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Inhalt

Kommunikation

Bedeutung von Sprache

Sprache zur Verständigung

Warum Tiere miteinander kommunizieren

Die Sprache der Hunde

Leben in sozialen Gruppen

Was heißt „Dominanz“?

Wölfe und ihre sozialen Gruppen

Hunde und ihre sozialen Gruppen

Hund und Mensch als soziale Gruppe

Vom sozialen Wolf zum sozialen Hund

Kommunikation im Training

Körpersprache im Training

Lernen durch Imitation

Unterschied Wolf – Hund

Grundlagen für Verhalten

Sprache wird gelernt

Aggression

EXTRA Reaktion auf Bedrohung

Demutsverhalten

Einteilung von Verhalten

Stress und Frustration

Angst

Konfliktbewältigung

Entspanntes Zusammenleben

Ausdrucksverhalten

Gegenseitige Verständigung

Optisches Ausdrucksverhalten

Das „Display“

Mimik des Hundes

Die Körpersprache

Verschiedene Hundetypen

Ausdrucksregionen bei verschiedenen Rassen

Verhaltensgruppen

Soziale Annäherung

Passive Demut

Imponierverhalten

Sicherheit und Unsicherheit

Agonistisches Verhalten

Verhalten bei Stress

Spielverhalten

Weitere Kommunikationsformen

Service

Zum Weiterlesen

Quellen

Nützliche Adressen

Kommunikation

Kommunikation

Bedeutung von Sprache

Wer kennt ihn nicht, den legendären Zeichentrickfilm von Loriot über Dr. Sommer und seinen sprechenden Hund Bello. Dr. Sommer berichtet in einem Interview, dass er seinen Hund täglich acht Stunden unterrichtet habe – unter anderem mit Zungenübungen und Atemtechnik. Als Beispiel gibt Bello den Satz zum Besten: „Otto holt große rote Rosen“: „O-O O-O O-O“. Der Reporter ist skeptisch und merkt zu Recht an, dass der Hund doch nur einen einzigen Buchstaben sagen könne: das „O“.

Dieser Sketch macht deutlich, dass „Sprechen“ keine einheitliche Definition hat – dass „Sprechen“ oder „Sprache“ viele Bedeutungen haben kann. Für Aristoteles z.B. hatten Tiere keine Sprache, weil sie keine Vernunft besaßen – und sie hatten keine Vernunft, weil sie keine Sprache besaßen. Heutzutage sieht man dieses Thema differenzierter und gesteht Tieren Sprache zu, sei es über individuelle Lautäußerungen oder bestimmte Verhaltensweisen, die Informationen übermitteln (z.B. Tanz der Bienen = „Bienensprache“). Silke Labudda hat 2005 in ihrer Magisterarbeit „Über die Sprache der Tiere“ eine detaillierte Übersicht über die verschiedenen Möglichkeiten geliefert, wie Tiere sich einander mitteilen können.

Von Nachbar zu Nachbar: Unterhaltung durch den Gartenzaun.

Zeichen und Handlungen

Mit „Sprache“ werden zum einen konkrete Zeichensysteme gemeint, die gelesen (optische Kommunikation über Schrift) oder gehört werden (gesprochene Sprache); zum anderen sind damit heutzutage aber auch alle Handlungen bzw. Verhaltensweisen gemeint, mit denen etwas mitgeteilt wird. Konkrete Zeichensysteme sind z.B. Einzelsprachen wie Deutsch oder Chinesisch oder eine Programmiersprache für Computer. Es ist einleuchtend, dass man sich darüber einem anderen Individuum nur mitteilen kann, wenn beide die gleiche Sprache beherrschen. Redet mein Gegenüber chinesisch mit mir, wird die Verständigung nur dann klappen, wenn ich diese Sprache zumindest verstehe – am besten klappt die Kommunikation dort, wo ich meinem Gegenüber auch auf Chinesisch antworten kann. Für Handlungen/Verhaltensweisen gilt dies aber genauso. Auch hier klappt die Kommunikation nur dann, wenn beide Partner mit einer bestimmten Handlung den gleichen Informationsgehalt verknüpfen. Ein typisches Beispiel für ein Missverständnis mit eventuell dramatischen Folgen zwischen Hund und Mensch ist die Sache mit dem Blickkontakt. Die Spielregel zwischen Menschen heißt: „Es ist höflich, seinem Gegenüber beim Gespräch in die Augen zu gucken“. Die Spielregel zwischen Hunden heißt: „Es ist unhöflich, seinem Gegenüber in die Augen zu gucken“, denn der direkte Blickkontakt gehört in die Gruppe der Imponier- und Drohsignale. Wenn ein Mensch nun seinem Hund permanent in die Augen sieht, z.B. im Training, kann sich der Hund ständig bedroht fühlen und darauf entsprechend reagieren – z.B. mit Angstverhalten oder ebenfalls mit Drohverhalten. Diese Reaktionen versteht der Mensch dann wieder nicht und es entwickelt sich ein Problemkreislauf der keinem nutzt und für alle Stress bedeutet. Hätte sich der Mensch dagegen die Mühe gemacht seinem Hund vorher beizubringen, dass der Blickkontakt zu Menschen etwas anders gelagert ist als zwischen Hunden, wäre das Problem nicht entstanden. Der Hund hätte diese neue Fremdsprache gelernt und sie verstehen und anwenden können.

