Abkürzungsverzeichnis

A

Abs

Absatz

aF

alte Fassung

AGGVG

Ausführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz

AGVwGO

Ausführungsgesetz zur Verwaltungsgerichtsordnung

ArbGG

Arbeitsgerichtsgesetz

AufenthG

Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet

AufenthV

Aufenthaltsverordnung

AuslG

Ausländergesetz

 

B

BAG

Bundesarbeitsgericht

BeamtStG

Gesetz zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern

BeamtVG

Gesetz über die Versorgung der Beamten und Richter des Bundes

BauGB

Baugesetzbuch

BayVGH

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

BFH

Bundesfinanzhof

BFHE

Entscheidungen des Bundesfinanzhofs

BGBl.

Bundesgesetzblatt

BGH

Bundesgerichtshof

BGHZ

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen

BRRG

Beamtenrechtsrahmengesetz

BSG

Bundessozialgericht

BT-Drs.

Bundestagsdrucksache

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

BVerfGE

Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

BVerwG

Bundesverwaltungsgericht

BVerwGE

Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts

BVwVG

Bundesverwaltungsvollstreckungsgesetz

BW

Baden-Württemberg

BWGZ

Die Gemeinde (Zeitschrift)

 

D

DVBl.

Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift)

DRiG

Deutsches Richtergesetz

DÖV

Die öffentliche Verwaltung (Zeitschrift)

 

E

EGGVG

Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz

EMRK

Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten

ESVGH

Entscheidungssammlung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg

 

G

GBl.

Gesetzblatt

GemO

Gemeindeordnung

GewO

Gewerbeordnung

GG

Grundgesetz

GmS-OGB

Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes

GVG

Gerichtsverfassungsgesetz

 

H

HessVGH

Hessischer Verwaltungsgerichtshof

 

I

IBR

Immobilien-Baurecht

iSd

im Sinne des

 

L

LKV

Landes- und Kommunalverwaltung

M

MDR

Monatsschrift für Deutsches Recht (Zeitschrift)

MecklenbVorp

Mecklenburg-Vorpommern

mwN

mit weiteren Nachweisen

 

N

Nds

Niedersachsen

NdsVBl.

Niedersächsische Verwaltungsblätter (Zeitschrift)

NJW

Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift)

Nr.

Nummer

NRW

Nordrhein-Westfalen

NVwZ

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht

NVwZ-RR

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht – Rechtsprechungsreport

NWVBl.

Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter (Zeitschrift)

 

O

OVG

Oberverwaltungsgericht

 

P

PKH

Prozesskostenhilfe

 

R

RAVG

Rechtsanwaltsversorgungsgesetz

RhPf

Rheinland-Pfalz

RhPfVerfGH

Rehinland-Pfälzischer Verfassungsgerichtshof

Rn.

Randnummer

 

S

SaarlVG

Saarländisches Verwaltungsgericht

SachsAnh

Sachsen-Anhalt

SächsOVG

Sächsisches Oberverwaltungsgericht

SächsVBl.

Sächsische Verwaltungsblätter (Zeitschrift)

SchleswHolstVG

Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht

SchlHA

Schleswig-Holsteinische Anzeigen

stRspr

ständige Rechtsprechung

StVO

Straßenverkehrs-Ordnung

 

T

TierSchG

Tierschutzgesetz

 

U

Ua

und andere

UPR

Umwelt- & Planungsrecht (Zeitschrift)

 

V

VBlBW

Verwaltungsblätter Baden-Württemberg (Zeitschrift)

VD

Der Verkehrsdienst

VGH

Verwaltungsgerichtshof

vgl.

vergleiche

VwGO

Verwaltungsgerichtsordnung

VwVfG

Verwaltungsverfahrensgesetz

VZOG

Gesetz über die Feststellung der Zuordnung von ehemals volkseigenem Vermögen

 

Z

ZIP

Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

ZOV

Zeitschrift für offene Vermögensfragen

ZPO

Zivilprozessordnung

1. Kapitel: Der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten

Fall 1: Zweistufentheorie I (Subventionsverwaltung)

Sparkasse S, eine Anstalt des öffentlichen Rechts, gewährt dem Unternehmer U nach Maßgabe der allgemeinen Bedingungen für Investitionszuschüsse bei Infrastrukturmaßnahmen einen zweckgebundenen Investitionszuschuss in Höhe von 20.000 €. Nach einiger Zeit stellt S fest, dass U den Zuschuss zweckwidrig verwendet hat. Sie möchte wissen, ob sie zulässig gegen U vor den Verwaltungsgerichten eine allgemeine Leistungsklage auf Rückzahlung des Zuschusses erheben kann.1

