MEHR
ALS EIN SPIEL

Klaus Kern

Impressum

Mehr als ein Spiel

1. Auflage

egoth Verlag GmbH

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Abdrucks oder der Reproduktion einer

ISBN: 978-3-902480-89-7
E-ISBN: 978-3-902480-92-7

Abbildungen:

Lektorat:

Grafische Gestaltung und Satz:

Gesamtherstellung:

Es sei betont, dass entsprechend der Regeln der deutschen Sprache Sammelbegriffe wie beispielsweise „Sportler” Gattungsbezeichnungen für bestimmte Gruppen darstellen, ohne damit geschlechtsspezifische Diskriminierungen vorzunehmen.

Klaus Kern

MEHR
ALS EIN SPIEL

Traumberuf: Fußballer

… und der weite Weg an die Spitze

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Der Fußballer als Mensch

Über die Freude am Spiel

Über Lebensführung und Ernährung

Über den Einzelsportler mit Mannschaftsgeist

Über Späher

Interview mit Torben Hoffmann

2. Der Fußballer als Leistungssportler

Über Ethik und Moral

Über den Umgang mit Medien

Über Outing oder kein Outing

Über Public Relations bei den eigenen Fans

Über das mentale Training

Die Motivation

Sich starkreden

Mentales Training verhilft auch Ihnen zum Erfolg

Mehr als nur für den Sport

Der Tag, auf den es ankommt

Interview mit Bundestrainer Jogi Löw

3. Der Fußballer als Profi

Über den Vereinswechsel

Über finanzielle Gebarungen

Interview mit Karlheinz Förster

4. Der Fußballer nach seiner Karriere

Hält Ruhm ewig?

Die Suche nach Lebensaufgaben

Manager oder doch lieber Experte im Fernsehen?

Interview mit Gilbert Gress

5. Über die Beratung im Fußball

Warum gibt es Beratung?

Wie kommt ein Beratungsgespräch zustande?

Was ist Beratung genau?

Was soll Beratung bringen?

Das Gespräch als wichtigster Schritt und als Bindeglied

6. Ein Blick über den Fußball hinaus

Interview mit Ulrich Kuehnel

Literaturverzeichnis

Einleitung

Es ist doch alles so einfach und schön! Da stehen zwei Tore, das Spielfeld ist vorgegeben, und wer den Ball öfter zwischen den beiden Pfosten unterbringt, gewinnt. Dann gibt es noch ein paar Regeln zum Drüberstreuen, ein paar farbige Karten zum Herzeigen, die Abseitsregel, und das ist´s auch schon – fertig ist die Sportart Fußball. Hätte eigentlich jeder von uns erfinden können, wenn sie nicht schon erfunden wäre.

In den Gruppen, die auf den Wiesen oder in den Käfigen der Großstädte diesem Sport nachgehen, finden sich zumeist Freunde wieder. Einige von ihnen sind besser, andere schlechter, und die individuellen Leistungsunterschiede führen zu individuellen Karrierewegen. Vereine krallen sich die Talente, bilden sie weiter, bringen sie in Jugend- und Amateurteams zum Einsatz, und die wiederum Besten können eine Karriere als Profisportler ins Auge fassen.

Spätestens dann beginnt Fußball kompliziert zu werden, wie es denn zumeist ist, wenn aus dem Hobby eine Profession wird. Plötzlich klopft einem niemand mehr aufmunternd auf die Schulter, wenn man eine Großchance versiebt hat, sondern man wird vom Vorstand oder Trainer gerügt – unter vier Augen, oder ganz öffentlich. Es ist nicht mehr so, dass sich kaum jemand dafür interessiert, wie das Gekicke mit den Kumpels gelaufen ist („Geh die Hände waschen, wir essen gleich zu Abend!“ – Welches Kind hat diesen Spruch nach einem aufregenden Kick nicht schon einmal gehört?!), sondern plötzlich applaudieren oder verdammen 10.000 oder 30.000 oder noch mehr Zuschauer jeden Pass und jeden Schuss. Von wegen elf Freunde. Fußball ist ein Business, bei dem Millionen von Euro verschoben werden, in dem es auf höchster Ebene um Summen geht, die für „Otto Normalverdiener“ nicht realisierbar, ja nicht einmal mehr vorstellbar sind.

