herz rast vor Erschöpfung und Aufregung zugleich. Ich höre die Zuschauer auf den großen Tribünen am Römer. Nach acht Stunden und 52 Minuten erreiche ich die Ziellinie. Das reicht für den dritten Platz in meiner Altersklasse 25–29, und das bedeutet: die direkte Qualifikation für die Weltmeisterschaft auf Hawaii! Ich habe es endlich geschafft!
Fünf Jahre lang hatte mir dieses Ziel wirklich alles abverlangt. Ich war vom Nichtsportler zum Triathleten und dann zum Hawaii-Qualifikanten mutiert. Hatte ich Vorerfahrungen in einer der drei Sportarten? Nein! Brachte ich riesiges Talent für eine der drei Sportarten mit? Schwer zu sagen! Aber ich hatte ein großes Ziel, dass ich trotz aller Unwägbarkeiten und Rückschläge jahrelang verfolgt habe! Im folgenden Jahr habe ich dann mit einem zweiten Platz beim Ironman 70.3 Rügen mein Debüt bei den Profis gegeben.
Mittlerweile steht das sportliche Ziel gar nicht mehr so sehr im Vordergrund. Es ist viel mehr die Entwicklung, die mich äußerst stolz macht. Seit diesem Erfolg begegne ich allen Herausforderungen in meinem Leben mit großem Optimismus und der nötigen Portion Selbstbewusstsein. Du kannst deutlich mehr erreichen, als du zu Beginn denkst, du musst nur wissen, wohin deine Reise gehen soll.
Als Nächstes wollte ich nun herausfinden, ob meine Entwicklung auch auf andere Sportler übertragbar ist, und daher gründete ich 2015 das Coaching-Unternehmen trivolution-training. Seitdem haben wir mit unserem elfköpfigen Team gemeinsam unzählige Sportler auf der ganzen Welt von Brasilien über Nordamerika bis nach Südafrika und weiter nach China auf dem Weg zu ihren persönlichen Bestleistungen betreut und gecoacht, wobei die Qualifikation für die Weltmeisterschaft auf Hawaii bei den meisten Triathleten das ultimative sportliche Ziel bildete.
Hawaii ist mehr als ein Rennen. Es kommt einem Ritterschlag für jeden Triathleten gleicht, einmal dort an der Startlinie stehen zu dürfen. Für viele ist die Qualifikation ein Prozess über viele Jahre, und nur eine Minderheit schafft die Qualifikation auch wirklich. In jedem Jahr treten Hunderttausende Sportler und Sporlerinnen weltweit an, um einen der begehrten Slots zu bekommen. Wer es nach Kona schafft, der gehört – abgesehen von einigen wenigen Ausnahmen, wie wir später noch sehen werden – zu den besten Triathleten der Welt in seiner Altersklasse. Diese Tatsache treibt viele Sportler an, die freie Zeit neben Familie, Beruf und sozialen Verpflichtungen komplett in diesen schönen Sport zu stecken. Aber eins ist klar: Die Konkurrenz ist groß, und die Luft auf den vorderen Plätzen bei mittlerweile jedem Rennen der Serie ziemlich dünn.
Für mich wurde es zum inneren Antrieb, Menschen auf dem Weg zu ihrem großen Lebensziel zu coachen und zu unterstützen. Gemeinsam mit meinem Team haben wir wirklich viele Kona-Qualifikationen und unzählige neue Bestleistungen feiern dürfen. Aus den ganzen Erfahrungen von über zwölf Jahren als Athlet und sieben Jahren als professioneller Coach ist dieses Buch entstanden. Gemeinsam mit unserem Team von trivolution-training und weiteren tollen Experten auf verschiedenen Gebieten rund um den Triathlonsport haben wir bewährte Strategien, neueste sportwissenschaftliche Erkenntnisse und ganz viel Wissen aus der Praxis gebündelt.
