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© 2013 Dr. Hans-Dieter Langer
Illustration: Dr. Hans-Dieter Langer
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 978-37357-2651-3
Das vorliegende Manuskript versucht, den Bestand eines Kulturdenkmals im ländlichen Raum in seinen historischen Zusammenhängen zu beschreiben. Die 1899 erbaute Landvilla Haus Ellen hat ihren Namen zwar nicht von Anfang an erhalten, doch ist die Widmung im Jahr 1999 gerade eine Hommage an ihre denkwürdige Rolle im Leben von Menschen, die ebenfalls in ihre geschichtlichen Abläufe mit verwickelt worden sind. Dabei ging es nicht immer nur aktenformal zu. Es schien daher dem Autor ratsam, die Ereignisse nicht rein dokumentarisch, sondern auch unterhaltsam und - wo vorhanden - anekdotisch zu fassen. So formten sich Bögen vom Erdaltertum bis zur Weltgeschichte, vom Baugrund bis in die Wohnzimmer und vom Anfang bis zum Ende von menschlichen Schicksalen.
Im historischen Brandkataster von Niederwiesa steht geschrieben, dass die Flurstücke 27 bis 31 vor 1848 einst zusammengehörten. In der überschaubaren Zeit seit der schriftlichen Ersterwähnung zu 1799, gehörten die Teil-Flurstücke, aus denen das heute zu Haus Ellen gehörige Grundstück ab 1899 hervor ging, bisher 21 Eigentümer- bzw. Verwalter-Generationen1), zu denen zeit- und teilweise sogar ein ganzes Volk gehörte. Die Nähe zu Chemnitz brachte es zudem mit sich, dass sich darunter auch mehrere Stadtbürger befanden, die ihrerseits mit dazu beitrugen, dass dem „Sächsischen Manchester“ einst ein wirtschaftlicher Durchbruch auf internationalem Parkett gelang.
Es listen die Tabelle 1 die Flurstücks-Eigentümer der ursprünglich relevanten Fl.-Nummern 28 bis 31vor Abtrennung der Flurstücke zu Haus Ellen - also vor dem Jahr 1899 - und die Tabelle 2 die Eigentumsverhältnisse vom Grundstück mit Haus Ellen seit 1899 auf.
Dieser Abschnitt der Erdoberfläche wird natürlich ungeachtet aller künftiger Teilungen und Besitzverhältnisse trotzdem fortbestehen, wenn, ja wenn die Vulkane nicht wieder ausbrechen. Hat aber das Bauwerk Haus Ellen auch eine Chance? Nun, im Handlungsreigen der Eigentümer, Nutzer bzw. Verwalter in den 115 Jahren seines Bestands ragen hoffnungsvolle Fakten heraus: Reizvoller Baustil, immer bewohnt, aller ca. 30 Jahre saniert, Nähe zur Großstadt Chemnitz, romantische Lage. Es könnte also sein …
Gemäß Tabelle 3 (nebst Graphiken) entwickelte sich die Bevölkerung in Niederwiesa zu Beginn des 20. Jahrhunderts im rasanten Takt der benachbarten Großstadt Chemnitz. Damit einher ging natürlich die zunehmende Anzahl der bebauten Grundstücke (grün bzw. hellgrau in der Balkendarstellung).
Nur der Viadukt (siehe Bilder 2, 80 und 81) spannte bereits seit dem Jahr 1869 seine mächtigen Bögen über das anmutige Tal.
Haus Ellen stand (und steht auch heute noch) somit in einem romantischen Außenbereich von Niederwiesa, und zwar zudem neuerdings am Niederwiesaer Wander- und Zunftliederweg2).
