Reihe: Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, Band 29

Hrsg. von Claus Bernet

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© 2015 (Erstauflage), Claus Bernet.

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Berlin, 10. Februar 2016 (4. Aufl).

Edition Graugans, Berlin

Herstellung und Verlag: Bod - Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN: 978-3-7392-5136-3

GG Wissenschaft ist ein Imprint der Edition Graugans, Berlin

Einführung

Während der Epochen Vorromanik, Ottonik und Romanik sind etwa zwischen dem 4. Jahrhundert bis in das 13. Jahrhundert zahlreiche Kunstwerke mit dem Motiv des Himmlischen Jerusalem entstanden, die sich bis heute erhalten haben. Die meisten dieser Arbeiten sind aus Stein gearbeitet, wie beispielsweise der Sarkophag aus Mailands S. Ambrogio (380-390), die weltbekannten Kapitelle der Benediktinerabtei von Moissac, das Tympanon von Notre-Dame-du-Pré in Donzy sowie das der Abteikirche von Conques oder ein Jerusalemsbrunnen aus dem Priorat Saint Michel de Grandmont. Diese Arbeiten haben relativ unverändert die Jahrhunderte überdauert, gleichsam konnten sich nur hohe adelige oder geistige Würdenträger oder zu Reichtum gekommene Abteien solche Monumente leisten.

Die übrigen erhaltenen Kunstwerke lassen sich in zwei Gruppen einteilen: Wand-und Deckenmalereien sowie Miniaturen aus frommen Schriften.

Unter den vielgestaltigen Malereien sind einige der bedeutendsten Pretiosen des Hochmittelalters, die schon oft das Interesse der Kunstwissenschaft auf sich zogen und sehr gut erforscht sind, wie die Wandmalereien aus Saint Michel d’Aiguilhe, St John the Baptist in Clayton, St Botolph in Hardham (Sussex), der Abtei Saint-Aubin in Angers, der ehemaligen Benediktinerklosterkirche Prüfening, der Dorfkirche von Möllendorf, der Kathedrale Notre-Dame de la Sède in Saint-Lizier (Midi-Pyrénées), der ehemaligen Kathedrale Notre-Dame-et-Saint-Paul de Saint-Paul-Trois-Châteaux, die Deckenmalerei der St. Nikolai-Kirche in Braunschweig-Melverode sowie die bereits frühgotischen Wandmalereien der Abtei Sainte-Marie Lagrasse. Man stellt schnell fest, dass sich in Frankreich die meisten Jerusalemskunstwerke des frühen Mittelalters entlang der Pilgerstraßen nach Santiago de Compostela erhalten haben.

Im Gegensatz zu den Innenraummalereien, die oft Temperaturschwankungen, Ruß sowie Abrieb ausgesetzt waren, haben Buchmalereien wesentlich besser die Jahrhunderte überdauert und präsentieren sich noch heute in ihrer ursprünglicher Pracht. Herausragende Beispiele belegen, dass das Himmlische Jerusalem ein zentraler Gegenstand sakraler Malkunst war, der in den bedeutendsten Werken europäischer Buchkunst immer wieder zu entdecken ist. Man findet das Neue Jerusalem im Stuttgarter Psalter, in einem Evangeliar aus Saint-Médard von Soissons, in mehreren Prudentius-Handschriften und in verschiedenen Ausgaben des Liber Floridus, in der Stuttgarter Apokalypse (12. Jh.), im berühmten Haimo-Codex (um 1110), in einem kaum bekannten, dafür aber hochinteressanten Kalendar-Psalterium (um 1130), in dem Buch Liber Scivias der Nonne und Heiligen Hildegard von Bingen, in französischen Passionsbüchern und sogar in der schlesischen Alexander-Apokalypse (1250-1300). Keine Architektur ist im frühen und hohen Mittelalter so oft dargestellt worden wie das Himmlische Jerusalem.

