Herstellung und Verlag:
BoD - Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN 978-3-7357-3538-6
Der Mathematiker Leonardo von Pisa (1170-1240), genannt Fibonacci, "Sohn des Bonaccio" führte in Europa das indischarabische Ziffernsystem und die Algebra ein. Er befasste sich insbesondere mit den Gesetzen der Zahlen und bearbeitete eine Reihe von zahlentheoretischen Problemen.
Erst im 19. Jahrhundert griff der französische Zahlentheoretiker Edouard Lucas ein spezielles Problem des Fibonacci auf, in dem eine erstaunliche Zahlenfolge beschrieben war: Eine unendliche Zahlenfolge, deren erste sechs Glieder die Zahlen 1, 2, 3, 5, 8 und 13 sind. Lucas nannte diese Folge Fibonacci-Folge, verallgemeinerte das Problem und untersuchte ähnlich aufgebaute Folgen.
Die nächst einfache Folge heißt heute Lucas-Folge.
Die Fibonacci-Folge und die Lucas-Folge sind einfache Zahlenfolgen, deren Terme, die Fibonacci- bzw. Lucas-Zahlen, viele interessante Zusammenhänge und Eigenschaften aufweisen.
Die folgenden Ausführungen befassen sich mit der elementaren Theorie der Fibonacci- und Lucas-Zahlen. Es werden, ausgehend von der Zahl Φ des Goldenen Schnitts, Eigenschaften, sowohl der Fibonacci-, als auch der Lucas-Zahlen untersucht und hergeleitet, beziehungsweise bewiesen. Unter anderem wird gezeigt:
- Der Quotient zweier aufeinanderfolgender Fibonacci-Zahlen, wie auch der Quotient aufeinanderfolgender Lucas-Zahlen, konvergiert gegen die Zahl Φ des Goldenen Schnitts.
- Der allgemeine Folgenterm beider Folgen lässt sich durch die Lösungen der quadratischen Gleichung des Goldenen Schnitts darstellen.
- Alle Fibonacci-Zahlen lassen sich durch eine Summe von Lucas-Zahlen darstellen.
- Jede prime Fibonacci-Zahl führt zu einem pythagoreischen Zahlentripel.
Weiter werden Teilbarkeitseigenschaften, sowohl der Fibonacci-, als auch der Lucas-Zahlen untersucht, wobei sich folgendes zeigt:
- Alle Fibonacci- und Lucas-Zahlen mit einem durch 3 teilbaren Index i = 3·n sind gerade.
- Alle Fibonacci-Zahlen mit einem durch p teilbaren Index i = p·n sind durch die p-te Fibonacci-Zahl teilbar.
- Alle primen Fibonacci-Zahlen mit i > 4, i N , haben auch einen primen Index.
- Alle Lucas-Zahlen mit Index i = 4n + 2, n N , sind durch 3 teilbar.
- Keine Lucas-Zahl ist durch 5 teilbar.
Diese und viele weitere Eigenschaften der Fibonacci- und Lucas-Zahlen sind Gegenstand der nachfolgenden Ausführungen.
An jedes der vier Kapitel ist dabei eine Zusammenfassung angeschlossen, in der die wichtigsten Beziehungen wie in einer Formelsammlung zu finden sind.
Entsprechend der Idee, sich auf die Theorie der Fibonacci-Zahlen zu konzentrieren, sind die durchaus spannenden und interessanten Anwendungen des Goldenen Schnitts, beziehungsweise der Fibonacci-Zahlen in diesem Buch nicht berücksichtigt.
Hierfür sei auf die umfangreiche Literatur verwiesen, wie zum Beispiel auf das Buch von A.Beutelspacher, B.Petri: Der Goldene Schnitt, 1996, Heidelberg, Berlin, Oxford, Spektrum, Akad. Verlag.
Die vorliegenden Betrachtungen sind entstanden aus den Unterrichtsmaterialien für einen ehemaligen Pluskurs Mathematik am Gymnasium Pullach, den ich für mathematisch besonders interessierte Schüler geleitet habe.
Im Rahmen der neugestalteten Oberstufe bietet sich die Thematik an für ein W-Seminar Mathematik in der Oberstufe des Gymnasiums.