Kommunikation klappt nur dort, wo beide Partner mit einem Signal die gleiche Information verknüpfen.

Permanente Kommunikation

Aus genau diesem Grund ist es wichtig, sich mit der Hundesprache und den Kommunikationsmöglichkeiten von Hunden zu beschäftigen. Ein Mensch und sein Hund kommunizieren permanent im Alltag: beim Training, beim Schmusen, beim gemeinsamen Gassigang – um nur einige Situationen zu nennen. Wenn diese Kommunikation klappt, wird der Alltag für beide entspannt und angenehm. Klappt die Kommunikation nicht, haben beide Probleme. Dieses Buch soll Ihnen helfen, mit Ihrem Hund zu sprechen: ihn zu verstehen und sich ihm so mitzuteilen, dass er Sie versteht.

Sprache zur Verständigung

Kommunikation bedeutet Nachrichten- oder Informationsaustausch – es ist eine Verständigung zwischen biologischen oder technischen Systemen. Damit Kommunikation stattfinden kann, müssen drei Elemente vorhanden sein: Sender, Empfänger und Information. Der Sender sendet eine Information aus und der Empfänger empfängt sie. Erst wenn dies abgelaufen ist, kann man von Kommunikation sprechen. Dabei unterscheidet man zwischen zwei verschiedenen Sender-Empfänger-Systemen. Zum einen kann ein Sender bewusst an einen ganz individuellen Empfänger senden. Wenn ein Hund einen anderen Hund anknurrt, dann findet der Informationsaustausch gewollt nur zwischen diesen beiden statt. Andere Hunde würden in der Nähe dieses Knurren hören (empfangen), aber vom Sender ist damit gezielt nur ein bestimmter Hund angesprochen worden; dies wissen etwaige „Mithörer“ auch. Im anderen System sendet der Sender nicht gezielt an einen bestimmten Adressaten. Diese Art von Kommunikation hat man z.B. dann, wenn Hunde ein bestimmtes Areal mit ihrem Urin markieren. Jeder, der dann später daran vorbeikommt, wird die Information über die Nase aufnehmen und darüber zum Empfänger dieser Information werden. Der Hund, der die Duftmarke gesetzt hat, hat aber keinen Einfluss mehr darauf, wer sich alles von seinem Signal angesprochen fühlt.

Beide Hündinnen beschnuppern die gleiche Urinspur – die Information, die jede für sich daraus zieht, kann aber individuell unterschiedlich sein.

Signale

Die Träger der Information nennt man Signale – und Kommunikation beginnt immer da schief zu laufen, wo Signale zwischen Sender und Empfänger nicht eindeutig genug definiert sind.

Für den Begriff „Signal“ gibt es viele analoge Begriffe, z.B. „Zeichen“, „Reiz“ oder „Stimulus“. Die Information wird durch das jeweilige Signal so verpackt und dargeboten, dass das empfangende Lebewesen diese Information aufnehmen und verarbeiten kann. Eine gesendete Information wäre beispielsweise der sachliche Inhalt des letzten Satzes, den Sie gerade gelesen haben. Ihr Gehirn verarbeitet jetzt gerade diesen Sachinhalt und darüber ist Ihnen die Information bewusst geworden. Die dazugehörigen Signale sind die Buchstaben; diese sind die Träger der Information. Ein anderes Beispiel wäre das akustische Signal SITZ an Ihren Hund. Das Signal ist ein Geräusch mit einer bestimmten Frequenz, Länge und Tonmodulation. Die dazugehörige Information für Ihren Hund ist: „Hintern auf den Boden“. Dabei muss ein Signal nicht unbedingt nur eine relativ kurze Einzelinformation sein. Auch komplexe Verhaltensweisen haben Signalcharakter und sprechen mehrere Sinneskanäle des Empfängers an. Ein Signal zum Hinsetzen hat im alltäglichen Gebrauch auch optische Komponenten: die Körpersprache des Senders.

