Beiträge zur sächsischen Militärgeschichte zwischen 1793 und 1813

Heft 27

Abb. 01 Tschakoblech mit Namenszug und Krone (Rekonstruktion)

Bibliographische Information der Deutschen Biliothek

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Die Deutsche Bibliothek – CIP – Einheitsaufnahme

Jörg Titze

Die königlich sächsische Infanterie (II): Die Linien-Infanterie-Regimenter und die Grenadier-Bataillone 1810–1813

ISBN 978-3-7322-6525-1

© 2013 Jörg Titze

Herstellung und Verlag:

BoD - Books on Demand, Norderstedt, 2013

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

Die Aktenlage für die Linieninfanterie ist erheblich dünner als bei der leichten Infanterie. Auch mangelt es der Linieninfanterie für den Zeitraum von 1810 – 1813 an einem ähnlichen Werk wie dem Holtzendorff'schen für die leichte Infanterie. Die Regimentsgeschichten sind in Detailfragen wenig hilfreich. Für das Verhalten der Linieninfanterie in den Feldzügen von 1812 und 1813 muss der geneigte Leser auf die Werke von Exner und Cerrini verwiesen werden. Zumindest Cerrini ist in der digitalen Sammlung der SLUB1 frei zugänglich und als pdf-Datei herunterladbar2.

Aktenseitig recht gut belegt ist das Jahr 1810 durch das Ordrebuch der Regiments Prinz Clemens, in dem sich auch die Einzelvorschriften zur neuen Uniformierung finden lassen. Leider sind von vielen Umlaufordres nur die Anschreiben ohne den eigentlichen Befehl in der Akte, so dass auch hier zweifelslos Lücken vorhanden sind. Die zu den anderen Regimentern vorhandenen Akten können diese Lücken nicht füllen.

Das Jahr 1811 lässt sich – zumindest was die groben Inhalte der gegebenen Befehle angeht – durch die Ordre-Extrakte der Division Zeschau nachvollziehen.

1812 und 1813 lässt sich aus den gegebenen Tagesbefehlen unter Zuhilfenahme der vorhandenen Memoirenliteratur mit Linieninfanteriehintergrund (Vollborn, Larisch, Aster) abbilden.

Für 1812 wurden noch die Monatslisten der Armee zugezogen. In den hierbei vorliegenden Akten sind allerdings die kompletten Monatslisten nur vor der Mobilmachung und nach der Mobilmachung nur die Depots der ausgerückten Regimenter enthalten, allerdings geben die Listen der kommandierten Regimenter Low und Rechten sowie die zweier Grenadier-Bataillone die entsprechenden Details.

Auch die Akten des Geheimen Kriegs-Rats-Kollegiums konnten durch einen dankeswerten Hinweis von Herrn Rainer Wächtler einbezogen werden. Diese Akten behandeln die verschiedensten Themen, die jedoch aufgrund des Zeitbedarfes nicht vollständig durchgearbeitet werden konnten. Es ist somit nicht auszuschließen, dass sich durch erneute Aktenstudien weitere Details zu Tage fördern lassen.

In Detailfragen aushilfsweise herangezogen wurden die Akten der leichten Infanterie, die für den Zeitraum 1810 – 1813 fast lückenlos zur Verfügung stehen.

Waffentechnisch geben die Werke von Schön, Vollmer3 und Hilbert eine solide Basis zur Musterkarte der verwendeten Waffen. Dankenswerterweise durfte ich von Dr. Gunter Janoschke Unterstützung bei der Frage nach den russischen Pallaschen für die sächsischen Infanterie-Feldwebel erfahren.

Das Thema Fahnen kann in diesem Rahmen nur angerissen werden, da es einer ausführlicheren Behandlung dieses Themas bedarf. Denn gerade was die Themen Fahnenverteilung nach der neuen Organisation von 1810, Fahnenverluste und Fahnenersatz angeht, bleibt Hottenroth (und in seinem Fahrwasser Dr.Kelterborn) vage. Dr.Kelterbom kommt darüber hinaus zu interessanten Schlussfolgerungen, die eine Einheitlichkeit vermissen lassen und den damaligen Gegebenheiten keine logische Rechnung zu tragen scheinen. Deshalb wird in diesem Heft lediglich eine Variante dargelegt, die nach meinem Dafürhalten die logischste ist.

Bildseitig bieten verschiedene zeitgenössische Serien (u.a. Sauerweid und Bärtsch) interessante Einblicke, wenn man diese Serien an den gegebenen Befehlen vorbeiführt. Danken möchte ich Markus Stein für die Bereitstellung seiner Sauerweid-Tafel.

