Kaya muss für ihren Reiterring das monatliche Rundschreiben verfassen. Da ihr nichts einfällt, will Chris ihr helfen – aber Reitlehrerin Claudia ist schneller. Und deren Bericht über Fohlenauktionen schlägt bei den Jugendlichen ein wie eine Bombe: Viele Fohlen wandern im Herbst von den Almen direkt in die Schlachttransporter. Sofort beschließen die Jugendlichen, etwas dagegen zu unternehmen – aber das ist nicht ganz ungefährlich ...
»Behandele einen Stein wie eine Pflanze,
eine Pflanze wie ein Tier
und ein Tier wie einen Menschen.«
Weisheit der Indianer
Für alle Kaya-Amazonen, die sich
untereinander austauschen wollen:
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Kaya lachte lauthals los. Der rosafarbene BH mit seinen weißen Rüschen sah an Sina so schräg aus, dass es einfach nur komisch war. Außerdem war er zu groß und stand über der Brust zentimeterweit ab. Sina nahm die Arme hoch und drehte sich wie eine Ballerina vor dem Spiegel, was Kaya nur noch mehr zum Lachen brachte. Sie zückte ihr Handy und drängte sich ganz an den Rand der Umkleidekabine, um ihre Freundin filmen zu können, die jetzt vor dem Spiegel wilde Grimassen schnitt.
»Lady Gaga!«, kreischte Sina schrill, presste beide Hände unter den zu großen BH und schob ihren kleinen Busen nach oben. Kaya prustete und griff nach einem der anderen BHs, die sich auf der schmalen Bank angehäuft hatten. »Nimm den!«
Das Teil war rot und optisch auch nicht besser, und bis Sina hineingeschlüpft war, bogen sie sich schon wieder vor Lachen.
»Jetzt bist du aber mal dran«, monierte sie, nachdem Kaya schon wieder die Handykamera auf sie richtete.
»Ich soll mir aber doch einen Sport-BH kaufen«, brachte Kaya vom Lachen fast erstickt heraus, und Sina hielt mit spitzen Fingern ein mausgraues Modell hoch: »Dann nimm den ...«, und wieder lachten sie lauthals los, bis sie von außen ein dunkles Räuspern hörten.
»Kann man Ihnen irgendwie behilflich sein?«, fragte eine distanziert klingende Frauenstimme vor der Kabine und nach einem Blick in den Spiegel, wo sich ihre Blicke trafen, lachten sie beide wieder hemmungslos los.
»Nein, danke, nicht mehr«, sagte Kaya schließlich mühsam beherrscht. »Wir haben alles ...«
Sina presste sich einen lilafarbenen BH mit weißen Herzchen an ihren Busen und beide gingen vor Lachen in die Knie. Kaya versuchte, ihr Handy auf Sina zu richten, aber auch das misslang, das Display zeigte ein völlig verwackeltes Bild zwischen dem dunkelbraunen Kabinenboden und Sinas Gesicht, das vor Hitze glühte.
Schließlich hatten sie sich so weit gefasst, dass sie wieder aus der Kabine hinauskonnten, aber der strenge Blick der Verkäuferin, die vor der Umkleidekabine lauerte, brachte sie nur wieder zum Lachen.
»Tut mir leid«, sagte Sina mühsam beherrscht, »sie waren alle so schön, dass wir uns nicht entscheiden konnten«, und dann stürmten sie Hand in Hand davon.
»Hier können wir uns nie wieder blicken lassen«, sagte Kaya am Ausgang des Kaufhauses, wo sie sich nach Luft schnappend vergewisserten, ob ihnen auch niemand gefolgt war.
Sina lachte noch immer. »Egal«, sagte sie. »Mit dem Filmchen bewerbe ich mich jetzt bei Germany's Next Topmodel!«
»Genau!«, Kaya stupste sie. »Und bis es so weit ist, lade ich dich jetzt erst mal zu einer Cola ein!«
»Hast du im Lotto gewonnen?«
»Nein, nur keinen BH gekauft.« Sie lachten wieder und gingen mit dem guten Gefühl, dass eine gute Freundin das absolut Beste ist, das es auf der Welt gibt, eng umschlungen zu ihrem Lieblingscafé.