Fußball hat immer schon den höchsten Stellenwert gehabt unter allen Sportarten, doch wahre Stars sind jene geworden, die sich nicht nur auf dem Feld in überragender Weise bewährt haben, sondern sich auch außerhalb sehr gut verkauft und ihr Image gepflegt haben. Und früher oder später erkennen alle, dass es ohne Berater nicht geht.

Der Berater kennt sich aus in der Fußballszene. Er hat ein dichtes Netzwerk an Kontakten. Und er ist bereit, seinen gesamten Tag, alle 24 Stunden, in den Dienst des Spielers zu stellen. Es ist ein Fulltimejob. Anders geht es nicht. Berät er einen jungen Spieler, ringt er zuweilen mit der und gegen die Meinung von dessen Eltern. Bei einem Jungprofi könnte die Partnerin Einfluss nehmen und die Arbeit des Beraters unterminieren. Es sind die Momente der Konfrontation, in denen sich der Berater fragen muss, wie gut er ist. Wenn mein Spieler nicht begreift, dass nicht alle nach seiner Pfeife tanzen – wie vielleicht von Eltern, Freundin, Kollegen suggeriert –, dann ist es vorbei. Der Berater hat den Fußballer schon vorab zu warnen: vor der Macht der klassischen und sozialen Medien, die er nicht unterschätzen darf, denn diese machen das gute und schlechte Wetter und können seine Existenz ruinieren; vor dem Auftreten seiner engsten Familienmitglieder und seiner Entourage, denn wenn die in den VIP-Klubs negativ auffallen, dann fällt dies auch auf den Spieler zurück. Und er muss ihm klarmachen, dass er auf seine Ernährung achten muss. Schließlich ist der Körper sein wichtigstes Gut und muss zehn, zwölf Jahre lang top sein!

Für Spieler aus dem Ausland ist der Berater in der Regel auch der Übersetzer, und in diesem Fall multipliziert sich der Arbeitsaufwand unter dem Stichwort „Integration“. Der Berater hat dem Spieler zu erklären, wie das Leben in einer für ihn neuen Welt funktioniert, was beispielsweise Pünktlichkeit bedeutet oder was er in seiner Freizeit machen soll und nicht machen darf. Zuweilen finden sich afrikanische Fußballer auf deutschen Plätzen, die sich selbst Schiffsüberfahrten organisiert haben und ohne Auftrag und Aufenthaltsgenehmigung im Stadion vorbeischauen – einfach so. Dann sind sie auch noch gut, und der Verein würde sie gern halten, doch ganz allein können die Spieler die neue Situation, in die sie sich gebracht haben, nicht bewältigen.

Der Berater macht nicht das Fußballspiel für den Spieler einfacher, doch er macht es ihm einfacher, sich einzig darauf zu konzentrieren. Alle anderen Aspekte des täglichen Lebens werden ihm abgenommen bzw. von ihm ferngehalten. Interessierte Vereine, Unternehmen, Medien, die allesamt etwas von diesem Spieler wollen, landen bei ihm. Und der Spieler selbst kann in Ruhe trainieren und spielen und regelmäßig mit dem Berater abklären, was so ansteht.

Entsteht zwischen dem Spieler und dem Berater ein Spannungsfeld und ist dieses nicht zu überwinden, werden beide Parteien getrennte Wege gehen. Dann nützen auch Verträge nichts: Fehlt die Vertrauensbasis, dann kann nicht weiter zusammengearbeitet werden. In vielen Fällen geschieht dies, weil sich Spielervermittler einmischen und dem Fußballer andere Wege aufzeigen – Wege, die der Berater zuvor sicher auch schon gesehen, aber wieder verworfen hat.