Bedanken möchte ich mich beim Team des Hauptstaatsarchives Dresden für die wiederum problemlose Bereitstellung von Akten und Kopien.

Sprotta-Siedlung im November 2013

Abb. 02 Grenadiersäbel M 1800 (Rekonstruktion)


1Sächsische Landes- und Universitäts-Bibliothek, Dresden

2 In den „Digitalen Sammlungen“ der SLUB

3Ein überaus wichtiges Werk, auch wenn Herr Vollmer stellenweise zu nicht nachvollziehbaren Schlüssen kommt.

2. Organisation

Nach der Neuorganisation der Linien-Infanterie zum 01.05.1810 besteht diese aus 8 Regimenter, die in 2 Divisionen und 4 Brigaden organisiert sind:

Infanterie-Division Generalleutnant v.Zeschau4

BrigadeGeneralmajor v.Dyherrn
Grenadier-Bataillonv.Brause(Grenadiere König/Niesemeuschel)
RegimentKönig
Regimentv.Niesemeuschel
BrigadeGeneralmajor v.Nostitz
Grenadier-BataillonAnger(Grenadiere Anton/Low)
RegimentPrinz Anton
Regimentvac. v.Low
Infanterie-DivisionGeneralleutnant v.Lecoq5
BrigadeGeneralmajor v.Klengel
Grenadier-Bataillonv.Stutterheim (Grenadiere Max/Rechten)
RegimentPrinz Maximilian
Regimentvac. v.Rechten
BrigadeGeneralmajor v.Steindel
Grenadier-Bataillonv.Liebenau (Grenadiere Friedrich/Clemens)
RegimentPrinz Friedrich August
RegimentPrinz Clemens

Zur Erreichung dieser Organisation waren von den vor der Reorganisation vorhandenen 12 Linien-Regimenter (zu je 1754 Mann) die Regimenter Oebschelwitz, Cerrini, Burgsdorff und Dyherrn6 aufgelöst worden. Die Leute wurden verwendet, um die verbleibenden 8 Regimenter sowie die beiden neu errichteten leichten Regimenter auf die neuen Etatstärken von 2073 bzw. 1652 Mann zu bringen7.

Die Gesamtstärke der Infanterie erhöhte mit der Reorganisation von 21.048 (1809) auf 21.678 (1810) Mann nur unwesentlich.

Die Offiziere der aufgelösten Regimenter wurden in die verbleibenden Regimenter gemäß ihrer Anciennität eingeschoben, was Zurücksetzungen nach sich zog8 . Aufgrund der geringeren Anzahl von Kompanien reduzierte sich auch die Anzahl benötigter Kompanie-Offiziere9, was zu einer Vielzahl überkompletter Offiziere führte10.

Die beibehaltenen 8 Linien-Regimenter erhielten bei der Neuformierung der sächsischen Armee zum 01.05.1810 folgenden Etat:

Beim StabBei 10 Kompanien
1 Oberst6 Capitäns 1. Klasse
1 Oberstleutnant4 Capitäns 2. Klasse
2 Majors10 Premierleutnants
2 Adjutanten20 Sousleutnants
1 Regiments-Quartiermeister10 Feldwebel
1 Auditeur20 Sergeanten
1 Regiments-Chirurg10 Fouriers
2 Fahnjunker5 Chirurgen
1 Bataillons-Chirurg100 Korporals
1 Stabs-Fourier6 Grenadier-Tambours
1 Regiments-Tambour24 Musketier-Tambours
1 Bataillons-Tambour4 Grenadier-Zimmerleute
8 Hautboisten 1. Klasse16 Musketier-Zimmerleute
12 Hautboisten 2. Klasse360 Grenadiers
2 Büchsenmacher und -schäfter1440 Musketiers
1 Profoß mit Knecht112035 Mann

38 Mann

Summe: 2073 Mann

Unter der Mannschaft befanden sich pro Kompanie 1 Schützen-Unteroffizier, 10 Schützen und 2 Reserveschützen.

Die Grenadier-Kompanien einer Brigade waren nun beständig12 unter dem Kommando eines Stabsoffiziers in einem Bataillon13 vereinigt.