Probleme in der Kommunikation

In der Kommunikationswissenschaft gibt es eine schöne Definition für den Begriff Signal oder Zeichen: „Ein Signal oder Zeichen ist etwas, was für jemanden etwas bedeutet.“ Und damit wird noch einmal die schon erwähnte Hauptursache für Kommunikationsprobleme deutlich. Kommunikation klappt nur da perfekt, wo beide Kommunikationspartner für ein bestimmtes Signal exakt den gleichen Informationsgehalt verknüpfen. In dem Moment, wo es hier Unterschiede gibt, tauchen Probleme auf.

Das vorhin zitierte Beispiel mit dem Blickkontakt kann dies noch einmal gut illustrieren. Für den Menschen bedeutet das Signal „direkter Blickkontakt“ vielleicht so etwas wie „freundliche Wertschätzung oder Aufmerksamkeit beim Gespräch“. Für den Hund bedeutet das technisch gleiche Signal aber eventuell das genaue Gegenteil: „Konflikt um etwas (vielleicht um eine bestimmte Ressource) und damit Imponiergehabe oder Bedrohung“. Und schon ist ein Problem im Entstehen begriffen. Auch das Zischgeräusch SITZ hat für den Hund nur dann die Bedeutung „Hintern auf den Boden“, wenn ihm genau dies zuvor beigebracht wurde. „Einfach so“ weiß kein Hund, was SITZ bedeutet.

Das akustische Signal SITZ wird begleitet von einer Vielzahl optischer Signale: Handbewegung und Handhaltung, Kopfstellung, Körperhaltung, Blickrichtung.

Wahrnehmung von Signalen

Viele Elemente des täglichen Lebens haben Signalcharakter. Wir leben in einer sogenannten „Semiosphäre“ – einer Welt der Signale oder Zeichen. Damit ein Signal seine Information „loswerden“ kann, muss eine weitere Bedingung erfüllt sein: Der designierte Empfänger muss die entsprechenden Vorrichtungen (die Sinneskanäle) besitzen, um dieses Signal zu erkennen und den Informationsgehalt herauslösen zu können. Solche Vorrichtungen sind z.B. Augen (Gesichtssinn), Nase/Zunge (Geruchs-/ Geschmackssinn), Haut (Tastsinn) oder Ohren (Gehörsinn). Sie empfangen die Signale und leiten sie weiter an das Gehirn zur Bearbeitung – damit wird der Informationsgehalt eines bestimmten Signals zu einer bewussten Wahrnehmung. Neben den genannten Sinneskanälen gibt es eine weitere Wahrnehmungsvorrichtung für Gefahren, die den Körper bedrohen: die Schmerzrezeptoren.

Warum Tiere miteinander kommunizieren

Kommunikation mit der Umwelt ist eine wichtige Voraussetzung für das Überleben. Nur über die Verarbeitung von Umweltsignalen findet ein Lebewesen Nahrung oder kann sich vor Feinden retten. In der Evolution haben sich Arten unterschiedlich entwickelt: Verschiedene Tierarten besitzen verschiedene Sinnesorgane – oder gleiche Sinnesorgane haben eine unterschiedliche Leistungsfähigkeit. Jede Tierart hat sich ihrer ökologischen Nische, ihrem Lebensraum, angepasst – nur so kann sie darin dauerhaft bestehen. Es wäre z.B. für eine Fledermaus unpraktisch, Ohren mit der Leistungsfähigkeit menschlicher Ohren zu haben. Für die Fledermaus ist es wichtig, ihre Beutetiere im Dunkeln zu orten. Die Beutetiere sind klein (Insekten) und wendig. Die Fledermaus hört im Ultraschallbereich und sie kann zudem auch noch aus dem Gehörten ganz exakt die Richtung des Beutetieres und den eigenen Abstand zur Beute ablesen. Dieses sind Eigenschaften, über die wir Menschen nicht verfügen – warum auch: Beutetiere und dadurch das ganze Jagdverhalten waren bei den frühen Menschen gänzlich anders. Bei den frühen Menschen haben die Augen oder die Nase unter Umständen sogar eine wichtigere Rolle für den Jagderfolg gespielt als die Ohren.