Gut betreuen kann ein seriöser Berater vier oder fünf Spieler. Zuweilen genießt er die Unterstützung der Vereine, zuweilen nicht. Besonders kleinere Klubs beäugen ihn kritisch, Spielervermittler haben kein allzu gutes Image. Doch ein Berater ist etwas anderes, er geht den Karriereweg eines Spielers im Idealfall von Anfang bis Ende mit, erlebt alle Höhen und Tiefen. Doch je größer der Verein ist, umso akzeptierter ist dieses Berufsbild. Da wissen die Verantwortlichen schon, dass der Spieler mit einem Berater kommt, oder vielleicht gar nur er allein, mit einer Vollmacht des Akteurs.

In der Regel wird der Berater auf Provisionsbasis bezahlt. Und dennoch ist es für ihn nicht vorrangig, den Spieler Jahr für Jahr bei einem anderen Verein unterzubringen. Aber wenn es wirklich zu einem Klubwechsel kommt, dann muss der Spieler in die neue Struktur auch vom Lebensstil und der Lebenseinstellung her hineinpassen – menschlich und charakterlich.

Klaus Kern

ist solch ein Berater. Einer, der das Wohl der Spieler, die er betreut, im Blick hat und erst im zweiten Moment an seine Verdienstmöglichkeiten denkt. Kern wurde 1959 in Kenzingen geboren und begann als Straßenfußballer. „Wir haben uns die Tore in einer Gasse selbst aufgebaut, was anderes hatten wir nicht“, sagt er rückblickend. In seinem Heimatverein Weisweil durchlief er seine Jugendlaufbahn, spielte in der C-, B- und A-Jugend, schaffte dann den Sprung in die erste Mannschaft. Vom Linksaußen wurde er zum Mittelstürmer, doch eine schwere Meniskusverletzung warf ihn mit 19 Jahren aus der Bahn. Es war das 20. und nicht das 21. Jahrhundert, eine schwere Knieverletzung brachte monatelange Rehabilitationszeiten mit sich, mit Gipsverband und dem ganzen Drumherum. Während des Aufbautrainings fasste Kern den Entschluss, sich auf seine Selbstständigkeit im Außendienst zu konzentrieren, und verkaufte erfolgreich Kamine, Schornsteine, Verkleidungen, Dachrenovierungen.

Doch der Fußball ließ ihn nicht los, er begann in Emmendingen erneut zu spielen, arbeitete sich mit seinen Toren von der dritten über die zweite in die erste Mannschaft vor und wurde mit dieser südbadischer Vereinspokalsieger. In weiterer Folge spielte er bei Gutach, Weisweil und Ottoschwanden in der Bezirks- oder Kreisliga, schaffte als Spielertrainer von Norsingen den Aufstieg in die Kreisliga A, coachte ebenfalls als Spielertrainer Hausen und als Co-Trainer Teningen. In all den Jahren der Wanderschaft im Raum Breisgau merkte Kern, wie sehr er von seinen psychologischen Qualitäten und Vorzügen der Teamführung profitierte.

„Als Spielertrainer agierte ich zumeist als Libero, doch ich liebte es, dem Spiel auf dem Platz oder von außerhalb meinen Stempel aufzudrücken“, sagt Kern. „Ordnung und Disziplin, gute Kommunikation, psychologische Menschenführung waren und sind meine wichtigsten Themen. Ich kümmerte mich darum, das Bestmögliche aus jedem Spieler herauszuholen und fair nach Leistung aufzustellen.“ Selbstverständlich hatte Kern in seinen Funktionen auch Krisen zu bewältigen. „Wer den Kriterien des Trainers nicht folgt, gehört auf die Reservebank und nicht auf den Rasen. Bei Norsingen hatte ich zwei Problemfälle – einer davon dachte um und gliederte sich ein, einer blieb ein Störfaktor und wurde aus der Mannschaft entfernt.“ Kern weiß um die Konsequenzen: „Wenn dies nicht gemacht wird, dann wird das Team auch keinen Erfolg haben.“