Die Zahl der präsenten Mannschaften wurde während der Beurlaubungszeit mit 50 Mann je Kompanien festgelegt14. In den Bestand der 50 präsenten Mann je Kompanie waren alle anwesenden Kranken einzurechnen 15

Jedes Infanterieregiment musste Ende 1810 Mannschaften zur Errichtung der Sappeur-Kompanie abgeben16. Darüber hinaus erfolgten Angaben an die Leib-Grenadier-Garde17 und die Artillerie18. Die Abgaben an die Leib-Grenadier-Garde erfolgten jährlich. Das Grenadier-Bataillon ergänzte sich aus den Musketier-Bataillonen der jeweiligen Brigade.

In der Festung Glogau standen bereits seit 1808 sächsische Truppen. Neben dem in Glogau dauerhaft garnisonierenden Regiment v.Low hatte jedes Linien-Regiment dort Kommandierungen in der Stärke einer Kompanie zu stehen. Ende 1810 erfolgte eine Ablösung dieser kommandierten Kontingente19.

Mit Divisions-Ordre vom 06.03.1811 wurde den Regimentern bekannt gemacht, dass der König den Regimentern der Dresdner Garnison20, welche eine höhere Zahl an präsenten Mannschaften vorhalten müssen, eine Kompensation durch andere Regimenter zugesagt hat. Die Zahl der präsenten Mannschaft war daher bei der restlichen Infanterie sofort von 50 auf 45 Mann je Kompanie zu reduzieren.

Den Regimentern wurde am 24.04.1811 mitgeteilt, dass durch die Rückkehr der bisher in Glogau gestandenen Mannschaft mehrere überkomplette21 Militärpersonen vorhanden sind, die zur Deckung von Vakanzen zu nutzen sind.

2.1 Die Infanterie-Regimenter zu 2 Musketier-Bataillonen

Am 30.04.1811 wurden die Etats festgelegt, mit welchen die Einheiten in die Kantonierungen rücken sollten. Für ein Linien-Infanterie-Regiment zu 2 Musketier-Bataillonen wurden bestimmt:

Beim StabBei 8 Kompanien
1 Oberst8 Capitäns (worunter
1 Oberstleutnant1 aggr. dienstleist. Major)
2 Majors7 Premierleutnants
2 Adjutanten15 Sousleutnants
1 Regiments-Quartiermeister8 Feldwebel
1 Auditeur15 Sergeanten
1 Regiments-Chirurg8 Fouriers
2 Fahnjunker4 Chirurgen
1 Bataillons-Chirurg76 Korporals
1 Stabs-Fourier23 Tambours
1 Regiments-Tambour16 Zimmerleute
20 Hautboisten1382 Musketiers
2 Büchsenmacher und -schäfter1563 Mann
1 Profoß
37 Mann

Summe: 1600 Mann

Dazu kamen noch1 Equipage-Sergeant
8 Equipage-Soldaten
1 Reitklepper
30 Zugpferde

Zum Depot wurden bestimmt:

2 Offiziere1 Sergeant
1 Bataillons-Tambour4 Korporals
1 Fourier1 Tambour
48 Gemeine

Ein Dauerthema war die Vollzähligmachung der Regimenter. Durch Invaliden, ausgediente Kapitulanten und sonstige entstehende Vakanzen 22 war eine ständige Zuführung von Ersatz notwendig, da u.a. die Regimenter vollzählig in die Kantonierungen rücken sollten. Neben den bereits den jeweiligen Regimentern zugeschriebenen und auf Urlaub entlassenen überkompletten Rekruten wurde der Hauptbedarf durch große Rekrutenaushebungen in den Jahren 1811 sowie auch 1812 und 1813 gedeckt. Auch die Zuteilung von Mannschaften aus anderen Regimentern23 fand weiterhin statt.

Am 02.10.1811 wurde festgelegt, dass statt eines Fouriers nun zwei im Depot zurückbleiben sollen.

Um im Falle einer Mobilmachung die beim Feld-Kommissariat, bei den Feld-Lazaretten und beim Fuhrwesen nötigen Stellen mit brauchbaren Subjekten besetzen zu können, hatte in Folge eines Divisionsbefehl vom 02.10.1811 jedes Regiment 1 Fourier und 2 Unteroffiziere bzw. 1 Unteroffizier und 1 Gemeinen anzuzeigen, welche: „ durch lange Dienstzeit, Eifer und Rechtschaffenheit Ansprüche auf eine bessere Anstellung erworben haben..“. Die Regimentskommandanten waren verantwortlich, dass nur verdiente und brauchbare Leute ausgewählt wurden und keine, denen sich die Regimenter entledigen wollten. Die Fouriere mussten besonders gut rechnen können, die Unteroffiziere und Gemeinen einige Kenntnisse im Schreiben und rechnen besitzen.