Problemstellung

1

Die Fallgestaltung steht in einem Kontext, der klassisch mit dem Anwendungsbereich der „Zweistufentheorie“ gleichgesetzt wird. Der reflexhafte Verweis auf die Zweistufentheorie ersetzt allerdings die sorgfältige Analyse des jeweils zur Entscheidung gestellten Sachverhalts nicht: Weder muss nämlich die Gewährung einer Subvention notwendigerweise gestuft – 1. Stufe: Entscheidung über das „Ob“ der Subventionsgewährung, 2. Stufe: Durchführung („Wie“) der Subventionsgewährung – verlaufen, noch unterliegt die Durchführung zwingend den Regeln des Privatrechts. Hier erscheint schon das Vorhandensein zweier Stufen durchaus zweifelhaft. Zugleich stellt sich die Frage, ob allein die Rechtsnatur der S als Anstalt des öffentlichen Rechts dazu führt, dass die Durchführung als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren ist.

Lösung

2

Beide Aspekte sind auseinanderzuhalten: Die Auszahlung des Zuschusses nach Maßgabe der im Sachverhalt erwähnten allgemeinen Bedingungen ohne weitere Entscheidungskompetenz und besondere Prüfung legt nahe, die Anwendung der Zweistufentheorie zu verneinen und von einem einphasigen Vorgang auszugehen.

3

Die Qualifikation des Vertragsverhältnisses zwischen S und U als öffentlich-rechtliches folgt weder aus seinem Gegenstand noch aus der Tatsache, dass es sich bei S um eine juristische Person des öffentlichen Rechts handelt: Denn S macht bei der Gewährung des Zuschusses nicht von Sonderrechten Gebrauch, die ihr als Träger hoheitlicher Befugnisse zustehen. S fungiert nicht in einer besonderen Eigenschaft als Beliehene, sondern nimmt Aufgaben wahr, die im so genannten Bankenverfahren auch Kreditinstituten des Privatrechts übertragen sind.

4

S ist mithin die Auskunft zu geben, dass der Rechtsweg nicht zu den Verwaltungsgerichten, sondern zu den ordentlichen Gerichten eröffnet ist.

Fall 2: Zweistufentheorie II (Zugang zu öffentlichen Einrichtungen)

Die Stadt S ist alleinige Gesellschafterin der Festhallen-GmbH F, die im Stadtgebiet eine große Fest- und Versammlungshalle betreibt. Die Festhalle vermietete die F in der Vergangenheit wiederholt an die Parteien C und L. Die nicht verbotene Partei N möchte in S ebenfalls einen Parteitag abhalten. Auf Anfrage erklären sowohl S als auch F, die Festhalle N nicht zur Verfügung stellen zu wollen, da sie mit dem Gedankengut der N nicht in Verbindung gebracht werden möchten. N ist der Auffassung, ihr stehe nach Art. 21 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG sowie nach § 5 ParteienG ein Anspruch auf Überlassung der Festhalle zu. Sie möchte wissen, vor welchen Gerichten sie S oder F auf Überlassung der Festhalle in Anspruch nehmen kann.2

Problemstellung

5

S und F treten N auf zwei verschiedenen Ebenen gegenüber: Während S über ihre Eigengesellschaft eine der Allgemeinheit gewidmete Festhalle bereit hält, obliegt F der Abschluss konkreter Benutzungsverhältnisse. Das legt es nahe, zu differenzieren und je nach einer Inanspruchnahme der S oder der F auch eine Differenzierung bei der Vorgabe des einschlägigen Rechtswegs zuzulassen.

Lösung

6

S ist zwar in die konkrete Nutzungsüberlassung nicht eingebunden, hat aber als Alleingesellschafterin der F die Möglichkeit, darauf hinzuwirken, mit wem F einen Mietvertrag über die Festhalle abschließt. S hat also in der Terminologie der Zweistufentheorie Einfluss auf das „Ob“ einer Zulassung der N zur Benutzung der Festhalle. Auf dieser Ebene entscheidet sie nach Maßgabe des öffentlichen Rechts und kann sie nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO vor den Verwaltungsgerichten in Anspruch genommen werden. Richtig ist dieser Anspruch als „Verschaffungsanspruch“ zu qualifizieren, den N nicht im Wege der Verpflichtungsklage, sondern im Wege der allgemeinen Leistungsklage geltend machen muss.

7

Eine direkte Inanspruchnahme der F muss dagegen vor den ordentlichen Gerichten erfolgen. F ist eine juristische Person des Privatrechts. Gegner eines Privatrechtssubjekts in einem Verwaltungsprozess könnte sie nur sein, wenn sie bei der Bereitstellung der Festhalle als Beliehene fungierte, d. h. durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes mit öffentlich-rechtlichen Handlungs- und Entscheidungsbefugnissen ausgestattet wäre. Das ist nicht der Fall. F ist – untechnisch gesprochen – „Erfüllungsgehilfin“ der S in der Leistungsverwaltung. Für eine Beleihung typische Eingriffsbefugnisse hat sie nicht.