Doch die Arbeit mit anderen Menschen erfordert großes Fingerspitzengefühl. Pünktlichkeit forderte Kern immer wieder rigide ein, doch als einmal ein Spieler einige Minuten zu spät erschien, ließ er es ihm durchgehen. Und wurde belohnt. Ein paar Spiele später war ebendieser Akteur sein Matchwinner.

2008 war dennoch Schluss mit der Trainertätigkeit, denn die berufliche Belastung als Leiter eines Generalbauunternehmens ließ Zweigleisigkeit nicht mehr zu. Zudem trug sich Kern mit dem Gedanken, sich auf dem Gebiet des Mentaltrainings zu spezialisieren, wofür er seit 1999/2000 verschiedene Ausbildungskurse besucht hatte.

„Wenn man erkennt, dass Dinge unvereinbar sind, muss man die Situation unbedingt verändern“, analysiert B-Lizenz-Trainer Kern und beweist mit seiner Konsequenz der Entscheidungen, auch für sich der richtige Berater zu sein. „Ich wollte einfach im Mentaltraining und in der Beratertätigkeit generell mehr machen und entschied mich für diesen Schritt nach dem Motto, Dinge entweder richtig zu machen oder sein zu lassen.“

Kern schrieb Bücher („Was soll ich tun? Beratung im Fußball“, „Der Weg zum idealen Fußballprofi“, „Mentales Training“) und arbeitete als Mentaltrainer bei diversen Vereinen, nicht nur in der eigenen Region, sondern auch in Ostdeutschland. Immer war ihm Erfolg beschieden, die Spieler sprangen auf seine Methoden an, eine Leistungssteigerung machte sich bemerkbar. „Letztlich geht es doch darum, dass sich jeder Einzelne in der Mannschaft bewusst wird, was man alles durch Willenskraft erreichen kann. Und dass jeder Einzelne erkennt, auch für den Mitspieler auf der Nebenposition mitverantwortlich zu sein.“ Allerdings erkannte Kern auch: „Meistens wird ein Mentaltrainer erst dann kontaktiert, wenn es fast schon zu spät ist, wenn sprichwörtlich die Axt schon am Baum kratzt.“

Nicht nur für Spieler ist er da, auch für Trainer. „Da gibt es den einen oder anderen, auch in der ersten Bundesliga, der durchaus Unterstützung gebrauchen könnte“, analysiert er. „Allein die Hilfestellung, Emotionen besser in den Griff zu bekommen, könnte nützlich sein, um Geldstrafen zu vermeiden und nicht bei jeder Gelegenheit ein ‚Kasperltheater‘ abzuziehen. Doch wie so oft sagen alle in den Zeiten des Erfolgs: ‚Du bist der Größte‘, und sehen galant über Fehler hinweg. Erst nach dem Crash ist man offen für Verbesserungen und Anpassungen. Dabei könnten bereits vorher mühelos Korrekturen angebracht werden.“

Kern weist alle Qualitäten auf, die ein moderner Berater haben muss. Als Spieler und Trainer hat er Erfahrungen gesammelt, die nunmehr in seine Arbeit einfließen. Er weiß, wie man individuell auf einen Spieler eingeht, und erkennt auf psychologischer Ebene, ob dem Akteur beispielsweise wegen seiner schwachen Außendarstellung entweder Selbstvertrauen oder richtige Öffentlichkeitsarbeit fehlt. Kern ist mehr (Lebens-)Berater als Spielervermittler, soviel ist klar. Und als Mentaltrainer ist er fokussiert darauf, Selbstvertrauen aufzubauen und den Spieler für kommende Herausforderungen zu motivieren. Er will dem Spieler zeigen, wie stark er sein kann, wie er seine Vorzüge im Mannschaftsverband einsetzen kann und welchen Mehrwert er für den Verein bringt. Mentale Stärke kann Berge versetzen, und Kern ist einer, der mit anpackt.