Sina stach mit ihren blauen Husky-Augen immer aus der Masse heraus. Kaya war das schon gewohnt. Zuerst wurde Sina von niemandem so richtig wahrgenommen, aber sobald sie den Blick auf jemanden richtete, hatte sie gewonnen. Stets konnte man das Erstaunen im Gesicht der anderen sehen und auch die Jungs vergaßen dann, dass sie andere Mädels noch vor zwei Sekunden sehr viel attraktiver gefunden hatten. Sina war für ihre 15 Jahre nicht besonders groß und seitdem sie ihre Haare schwarz gefärbt hatte, fand Kaya sie auch nicht mehr so hübsch, aber offensichtlich hatten die schwarzen Haare in Kombination mit den stechend hellblauen Augen eine besondere Wirkung: Zumindest hatte sie ihren Johnny-Depp-Freund, wie Kaya ihn nannte, schon seit einigen Monaten. Kaya dagegen schlich noch immer um ihre große Liebe herum, ohne sie sich wirklich geangelt zu haben. Es war zum Verrücktwerden: So oft hatte sie schon das Gefühl gehabt, dass Chris, ihr blonder Wildfang, nun endlich in sie verknallt sei, und wenig später war sie sich seiner Liebe überhaupt nicht mehr sicher.
Kaya und Sina waren dicke Freundinnen und gemeinsam in einer Klasse, aber darüber hinaus verbrachten sie nicht sehr viel Zeit miteinander, denn Sina hatte vor allem Angst, was nicht auf zwei Beinen lief und Mensch hieß. Kaya dagegen war ein totaler Tiernarr. Sie liebte vom Marienkäfer aufwärts fast alles und war nicht nur eine totale Pferdenärrin, sondern seit neuestem auch Katzenliebhaberin. Valentin hieß das kleine Kätzchen, das Chris ihr geschenkt hatte1, und das nun zu Hause bei ihr eingezogen war und mit seiner drolligen Art selbst ihre viel beschäftigten Eltern erobert hatte. Nur ihre ältere Schwester Alexa stichelte immer mal wieder, dass das Nesthäkchen Kaya Privilegien genieße; bei ihr sei damals selbst eine kleine Ratte abgelehnt worden.
Sina und Kaya tranken eine Cola auf ihre coole Shoppingtour, stellten fest, dass in ihrem Lieblingscafé heute absolut nichts los war, und machten sich schließlich mit dem Bus auf den Heimweg, weil Kaya noch in den Reitstall musste. »Lieber wäre ich mit dir ja noch ins Kino«, lamentierte Sina kurz vor der Haltestelle. »Immer ist dein Pony wichtiger als ich.«
»Ist es gar nicht«, bestritt Kaya, aber gleichzeitig hatte sie das Bild von Sir Whitefoot vor ihrem inneren Auge und musste heimlich zugeben, dass der kleine Wallach in ihrem Leben die absolute Nummer eins war. Außer Chris vielleicht. Aber Sina gegenüber war das natürlich total ungerecht, deshalb hätte sie das niemals laut gesagt. Und außerdem konnte man das nicht vergleichen: Sina war ihre beste Freundin und würde das auch für immer bleiben. Lebenslang. Da gab es keinen Zweifel.
Es war ein milder Abend im Spätsommer und damit die perfekte Temperatur für einen schönen Ausritt: Noch immer warm, doch dabei schon ein bisschen herbstlich und deshalb ohne Mückenplage. Kaya freute sich schon, während sie Sina herzlich verabschiedete und dann zum Restaurant ihrer Eltern ging. Sie hatte es erwartet. Die Terrasse war bis auf den letzten Tisch besetzt. Kaya sah auf ihr Handy. Gleich 17 Uhr. Kaum zu fassen. Waren die alle noch vom Mittag übrig, oder warteten sie schon auf das Abendmenü?
