Reihe: Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, Band 22

Hrsg. von Claus Bernet

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

© 2014 (Erstauflage), Claus Bernet.

Alle Rechte vorbehalten.

office@bernetc.com oder kontakt@edition-graugans.de

http://himmlischesjerusalem.wordpress.com

Berlin, 12. August 2014 (3. Aufl.)

Edition Graugans, Berlin

Herstellung und Verlag: Bod - Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN: 978-3-7386-6998-5

GG Wissenschaft ist ein Imprint der Edition Graugans, Berlin

Inhaltsverzeichnis

Jerusalem und das Zweiwegebild

Der Mensch muss sich entscheiden zwischen dem Guten oder Bösen – das ist die Grundidee des Zweiwegebildes. Dieser Bildtypus hat einen klaren Aufbau: im unteren Bildbereich ist die Welt dargestellt: viele Menschen vergnügen sich, nur einige versuchen, ein frommes Leben zu führen. Auf ihrem Lebensweg enden die Vergnügungssüchtigen, die Sünder und Nicht-Christen geradewegs in der Hölle. Die Frommen und Heiligen hingegen erreichen nach einem mühsamen Aufstieg das Neue Jerusalem, das fast immer im oberen Bildbereich rechts als Stadtsilhouette mit Mauer, Toren und einem Haupteingang leicht zu erkennen ist.

Bei Zweiwegebildern steht die Gottesstadt nicht unbedingt im Zentrum des Interesses, sondern die Pilgerschaft oder die Gemeinde auf dem Weg. Das maßgebliche Bibelzitat dieser Bildgattung stammt auch nicht aus der Apokalypse, sondern aus dem Matthäusevangelium (7, 13): „Gehet ein durch die enge Pforte. Denn die Pforte ist weit, und der Weg ist breit, der zur Verdammnis führt, und ihrer sind viele, die darauf wandeln. Und die Pforte ist eng, und der Weg ist schmal, der zum Leben führt, und wenige sind ihrer, die ihn finden“. Der Endpunkt der Reise zur Pforte, das Himmlische Jerusalem, wurde in Zweiwegebildern nicht immer dargestellt, aber wenn, dann war die Pforte eigentlich immer eines der zwölf Tore.

Das Motiv des Zweiwegebildes ist vermutlich so alt wie die Menschheit, schon die Antike kannte „Herakles am Scheideweg“ zwischen Laster und Tugend. Selbstverständlich hat er den Tugendpfad gewählt und wurde mit Unsterblichkeit belohnt. Im Mittelalter kommen dann die ersten christlichen Zweiwege-Darstellungen auf, beispielsweise in der Apokalypse von Toulouse (1220-1270). Richtig populär wurde das Motiv aber erst in der Frühen Neuzeit, vor allem in den Niederlanden, wo Grafiker wie Gillis Mostaert, Maarten van Heemskerck, Hieronymus Wierix, Ludovicus van Leuven, Theodoor Rombouts, Cornelis Huyberts, Cornelis van Noorde hochwertige Malereien und Kupferstiche vorlegten. Eine weitere Konjunktur lässt sich im späten Pietismus festmachen, als Charlotte Reihlen 1867 mit ihrer Fassung „Der breite und schmale Weg“ eines der erfolgreichsten religiösen Bildmotive des 19. Jahrhunderts erfand. Als „Broad and Narrow Way“ trat es seinen Siegeszug in den USA an, wie einige Beispiele aus Pennsylvanien belegen.

Schlagartig wurden massenweise Lithographien auf den Markt gebracht, die das Motiv als „Breiter und schmaler Weg“ in protestantische Haushalte brachten. Führend waren hierbei die Neuruppiner Bilderbögen, von denen eine ganze Reihe von Zweiwegebildern bekannt sind. Die Künstler dieser Massenwaren sind, bis auf wenige Ausnahmen (Johann Heinrich Renz, Jean Frédéric Wentzel, Johann Evangelist Ling oder Johann Heinrich Fischer), kaum bekannt.

Apokalypse von Toulouse (1220-1270)

Bild 1

Bild 2

Folio 51r (Bild 1) der Handschrift MS 815 zeigt ein Himmlisches Jerusalem, welches mit seiner weißen Fassade an Marmor und Perlen, die ja auch zu den Baumaterialien gehören, erinnert. Links befindet sich der Seher Johannes, über der Stadt Christus auf dem Thron, wie man es auch aus anderen Miniaturen kennt.

Interessanter scheint die Darstellung auf Folio 53r (Bild 2) zu sein: Wie bei einem Adventskalender öffnen sich zwölf Türchen, in denen Propheten vor goldenem Hintergrund stehen. Mit ihrer Kopfbedeckung sind sie als Juden gekennzeichnet. Auf der unteren und oberen Seite der Stadt ist ihnen jeweils ein weißes Türmchen zwischengeschoben, das aus einer dreilagigen Quaderung und einer Kuppel besteht. Ganz unten stehen in einer Reihe die zwölf Apostel und bilden das Fundament der Stadt. In der Mitte thront Gott, zu seiner Seite das Christuslamm und die Weltkugel, auf der sich das Kreuz mit dem Corpus Christi befindet. Auf Folio 58v (Bild 3) sind dann noch einmal Menschen zu sehen, die sich auf einem Regenbogen in Richtung Himmelspforte bewegen. Wer von diesem Weg abkommt, fällt nach unten in die Hölle. Diese nichtbiblische Beigabe verweist hier auf das Zweiwege-Motiv.

Die Apokalypse in französischer Sprache entstand in Frankreich zwischen 1220 und 1270. Sie wird heute in der Stadtbibliothek von Toulouse aufbewahrt.

Bild 3

MS 815, Folio 58v.

In enger Abhängigkeit von der Handschrift aus Toulouse steht eine lateinische Apokalypse mit französischer Übersetzung, die um 1300 entstanden ist. Die Kopie ist in der British Library unter MS Add. 18633 (dort fol. 47r) zu finden. Bei genauem Hinsehen finden sich kleinste Varianten; etwa besteht die Quaderung der Türme nicht aus drei, sondern aus zwei Steinreihen, und die zwölf Apostel sind nicht mehr in ganzer Gestalt, sondern als Büsten dargestellt. Die Hintergrundfarbe der Türme ist jetzt rosa, nicht mehr blaufarben.

Bild 4

Toulouse-Nimes, Paris 1885 (Catalogue général des manuscripts des Bibliothéques Publiques des départements, 7).

Maria Luisa Gatti Perer (Hrsg.): La Gerusalemme celeste. Catalogo della mostra. Milano, Università Cattolica del S. Cuore 20 maggio – 5 giugno 1983, Milano 1983, S. 156.

Miszellen-Handschrift (1460/70)

Bild 5

Bild 6

Bild 7

Bild 8

Bild 9

Bild 10

Folio 24v, 65v, 71r, 73r, 79v und 80v des Manuskripts Additional MS 37049.

U