8

N kann S vor den Verwaltungsgerichten und F vor den ordentlichen Gerichten in Anspruch nehmen.

Fall 3: Zweistufentheorie III (Vergabe öffentlicher Aufträge)

Gemeinde G schreibt unterhalb der Schwellenwerte im Sinne des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen die Reparatur des Daches des gemeindlichen Kindergartens aus. Dachdecker D gibt ein Gebot ab. Den Auftrag erhält sein Konkurrent K. D möchte wissen, ob er die Auftragsvergabe an K vor den Verwaltungsgerichten angreifen könne. Er habe das günstige Angebot abgegeben. Mit der Vergabe des Auftrags an K habe G Art. 3 Abs. 1 GG und Vorschriften des Gemeindehaushaltsrechts verletzt.3

Problemstellung

9

Die Annahme des D, die Auftragsvergabe an K sei durch die Verwaltungsgerichte zu überprüfen, hat auf den ersten Blick einiges für sich: G nimmt bei der Auftragsvergabe zumindest mittelbar eine öffentliche Aufgabe wahr. Das gälte erst recht, wenn G auch Überlegungen der Wirtschaftsförderung und Wirtschaftslenkung motivierten. Wenn es sich bei den Vorschriften des Gemeindewirtschaftsrechts auch um reines Innenrecht handelt, kann es doch zu einer Verwaltungsbindung führen, die ihrerseits wieder über Art. 3 Abs. 1 GG – im Ergebnis ähnlich der hier nicht einschlägigen Bestimmung des § 97 Abs. 7 GWB – subjektive Rechte der Bieter nach sich zieht. Das scheint dafür zu sprechen, die Streitigkeit zwischen G und D als öffentlich-rechtliche Streitigkeit im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO einzuordnen und den Verwaltungsrechtsweg zu eröffnen.

Lösung

10

Anders indessen das BVerwG: Nach seiner Auffassung ist für die Entscheidung über den Rechtsweg ohne Bedeutung, dass das Zivilrecht als „Basisrecht“ hier von öffentlich-rechtlichen Bindungen überlagert wird und als „Verwaltungsprivatrecht“ Anwendung findet. Für den Rechtsweg ist auch nicht entscheidend, ob der Anspruchsgegner öffentlich-rechtlichen Bindungen unterliegt, die für Privatpersonen nicht in entsprechender Weise gelten. Ob und in welchem Umfang derartige Bindungen bestehen, ist keine Frage des Rechtswegs, sondern der zu treffenden Sachentscheidung. Die Auseinandersetzung zwischen der öffentlich-rechtlichen Körperschaft und dem übergangenen Bieter bleibt danach eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit im Sinne des § 13 GVG, bei deren Entscheidung die ordentlichen Gerichte allerdings die Grundsätze des Verwaltungsprivatrechts zu beachten haben. D muss sich deshalb an die ordentlichen Gerichte wenden.

11

Bemerkenswert ist, dass das BVerwG – anders als ein Teil der OVGe – die Einordnung solcher Fälle – richtig – als Anwendungsfälle der Zweistufentheorie ausdrücklich ablehnt: Denn die Auswahlentscheidung und die zivilrechtliche Annahme des Antrags auf Abschluss eines Vertrages fallen in einem Akt zusammen. Die Vergabe öffentlicher Aufträge ist kein zweiphasiges Geschehen und muss, um zu einer Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte zu gelangen, auch nicht künstlich so konstruiert werden.

Fall 4: Hausverbot in öffentlichen Gebäuden

A bezieht von der Arbeitsverwaltung Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch. Bei einer Vorsprache im Arbeitsamt gerät er über die ihm angediehene Behandlung in Rage. Er beschimpft lautstark den für ihn zuständigen Sachbearbeiter. Behördenleiter L verhängt daraufhin gegen A schriftlich in einem als „Bescheid“ gekennzeichneten und mit einer Rechtsmittelbelehrung versehenen Schriftstück ein zeitlich befristetes Hausverbot und ordnet zugleich die sofortige Vollziehung an. A legt Widerspruch ein und beantragt beim Verwaltungsgericht die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs. Das Verwaltungsgericht ist der Auffassung, zuständig seien im Hinblick auf die Ausübung des Hausrechts durch L entweder die ordentlichen Gerichte oder wegen des Zwecks der Vorsprache des A die Sozialgerichte. Der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten sei nicht eröffnet. Trifft diese Annahme zu?4

Problemstellung

12

Die Auffassung des Verwaltungsgerichts scheint zunächst einmal plausibel: So könnte man im Ausspruch eines Hausverbots die Ausübung des privatrechtlichen Anspruchs aus § 1004 BGB sehen. Nahe liegt es auch, die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Hausverbots als Annexzuständigkeit den Gerichten zuzuweisen, die sachlich über das Begehren des A zu entscheiden hätten.