Armer Papa, dachte sie, während sie durch den Hintereingang in die Küche ging. Tatsächlich, um ihn herum waren alle beschäftigt, er selbst stand am Herd und hantierte mit einem Fisch, einem Braten und einem Pfeffersteak gleichzeitig. Alle Kochstellen waren besetzt, der Backofen ebenfalls und der Dampfgarer zischte unheimlich. Ihre Mutter kam durch die zweiflügelige Tür hereingeschossen, heftete einige Bestellungen an, nahm die bereitstehenden Teller mit und war wieder weg. Sie hatte ihre Tochter nicht einmal bemerkt, also war sie wirklich im Stress. Kaya blieb an der Eingangstür stehen und überlegte, ob sie sich überhaupt bemerkbar machen oder am besten gleich wieder verschwinden sollte.
»Und? Hast du einen BH gefunden?«
Das war typisch ihr Vater. Irgendwie hatte er trotz allen Trubels immer die Ruhe weg.
»Nein, sie waren alle hässlich!«
Er drehte sich zu ihr um und lachte. »Sport-BH s sind ja auch nicht für die Disko gedacht. Wie schon der Name sagt ... hast du Hunger?«
Während er noch fragte, füllte er einen Teller mit safrangelben Nüdeli, einem Stück duftenden Braten, Brokkoli und einem ordentlichen Klatsch dunkler Bratensauce und stellte ihn auf den kleinen Tisch in der Ecke, den sie so liebte.
»Das Gemüse hättest du auch weglassen können«, maulte sie leise, während sie sich setzte.
»Hätte ich nicht, schließlich will ich es mir mit deiner Mutter nicht verderben«, erklärte Harry und stellte ihr ein großes Glas Wasser dazu.
»Aus dem Hahn?«
»Wieso nicht?«
»Leitungswasser?«
»Ja, und?«
»Ihhh!«
Ihr Vater drehte sich wieder zu seinem Herd um. »Cola ist purer Zucker und Leitungswasser wird täglich kontrolliert.«
Kaya beschloss nichts mehr zu sagen und sich im Stall eine Cola aus dem Automaten zu holen.
»Schmeckt lecker«, sagte sie, »danke!« Und während sie ihre Nüdeli auf die Gabel häufte, dachte sie an Valentin, ihren jungen Kater. »Ist Valentin im Haus?«
»Seitdem er die Katzenklappe hat, ist er ständig unterwegs. Aber sein Napf war leer, kannst ja nachher selbst mal nachschauen.«
Kaya nickte und spießte einen einzelnen kleinen Rosenkohl auf.
»Wahrscheinlich muss man ihn bald kastrieren, was meinst du? Sonst deckt er hier bald alle Katzen in der Umgebung.«
»Man muss ihn ein bisschen beobachten. Aber zu früh ist auch nichts. Wenn er so um die zehn Monate ist, vielleicht ...« Ihr Vater nickte ihr kurz zu. »Fährst du noch in den Stall?«, wollte er dann wissen, während er den Fisch in der Pfanne wendete und ein weiteres Steak anbriet.
Kaya kaute und nickte, und weil Harry nichts hörte, drehte er sich nach ihr um. Und wieder einmal dachte Kaya, dass sie mit ihren Eltern Glück gehabt hatte. Ihr Vater sah für seine 45 Jahre noch recht jung aus und war alles in allem ein echter Kumpel. Da kannte sie in ihrem Freundeskreis andere Väter-Kaliber. Und ihre Mutter war zwar strenger als ihr Vater, aber sie hatte trotz ihrer vielen Arbeit ein großes Herz.
Einzig ihre größere Schwester war ziemlich nervig, aber der konnte sie ja geschickt aus dem Weg gehen. Allerdings spielte Alexa den Trumpf, die Ältere zu sein, nur noch selten aus. Sie stand kurz vor dem Abi, hatte vor wenigen Wochen ihren Führerschein gemacht und war derzeit vor allem mit sich selbst beschäftigt.