Gedacht ist aber das Büchlein aber generell für alle, die sich für reine Mathematik, insbesondere Zahlentheorie interessieren – ob Schüler, Studenten oder Lehrer.
Dementsprechend beschränken sich die Anforderungen an den Leser dieses Werkes im Allgemeinen auf die Schulmathematik, wie sie in der gymnasialen Oberstufe vorausgesetzt wird, insbesondere auf die Kenntnis von Zahlenfolgen und Reihen und die Vertrautheit mit den elementaren algebraischen Grundbegriffen.
G.Lotz-Grütz, im April 2012
Die zweite Auflage wurde notwendig, da seit dem Erscheinen des Buches ein weiteres Kapitel (V.) zu den bisherigen Ausführungen dazugekommen ist, in dem der Zusammenhang der Fibonacci-Zahlen mit der abc-Vermutung untersucht wird.
Die abc-Vermutung bezieht sich auf teilerfremde, natürliche Zahlentripel (a,b,c), die der Bedingung a + b = c genügen. Die abc-Vermutung untersucht die Frage, welche Zahlentripel die weitere Bedingung, dass ihr Radikal kleiner als die dritte Zahl c ist, erfüllen.
Es zeigt sich, dass je drei aufeinanderfolgende Fibonacci-Zahlen ein abc-Tripel bilden. In dem hinzugekommenen Kapitel wird daher untersucht, welche Aussagen für derartige Fibonacci-abc-Tripel beweisbar sind.
Die Fibonacci-abc-Vermutung besagt, dass es kein Fibonacci-abc-Tripel gibt, dessen Radikal kleiner als die dritte Zahl c ist.
Selbstverständlich ist gleichzeitig mit der Erweiterung dieses Buches versucht worden, Druckfehler und einzelne Ausführungen der ersten Auflage zu verbessern. Insbesondere ist das Kapitel III wesentlich erweitert und neu strukturiert.
Auch wurde die Tabelle der Fibonacci- und Lucas-Zahlen um zwei weitere Tabellen ergänzt, in denen die Primfaktorzerlegungen dieser Zahlen bis zum Index i = 60 aufgelistet sind.
Grundsätzlich ist der Anspruch, mit den Mitteln der Schulmathematik auszukommen, auch in der erweiterten Fassung berücksichtigt worden.
G.Lotz-Grütz, im Feb. 2014
Die Teilung einer Strecke nach dem "Goldenen Schnitt" (sectio aurea) ist dadurch gekennzeichnet, dass die kleinere Teilstrecke die größere wieder im Goldenen Schnitt teilt. Daher lässt sich der Vorgang beliebig fortsetzen und man spricht also von stetiger Teilung.
Also: Eine Strecke a wird stetig geteilt im Verhältnis a : t , wenn der größeren Abschnitt t durch den kleineren (a - t) im selben Verhältnis wieder geteilt wird, das heißt, wenn:
ist.
Das Verhältnis a : t des Goldenen Schnitts wird mit Φ bezeichnet. Da die Strecke a größer als die Teilstrecke t ist, gilt Φ > 1.
Gleichung (1) lässt sich als quadratische Gleichung für t schreiben,
deren Lösungen
sind.
Dabei ist wegen a > 0 nur eine Lösung positiv. Für die positive Strecke t ergibt sich damit die gültige Lösung t = t1:
Bildet man nun mit (2) den Quotienten a : t, für den definitionsgemäß a : t = Φ gilt, so erhält man eine erste Darstellung für die Zahl Φ:
Subtrahiert man von dem so bestimmten Φ seinen Kehrwert:
so ergibt sich:
also für Φ die rekursive Beziehung:
Diese Beziehung führt zu der Darstellung von Φ in der Form eines unendlichen Kettenbruchs:
Die Rekursionsformel (4) gestattet eine beliebig genaue Berechnung der Zahl Φ, indem man mit einem beliebigen Anfangswert A > 0 beginnt, mit 1 + 1/A = B den ersten Wert berechnet, mit 1 + 1/B = C den nächsten, usf.