Der Generalmajor v.Gersdorff stellt am 29.11.1811 fest, dass zum DepotKommandanten ein Offizier zu wählen ist, der die zu besorgenden wirtschaftlichen Geschäfte beherrscht.

Faktisch verfügt die sächsische Heeresleitung 1811 nur über 5 Linien-Regimenter, da sich die Regimenter Low (Glogau) und Rechten (Danzig) nicht auf sächsischen Staatsgebiet befanden und vom Regiment Prinz Maximilian24 sämtliche Mannschaften zur Vollzähligmachung der anderen Linien-Regimenter sowie der leichten Infanterie verwendet worden waren.

Am 09.03.1812 erfolgte endlich die Festlegung des Feldetats, mit denen die Regimenter in den Feldzug von 1812 rückten. Er war gegenüber dem Etat vom 30.04.1811 nur unwesentlich verändert. Nach diesem betrug die Stärke des mobilen Teils eines Linien-Regiments 1600 Mann25, die des Depots 7426 Mann27. Die Depots der Linien-Infanterie werden in Dresden vereinigt.

2.2 Die Grenadier-Bataillone

Der Etat vom 30.04.1811 bestimmte für 1 Grenadier-Bataillon:

Schon am 01.02.1811 war bestimmt worden, dass für die Grenadier-Bataillone Büchsenmacher und -schäfter auszuheben und als Grenadiers in den Listen zu führen sind28.

Die Ergänzung der Grenadier-Bataillone erfolgte aus den Regimentern der Brigade, die nicht immer zur Zufriedenheit des Divisionärs ausfiel29.

Der Feldetat vom 09.03.1812 bestimmte gleichfalls eine Ausrückstärke pro Bataillon von 800 Mann.30

2.3 Die Regimentsschützen

Nach den Verfügungen des Exerzierreglements von 180431 und dem Unterricht der Scharfschützen von 180432 stellte jede Kompanie 1 Unteroffizier und 10 Mann als Schützen ab. Da die Bestimmungen des Exerzierreglements für 1810 unverändert übernommen wurden, betrug der Etat der Regimentsschützen je Bataillon:

1 Offizier1 Tambour oder Pfeifer
4 Unteroffiziere40 Gemeine

Bereits für 1808 werden 12 Schützen (wohl 10 Schützen und 2 Reserveschützen) zzgl. des Schützenunteroffiziers beschrieben33.

Noch am 29.04.1810 teilt der Generalmajor v.Steindel seiner Brigade mit: „Ueber die Formirung und Bildung der Schützen bei den Regimentern soll noch eine besondere Ordre erfolgen.".

Die Regimentsschützen wurden aber dann doch 1810 von den Regimentern zu Beginn der Exerzierzeit-wohl nach erhofften Eigenschaften-ausgewählt34.

In den Ordre-Extrakten der leichten Infanterie-Depots wird ein Befehl des Generalmajors v.Dyherrn „Die Aufstellung und Eintheilung der Schützen bei den Linien-Infanterie-Regimentern betreffend" vom 04.03.1812 aufgeführt. F.E. Aster schreibt in seinem Tagebuch zur Revue am 01.06.1812 vor dem König von Westphalen: „Bis auf weiteres werden ein für allemal die Schützen im 3n Gliede auf dem linken Flügel jeder ½ Division gestellt, sie werden ... vom Capitain in Züge eingeteilt... No.1 – 6 stehen im 3n Glied der 1sten ½ Division und No.7 – 12 im 3n Glied der 2n ½ Division ...". Es ist wohl davon auszugehen, dass das Vorziehen der Schützen von der Linie der schließenden Unteroffiziere ins 3. Glied Inhalt der Dyherrn'schen Ordre war.

2.4 Die Organisationen während der Feldzüge von 1812 und 1813

Mit der Heeresreform von 1810 war der Grundsatz aufgestellt worden, dass die Truppen bereits in Friedenszeiten unter dem Kommando stehen, unter welchem sie auch in einen Feldzug rücken.

Dieser Grundsatz konnte bereits für den ersten Feldzug nach der Reform, den von 1812, nicht aufrecht erhalten werden. Einerseits waren nur 5 Linien-Regimenter verfügbar und andererseits musste die leichte Brigade aufgrund der

Zuordnung von je einem leichten Regiment zu den beiden Feld-Division aufgelöst werden35.