Bi, die in der Küche für die Salate und die Desserts zuständig war, stellte ihr mit einem Augenzwinkern einen Eisbecher hin und sagte dabei zu Harry: »Wenn sie schon keine Cola ...«, und Harry sah ihr mit hochgezogenen Augenbrauen nach. »Das wäre ein Kündigungsgrund«, sagte er laut, »Bi, das weißt du schon!«
»Ohne mich bist du doch aufgeschmissen, Chef«, kokettierte sie mit ihrem asiatischen Akzent und Harry grinste, während er den Backofen öffnete. »Stimmt«, sagte er, aber das ging im Dampf unter.
Sir Whitefoot war ein kleiner Fuchs mit vier ebenmäßig weiß gezeichneten Beinen, einer breiten weißen Blesse, einer wilden Mähne und dem frechen Blick eines echten Ponys, das sich jeden Morgen fragt, was der Tag wohl Aufregendes bringen möge. Kaya liebte ihn von ganzem Herzen und lachte herzhaft über seine tollkühnen Streiche, derer er nie müde wurde. Auch jetzt wieder ging er auf der Koppel ausgerechnet den Größten an, forderte ihn steigend heraus, zwickte ihn und gab sich erst zufrieden, als der dunkelbraune Trakehner die Geduld verlor und hinter ihm herjagte.
Kaya stand mit ihrem Führstrick am Koppelzaun und sah zu, wie die beiden im gestreckten Galopp über die Wiese jagten, die anderen Pferde aufblickten und sich aus einer Laune heraus anschlossen. Allen voran Sir Whitefoot, der übermütig auskeilte und wilde Haken schlug. Wenn Glück Glück ist, dann ist das Glück, dachte sie und fand, dass sie diesen Gedanken gleich aufschreiben müsse. Morgen würde ihr das bestimmt nicht mehr einfallen. Sie ließ den Strick fallen, zog ihr neues Handy heraus, das sie zu ihrem 15. Geburtstag geschenkt bekommen hatte, und tippte den Satz als SMS an Chris. Das war so passiert, sie hätte gar nicht sagen können, warum eigentlich. Und dann war er auch schon gesendet. Im letzten Moment wollte sie es noch verhindern, aber da war die Nachricht schon raus.
Will you still love me tomorrow, dachte sie, weil es eines der Lieblingslieder ihrer Mutter war und sie die CD schon auswendig kannte. Chris konnte sie nicht fragen, also rief sie es Sir Whitefoot laut hinterher. »Liebst du mich morgen auch noch?«, brüllte sie, aber der war mit der ganzen Pferdemeute am anderen Ende der Koppel und hatte kein Ohr für sie. Und also auch keine Antwort.
Dafür Chris.
»???«, schrieb er zurück.
Kaya starrte auf die drei Fragezeichen und überlegt sich, wie sie nun am geschicktesten reagieren sollte. Noch immer vermied sie übersteigerte Liebesbezeugungen. Immerhin sollte er sich unsterblich in sie verlieben. Dass sie es bereits war, wusste sie ja schließlich selbst.
»Das verstehst du mal wieder nicht«, schrieb sie. »Das ist höhere Dichtkunst!«
»Übst du für deinen Monatsbrief?«, kam zurück und damit hatte er treffsicher ihre Achillesferse erwischt.
Sie war von der Jugendabteilung des Reiterringes zur Schriftführerin ernannt worden. Nein, eigentlich war sie selbst dran schuld gewesen, weil sie sich vorschnell gemeldet hatte, um in Chris’ Nähe zu sein. Aber das war wieder eine andere Geschichte. Jedenfalls war Chris der erste Vorsitzende und sie hatte nun die Aufgabe, jeden Monat die News über eine Reiterring-Rundmail an alle Mitglieder zu verbreiten. Das hatte sie sich selbst eingebrockt und daran knabberte sie schwer, zumal sie in Deutsch eigentlich eine totale Niete war.