Lösung

13

Die letztere Überlegung ist insofern richtig, als bei der Entscheidung über den Rechtsweg darauf abzustellen ist, welche Rechtsnormen die Rechtsbeziehungen der Beteiligten und damit das Hausverbot im Einzelnen prägen. Das können mit der Folge einer Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte Rechtsnormen des Bürgerlichen Gesetzbuchs sein, wenn die Verwaltung ein Hausverbot ausspricht, um die bereits ausgesprochene Ablehnung weiterer Vertragsverhandlungen zu verstärken bzw. einer privatrechtlichen Erklärung in tatsächlicher Hinsicht Nachdruck zu verleihen.

14

Hier sind die einschlägigen Rechtsnormen allerdings nicht privater, sondern öffentlichrechtlicher Natur: Der „Bescheid“ des L trägt wesentliche Merkmale eines Verwaltungsaktes. Die Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten ist typischer Gegenstand einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit im Sinne des § 40 VwGO. Die Rechtsbeziehungen, auf die das Hausverbot Einfluss nimmt, sind – A bezieht Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch – öffentlich-rechtlicher Natur.

15

Die Frage, ob anstelle der Verwaltungsgerichte die Sozialgerichte zur Entscheidung berufen sind, zielt auf die Reichweite der nach § 40 Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. VwGO abdrängenden Sonderzuweisung des § 51 Abs. 1 SGG. Deren Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt:

16

§ 51 Abs. 1 SGG weist den Sozialgerichten auch in der seit dem 1. April 2008 geltenden Fassung nur ganz bestimmte Angelegenheiten zu. Das öffentlich-rechtliche Hausrecht mutiert nicht zu einer Angelegenheit im Sinne des Katalogs des § 51 Abs. 1 SGG, weil es von einem Träger der Arbeitsverwaltung geltend gemacht wird. Die Grundsätze, die jeder Träger öffentlicher Verwaltung bei der Durchsetzung seines Hausrechts zu beachten hat, sind identisch, gleichgültig, ob die Rechtmäßigkeit der jeweils öffentlich-rechtlich geordneten Aufgabenerledigung im Verwaltungs-, Sozial- oder Finanzrechtsweg überprüft werden kann. Der eher zufällige Umstand, dass im vorliegenden Fall einer der in § 51 Abs. 1 SGG angesprochenen Verwaltungsträger tätig geworden ist, tritt demgemäß so stark in den Hintergrund, dass er nicht geeignet ist, dem erteilten Hausverbot das Gepräge einer der in § 51 Abs. 1 SGG bezeichneten Angelegenheiten zu verleihen. Entsprechend hat das Verwaltungsgericht über den Antrag des A zu entscheiden.

Fall 5: Unterlassung und Widerruf von Äußerungen

Tierarzt T ist mit Aufgaben der Fleischbeschau befasst. Während seines Urlaubs übersieht sein Vertreter V fahrlässig die Kontamination von Schweinefleisch. Die Staatsanwaltschaft S leitet daraufhin gegen T und V ein Ermittlungsverfahren ein, das sie nach einiger Zeit aus unterschiedlichen Gründen gegen T und V einstellt. Anschließend gibt sie eine Pressemitteilung heraus, in der sie nicht nur V, sondern auch T ein Fehlverhalten zur Last legt. T möchte S auf Widerruf ihrer Äußerungen gegen die Presse in Anspruch nehmen. Er fragt, vor welchem Gericht er klagen muss.5

Problemstellung

17

Da die Presseerklärung von einer Justizbehörde stammt, liegt es nahe, bei der Entscheidung über den zulässigen Rechtsweg auf § 23 EGGVG zu rekurrieren: Es könnte sich um eine Maßnahme zur Regelung auf dem Gebiet der Strafrechtspflege handeln, über deren Rechtmäßigkeit auf Antrag die ordentlichen Gerichte entscheiden. Dass ein nur schlicht-hoheitliches Handeln, nicht ein Verwaltungsakt, gerichtlich überprüft werden soll, steht der Anwendung des § 23 EGGVG nicht entgegen. Der Begriff der „Maßnahme“ im Sinne des § 23 EGGVG ist weit zu verstehen und schließt auch ein schlichthoheitliches Tätigwerden einer Justizbehörde mit ein.

Lösung

18

Gleichwohl gelangt das BVerwG über § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu einer Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte. Dabei begrenzt es den Anwendungsbereich der abdrängenden Sonderzuweisung des § 23 EGGVG nicht mittels des Merkmals „Maßnahme“, sondern über eine enge Interpretation des „Gebiets der Strafrechtspflege“: Bei einer Presseerklärung einer Staatsanwaltschaft in Zusammenhang mit staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen handele es sich nicht um eine „spezifisch justizmäßige Verwaltungsmaßnahme“. Vielmehr erfülle die Staatsanwaltschaft den Informationsanspruch der Presse aufgrund entsprechender Regelungen in den Landespressegesetzen und damit andere Aufgaben als solche der Strafrechtspflege.