Unabhängig vom positiven Anfangswert erhält man nach 24 Schritten den Näherungswert 1,618033988 für Φ, der bis zur 9.Stelle richtig ist, und nach 33 Schritten den Wert:
Aus (3) lässt sich durch die Zahl Φ darstellen. So erhält man:
beziehungsweise, wenn mit (4) die rechte Seite umgeschrieben wird:
auch:
Die Gleichheit der rechten Seiten von (5') und (5"):
(2 ϕ − 1) ϕ = ϕ2 + 1
führt schließlich zur quadratischen Gleichung für Φ:
Die quadratische Gleichung für Φ erhält man also aus (5') und (5") oder auch direkt aus (4) durch beidseitige Multiplikation mit Φ.
Die positive Lösung Φ von (6) ist demnach das Verhältnis a : t des Goldenen Schnitts.
Die Gleichung (6)
Φ ² - Φ - 1 = 0
ist eine spezielle Form der allgemeinen quadratischen Gleichung:
x² + p x + q = 0,
mit p = q = -1:
für deren reelle Lösungen x1 und x2 mit
p = - (x1 + x2),q = x1x2(Satz von Vieta)
gilt:
Die beiden Lösungen x1,2 seien im folgenden α und β genannt, wobei α die positive und β die negative Lösung sein soll.
Damit ergibt sich für α beziehungsweise β:
mit wird:
und mit (4):
mit (5'):
Für jede Lösung x von (6') gilt damit die Beziehung (4), das heißt:
Wegen (9) gelten die Beziehungen (8) auch für 1 + 1/ α und 1 + 1/ β. Denn es ist:
α β = (1 + 1/ α)·(1 + 1/ β) = 1 + 1/ β + 1/ α + 1/(α β) = - 1,
α + β = 1 + 1/ α + 1 + 1/ β = 2 + (β + α)/(α β) = 2 + 1/(-1) = 1,
wie (8') und
wie (8").
Anmerkung:
Die geometrische Konstruktion des Goldenen Schnitts:
Eine einfache Konstruktion der Teilung einer Strecke a nach dem Goldenen Schnitt lässt sich folgendermaßen durchführen:
Den so erhaltenen Endpunkt E auf dem Lot verbindet man mit dem Mittelpunkt C von .
Um C wird ein Kreis mit Radius gezogen.
Die Kreislinie K(C; r = ) schneidet im Schnittpunkt S.
S teilt dann = a im Verhältnis des Goldenen Schnitts.
Denn es ist (Pythagoras im Dreieck ECM):
Also teilt S die Strecke = a im Verhältnis
Die Konstruktion des Goldenen Schnitts gestattet weiter die Konstruktion des regelmäßigen Zehnecks, sowie daraus die des regelmäßigen Fünfecks.
Denn es gilt: Die Zehnecksseite t teilt den Umkreisradius a des Zehnecks im Verhältnis des Goldenen Schnitts.
Beweis: Verbindet man die zehn Eckpunkte jeweils mit dem Umkreismittelpunkt, so erhält man zehn kongruente gleichschenklige Dreiecke.
Jedes solche Dreieck hat als Basis die Zehnecksseite t, als Schenkellänge den Umkreisradius a.
Der Winkel an der Spitze, also am Umkreismittelpunkt, beträgt jeweils 360°/10 = 36°, die Basiswinkel demnach je 72°.
Konstruiert man in einem solchen Dreieck die Winkelhalbierende eines Basiswinkels, so entstehen zwei Teildreiecke, die ihrerseits wieder gleichschenklig sind.
Denn beide Teildreiecke haben dann zwei gleiche Winkel, die als Basiswinkel fungieren, das kleinere Teildreieck hat die Basiswinkel 72°, das größere Teildreieck die Basiswinkel 36°.
Die Schenkellänge ist demnach bei beiden Teildreiecken genau die Zehnecksseite t.
Das kleinere Teildreieck mit den Basiswinkeln 72° ist wegen der Gleichheit der Winkel zum ursprünglichen Dreieck ähnlich.
Daher gilt die Verhältnisgleichung (1) a : t = t : (a-t) für den Umkreisradius a und die Zehnecksseite t, wzbw.
