Nr. 1001

 

Die Jäger von Chircool

 

Sie leben auf der Dschungelwelt – und warten auf die Rückkehr der SOL

 

von MARIANNE SYDOW

 

 

Mehr als 400 Jahre sind seit dem Tage vergangen, da Perry Rhodan mit der BASIS von einem der schicksalsschwersten Unternehmen in den Weiten des Alls in die Heimatgalaxis zurückkehrte und auf der Erde landete.

Durch seine Kontakte mit Beauftragten der Kosmokraten und mit ES, der Superintelligenz, hat der Terraner inzwischen tiefe Einblicke in die kosmische Bestimmung der Menschheit gewonnen und in die Dinge, die auf höherer Ebene, also auf der Ebene der Superintelligenzen, vor sich gehen.

In folgerichtiger Anwendung seiner erworbenen Erkenntnisse gründete Perry Rhodan dann Anfang des Jahres 3588 eine mächtige Organisation, deren Einfluss sich weit in das bekannte Universum erstreckt und die mehr ist als eine reine Handelsorganisation. Diese Organisation ist die Kosmische Hanse!

Doch später mehr zu diesem Thema! Gegenwärtig beschäftigen wir uns mit einem kleinen Menschenvolk, dessen Mitglieder auf einer Dschungelwelt leben und sehnsüchtig auf die Rückkehr des legendär gewordenen Raumschiffs ihrer Vorväter warten.

Einige dieses Volkes verstehen sich als DIE JÄGER VON CHIRCOOL ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Claude St. Vain – »Kapitän« der Betschiden.

Jörg Breiskoll, Lerana Forrun und Djin Dokkar – Drei junge Jäger.

Surfo Mallagan, Brether Faddon und Scoutie – Ein erfahrenes Jagdteam.

Doc Ming – Heiler der Betschiden.

1.

 

Die Regenzeit war vorüber, und die Bewohner des Schiffes atmeten erleichtert auf. In den Kabinen fielen keine Tropfen mehr von der Decke, zum ersten Mal seit Wochen konnte man die Felle aus den Kojen holen und in der Sonne zum Trocknen ausbreiten. Allein die Tatsache, dass man vor die Schleuse treten konnte, ohne sofort bis auf die Haut durchnässt zu werden, kam den Betschiden nach der langen Zeit dumpfer Nässe wie ein Wunder vor.

Vor allem aber war es nun wieder möglich, auf die Jagd zu gehen. Jeder einzelne Bewohner des Schiffes war ausgehungert nach frischem Fleisch. Und so sammelten sie sich alle auf dem Hauptkorridor vor der Kommandozentrale, um der feierlichen Verabschiedung der Jäger beizuwohnen. Der Auftakt zur ersten Jagd nach einer Regenzeit war ein Ereignis, das niemand sich entgehen ließ.

Die Jäger standen in vier Reihen vor der Schleuse der Kommandozentrale, ganz vorne die ältesten, erfahrensten unter ihnen, ganz hinten die jüngsten, die diese erste Jagd noch gar nicht mitmachen durften, weil sie viel zu gefährlich für sie war.

Die Jäger standen still und hoch aufgerichtet da, wie der Brauch es verlangte. Die restlichen Betschiden waren in diesem Fall an keinerlei Tradition gebunden und machten es sich bequem. Sie lehnten an den Kabinenwänden, hockten auf den niedrigen Trennmauern und lagen in manchen Fällen sogar bäuchlings auf den Dächern und spähten träge auf den Hauptkorridor hinab. Welche Stellung sie aber auch einnahmen, sie hatten eines gemeinsam – sie drehten sich der wärmenden Sonne zu. Dabei hatten sie sich der klammen Fellkleidung soweit entledigt, wie die allgemeine Moral es gerade noch zuließ.

Als sich endlich die Schleuse zur Kommandozentrale auftat und Claude St. Vain gemessenen Schrittes auf den Hauptkorridor hinaustrat, waren die Betschiden so weit durchgewärmt, dass einige von ihnen sich zu Beifallsäußerungen hinreißen ließen. St. Vain trug zwar die gleiche einfache Fellkleidung wie alle anderen Betschiden, aber er hatte an diesem Tage zusätzlich die Zeichen seiner Würde angelegt: Den defekten Raumhelm trug er im Nacken, und das Gerät, von dem es hieß, dass es jede Sprache zu verstehen und zu sprechen vermochte, hing ihm auf der Brust.