Noch ein Hinweis: Der Name „Haus Ellen“ (Bild 3) bestand, wie gesagt, nicht von Anfang an. Vielmehr wurde er in Ehrung der neuen Miteigentümerin (Ellentraud Langer, geb. Hentschel) nach einem ersten Abschluss der aufwendigen Sanierungsarbeiten, die zur denkmalgerechten Rettung der Bausubstanz führten, und angesichts des 100jährigen Jubiläums im Jahr 1999 vergeben. Die Putz- und Malerarbeiten der Widmung an der Fassade führte die Firma Schild, Niederwiesa, aus.
Bild 1
Bild 2
Bild 3
1) Auf die Zahl 21 kommt man anhand der Tabellen 1 und 2, in denen zudem die Erbengemeinschaft Uhlig und die Tatsache nicht berücksichtigt wurden, dass zeitweise Ehefrauen Verstorbener als Eigentümer geführt wurden.
2) www.liederwege-in-niederwiesa.de
Die nachvollziehbare Geschichte der Örtlichkeit beginnt natürlich bereits in frühesten Erdzeitaltern. Da sie geologisch jedoch besonders interessant ist, wollen wir ihr nachfolgend ein wenig nachgehen: Es handelt sich um den Vulkanismus der „Niederwiesaer Serie“ bzw. der „Hausdorf-Formation“, der mit einem markanten, einst sehr „aktiven Kluftsystem der Erdkruste“ in Zusammenhang steht. Berühmt ist der Beutenberg-Vulkan („Caldera-Ereignis“ vor 291 Mio. Jahren), der mit seinen versteinerten Fossilien schon jetzt weltbekannt und zudem Teil des aktuellen Chemnitzer Weltkulturerbe-Projektes ist. Der unscheinbare Niederwiesaer Schulberg ist allerdings Zeuge eines noch viel früheren Vulkanismus, der sich hier ereignet hat und nicht minder die örtliche Landschaft prägte, siehe die Bilder 4 und 5.2. Seien wir freilich einmal ehrlich. Die Geologen haben große Probleme der Zeitbestimmung, wenn es um besondere Gesteine geht, die nun einmal ebenfalls unsere Baugründe bestimmen.
Da möchten wir uns zwar nicht einmischen, doch interessiert uns schon der sogenannte „Glimmerdiabas“ aus „seltenen eruptiven Stöcken“, der am heutigen Schulberg, Bild 5, im Diabas-Steinbruch zu Frankenberg/OT Mühlbach und an einigen wenigen anderen Stellen vorkommt, die in nordöstlicher Richtung weit nach Sachsen hinein streichen. Nach dem Internet-Lexikon Wikipedia brilliert Glimmerdiabas bei Feuchte grünlich, das stimmt. Im trockenen Zustand kann er im Grundstück von Haus Ellen allerdings auch mit bläulicher Farbe beeindrucken (Bild 5). Es sei ein durch „metamorphe Umwandlungsvorgänge“ geprägtes „Erdmantel-Ergussgestein variszischen Ursprungs“, heißt es ferner im Fachjargon.
Bild 4
Bild 5.1
Bild 5.2
Im gegebenen Zusammenhang lohnt sich selbstverständlich nur eine populäre Erläuterung der Begriffe und Zeiträume, aber wir wollen dies jetzt einmal so tun als wären wir jeweils dabei gewesen:
Vor 1.000 Millionen Jahren
Ein „metamorphes“ Gestein entsteht infolge hoher Umgebungsdrucke und -temperaturen im Inneren des Erdmantels.
Vor 420 Millionen Jahren
An einigen Stellen der festen Erdkruste, so im Bereich der „Niederwiesaer Serie“ finden sich durchgängige klüftige Risse, wo das Material über diese als Magma an die Erdoberfläche gedrückt wird. Der zähflüssig-breiige „Mikrospaltenerguss“ breitet sich in der Ebene allseitig aus. Ein Quastenflosser im nahen Tümpel, will gerade das überheiße Gewässer verlassen, um nicht gekocht zu werden, doch er wird sogleich gebraten, weil die Erde ringsum zu glühen beginnt. Indem jedoch die kolossale Glutwalze vom Rand her allmählich erkaltet, verschließt sie den aktiven Magmenstock wie ein Pfropfen, und der Prozess kommt zum Stillstand. Zurück bleibt ein flacher, allseits weitgehend abgerundeter Hügel, unser heutiger Schulberg.