»Die Sensationen für die Monatsnews habe ich schon im Kasten«, schrieb sie. »Aber von dir habe ich noch kein Wort gehört.«
Ha, ha, dachte sie. Jetzt mussten sie sich zusammensetzen, denn schließlich sollte er als Chef ja auch was dazu beitragen.
»Wann hast du Zeit?«, kam zurück.
Langsam, langsam, dachte sie. Er hat dich schon so oft zappeln lassen, jetzt bist du mal dran.
»Marvin wollte auch was beisteuern«, schwindelte sie. In Wahrheit wäre sie ohne Marvins Hilfe bereits an den ersten Rundbriefen kläglich gescheitert. Nicht ganz uneigennützig hatte er ihr damals geholfen2, ihr Gesicht zu wahren.
»Wer jetzt. Er oder ich zuerst?«, schrieb Chris zurück.
Ach, du süßer Chris, dachte Kaya. Für sie war das keine Frage. »Marvin heute, du morgen?«, schrieb sie zurück und biss sich vor Überlegenheitsgefühl auf die Unterlippe. So, dachte sie, jetzt hab ich dich!
»Ich schick dir ’ne Mail«, kam zurück. »Das scheint mir einfacher.«
Kaya starrte ihr Handy fassungslos an. Was? Eine Mail? War in der Jugendarbeit nicht Teamwork angesagt? Bedingungslose Zusammenarbeit? Was war denn das jetzt schon wieder?!?
»Einfacher ist nicht gefragt«, schrieb sie schließlich zurück. »Gut muss es sein!«
Hoffentlich habe ich die Kurve jetzt noch gekriegt, dachte sie, während sie auf seine Antwort wartete und Sir Whitefoot hinterhersah, aber nicht so richtig bei der Sache war.
»Willst du raus?«, die Stimme hinter ihr gehörte Minka. Um das zu erkennen, brauchte sie sich nicht extra umzudrehen. Aber dann tat sie es höflichkeitshalber doch, zumal dieses dumme Handy einfach nicht piepsen wollte.
»Am liebsten schon«, sagte sie und musterte Minka, die irgendwie anders aussah.
»Ist was?«, wollte die wissen und Kaya überlegte.
»Du bist geschminkt«, sagte sie nach kurzem Zögern.
»Sieht man das?«, Minka strich sich mit beiden Händen ihre dunkelbraunen Locken zurück.
»Ich schon.« Es war tatsächlich nur ein Hauch. Ein feiner, schwarzer Lidstrich, die Wimpern getuscht und die Augenbrauen gezupft und dunkler.
»Mein Vater reagiert allergisch auf Make-up, ich wollte mal einen kleinen Versuch starten und ihn langsam daran gewöhnen«, erklärte Minka ernsthaft, was Kaya zum Lachen brachte. Das konnte sie sich gut vorstellen. Herr Sonnig war der Typ Vater, der Minka zwar zu jedem Turnier kutschierte und auch bereitwillig zu Lehrgängen fuhr, aber seine Tochter sollte möglichst das liebe kleine Mädchen bleiben, das sie immer gewesen ist. Dabei war sie 14 und mitten in der Pubertät, was sie sich ihrem Vater gegenüber aber nicht zu zeigen traute.
»Sieht jedenfalls gut aus«, fand Kaya und dachte an ihre BH-Orgie mit Sina. Heute war offensichtlich der Mode-Tag. Ihr Handy piepste und wäre ihr deshalb fast aus der Hand gefallen. Chris hatte zurückgeschrieben. Ihr Pulsschlag erhöhte sich. Ein Wort stand da: »Gut«.
Gut? Das war wieder typisch. Jungs konnten so kommunikationsarm sein, dass es wirklich nervte. Hieß das jetzt, dass er sich bemühte, gut zu sein? Oder wollte er einfach nur die Diskussion abkürzen?