Somit lässt sich über dem Durchmesser 2a des Umkreises mit oben beschriebener Konstruktion die Zehnecksseite bestimmen und das Zehneck konstruieren.
Darüber hinaus lässt sich zeigen: die Diagonalen eines Fünfecks teilen sich im Goldenen Schnitt.
Genauere Ausführungen hierzu siehe: Beutelspacher, Petri: Der Goldene Schnitt, 1996, Heidelberg, Berlin, Oxford; Spektrum Akad.Verlag.
Untersucht wird nun für n N. die Folge mit den Termen
Mit (8") α - β = lässt sich (10) auch
schreiben.
Ersetzt man im allgemeinen Folgenterm (10) die Größen α und β durch Φ gemäß (7), so erhält man den folgenden Ausdruck:
Ersetzt man andrerseits in (10) die Größen α und β durch ihre Zahlenwerte gemäß (7), so lässt sich Fn ausdrücken durch:
An den bisherigen Darstellungen ist nicht ohne Weiteres ersichtlich, dass alle Terme Fn natürliche Zahlen sind.
Die Tatsache, dass die ersten vier Folgenterme F1 bis F4 natürliche Zahlen sind, lässt sich leicht nachrechnen:
Man dividiert in (10) nach den Regeln der Polynomdivision den Zähler durch den Nenner und ersetzt α + β gemäß (8') durch α + β = 1.
Damit wird:
Allgemein erhält man aus (10) durch Polynomdivision für Fn+1 mit n N , also ab F2:
wobei natürlich alle vorkommenden Exponenten größer, höchstens gleich Null sind.
In Summenschreibweise lässt sich die Beziehung (13) vereinfacht folgendermaßen schreiben:
Anmerkung:
Die Summenschreibweise ist eine Abkürzung für eine Summe, deren Terme sich mit einer natürlichen Zahl i zählen lassen.
Somit bedeutet die Schreibweise in (13'): Der Ausdruck αn−i βi wird summiert von i = 0 bis i = n.
Damit wird der erste Term (für i = 0) zu αn−0 β0 = αn , der zweite zu αn−1 β1, bis für i = n der letzte Term βn wird. Damit ist (13) durch (13') beschrieben.
Mit (13), bzw. (13') lassen sich im Prinzip sämtliche Folgenterme Fn berechnen:
So erhält man für n = 4:
F5 = α4 + α3β + α2 β2 + αβ3 + β4 = 5.
Dies lässt sich durch geeignetes Zusammenfassen nachrechnen, zum Beispiel folgendermaßen:
Durch analoge Rechnung erhält man F6 = 8.
Aus den Ergebnissen für die ersten Folgenterme lässt sich ein allgemeines Bildungsgesetz finden, das die Berechnung erheblich vereinfacht:
Betrachtet man nämlich die ersten 6 wie oben berechneten Terme:
1; 1; 2; 3; 5; 8,
so erkennt man:
F3 = F2 + F1 ,
F4 = F3 + F2 ,
F5 = F4 + F3 ,
F6 = F5 + F4 .
Als allgemeine Gesetzmäßigkeit lässt sich vermuten, dass die Summe zweier aufeinanderfolgender Terme den jeweils nächsten Folgenterm ergibt.
Satz: Die Folge genügt für n > 1 der rekursiven Beziehung
wobei F1 = F2 = 1 gilt.
Dies lässt sich allgemein beweisen, indem man den Folgenterm (10) benutzt und die Summe für n und n -1 (n > 1) ausrechnet:
Dabei sind gemäß (7) die Zahlen α = Φ, irrationale Zahlen.
Da die Summe natürlicher Zahlen stets wieder eine natürliche Zahl ergibt, gilt mit der rekursiven Beziehung (14) für die Fibonacci-Zahlen und der berechneten Werte für die Terme Fn gemäß (11):
Alle Terme der Folge sind natürliche Zahlen und identisch mit den durch (14) definierten Fibonacci-Zahlen.
Die Fibonacci-Zahlenfolge ist also eine Folge natürlicher Zahlen und es sind alle Darstellungen von Fn, also auch (11) und (12)