Vor 360 Millionen Jahren
Von Stille kann aber keine Rede sein. Während sich die Örtlichkeit soeben am Äquator befindet - wir haben keine Ahnung, ob auf „Gondwana“ oder „Laurussia“ - krachen die beiden Superkontinente aufeinander. Doch nicht die gigantische, über viele Millionen Jahre ausgedehnte Stoßwelle und das Auftürmen eines mächtigen „Variszischen Gebirges“ beunruhigt ein „plumpes Krokodil“, das da als erstes Landtier unter Schachtelhalmen durch „karbonische“ Gebüsche kriecht, sondern dieses anhaltende Rumoren im Untergrund mit gelegentlichem Eruptivbeschuss aus südwestlicher Richtung, wo sich allmählich ein Vulkan (der heutige Beutenberg) erhebt.
Vor 290 Millionen Jahren
Da, sein ganzer Gipfel fliegt plötzlich mit einer ohrenbetäubenden Explosion in die Luft. Zum Glück weht gerade ein schwerer Sturm aus östlicher Richtung. Man ist am Schulberg weitgehend vom Ascheregen verschont und wird deshalb auch nicht versteinert. Allerdings bleibt das schreckliche Erdbeben der „explosiven Eruption“ und des nachfolgenden „Einsturzes der Magmenkammer“ noch so lange in Erinnerung, bis die Chemnitzer Bürger das „Caldera“-Naturwunder einst mit ihrem stinkenden Müll verfüllen werden.
Vor 40 Millionen Jahren
Wie das Ereignis des Beutenberg-Vulkans beweist, kommt der Boden hier ewig lange Zeit nicht zur Ruhe, denn wenn einmal mächtige Risse quer durch die Erdkruste gehen, heilen sie niemals wirklich aus, sondern bieten tektonischen Kräften immer wieder Angriffsflächen. Daher wird es sehr viel später wieder höchst unruhig in der Region. Es erhebt sich nämlich gewissermaßen „vor der Haustür“ die Erzgebirgsscholle. Man blickt seither vom eher flachen Schulberg auf hohe Berge mit dem ausgedehnten Struth-Wald, siehe im Hintergrund der Fotos in den Bildern 80 und 81, die in ihrer südwertigen Staffelung in Sichtweite Höhen von über 500 m erreichen. Das Oberflächenwasser sucht sich derweilen dazwischen einen Weg. Tja, formal ist nun das südliche Ufer des Dorfbaches vor Haus Ellen der örtlich-nördliche Rand des Erzgebirges, und erfolgreiche Goldsucher werden ihn einst als „Eybenbach“ - von daher kommt vielleicht der Begriff „eBay“ - bezeichnen.
Vor 2,7 Millionen Jahren
Wir driften inzwischen längst in nördlichen Breiten, und das gerade mal rechtzeitig - möchte man meinen - um in den Genuss einer echten Eiszeit zu gelangen. Vom Nordpol breitet sich eine mächtige Eiskappe nach Süden aus und schiebt Steine und Geröll vor sich her. Stürme und Fallwinde verteilen zudem feinste Stäube, woraus die Natur im Laufe der nachfolgenden Jahrtausende jene lockeren und nährstoffreichen Lößlehm-Böden produziert, die auch auf dem Schulberg zu finden sind.