St. Vain hob die Hand, und das Gemurmel der Betschiden verstummte. »Dies ist das Ende der Regenzeit«, wandte der Kapitän sich an die Jäger. »Ihr wisst, wie nötig es ist, dass ihr gute Beute in unser Schiff bringt. Ich habe aber noch eine Bitte an euch: Achtet auf Salz. Unsere Vorräte gehen zur Neige. Und seid vorsichtig und klug. Wenn eine Beute zu groß und zu gefährlich ist – verzichtet auf sie. Ihr seid zu wertvoll für unsere Gemeinschaft, als dass ihr euer Leben aufs Spiel setzen dürftet. Geht jetzt – und ihr jungen, die ihr noch nicht hinausdürft, kommt mit mir.«

Die jungen Jäger, drei Jungen und drei Mädchen, verließen die Gruppe und folgten St. Vain ins Schiff. Man konnte ihnen ansehen, wie gespannt sie auf das waren, was sie zu hören bekommen würden. Es hieß, dass der Kapitän die jungen Jäger Einblick in jene Geheimnisse nehmen ließ, denen alle anderen gleichaltrigen Betschiden erst Jahre später auf den Grund gingen.

Jörg Breiskoll, einer der Jungen, hob witternd den Kopf, als er das Innere der Kommandozentrale betrat.

»Was riechst du?«, fragte Lerana Forrun leise.

»Seid alle schön still!«, flüsterte Lars O'Marn und kicherte. »Stört den Kater nicht. Hier drin riecht es nach Geheimnissen. Wer weiß, was er findet!«

Jörg zuckte zusammen und ging weiter.

»Was war denn?«, drängte Lerana flüsternd.

Jörg schüttelte abwehrend den Kopf. St. Vain stieß in diesem Augenblick eine Tür auf, und sie gelangten aus dem engen, dumpfen Korridor in ein großes Zimmer, dessen Einrichtung so ungewöhnlich war, dass es den anderen für einen Augenblick die Sprache verschlug.

Nicht genug damit, dass sich an den Wänden merkwürdige, glatte Flächen befanden, deren Oberflächenbeschaffenheit der der Buhrlo-Narben ähnelte – unter den Flächen gab es allerlei Knöpfe und Schalter, die sehr geheimnisvoll aussahen. Darüber hinaus standen seltsame Sessel herum.

»Nehmt Platz!«, sagte St. Vain, und die jungen Betschiden verteilten sich zögernd, betasteten misstrauisch die fremdartigen Sitzgelegenheiten und sahen den Kapitän schließlich erwartungsvoll an.

»Vor einigen Jahrhunderten«, sagte St. Vain würdevoll, »kamen wir hierher. Ihr habt bereits erfahren, was in etwa geschah. Unsere Vorfahren lebten in einem riesigen Raumschiff. Es hieß SOL, und es war so unvorstellbar groß, dass viele tausend Betschiden darin Platz hatten. Sie lebten und arbeiteten in diesem Schiff, sie wurden dort geboren und starben auch dort. Sie waren Solaner, die ihren eigenen Gesetzen folgten.«

»Das hat man uns doch alles schon hundertmal erzählt!«, stöhnte Lars O'Marn leise.

St. Vain schien ihn nicht zu hören.

»Eines Tages«, fuhr er fort, »wandten unsere Vorfahren sich gegen die Gesetze der SOL. Wir wissen nicht mehr, warum das geschah, aber die Tatsache bleibt bestehen, dass sie kriminell handelten.«

»Was ist kriminell?«, fragte Djin Dokkar ratlos.

St. Vain warf dem mageren, dunkelhäutigen Jungen einen verwunderten Blick zu.

»Kriminelle sind Individuen, die sich gegen die Gemeinschaft wenden.«

»Und was sind Individuen?«, fragte Djin weiter.

St. Vain schlug mit der Faust auf den Rahmen des Sessels, in dem er saß.

»Du solltest zuerst zuhören«, empfahl er finster. »Für deine dummen Fragen wird noch genug Zeit bleiben. Wie gesagt: Unsere Vorfahren meuterten ...«

»Warum hast du das nicht gleich gesagt?«, fragte Djin.

»Ruhe!«, schrie der Kapitän wütend. Er erschrak vor sich selbst und saß sekundenlang stumm da.

