Der kleine Herr Jakobi und die Schuhe

Als der kleine Herr Jakobi sehr klein war, wollte er keine Schuhe tragen. Er lief barfuß aus dem Haus und stand auf dem kühlen Asphalt, bis man ihn an den Armen packte und zurück in die Wohnung zerrte, du holst dir noch den Tod, zieh wenigstens Strümpfe an. Also zog sich Herr Jakobi Socken über seine sehr kleinen blassen Füße, die aber immer warm waren, und lief auf Strümpfen aus dem Haus. Wenn es geregnet hatte, sogen sich die Strümpfe sofort voll mit Feuchtigkeit, und er stampfte abwechselnd mit links und mit rechts auf den Bürgersteig und machte klatschende Geräusche. Dir muß man die Schuhe wohl an die Füße kleben, sagte man ihm.

Später gewöhnte er sich an, Schuhe zu tragen. Aber unter dem Tisch, im Kino und in der Straßenbahn streifte er sie sofort ab und spreizte die Zehen. Er zog die Knie an und setzte sich auf die Knöchel, während unter seinem Sitz säuberlich der linke und der rechte Schuh nebeneinander ruhten. Die Kinder merkten es als erste, zeigten auf die Schuhe und hielten sich die Nasen zu. Ein gedämpftes Kichern ging durch die Straßenbahn. Damen drehten sich um und machten die Lippen gerade.

Einmal bückte sich ein Junge, griff nach dem rechten Schuh und sprang aus der Tür, die sich gleich hinter ihm zusammenschob. Herr Jakobi schaute aus dem Fenster. Der Junge schwenkte den Schuh. Die anderen Kinder drängten sich am Fenster. Der Junge fuchtelte mit den Armen und warf den Schuh in einen Papierkorb. Die anderen Kinder johlten und klatschten, während die Bahn anfuhr.

Der kleine Herr Jakobi schob den linken Fuß in den linken Schuh, zog sich die Strümpfe hoch und stieg an der nächsten Haltestelle aus. Der macht sich ja den einen Fuß ganz dreckig, rief ihm ein Kind nach, darf der das. Unmerklich hinkend ging der kleine Herr Jakobi nach Hause und spreizte die Zehen in der Socke, durch die er die Rillen im Bürgersteig fühlte. Leute drehten sich um. Da zog sich Herr Jakobi auch noch den linken Schuh von der Ferse und lief auf breiten Sohlen durch die Straßen. Seine Schritte waren unhörbar.

Was soll das, rief Stella, die ihn im Flur nicht hörte und sich erschrocken zu ihm umdrehte, soll das ein Witz sein, im tiefsten Winter. Es ist Herbst, sagte der kleine Herr Jakobi, zog sich die Socken aus und betrachtete die durchgelaufenen Sohlen. Seine Füße waren blaß. Ganz blutleer sind die schon, rief Stella, von der Kälte. Dir muß man die Schuhe wohl an die Füße kleben.

Der kleine Herr Jakobi hat Streit

Der kleine Herr Jakobi hatte nie Streit. Wenn Stella dienstags zur Tür hereinkam, die Putzmittel in einer Tüte unter den Ellbogen geklemmt, und ausrief, wie sieht es denn hier aus, dann nickte der kleine Herr Jakobi freundlich. Manchmal sagte sie auch, du lebst wie ein Biber, oder, an besonders nebligen Dienstagen, wie ein Wildschwein. Der kleine Herr Jakobi blieb am Küchentisch sitzen und schaute Stella zu, wie sie erbost durch die Zimmer eilte. Also, sagte er dann nachdenklich, ich mache mich auf den Weg. Im Flur hörte er Stella zischen, wohin will er denn jetzt schon wieder, kein Sitzfleisch, der Mann. Er schaute prüfend an sich herunter, zupfte die Hose zurecht und ging hinaus.

Im Treppenhaus goß Herr Schikaneder mit zwei kupfernen Gießkannen die Yukkapalmen. Er hielt die Kannen hoch in die Luft und zitterte vor Anstrengung. Der kleine Herr Jakobi ging beinahe lautlos an ihm vorbei, aber Herr Schikaneder hörte ihn doch. Er versuchte, sich nach ihm umzudrehen, dabei verrutschte die Kanne in seiner linken Hand, und der Wasserstrahl traf auf die Fensterbank. Da, brüllte Herr Schikaneder, und wer muß das wieder wegmachen. Ich ziehe Sie zur Verantwortung. Herr Jakobi lehnte sich gegen das Geländer und wartete. Ja, Sie, brüllte Herr Schikaneder, was stehen Sie da herum und grinsen. Der kleine Herr Jakobi grinste nicht, holte aus seiner Tasche ein Tuch und reichte es Herrn Schikaneder. Aber Herr Schikaneder brüllte so laut, daß ihm die Augen aus dem Schädel quollen. Das Tuch wollte er nicht.

Langsam ging Herr Jakobi auf die Straße, blieb stehen und atmete durch. Eine Mutter drängte mit einem verchromten Kinderwagen an ihm vorbei und murmelte, mitten auf dem Gehweg, eine Zumutung ist das, jawohl. Bevor Herr Jakobi antworten konnte, war sie hinter der Drogerie verschwunden.