Dieses Buch hat nur ein Ziel: dich so schnell wie möglich auf der Langdistanz im Triathlon zu machen! Wenn du in deiner Altersklasse schon immer recht weit oben in den Ergebnislisten auftauchst, wird es dir vielleicht endlich zur ersehnten Qualifikation für Kona verhelfen. Wenn es bis dahin noch ein bis zwei Jahre dauert, verhilft es dir zu einer neuen persönlichen Bestleistung. In diesem Buch geht es nur indirekt um deine Schwimm- oder Lauftechnik, das beste Material oder verschiedene Athletikübungen. Ich setze voraus, dass du in allen diesen Bereichen bereits dein Bestes versuchst und dich technisch und taktisch immer weiter verbessern möchtest. Vernachlässige diese Bemühungen auf keinen Fall, denn gerade eine ökonomische Schwimm- und Lauftechnik müssen erlernt und trainiert werden. Wie du später noch sehen wirst, ist es nahezu unmöglich, grobe Defizite in diesen Bereich physiologisch aufzuholen! Das sind die Basics, und die müssen sitzen. Dieses Buch beschäftigt sich mit den Dingen, die du darüber hinaus optimieren kannst und die auf deinem Level den Unterschied zwischen einer soliden Leistung auf der Langdistanz und der ersehnten Qualifikation ausmachen.
Der Kona-Code ist in unterschiedliche Kapitel mit jeweils einem anderen Schwerpunkt aufgeteilt. Ich empfehle, erst einmal den kompletten Text zu lesen, um das große Gesamtbild zu bekommen. Danach kannst du zu einzelnen Kapiteln zurückspringen und die für dich wichtigen Erkenntnisse herausziehen. Integriere diese dann direkt in deinen (Trainings-)Alltag.
Alles, was wir hier empfehlen, ist gemeinsam mit zahlreichen Athleten von uns bei trivolution-training erprobt worden, und der Erfolg gibt uns recht. Wenn du weißt, dass du viel und intensiv trainieren musst, dass Massagen sich positiv auf deine Regeneration auswirken und dass eine ausgewogene Ernährung über Monate einen großen Unterschied im Hinblick auf deine Leistungsfähigkeit ausmachen wird, dann lies jetzt weiter. In diesem Buch bekommst du nämlich die Tipps und Strategien, die die besten Athletinnen und Athleten der Welt sowie zahlreiche erfolgreiche Agegrouper darüber hinaus bereits anwenden. Bist du bereit, den Kona-Code zu entschlüsseln und endlich das Maximum aus deiner sportlichen Leistungsfähigkeit herauszuholen? Dann lass uns keine Zeit verlieren und blättere jetzt um …
»Wenn man mit Mitte 20 nicht richtig schwimmen kann, kein Fahrrad besitzt und Hobbyfußball spielt, kann man kein professioneller Triathlet werden.« Solche Sätze habe ich in meinem Leben oft zu hören bekommen.
Obwohl ich erst mit 25 Jahren spaßeshalber an einem Langdistanztriathlon teilnahm, wurde ich fünf Jahre später Profitriathlet und erstmals Zweiter auf der Mitteldistanz, immerhin hinter Doppelweltmeister Michael Raelert. Meine Bestzeit auf der Langdistanz liegt bei acht Stunden 19 Minuten. Die Frankfurter Neue Presse nannte mich mal einen »Ausnahme-Athleten«.
Mittlerweile habe ich Hunderte Menschen im Triathlon weltweit mit meinem Coaching-Unternehmen trivolution-training betreut und begleitet. Ich habe in über 40 Ländern gecoacht, stand als Vortragsredner auf der Bühne oder habe selbst an Wettkämpfen teilgenommen. 2017 bin ich laut ZDF »der Profi-Coach«, Deutscher Meister als Trainer auf der Triathlon-Langdistanz sowie Deutscher Vizemeister als Athlet im Duathlon geworden. Zudem habe ich mit meiner Frau Susanne den Amazon-Bestseller Boost your Business in der Kategorie »Existenzgründung und Selbstständigkeit« geschrieben und das Beratungsunternehmen necstwerk GmbH gegründet.