»Ist was?«, wollte Minka wissen und schielte auf ihr Handy.
»Ich muss meinen monatlichen Bericht zusammenstoppeln und Chris will einen Beitrag liefern.«
»Ach.« Minka nahm ihren Strick und schlüpfte zwischen den Koppelstangen hindurch. »Damit lass ich euch mal schön alleine. Berichte sind gar nichts für mich. Habe im letzten Aufsatz eine Vier kassiert, das reicht mir schon mal wieder für den Rest meiner Schulzeit – dabei hatte ich so ein gutes Gefühl!«
Kaya steckte ihr Handy weg und hob ihren bunten Führstrick vom Boden auf. Damit lasse ich euch mal schön alleine – wenn’s denn nur so wäre, dachte sie und lief neben Minka her. Minkas Schimmelpony hatte sich von der Gruppe abgeseilt und knabberte am hinteren Koppelende genussvoll einen Baum an. Sir Whitefoot rangelte noch immer mit Armageddon und zeigte keinerlei Ambitionen, den kleinen Wettkampf aufzugeben.
»Sir Whitefoot«, rief Kaya und streckte ihm eine Karotte entgegen. »Komm, komm schön!« Das Pony äugte zwar zu ihr herüber, kam aber keinen Meter näher. »Blöd«, sagte Kaya. »Der will mich verarschen.«
»Du musst das so machen«, erklärte Minka und zwitscherte: »Luhuhuxhyhy, kohohomm schöööön.« Und auch sie streckte eine Karotte in Richtung ihres Ponys, aber Luxury Illusion hob noch nicht mal den Kopf.
»Aha«, sagte Kaya, »so muss man das also machen?«
Sie prusteten beide vor Lachen los und machten sich daran, ihre Ponys einzufangen.
»Und wo reiten wir hin?«, fragte Kaya, nachdem sie die beiden Racker endlich geputzt und gesattelt hatten und aufgesessen waren. Minka zuckte die Achseln.
»Mach einen Vorschlag!«
»Wie lange ist es denn noch hell?«
Minka sah erst auf ihre Armbanduhr und dann zum Himmel. »Gestern war’s um sieben schon dunkel. Das weiß ich.«
Kaya nickte. »Dann wird es heute kaum anders sein«, grinste sie. »Also 40 Minuten. Lass uns zum Teich, da ist es schön, es gibt jetzt keine Mücken mehr und wir können ein bisschen planschen.«
Minka nickte. »Das letzte Mal lag beim Planschen eine drin ...«
»Das war Dark Boys Werk.« Kaya lachte bei der Erinnerung. »Aber Cindy ist ja heute nicht dabei.«
Sie waren eine Mädchenclique, die eine große gemeinsame Leidenschaft hatte: Pferde. Aber nicht alle hatten Eltern, die ein eigenes Pony finanzieren konnten. Minka hatte mit ihrem Luxy besonders Glück: Der Schimmel war nicht nur bildschön, sondern auch noch erfolgreich. Mit ihm hatte Minka schon so manche Platzierung im Springen und sogar einige Siege mit nach Hause gebracht. Für Kaya kam das eigene Pony wie ein großes Wunder: Sir Whitefoot war mit anderen Pferden im tiefsten Winter ausgesetzt worden, weil der Besitzer die Stallmiete nicht mehr bezahlen konnte3. Claudia, die Reitstallchefin, hatte die völlig abgemagerten Tiere aufgenommen und nach einem guten Platz gesucht. Und so bekam Kaya von ihren Eltern völlig unerwartet ein wunderbares wieherndes Weihnachtsgeschenk. Cindy war mit ihren 13 Jahren die Jüngste im Bund. Sie ritt oft Dark Boy, der es aber faustdick hinter den Ohren hatte und Cindy mit seinem Temperament oft zur Verzweiflung brachte. Reni war als Handballerin die Kräftigste. Sie pflegte SunnyDreamy