Verständigung untereinander

Kommunikation spielt aber nicht nur eine wichtige Rolle „nach außen“ (bei der Nahrungsbeschaffung oder dem Entkommen bei feindlichen Angriffen), sondern auch innerhalb einer Tierart. Selbst Einzelgänger wie z.B. Tiger müssen hin und wieder mit einem Artgenossen kommunizieren – sonst klappt es mit der Fortpflanzung nicht. Ganz wichtig wird diese innerartliche Kommunikation aber bei den sozialen Lebewesen. Hier geht es nicht nur um Fortpflanzung, sondern um die permanente Verständigung im täglichen Zusammenleben. Dort wo man mit seinen Artgenossen sehr eng „zusammen hockt“, gibt es jeden Tag Reibungspunkte. Konkurrenz und Kooperation müssen abgewogen und Kompromisse eingegangen werden. Das geht nur mit einer „gemeinsamen Sprache“.

Jeder weiß, was die Signale beim anderen bedeuten. Der linke Hund zeigt Unsicherheit u.a. durch den zusammengeschobenen Körper und der rechte durch die Spielaufforderung.

Die Sprache der Hunde

Jedem Lebewesen geht es darum, seinen eigenen Zustand zu optimieren, um die eigenen Gene an die nächste Generation weiterzugeben. In diesem Zusammenhang spricht man auch von „biologischer Fitness“. Um die biologische Fitness zu erhöhen, braucht man sogenannte „Ressourcen“: Nahrung, Wasser, Fortpflanzungspartner, Sozialpartner (bei sozialen Tieren) oder Territorium (bei territorialen Tieren). Auch der intakte (gesunde) eigene Körper stellt eine Ressource dar. Jedes Tier hat das grundlegende Bedürfnis, seinen Bedarf an Ressourcen zu decken – und dabei größtmögliche Schadensvermeidung zu betreiben. Bestimmte Arten haben sich daher in der Evolution zu sozialen Lebewesen entwickelt. Das Leben in der Gruppe hat den Vorteil, dass man sich bei der Nahrungsbeschaffung, dem Schutz vor Feinden oder der Nachkommenaufzucht ergänzen und helfen kann. Das Leben in der Gruppe hat aber auch Nachteile: Man hat den stärksten Konkurrenten um die Ressourcen, die für einen selber wichtig sind, direkt neben sich. Genau aus diesem Grund haben sich bei den hoch-sozialen Arten, wie z.B. Wölfen, eine fein differenzierte und variable Kommunikation und ein ebensolches Sozialsystem entwickelt.

Ressourcen und Risiko

In einer fest etablierten Gruppe kennt jeder jeden und weiß, was er vom anderen zu erwarten hat: Wie ist das Interesse des anderen an bestimmten Ressourcen und wann ist es besonders stark? Wie viel ist der andere bereit für den Ressourcenbesitz zu investieren? Durch dieses Wissen bilden sich situationsabhängige Statusverhältnisse: Individuum A mit einem höheren Status hat die Möglichkeit, Freiheiten und Rechte auf Ressourcen von Individuum B einzuschränken. A muss dies aber nicht zwangsläufig tun. Es kann auch sein, dass B freiwillig auf Freiheiten und Rechte verzichtet – eventuell sogar ohne dass A gerade besonderes Interesse an einer bestimmten Ressource angemeldet hätte. Der individuelle Wert, den die jeweilige Ressource für die beiden Interaktionspartner hat, spielt dabei eine große Rolle. Auch in einem etablierten Statusverhältnis A›B kann sich B massiv (und erfolgreich) für eine Ressource engagieren, wenn diese einen hohen Wert für B hat. Hat sie gerade einen kleinen Wert für A, wird A vermutlich mit der Schulter zucken und weggehen. Hat A ebenfalls ein großes Interesse, entscheiden weitere Faktoren, ob es einen stärkeren Konflikt gibt und wie der ausgeht; eine wichtige Rolle spielt z.B. die individuelle Risikobereitschaft bei beiden. Wie weit sind sie bereit, die Ressource „eigene körperliche Unversehrtheit“ für eine andere Ressource zu riskieren? Aus diesen beiden Faktoren „Ressourcenwert“ und „Risikobereitschaft“ lässt sich das sogenannte „Ressource Holding Potential“ (RHP) eines Individuums errechnen. „Risikobereitschaft“ ist dabei ein Faktor, der stärker genetisch fixiert ist, während der „Ressourcenwert“ stärker durch die Lernerfahrungen bestimmt wird. In der Verhaltensbiologie findet das RHP-Modell mittlerweile eine breite Verwendung. Es hat bei einigen sozialen Tierarten die alten „Dominanzmodelle“ abgelöst, weil es flexibler und individueller anwendbar ist. Ob es sich auch auf Wölfe oder Hunde und besonders auf die Hund-Mensch-Interaktionen anwenden lässt, ist allerdings fraglich. Hier scheint das neue RHP-Modell, genauso wie das alte Dominanz-Subdominanz-Modell, mit „Alpha › Beta › Gamma“ etc., doch zu unflexibel zu sein.