19

Ob – so in dem hier geschilderten Beispielsfall – das Ermittlungsverfahren bereits abgeschlossen ist, spielt für die Bewertung des BVerwG keine entscheidende Rolle. Denn es betont den Charakter der Maßnahme im Verhältnis zu dem durch die Information primär angesprochenen Empfänger. Auf den Fall übertragen heißt das: Die reflexhafte Betroffenheit des T führt nicht dazu, dass die für das Verhältnis zwischen T und S maßgeblichen Bestimmungen der StPO Einfluss auf die Entscheidungsbefugnis über eine mögliche Verpflichtung der S zum Widerruf ihrer Äußerung gewinnen.

20

Folglich muss T Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten suchen.

Fall 6: Abdrängende Sonderzuweisung I (Amtshaftung)

B erhebt vor dem Verwaltungsgericht gegen die Gemeinde G Leistungsklage auf Zahlung von Schadenersatz aus culpa in contrahendo in Höhe von 2.000,00 €. Er trägt vor, er habe mit G über den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages verhandelt. Diese Verhandlungen seien gescheitert, weil der verantwortliche Bedienstete der G die Gelegenheit zum Abschluss des Vertrages seinem Cousin C habe zuschanzen wollen. B verlangt von G Ersatz der Aufwendungen, die ihm für die Ausarbeitung des Angebots und seine Präsentation bei G entstanden sind. Wie wird das Verwaltungsgericht entscheiden?6

Problemstellung

21

Bei isolierter Lektüre nur des § 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO scheint B richtig verfahren zu sein: Seinen Schadenersatzanspruch leitet er „aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten“ her, die in Zusammenhang mit der Anbahnung eines öffentlich-rechtlichen Vertrages standen. Damit – so scheint es – griffe die abdrängende Sonderzuweisung des § 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht und wäre der Verwaltungsrechtweg nach § 40 Abs. 1 VwGO eröffnet. Damit ergäbe sich indessen das paradoxe Ergebnis, dass ein und derselbe Sachverhalt unter dem Gesichtspunkt der Amtshaftung nach Art. 34 GG i.V. m. § 839 BGB zwingend von den ordentlichen Gerichten zu entscheiden wäre, Art. 34 Satz 3 GG, während über den Anspruch aus culpa in contrahendo die Verwaltungsgerichte zu entscheiden hätten.

Lösung

22

Um dieser Schwierigkeit zu entgehen, interpretieren sowohl das BVerwG als auch der BGH die abdrängende Sonderzuweisung des § 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO weit: Wegen der sachlichen Nähe beider Ansprüche weisen sie die Entscheidung über Ansprüche aus öffentlich-rechtlicher culpa in contrahendo den ordentlichen Gerichten zu. Voraussetzung ist allerdings, dass ein Vertragsverhältnis tatsächlich nicht zustande kommt. Kommt es zu einem Vertragsschluss, entscheidet die Verwaltungsgerichtsbarkeit auch über Ansprüche im Zusammenhang mit dessen Anbahnung.

23

Das Verwaltungsgericht wird den Rechtsstreit deshalb nach Anhörung der Parteien trotz des Streitwerts unterhalb der Grenze des § 23 Nr. 1 GVG an das zuständige Landgericht – § 71 Abs. 2 Nr. 2 GVG! – wie folgt verweisen, wobei es wegen § 17b Abs. 2 GVG eine Kostenentscheidung selbst nicht treffen wird:

Beschluss

Der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten ist unzulässig. Der Rechtsstreit wird an das Landgericht [Ort] verwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Fall 7: Abdrängende Sonderzuweisung II (§ 23 EGGVG)

Dolmetscher D ist nach § 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 6 Satz 1 des baden-württembergischen AGGVG in die Liste der allgemein beeidigten Verhandlungsdolmetscher beim Landgericht Stuttgart eingetragen. Nachdem D wegen verschiedener Straftaten nach dem Aufenthaltsgesetz sowie wegen Betrugs rechtskräftig zu einer Haftstrafe verurteilt worden ist, verfügt der Präsident des Landgerichts Stuttgart, P, nach § 14 Abs. 7 Satz 1 AGGVG die Löschung der Eintragung in die Dolmetscherliste. D möchte diese Verfügung angreifen. An welches Gericht muss er sich wenden?7

Problemstellung

24

Der dem D zu erteilende Rat scheint klar zu sein: Die Verfügung des P ist eine Maßnahme, „die eine Behörde [= P als Organ der Landesjustizverwaltung, nicht als Organ der rechtsprechenden Gewalt] zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist“. Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG entscheiden über die Rechtmäßigkeit von Verfügungen, die von den Justizbehörden zur Regelung einzelner Angelegenheiten unter anderem auf dem Gebiet des Zivilprozessrechts getroffen werden, auf Antrag die ordentlichen Gerichte. Dies könnte dazu verleiten, D den Rat zu erteilen, nach Maßgabe der §§ 23 ff. EGGVG eine Anfechtungsklage bei dem zuständigen Oberlandesgericht anhängig zu machen.