Als studierter Wirtschafts- und Sportwissenschaftler berate ich neben dem Coaching, den Vorträgen und den Büchern zudem Selbstständige, kleine und mittlere Unternehmen sowie große Konzerne.
Die heutige Trainingswissenschaft bietet uns viele verschiedene Ansätze, mit denen wir unsere Trainingspläne füllen und uns auf eine Langdistanz vorbereiten können. Jeder Sportler sollte den Ansatz wählen, der zu ihm und seinem Lebensstil am besten passt. Da gibt es kein richtig oder falsch, und selbst im Profibereich werden aktuell noch völlig verschiedene Trainingskonzepte verwendet. Als Sportler habe ich gerade in meinen Anfängen einige der unterschiedlichen Konzepte selbst ausprobiert, mal mit mehr und mal mit weniger Erfolg. Ein richtiger Durchbruch stellte sich in meiner sportlichen Entwicklung erst mit dem Umstieg von der klassischen auf die sogenannte Reverse Periodisierung ein. Doch was, wenn diese Art der Periodisierung nur bei mir und meiner Veranlagung funktionieren sollte? Was, wenn es bei mir einfach an der Zeit war für einen Leistungssprung? Als wir 2015 mit dem Coaching bei trivolution-training begannen, nahm ich mir vor, das Training der Athletinnen und Athleten nach dem Prinzip zu gestalten, mit dem ich selbst sensationelle Leistungsfortschritte erzielt habe, und das war die Reverse Periodisierung.
Im Rahmen dieses Konzepts baust du dein Training sozusagen entgegengesetzt auf. Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase, um die Belastbarkeit wiederherzustellen, kümmerst du dich zuerst um deine Unterdistanzleistungen. Du möchtest schnell werden, und zwar auf den ganz kurzen Distanzen wie beispielsweise der Sprintdistanz. Danach sieht dein Training für eine kurze Zeit aus, als ob eine olympische Distanz dein Hauptwettkampf wäre. Nach diesem Block geht der Fokus in Richtung Mitteldistanz. Die Einheiten werden langsam etwas länger, und erste Koppeleinheiten werden in die Trainingswoche integriert. Auf diesen längeren Trainingsblock folgt nun die eigentliche Langdistanz-Trainingsphase, in der Wochenstunden und Dauer der einzelnen Einheiten die Höchstwerte im gesamten Trainingsprozess erreichen. Nach der anschließenden (kurzen) Vorwettkampf-Phase ist es dann endlich so weit: Du bist bereit für deinen großen Tag, den Race Day!
Im Gegensatz zur klassischen Periodisierung, bei der zu Beginn viele Wochen und Monate lange Trainingseinheiten mit niedrigen Intensitäten auf dem Trainingsplan stehen, bietet die Reverse Periodisierung gerade uns Mitteleuropäern erhebliche Vorteile:
1.
Die Vorbereitung ist in den ersten Monaten deutlich zeitsparender als bei einer klassischen Periodisierung, was für alle berufstätigen Triathleten enorm wichtig ist.
2.
Bei Langdistanz-Rennen in den Sommer- oder Herbstmonaten stehen kurze und intensive Einheiten im Winter auf dem Trainingsplan. Du musst keine fünf Stunden im Dezember bei 0 °C und Nieselregen auf deinem Rad verbringen.
3.
Du kannst deinen Rollen- oder Smart-Trainer sowie ein Laufband perfekt für die Vorbereitung nutzen, da gerade in den ersten drei Trainingszyklen kurze Einheiten mit intensiven Intervallen auf dem Trainingsprogramm stehen.
4.
Du bist du völlig unabhängig von der Dunkelheit und den Wettereinflüssen.
5.
Dein Trainingsfortschritt ist sehr leicht und schnell mittels Leistungstests feststellbar, was für eine hohe Motivation in der insgesamt recht langen und vielleicht auch zähen Vorbereitungszeit auf das Rennen sorgt.
6.
Die abwechselnden Trainingsinhalte unterscheiden sich sehr deutlich voneinander, weshalb es motivational viel einfacher ist, nach der Reversen Periodisierung zu trainieren.