Inhaltsverzeichnis

Sarkophag aus S. Ambrogio (380-390)

Mit dem Sterben beginnt das Himmlische Jerusalem. Nicht zufällig entstanden daher die ersten Darstellungen des Himmlischen Jerusalem im Zusammenhang mit dem Tod, nämlich als Fresken in römischen Katakomben und in Form von Sarkophagen. Architekturdarstellungen sind bei Sarkophagen keine Seltenheit, denn letztlich ist auch ein Sarkophag nichts weiter als eine Architekturform, sozusagen das letzte Haus, welches man bewohnt. Von daher ist es nicht immer einfach festzustellen, ob und wann mit Architekturzitaten auf das Himmlische Jerusalem Bezug genommen wurde. Bei dem Sarkophag aus S. Ambrogio ist das zweifelsohne der Fall. Bedeutend ist er auch, weil er in Folge an mehreren Orten kopiert wurde, so in Rom (vor allem der Sarkophag „La Remise de la Loi“, Ende 4. Jh., Louvre), Ancona, Tolentino, Ravenna und Mantua.

Das prunkvolle Mailänder Kunstwerk stammt aus der Zeit von 380/90, also lange nach der Mailänder Vereinbarung von 313, die das Ende der Christenverfolgung markiert. In den folgenden Jahren bildete sich ein immer prächtigerer Bestattungskult aus, mit dem vor allem wohlhabende Familien ihre Zugehörigkeit zur nun dominierenden Religion zum Ausdruck brachten. So wird der Sarkophag auch nach einer bedeutenden Familie der Stadt als Stilicho-Sarkophag bezeichnet, obwohl dessen bedeutendster Vertreter, Flavius Stilicho, lange nach Fertigstellung des Sarges in Ravenna hingerichtet wurde.

Eine der angesehensten Grabstätten Mailands war seinerzeit die Kirche S. Ambrogio, in der der Sarg noch heute in einer breiten Emporenhalle steht. Er dient heute als Podest einer römischen Kanzel. Der Sarkophag ist von vier Seiten mit Reliefs überzogen, die Christus mit seinen Aposteln im Himmlischen Jerusalem zum Thema haben. Die Schauseite zeigt Christus, wie er Petrus eine Schriftrolle überreicht (Apostelgeschichte 5, 1-2). Je sechs Apostel stehen an den Seiten zu Christus, hinter ihnen erheben sich die Tore der Gottesstadt. Es sind keine Arkadenbögen, sondern eindeutig Stadttore, die unterschiedlich gearbeitet sind.

Von Interesse ist vor allem der Fries am Boden des Sarkophages. Hier sind zwölf Lämmer dargestellt, die einem zentralen Lamm in der Mitte entgegen gehen, das leicht erhöht auf einer Anhöhe steht. Links und rechts ist eine winzige Architektur angedeutet, zwei Stadttore. Eines steht für Jerusalem, das sich vor allem in Kirchenmosaiken ab dem 5. Jh. immer mehr zu einem prächtigen Himmlischen Jerusalem entfalten sollte.

An der Rückseite findet sich eine Variante dieses Motivs: auch hier ist im Zentrum Christus dargestellt, von zwölf Aposteln umgeben, zu den Füßen Schafe. Hier sind es im Hintergrund allerdings nur vier Tore. Weitere vier befinden sich auf einem der Seitenreliefs, das die Opferung Isaaks darstellt. Das andere Seitenrelief zeigt die Himmelfahrt Elias, eine Präfiguration der Himmelfahrt Christi. Diese Seite fügt nochmals vier Tore hinzu, so dass die Gesamtzahl der Tore 18 beträgt.

Marion Lawrence: City-gate sarcophagi, in: Art Bulletin, 10, 1927, S. 1-45.

Hanns Ulrich von Schoenebeck: Der Mailänder Sarkophag und seine Nachfolge, Città del Vaticano 1935.

Rina Sansoni: I sarcofagi paleocristiani a porte di città, Bologna 1969 (Studi di antichità christiana, 4).

Carlo Capponi, Annamaria Ambrosioni: La Basilica di Sant’Ambrogio in Milano. Guida storico-artistica, Milano 1997.

Thilo Ulbert (Hrsg.): Repertotium der christlich-antiken Sarkophage, 2, Berlin 1998.

Cambrai-Apokalypse (9. Jh.)

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