Lösung

25

Ganz so einfach ist es indessen nicht: Die Eintragung des D in die Liste der allgemein beeidigten Dolmetscher soll es ihm ermöglichen, sich nach § 189 Abs. 2 GVG auf den allgemein geleisteten Eid zu berufen. Die Bestimmung des § 189 Abs. 2 GVG findet aber – so wörtlich der BGH – nicht nur innerhalb der ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit im Sinne des § 2 EGGVG Anwendung. Sie stellt daher auch keine Besonderheit dieser Gerichtsbarkeit dar. Vielmehr enthalten die Verfahrensordnungen der Fachgerichtsbarkeiten Regelungen, die auf § 189 GVG verweisen und die Bestimmung damit zum Bestandteil der jeweiligen Prozessordnung machen (§§ 55 VwGO, 52 Abs. 1 FGO, § 61 Abs. 1 SGG, § 9 Abs. 2 ArbGG). Ebenso ist nach dem Gedanken der Einheitlichkeit des Prozessrechts die Regelung des § 142 Abs. 3 ZPO in den Verfahrensordnungen der Fachgerichtsbarkeiten entsprechend anwendbar, so in der Verwaltungsgerichtsbarkeit über § 173 Satz 1 VwGO. Die von D angegriffene Verfügung des P ist schon deshalb nicht (ausschließlich) auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts getroffen. Sie hat zwar auch Auswirkungen auf den Zivilprozess einschließlich der Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, ohne aber ihre Wirkungen darauf zu beschränken. Das indes kann den nach § 23 EGGVG nur ausnahmsweise gegebenen Rechtsweg nicht eröffnen und Streitigkeiten über die Beeidigung und Ermächtigung von Dolmetschern und Übersetzern aus der Zuständigkeit der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit herausnehmen; es bedarf insbesondere auch keiner besonderen Erkenntnisse und Erfahrungen auf dem Gebiet der ordentlichen Gerichtsbarkeit, um über die Rechtmäßigkeit der getroffenen Maßnahme entscheiden zu können. P sind hier keine spezifischen justizmäßigen Aufgaben übertragen, die eines der in § 23 Abs. 1 EGGVG enumerativ aufgeführten Rechtsgebiete betreffen. Es ist daher nicht erforderlich, die Entscheidungskompetenz der ordentlichen Gerichte aus Gründen der Sachnähe zu erweitern und aus der Kompetenz der Verwaltungsgerichtsbarkeit auszugliedern.

26

Fazit: D muss sich an die Verwaltungsgerichte wenden.

Fall 8: Rechtswegübersteigende Kompetenzen aus § 17 Abs. 2 GVG

Die Stadt S unterhält auf einem städtischen Grundstück eine Obdachlosenunterkunft. Nachbar N, der sich durch Lärmemissionen gestört fühlt, erhebt vor dem zuständigen Amtsgericht einen Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch gegen S. Da der Zivilprozess nicht recht vorankommt, verfällt er auf die Idee, S außerdem als Betreiberin einer öffentlichen Einrichtung auf Beseitigung und Unterlassung vor dem Verwaltungsgericht in Anspruch zu nehmen. Er fragt, ob dies möglich sei, zumal S die Unterkünfte den Obdachlosen aufgrund privatrechtlicher Mietverträge überlasse.8

Problemstellung

27

Der Gedanke des N erscheint zunächst einmal nicht abwegig. Die Obdachlosenunterkunft ist eine öffentliche Einrichtung. Abwehransprüche, die N gegen die von dieser öffentlichen Einrichtung ausgehenden Emissionen geltend machen möchte, sind als öffentlich-rechtliche zu qualifizieren. Dass S das Benutzungsverhältnis zu den Obdachlosen privatrechtlich gestaltet, steht der Qualifikation der Auseinandersetzung zwischen N und S als öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht entgegen.