Vor 800 Jahren
Das ist auch einer der Gründe, weshalb sich bei der Besiedlung Sachsens hier Bauern niederlassen und das Dorf „Undern Wese“ gründen, woraus sich der Name Niederwiesa ableitet. Bei der Bodenaufteilung bevorzugen einige Landwirte den erwiesenermaßen hervorragenden Ackerboden nicht nur „undern“, sondern auch „uff´m“ Schulberg. Dabei nehmen sie sogar das jährliche Steinesammeln in Kauf, und wir wissen, dass die zahlreichen Quarzbrocken nicht etwa vom Schotter der jenseitig fließenden Zschopau, sondernvon der glazialen Grundmoräne stammen.
Vor 114 Jahren
Eingerahmt von den Bauerngütern am Südhang des Schulberges und kleinen Fachwerkhäuschen am Bachlauf zeigt sich jetzt eine besonders romantische Natur. Wiesen wechseln mit dichtem Buschwerk und offenen Wäldchen. Am auffälligsten präsentieren sich an einem zungenförmigen Vorsprung des Berges schroffe Felsformationen. „Das ist es!“, denkt sich ein vornehmer Herr aus Oederan, der einen geeigneten Bauplatz für seinen Alterssitz sucht. Haus Ellen liegt somit seither mitten in jener geheimnisvollen Vulkan- und wechselvollen Kulturlandschaft und überdauert nun schon zahlreiche Generationen von Menschen, die unter seinem Dach Schutz gefunden haben.
Mit den geschilderten dramatischen Ereignissen war zumindest damals die lokale Landschaftsbildung in dieser Richtung weitgehend abgeschlossen. Doch wenn man schon einmal die Natur bemüht, so mögen auch noch die Himmelsrichtungen abgearbeitet werden. Die West-Ost-Ausrichtung des Tales hat zur Folge, dass der Wind - wenn er denn ansteht - stets relativ heftig weht. Die für unsere Breiten typische westliche Luftströmung enthält eher üble Botschaften der Großstadt Chemnitz, resultierend aus Deponie, Müllaufbereitungsanlage, Heizkraftwerk Nord sowie einer allgemeinen Luftverschmutzung durch eine benachbarte Metropole, während die von Osten nach Durchstreifen der tiefen, malerischen Täler der Flöha und der Zschopau vor allem im Herbst ziemlich kühl sein kann. Mächtige Bäume füllen und säumen das gesamte Grundstück (insbesondere Bilder 6 bis 8 sowie 81 und 88) und bestimmen trotz der äußeren Einflüsse zu allen Jahreszeiten ein eigenes inneres Wald-Klima. Es ist klar, dass sich dadurch ein spezielles Ökosystem entwickelt hat, welches natürlich nicht nur die Pflanzen-, sondern auch die Tierwelt betrifft. Allein die verwitterte Felslandschaft mit ihren zahlreichen Nischen und Höhlen in Verbindung mit der angenehmen Verschattung des Südhanges im Sommer hat z.B. den Feuersalamander angelockt. Dieses prächtige Tier muss jetzt nicht einmal mehr zum Bach hinabsteigen, um zu laichen, sondern erhielt im dunklen Hangwald seinen eigenen Tümpel als Kinderstube. Weitere künstliche Teiche sowie diverse Brut- und Überwinterungsstätten wurden anderen Tieren gewidmet, siehe unten.
In jedem Herbst beginnt wegen der vielen bis über 100jährigen Bäume rund um das Haus Ellen auch der Kampf gegen vier Millionen Blätter (Bild 9), denn ihre O-W-bzw. W-O-Bewegungen werden überlagert durch die unweigerliche Hangabwärtsdrift. Um nicht unten darin zu „ersticken“ müssen sie alle eingefangen, auf den Berg geschafft und kompostiert bzw. als Rückzugszone für Tiere aufgestapelt werden.
Bild 6
Bild 7
Bild 8
Die sonderliche Tallage beschert jedoch auch herrliche Auf- und Untergänge der Sonne. Zudem kann man öfters den Regenbogen bewundern (Bilder 10 und 11). Sonne und Mond sind hier ohnehin lange unterwegs. Eine Besonderheit ist auch die