Ein kleiner Konflikt um die Ressource „Frisbee“. Der Labrador weicht mit leicht submissivem Verhalten aus.

Der Labrador geht weg, als der Rhodesian Ridgeback sein Interesse am Frisbee intensiviert.

Der Ridgeback fürchtet jetzt den nächsten Konkurrenten (obwohl der noch kein offensichtliches Interesse zeigt) und beginnt, das Frisbee wegzutragen.

Leben in sozialen Gruppen

Leben in sozialen Gruppen

Was heißt „Dominanz“?

In der Biologie ist mit „Dominanz“ ein Statusverhältnis zwischen zwei Individuen gemeint. Alleine für sich ist kein Wolf oder Hund dominant (und auch nicht das Gegenteil: subdominant). „Dominanz“ ist keine persönliche Eigenschaft und ist nicht angeboren wie die Augenfarbe oder ein lockiges Haarkleid. Dominanz wird durch Interaktion erworben, durch wiederholten sozialen Kontakt mit einem anderen Individuum. Ein Dominanzverhältnis besteht, wenn ein Individuum A einen höheren sozialen Status hat als ein Individuum B. Hierzu gehört nicht nur, dass A eine Vorstellung vom eigenen Status zu B hat, sondern dass B dieses Statusverhältnis auch wahrnimmt – dass B sich also in der Rolle des subdominanten Interaktionspartners sieht.

Zeigt die Hündin hier, dass sie ihren Mensch als „Boss“ anerkennt? Nein – sie zeigt einfach ein gut gelerntes Verhalten auf Signal.

Das Märchen vom Alpha

In der Alltagssprache wird derjenige mit dem höheren Status oft als Chef oder Alpha bezeichnet. In der älteren Hundeliteratur hatte sich der Begriff „Alpha“ eingebürgert: Alpha war der Gewinner im Kampf, der seine Untergebenen beherrschte ... und diese Vorstellung, wie Hunde oder Wölfe miteinander leben, ist noch weit verbreitet.

Parallel wurde dieses Modell auch auf das Zusammenleben Hund–Mensch übertragen. Auch in der gängigen Hundeliteratur findet man häufiger noch Angaben dazu, dass sich der Mensch als „Alpha“ gegenüber seinem Hund durchsetzen müsse. Hier findet man z.B. immer noch Aussagen wie: „Alpha herrscht mit drakonischer Härte über die Gruppe.“ Man ging früher davon aus, dass alle Hunde kleine Diktatoren sind, die die Herrschaft über ihre Gruppe an sich reißen wollen. Jedes Knurren gegen den Besitzer bedeutete dann entweder „Ich bin schon Alpha, also geh weg“ oder „Ich erhebe Anspruch auf die Alphaposition, also geh weg“. Als Begründung wurde angegeben, dass Hunde angeborene sozial expansive Verhaltensmuster hätten, die sie unweigerlich dazu zwingen würden, die soziale Leiter nach oben steigen zu wollen. Für das gedeihliche Zusammenleben zwischen Hund und Mensch, so steht es leider noch in vielen Büchern, müsse sich demnach der Mensch als „Alpha“ gegenüber seinem Hund durchsetzen – notfalls mit Gewalt.

Falsche Vorstellung von „Gehorsam“

Wenn Probleme auftreten, sei der Mensch in seinem Führungsanspruch gescheitert – dies wurde und wird in der älteren Hundeliteratur auch bei Gehorsamsproblemen immer noch heruntergebetet. „Gehorsam“ im menschlichen Sinne bedeutet, dass der Hund auf ein bestimmtes Signal (ein „Kommando“ wie z.B. SITZ) mit dem gewünschten Verhalten reagiert. Dabei haben „Gehorsam“ und „biologische Dominanz“ so gut wie nichts mit einander zu tun. Zum einen, weil die menschliche Vorstellung von „Gehorsam“ im Zusammenleben Hund–Hund oder unter Wölfen nicht existiert. Kein Wolf oder Hund befiehlt einem anderen, sich hinzusetzen oder heranzukommen. Und ein Wolf zwingt seine Kollegen auch nicht bei Strafandrohung zur gemeinsamen Jagd ...