»Wir müssen dagegen angehen«, murmelte er schließlich. »Es ist das unheilvolle Erbe, das wir zu tragen haben. Wir sind die Nachkommen von Meuterern, denen die Vernunft nichts galt, und wir sind hier, um geläutert zu werden. Djin, ich glaube, es ist besser, wenn du noch für einige Zeit am Unterricht teilnimmst!«

Betretenes Schweigen breitete sich aus.

»Nein«, sagte Djin schließlich verächtlich. »Du weißt sehr gut, St. Vain, dass ich alle Prüfungen mit Auszeichnung bestanden habe.«

»Warum stellst du dann so dumme Fragen?«, rief St. Vain wütend.

»Weil du eine so dumme Rede hältst!«, konterte Djin ungerührt. »Was du uns bis jetzt erzählt hast, das wissen wir doch längst. Unsere Vorfahren haben gemeutert, und man hat sie aus der SOL hinausgeworfen. Man hat sie hierher, nach Chircool gebracht, und sie haben bleiben müssen. Wir haben keine Chancen, von hier wegzukommen, es sei denn, man gelangt in der SOL zu dem Schluss, dass wir nunmehr für ein Leben im Raum geläutert wären. Dann wird man uns abholen.«

»Du stellst das sehr vereinfacht dar, mein Junge«, protestierte St. Vain schwach.

»Ich sage nur das, was der Wahrheit entspricht«, erwiderte Djin streng. »Von dir haben wir uns mehr erwartet. Was haben unsere Vorfahren getan? Warum wurden sie von der SOL verbannt? Wie sah dieses Schiff überhaupt aus? Wann wird es zurückkehren? Und – wo befinden wir uns hier?«

St. Vain war aufgesprungen. Er starrte Djin fassungslos an. Der magere Junge starrte zurück.

»Wir sind im Schiff«, sagte der Kapitän schließlich mühsam. »Nicht in der SOL, aber in einem anderen Schiff.«

»Nein!«, rief Jörg Breiskoll laut und war mit einem Satz neben Djin. »Wir befinden uns auf einem Planeten. Du weißt das, St. Vain. Chircool ist eine Welt, die um eine Sonne kreist. Niemals werden wir den Kurs dieser Welt ändern können. Und das, worin wir leben, ist kein Schiff, sondern ein Dorf, eine jämmerliche kleine Ansammlung von Hütten, die ihr alle Kabinen nennt, weil ihr die Wahrheit nicht akzeptieren könnt!«

»Wer hat dir das erzählt?«, fragte St. Vain scharf. Er stand auf und trat auf die beiden Jungen zu. Lerana nahm vorsichtig ihren Bogen ab und legte die Hand auf den Griff ihres Messers. Es war ein wertvolles Messer, eines von der alten Art. Es bestand aus Metall.

»Sage mir die Namen!«, forderte St. Vain und sah Jörg dabei an. »Ich will wissen, wer diese Idee in deinen Katzenschädel getrichtert hat!«

Jörg zog sich ein paar Schritte weit zurück. Seine Augen waren schmal, und aus seinem halb geöffneten Mund drang ein leises Fauchen.

»Die Wahrheit lässt sich nicht auf ewig unterdrücken!«, sagte der katzenhafte Junge. »Jeder, der die Augen offen hält, kann sehen, dass wir uns auf einem Planeten befinden.«

St. Vain warf einen schnellen Blick auf die anderen jungen Leute. Djin und Lerana waren selbstverständlich gegen ihn, aber die anderen machten einen zuverlässigen Eindruck. Und wenn es zum Schlimmsten kam und er sich verteidigen musste, dann hatte der Kapitän immer noch einen Trumpf in der Hinterhand.

»Was wisst ihr jungen Narren schon über Planeten?«, fragte St. Vain verächtlich. »Ihr lasst euch wirre Ideen in den Kopf setzen und haltet das bereits für Weisheit. Wie soll es denn eurer Meinung nach in einem Schiff aussehen?«

»Jedenfalls nicht so, wie wir es draußen beobachten können«, stellte Djin fest. »Gib dir keine Mühe, St. Vain, du wirst uns von deinen Ideen nicht überzeugen können. Ihr alle tut nur so, als würdet ihr in einem Schiff leben, weil ihr Angst vor der Wahrheit habt.«

»Du weißt wohl sehr genau, was in den Köpfen der Betschiden vorgeht, wie?«

»Ich nicht«, erwiderte Djin gelassen. »Aber Jörg.«

»Der Kater!«, rief St. Vain ärgerlich. »Das reicht jetzt. Geht mir aus den Augen!«

»He, das gilt nicht!«, schrie Lars O'Marn wütend.