Lösung

28

Gleichwohl ist N gehindert, die Verwaltungsgerichte mit der Angelegenheit zu befassen: Denn „die Sache“ ist bereits beim Amtsgericht rechtshängig, so dass § 17 Abs. 1 Satz 2 GVG einer anderweitigen Rechtshängigkeit bei den Verwaltungsgerichten entgegensteht. Dabei beeinflusst es die Identität des Streitgegenstands nicht, dass N die S vor dem Amtsgericht als Grundstückseigentümerin und vor dem Verwaltungsgericht als Betreiberin einer öffentlichen Einrichtung in Anspruch nehmen will. Der auf Unterlassung und Beseitigung gerichtete Antrag des N ist der gleiche, ebenso der Lebenssachverhalt, aus dem N seine Rechte gegen S herzuleiten sucht. Der Verweis einmal auf das Eigentum am Grundstück und zum anderen auf das Betreiben einer öffentlichen Einrichtung beschreibt – lediglich – zwei rechtliche Gesichtspunkte, unter denen der Rechtsstreit zu entscheiden ist.

29

Richtig wird das Verwaltungsgericht eine von N gleichwohl anhängig gemachte Klage als unzulässig abweisen und das Amtsgericht eine aus dem öffentlichen Recht folgende Verpflichtung der S bei seiner Entscheidungsfindung mit berücksichtigen.

Fall 9: Aufrechnung mit rechtswegfremder Forderung

F wendet sich im Wege der Anfechtungsklage gegen einen Leistungsbescheid der Stadt S, der ihn zur Zahlung einer Gebühr von 1.000,00 € verpflichtet. Er trägt vor, ihm stehe aus Amtshaftung gegen S eine Forderung in Höhe von 1.000,00 € zu, mit der er aufrechne. Darf das Verwaltungsgericht dies berücksichtigen?9

Problemstellung

30

Einerseits könnte man argumentieren, das Verwaltungsgericht müsse sich mit der zur Aufrechnung gestellten Forderung beschäftigen dürfen, weil es sonst nicht feststellen könne, ob eine Forderung der S als Grundlage des Leistungsbescheids weiter bestehe. Andererseits schließt § 17 Abs. 2 Satz 2 GVG eine Befassung der Verwaltungsgerichte mit Amtshaftungsansprüchen ausdrücklich aus.

Lösung

31

Lösen lässt sich die Schwierigkeit über § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 302 ZPO, wobei § 302 ZPO hier, da es nicht um eine Aufrechnung des Beklagten, sondern um eine Aufrechnung des Klägers geht, nur entsprechende Anwendung findet: Das Verwaltungsgericht wird über die Anfechtungsklage durch Vorbehaltsurteil entscheiden und – sollte es die Klage abweisen, sonst bedarf es dessen nicht! – F so die Möglichkeit offen halten, sich das Bestehen seines Amtshaftungsanspruchs durch die ordentlichen Gerichte bescheinigen zu lassen. Nach Erlass des Vorbehaltsurteils wird es auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des BVerwG das Verfahren nach § 94 VwGO bis zur Entscheidung der ordentlichen Gerichte aussetzen.

32

Seine Entscheidungen werden wie folgt lauten:

Vorbehaltsurteil

  1. Die Klage wird unter Vorbehalt der Entscheidung über die vom Kläger erklärte Aufrechnung wegen von ihm behaupteter Amtshaftung aus [folgt genaue Beschreibung des Anspruchsgrundes] abgewiesen. Das Verfahren wird bis zur Erledigung eines vor den ordentlichen Gerichten zu führenden Rechtsstreits über den vom Kläger behaupteten Anspruch aus Amtshaftung ausgesetzt.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

33

Achtung: Das Bundesarbeitsgericht verfolgt neuerdings einen eigenen Ansatz: Es geht davon aus, dass der Rechtsstreit nach Erlass des Vorbehaltsurteils nicht ausgesetzt, sondern nach Maßgabe der §§ 17 ff. GVG an die Gerichte des für die Aufrechnung zulässigen Rechtswegs verwiesen wird. Ob dies allerdings auch dann funktioniert, wenn die Aufrechnungsforderung bereits in der Berufungsinstanz anhängig ist, erscheint fraglich.

34

Die Verfahrensweise des BVerwG dürfte die richtige sein, sofern die Aufrechnungsforderung bereits anderwärts anhängig ist. Dem Bundesarbeitsgericht dürfte zu folgen sein, sofern die Aufrechnungsforderung gerichtlich noch nicht geltend gemacht wurde.