Als Unternehmer steht Kern mitten im Leben. In seinem Geschäft, einem Generalbauunternehmen, das er gemeinsam mit seiner Tochter Christiane Seeger leitet, geht es nicht anders zu als in einem Fußballteam. Dort „spielen“ zehn Personen, die gefördert und gefordert werden müssen, und dazu motiviert, Tag für Tag Bestleistungen zu bringen. Lob und Tadel werden verteilt, Störenfriede ausgemustert.

„Als Berater will ich weitergeben, was ich selbst erlebt habe“, sagt Kern. „Ich möchte, dass Spieler nach Karriereende in finanzieller Freiheit leben können, und ich möchte, dass sich jeder bewusst wird, selbst Schlüssel zum eigenen Erfolg zu sein. Dazu müsste man eigentlich nur drei Fragen ehrlich beantworten: Wo stehe ich im Leben? Was will ich erreichen? Wie viel Zeit habe ich noch? Und dann heißt es nicht aufschieben, sondern sofort anpacken! Dabei soll der Tag mit all seinen Aufgaben so gestaltet werden, dass er mir persönlich auch guttut, mit vielen guten Absichten – dann kommt auch was Gutes dabei raus, und der Tag wird erfolgreich.“

Klaus Kern hat wieder ein Buch geschrieben. Sie halten es gerade in Ihren Händen und lesen diese Zeilen. Es geht um den Fußballer in den verschiedenen Stadien seines Lebens, und es geht um die Herausforderungen, die er dabei zu bewältigen hat. Kerns Werk soll helfen, die Komplexität des Fußballs zu erfassen und zu realisieren, warum es gute Experten und Berater braucht. Warum muss der Baum fast gefällt sein, ehe sich der Verein, der Spieler kompetenten Rat holen? Und, noch mehr: Warum glaubt man, auf den Berater wieder verzichten zu können, wenn die Gefahr gebannt ist?

Möge dieses Buch ein unverzichtbarer Leitfaden für Fußballer, Trainer, Vereinsfunktionäre, Eltern werden. Und möge es Zeugnis ablegen für die gute Arbeit, die Berater allerorts im Namen des Fußballs und der von ihnen betreuten Spieler leisten.

Ach, übrigens. Wenn Sie Fußballerin oder Fußballer sind und einen Berater benötigen – lesen Sie nicht nur dieses Buch, sondern wenden Sie sich auch an Klaus Kern persönlich!

Mit der Trainerauswahl im badischen Raum (Klaus Kern in der ersten Reihe, 3. v.l.)

1. Der Fußballer als Mensch

Über die Freude am Spiel

Wenn wir nur ein halbes Jahrhundert zurückblicken, dann werden wir erkennen: Früher war alles anders. Vielleicht nicht besser, aber sicher anders. Sportinteressierte Kinder hatten die Auswahl zwischen Fußball, Handball, Tennis, Turnen und nicht recht viel mehr. Die Zeiten haben sich geändert. Dutzende von Sportverbänden bemühen sich, mal engagierter, mal weniger, um den Nachwuchs. Dieser kann wählen zwischen verschiedenen Kampfsport- und Mannschaftssportarten, Tennis steht ebenfalls immer noch hoch im Kurs, oder darf es vielleicht Golf sein? Der Verdrängungswettbewerb ist jedenfalls groß, Fußball zwar immer noch der Platzhirsch Nummer eins, doch auch die Funktionäre und Trainer der wichtigsten Sportart der Welt wissen, dass sie sich um eine professionelle Jugendarbeit kümmern müssen.