»Ihr könnt selbstverständlich bleiben«, versicherte der Kapitän hastig. »Nur ihr drei Wirrköpfe werdet die Kommandozentrale verlassen!«

»Kommandozentrale!«, murmelte Lerana spöttisch. »Eine alte Hütte ist das, nichts weiter!«

»Geh!«, schrie St. Vain mit überschnappender Stimme.

Lerana zuckte die Schultern und steckte ihr Messer weg.

»Kommt!«, sagte sie zu Djin und Jörg. »Sonst trifft ihn noch der Schlag.«

St. Vain wartete, bis die Tür hinter ihnen zuschlug, dann wischte er sich den Schweiß von der Stirn.

»Ich werde noch einmal von vorne anfangen«, sagte er zu Lars und den beiden Mädchen, die geblieben waren.

»Es waren die drei«, sagte Lars plötzlich.

St. Vain sah ihn irritiert an.

»Surfo Mallagan, Brether Faddon und Scoutie«, fuhr der Junge fort. »Sie haben ihnen diese Ideen eingegeben.«

»Weißt du das genau?«, fragte St. Vain.

»Ich habe es gehört.«

»Hast du es auch gesehen?«

»Ja.«

»Du hast wahrscheinlich aufmerksam zugehört, wie?«

»Ich dachte mir schon, dass es dich interessieren würde«, sagte Lars geschmeichelt.

»Dann pass gut auf, du Dummkopf!«, sagte St. Vain streng. »Wenn du wieder einmal Zeuge eines solchen Gesprächs werden solltest, dann wirst du dich schleunigst so weit von den betreffenden Wirrköpfen entfernen, dass du kein Wort mehr verstehen kannst. Ist das klar?«

»Aber warum?«, fragte der Junge verwirrt. »Ich verstehe es nicht.«

»Das ist auch nicht nötig«, behauptete der Kapitän eisig. »Es ist gefährlich, sich solche Äußerungen anzuhören.«

 

*

 

»Was machen wir nun?«, fragte Djin ratlos, als sie auf den Hauptkorridor hinaustraten.

Lerana sah sich nachdenklich um.

»Die Betschiden haben sich inzwischen zurückgezogen«, stellte sie fest. »Das ist gut für uns. Warum konntet ihr bloß den Mund nicht halten? Ihr wisst doch, wie der Alte ist. Im Grunde nimmt man ihn ja nicht ganz ernst, aber er ist immer noch der Kapitän.«

»Quatsch!«, sagte Djin ärgerlich. »Ein Kapitän gehört zu einem Schiff, und hier gibt es keines.«

»Wie sollen wir ihn dann nennen?«, fragte das Mädchen spöttisch. »Irgendeinen Titel muss er ja haben.«

»Man könnte ihn absetzen«, bemerkte Jörg.

Lerana fuhr herum, und selbst Djin sah entsetzt aus.

»Das wäre Meuterei!«, stieß er hervor.

»Aber nein«, sagte Jörg lächelnd. »Wir sind nicht Angehörige einer Schiffsbesatzung, sondern lediglich Bewohner eines Planeten. Bordgesetze aller Art gelten für uns nicht mehr – schon seit langem nicht!«

Die beiden anderen starrten ihn entgeistert an.

»Das mag stimmen«, murmelte Djin schließlich. »Aber der Gedanke gefällt mir trotzdem nicht. Lasst uns von hier verschwinden und beraten, was wir unternehmen können. Ich will zur Jagd zugelassen werden!«

»Dann hättest du den Alten nicht reizen sollen«, gab Lerana zu bedenken.

»Lass ihn in Ruhe«, murmelte Jörg. »Er kommt schon darüber hinweg. Außerdem ist noch längst nichts verloren. Das Dorf braucht Jäger, und sie werden uns schon hinausschicken.«

Sie gingen die Hauptstraße hinunter, vorbei an den kleinen, niedrigen Häusern. Die Straße war ungepflastert, und die Hütten bestanden aus Baumstämmen und gebrochenen Steinen. Die Dächer waren mit Blättern und Grasbündeln gedeckt. Die meisten Hütten standen auf gemauerten Pfeilern. Schmale, hölzerne Treppen führten zu den Türen hinauf. Jetzt, nach der Regenzeit, begann es an vielen Stellen aus dem scheinbar toten Holz zu sprießen. Schon in den nächsten Tagen würden sich auf Wänden und Treppen Blüten und Blätter zeigen, und die Betschiden hatten dann alle Hände voll zu tun, das Grünzeug zu beseitigen.