Fall 10: Verweisung nach § 17a GVG

K erhebt durch seinen Rechtsanwalt Klage vor dem Verwaltungsgericht. Er greift die in einem Enteignungsbeschluss vertretene Auffassung an, der beklagte Hoheitsträger sei nicht verpflichtet, einen näher bezeichneten Fahrweg wiederherzustellen und an einen Fußweg anzubinden. Das Verwaltungsgericht ist der – vertretbaren – Auffassung, die Frage falle nach § 217 Abs. 1 Satz 3 BauGB in die Zuständigkeit des Landgerichts – Kammer für Baulandsachen –, und verweist den Rechtsstreit entsprechend. Das Landgericht hält seine Zuständigkeit nicht für gegeben und verweist den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht zurück. K, der keinerlei Verständnis für dieses Hin und Her hat, fragt, wie er die Gerichte dazu veranlassen kann, sich endlich in der Sache mit seinem Anliegen zu befassen.10

Problemstellung

35

Der Fall wirft zwei Fragen – eine verfahrensrechtliche und eine „materielle“ – auf. Zunächst ist zu entscheiden, wer den negativen Kompetenzkonflikt auf welches Rechtsmittel aufzulösen hat: In Frage kommen sowohl die dem verweisenden als auch die dem rückverweisenden Gericht im Rechtszug übergeordneten Gerichte. Dann gibt die Verfahrengestaltung aber auch Anlass, sich mit der Bindungswirkung von Verweisungsbeschlüssen – § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG – auseinanderzusetzen.

Lösung

36

Das BVerwG wendet im Falle eines negativen Kompetenzkonflikts, an dem auch ein Gericht der Verwaltungsgerichtsbarkeit beteiligt ist, § 53 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 5 VwGO entsprechend an:11 Danach hat bei negativen rechtswegübergreifenden Kompetenzkonflikten dasjenige oberste Bundesgericht zu entscheiden, das einem der beteiligten Gerichte übergeordnet ist und zuerst angegangen wird. Die anderen obersten Bundesgerichte verfahren entsprechend.12 K kann sich wahlweise an das BVerwG oder das dem Verwaltungsgericht übergeordnete OVG wenden, an Letzteres allerdings nur, wenn die Berufung nicht aufgrund besonderer Vorschriften in Spezialgesetzen für unstatthaft erklärt ist.13 Für den Antrag nach § 53 Abs. 3 Satz 1 VwGO besteht kein besonderes Formerfordernis und nach herrschender Meinung auch kein Vertretungszwang.

37

Bei der „materiellen“ Prüfung hat das von K befasste Gericht zu berücksichtigen, dass wegen § 17a Abs. 2 Satz 3 VwGO zunächst von der Bindung des Verweisungsbeschlusses des Verwaltungsgerichts auszugehen ist. Diese Bindungswirkung wird durch den (Rück-)Verweisungsbeschluss des Landgerichts nicht neutralisiert. Mit anderen Worten profitiert von § 17a Abs. 2 Satz 3 VwGO nur der zuerst Verweisende. Die Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses entfällt ausnahmsweise nur dann, wenn er an einem schweren („extremen“) Rechtsverstoß leidet, völlig unhaltbar, abwegig oder rechtsmissbräuchlich ist.14 Davon ist nach der Vorgabe im Sachverhalt nicht auszugehen. Das von K befasste Gericht wird daher die Landgericht – Kammer für Baulandsachen – als zuständiges Gericht bestimmen.

1 BVerwG, NJW 2006, 2568 zum sogen. Bankenverfahren; OVG NRW, NWVBl. 2005, 475; OVG SachsAnh, NJW 2002, 697; VGH BW, DVBl. 1981, 265.

2 BVerwG, NVwZ 1990, 157; OVG Nds, NdsVBl. 2008, 75; VGH BW, BWGZ 2003, 804; Bosch/Schmidt, § 7 III 5.

3 BVerwGE 129, 9; OVG NRW, NVwZ-RR 2006, 842; OVG RhPfl., DÖV 2007, 39; VGH BW, VBlBW 2007, 147; OVG Nds, IBR 2006, 512.

4 BVerwGE 35, 103; OVG NRW, NWVBl. 1998, 350; BayVGH, Beschluss vom 5. März 2007, 21 C 06.2549, juris; Bosch/Schmidt, § 7 III 8.

5 BVerwG, NJW 1989, 412.

6 BGH, NJW 1986, 1109; BVerwG, NJW 2002, 2894; NVwZ 2003, 1383; Bosch/Schmidt, § 9 II 3.

7 BGH, NJW 2007, 3070; VGH BW, NJW-RR 2006, 1143; Bosch/Schmidt, § 9 II 6.

8 BayVGH, BayVBl. 2004, 372.

9 BAG, NJW 2008, 1020; BVerwG, NJW 1999, 160.

10 BVerwG, NVwZ 2008, 917.

11 Dazu auch BVerwG, NJW 1993, 3087, und NVwZ, 2007, 845.

12 BGH, NJW 2001, 3631, 3632; BAG, NJW 2003, 1068, 1069; BFHE 204, 413, 415f.; BSG, MDR 1989, 189.

13 BVerwGE 58, 225.

14 Dazu auch BVerwG, NVwZ 1995, 372; BGH, NJW-RR 2002, 713.

2. Kapitel: Die Beteiligten des Verwaltungsprozesses

A. Die Beteiligten

Fall 11: Der „richtige“ Beklagte – Rechtsträgerprinzip und Prozessstandschaft I