Denn es gibt ja nicht nur den Sport! Kinder sollen sich entfalten, und das ist gut so. Sie lernen ein Instrument oder Gesang oder gehen zum Ballett. Und auch die Playstation oder das Surfen im Internet verlangt einen zeitlichen Tribut.

Wenn Kinder zu viel machen wollen (oder sollen), dann können sie sich rasch überfordert fühlen. Sind Stress und Druck vonseiten der Eltern oder Lehrer zu groß, dann verlieren sie die Lust an den Tätigkeiten und verweigern sich. Und der Welt entgeht ein großes Talent, auf welchem Gebiet auch immer.

So richtig es ist, dass der Nachwuchs vorsichtig an verschiedene Aktivitäten herangeführt wird, so wichtig ist es auch, mögliche Talente möglichst frühzeitig zu erkennen. Werden drei oder vier Hobbys gleichzeitig ausgeübt, dann sollte ab einem gewissen Zeitpunkt der Fokus verstärkt auf jenes gelegt werden, in dem sich Tochter oder Sohn besonders wohlfühlt und auszeichnet. Ein Kind zwischen acht und zwölf Jahren soll bereits unter gleichaltrigen Spielkameraden hervorstechen. Je früher Talente erkannt werden, umso besser! Doch vorrangig ist die Freude an der Bewegung und am Spiel. Der Nachwuchsspieler muss sich wohlfühlen, muss gern gegen den Ball treten und soll es nicht erwarten können, mit seinen Kameraden auf dem Platz oder in einem Käfig zu spielen. Resultate fördern den Ehrgeiz, doch in diesem Anfangsstadium einer möglichen Karriere sind sie nicht relevant. Wichtiger ist die Erkenntnis, dass er einer der Führungsspieler seiner Mannschaft ist, und kein Mitläufer. Ist ein Nachwuchsspieler gut, dann wird er von allen starkgeredet. Bei Sichtungstrainings in der C- oder B-Jugend fällt er auf und wird zu Lehrgängen eingeladen. Dann nimmt der ballesterische Stress auch schon zu. Er muss zur Schule, trainiert zweimal wöchentlich im Verein und ebenso oft mit der Verbandsauswahl, Spiele stehen an: Die Freizeit ist ausgefüllt.

MERKE: Ausnahmen gibt es immer – doch die Führungsspieler in den Topmannschaften heute waren auch schon Führungsspieler in ihren Jugendteams.

Blicken wir nochmals zurück. Gewisse Fragen, die heute thematisiert werden, haben sich vor 20, 30, 40 Jahren nicht gestellt. Wer Talent hatte für eine Fußballerkarriere, hat diesen Weg allemal eingeschlagen. Denn die Alternative wäre gewesen, in einen Betrieb zu gehen, zu malochen, zu arbeiten für „ein Butterbrot und ein Ei.“ Oder eben ein tolles, anderes Leben zu führen. Heute sind Jugendspieler zuweilen verwöhnt, glauben, bereits die großen Macher auf dem grünen Rasen zu sein, und träumen schon vom Leben in Saus und Braus. Gut, dass in den Fußballinternaten auch Lebensbildung gelehrt wird – da müssen die potenziellen Stars ihre Schuhe noch selbst putzen.

Doch Internate hin oder her, in dieser Phase der Entwicklung sind die Eltern ausschlaggebend. Aus Erfahrung weiß ich, dass oftmals der Vater die große Triebfeder ist, da er in seinem Sohn verwirklichen möchte, was ihm selbst vielleicht verwehrt geblieben ist. Vielleicht war er ja tatsächlich ein Talent und hätte es sich verdient, in der ersten Bundesliga zu spielen? Vielleicht wurde er nicht entdeckt, weil die Sichtung und das Scouting dazumal anders waren als heute und keineswegs flächendeckend betrieben wurden. Oder vielleicht überschätzt sich der Vater und macht nun den gleichen Fehler bei seinem Jungen.