»Was machen sie jetzt alle?«, fragte sich Lerana.

»Sie warten«, murmelte Jörg. »Wenn die Jäger zurückkommen, werden sie in Scharen zusammenströmen. Es ist doch in jedem Jahr dasselbe.«

»Was haltet ihr davon, wenn wir einfach losziehen und uns ebenfalls eine Beute suchen?«, fragte Djin plötzlich.

»Hast du den Verstand verloren?«, fragte Lerana empört. »Wir können doch nicht einfach ...«

»Warum eigentlich nicht?«, fiel Djin ihr ins Wort.

»Weil es der Tag der ersten Jagd ist!«, erwiderte das Mädchen streng.

»Aha«, machte Djin sarkastisch. »Gleich wirst du mir erzählen, dass die Tradition von uns verlangt, dass wir an diesem Tag ebenfalls zu warten haben.«

Lerana sah sich hilfesuchend nach Jörg um. Erstaunt sah sie, dass der Junge regungslos mitten auf der Straße stand. Er blickte unverwandt in die Richtung auf die Kommandozentrale.

Djin redete immer noch. Lerana stieß ihm die Faust in die Rippen.

»Sei still!«, zischte sie. »Er wittert wieder etwas!«

Djin setzte zu einer ärgerlichen Bemerkung an, aber im selben Augenblick tat Jörg einen weiten, geschmeidigen Satz und war einen Lidschlag später zwischen zwei Hütten verschwunden.

»Komm!«, rief Lerana.

»Das ist doch sinnlos«, murmelte Djin. »Er ist schneller als wir.«

Aber er setzte sich trotzdem in Bewegung.

»Er läuft in den Dschungel!«, rief Lerana, als sie etliche Meter vor Djin den schmalen Streifen bebauten Landes hinter den Hütten erreichte.

»Dann muss er verrückt geworden sein«, meinte Djin schwer atmend, denn die plötzliche Wärme machte ihm zu schaffen. »Wo hast du ihn gesehen?«

Lerana antwortete nicht, sondern rannte weiter.

Die Äcker waren wie in jedem Jahr im Schlamm buchstäblich ertrunken. Die beiden jungen Jäger versanken stellenweise bis an die Knie im aufgeschwemmten Boden. Die Spuren, die Jörg hinterlassen hatte, waren schon wieder fast verschwunden.

»Den holen wir niemals ein!«, rief Djin Lerana zu. »Er ist wie der Blitz über den Schlamm gerast. Ehe wir drüben sind, ist er längst über alle Berge!«

Lerana schwieg und sparte sich ihre Atemluft. Nachdem der Junge sich jedoch schon vorher in St. Vains »Kommandozentrale« recht merkwürdig benommen hatte, würde sie die Verfolgung auf jeden Fall fortsetzen – selbst dann, wenn Djin sie im Stich ließ.

Sie überwand die schlammige Fläche, und der von allem hohen Bewuchs befreite Streifen, der das Ackerland vom Dschungel trennte, lag vor ihr. Hier war der Boden fester. Sie sah sich nach Djin um, der schnaufend die letzten Schritte zurücklegte.

»Mir scheint, du wirst alt«, bemerkte Lerana spöttisch.

»Es ist die Wärme«, murmelte Djin. »Wo ist Jörg denn nun verschwunden?«

»Da drüben zwischen den Pfeilsträuchern und dem Honigblatt.«

Djin setzte sich schwerfällig in Bewegung. Er begriff selbst nicht recht, was plötzlich mit ihm los war. Er fühlte sich so schlapp, als wäre er schon seit Stunden durch den Wald gerannt.

Er schob die dünnen Zweige der Pfeilsträucher zur Seite und hütete sich, dem Honigblatt zu nahe zu kommen, denn so kurz nach der Regenzeit sonderte die Pflanze einen giftigen Schleim ab.

»Keine Spuren«, murmelte er ratlos.

Lerana sah ihm über die Schulter.

»Wenn er seinen merkwürdigen Sinnen folgt«, sagte sie leise, »dann geht er geradlinig vor, falls das möglich ist. Und hier ist es möglich. Lass mich vorbei!«